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Die wirtschaftliche Situation Vorarlbergs zu Beginn der NS-Herrschaft

Im Dokument VORARLBERGER BOMBENGESCHÄFTE (Seite 42-47)

vor dem IIAnschluß 11

4.4. Die wirtschaftliche Situation Vorarlbergs zu Beginn der NS-Herrschaft

Mit Gulaschkanonen fuhren Lastwagen der Deutschen Wehr-macht im März 1938 nach Österreich. um die angeblich hungern-de Bevölkerung hungern-der "Ostmark" von hungern-den Segnungen hungern-des Dritten Reichs zu überzeugen. Daß das nur ein propagandistischer Akt war. wurde bald klar, zumal die erwähnten Lastwagen oftvolibe-laden mit Lebensmitteln wieder ins Altreich zurückfuhren. Zudem gab es in Deutschland. wo die Wirtschaft ja schon seit langem auf die Bedürfnisse des zu erwartenden Krieges umgestellt war, eine Reihe von Waren nicht mehr. Die im Grenzgebiet zu Öster-reich Wohnenden nutzten daher die Möglichkeiten, die sich ihnen im März 1938 boten, und kauften in den benachbarten Ge-schäften der "Ostmark" solche Mangelartikel enmasse.1

Dies machte auf die Vorarlberger Bevölkerung nicht den besten Eindruck. So mußte beispielsweise schon bald ein "Aus-fuhrverbot" für weißes Mehl erlassen werden, nachdem Lind-auer die Bregenzer Geschäfte leergekauft hatten und die Versor-gung nicht mehr sichergestellt war. Die jetzt in Vorarlberg

Verant-wortlichen überlegten sogar ein generelles "Nahrungsmittelaus-fuhr-Verbot", wie einem Akt vom 7. April 1938 zu entnehmen ist?

Schon eine Woche zuvor hatte die Bezirkshauptmannschaft Bregenz dem landeshauptmann einen umfangreichen Bericht über Preissteigerungen und "Angstkäufe" übermittelt. Auch Einhei-mische hatten nämlich - so berichtete etwa das lagerhaus des landesverbandes der landwirtschaftlichen Genossenschaften in Bregenz - statt wie früher 5 bis 10 kg Mehl pro Monat plötzlich 50 bis 80 kg gekauft. Außerdem gab es etwa in Bregenz nach dem "Anschluß" einen Ansturm auf die verschiedenen Geldinsti-tute, wobei von der Kundschaft eine "erhöhte und außergewöhn-liche Abhebung der Spareinlagen vorgenommen" worden sei:

"Zu dieser Zeit setzte auch eine auffallend rege Kauftätigkeit bei den Kleider-, leder- und Stoffwarengeschäften ein. Insbe-sondere groß war die Nachfrage und der Einkauf von Wollstof-fen."3

Ursache für diesen Kaufboom auch der einheimischen Bevölke-rung war die Angst vor einem ungünstigen Umwechselkurs vom Schilling zur Reichsmark. Angeblich soll im Schweizer Radiosen-der von einem Kurs von 1,- RM zu 2,5

Os

die Rede gewesen sein, aber auch der wirkliche Umrechnungskurs von 1,- RM zu 1,5

Os

entsprach sicherlich nicht der Kaufkraft.4

Die Ausgabenfreudigkeit breiter Schichten der Bevölkerung nach dem "Anschluß" spiegelt sich übrigens auch bei einem für die Konsumfreudigkeit und -fähigkeit sicherlich nicht ganz untypischen Indikator wider dem Bierverbrauch. Der stieg nämlich -aus welchen Gründen auch immer - mit Beginn der

Nähme man den Bierverbrauch als Maßstab für die Hoffnungen der Menschen, wäre es um die demokratische Gesinnung der Vorarlberger schlecht bestellt gewesen: Der Übergang von der

austrofaschistischen zur nationalsozialistischen Herrschaft wurde mit dem fast doppelten Bierkonsum von 115.302 hl gefeiert, zu Be-ginn der Zweiten Republik waren es dann gerade noch 22.645 hl.

Österreich war keineswegs jener "arme Bruder" des "reichen"

Deutschland, wie dies von der nationalsozialistischen Propagan-da so effektiv immer wieder behauptet worden war. Ganz im Gegenteil hatte das land sowohl bei den Gold- und Devisen-reserven als auch bei den Bodenschätzen eine bedeutend bessere lage als das Deutsche Reich aufzuweisen. Nur an der Nutzung dieser an sich relativ günstigen Situation hatte es all die Jahre hindurch gemangelt.6

Mit dem von den Austrofaschisten gesparten Geld gingen nun die Nationalsozialisten ans Werk. So berichtet der am 13. März 1938 als Finanzreferent in die Vorarlberger landesregierung beru-fene Dr. Harald Eberl nach 1945:

"Ich sah meine Aufgabe erstens darin, das beachtliche lan-desvermögen im Betrag von etwa 14 Millionen Reichsmark zur Verwendung im lande zu erhalten und zu diesem Zweck alle Unternehmungen, auf welche das land Einfluß hatte, rasche-stens auszubauen."7

Nach einer ersten Überprüfung der landesfinanzen durch die neuen Machthaber konnte daran gegangen werden, die Pläne Eberls wahrzumachen. Bereits am 19. Mai 1938 informierte der Vorarlberger landeshauptmann der Reichsstatthalter in Wien über eine geplante Abänderung des Landesvoranschlages von 1938, der Ausgaben von nur 9,2 Millionen Schilling vorgesehen hatte.8 In einem Aktenvermerkwurde dazu festgehalten:

. "Die Ausgabensätze des bisher ausgeglichenen Haushalts wer-den um insgesamt 7,3 Mill. Schilling erhöht; hievon treffen rund 2,5 Mill. auf die 'Erfolgsgebarung' und 4,8 Mill. auf den Kapi-talverkehr (in der Hauptsache Kapitalerhöhung von Elektrizi-tätswerken). Von der Erhöhung der Erfolgsgebarung entfallen rund 2,2 Mill. Schilling auf Ausgaben für die Arbeitsbeschaf-fung.

Der entstehende Mehrbedarf soll, soweit er nicht durch erwar-tete Steuererhöhungen gedeckt wird, aus Rücklagemitteln auf-gebracht werden.

Die Vermögenslage des landes Vorarlberg scheint günstig zu sein:'"

Eberl hatte im September 1938 als "kommissarischer Präsident"

In größeren Gemeinden des Landes entstanden zu Beginn der NS-Herr-schaft Siedlungen für "verdiente Kämpfer der Bewegung". Im Bild die 55-Siedlung auf dem Dornbirner Zanzenberg im Jahre 1939.

im Auftrag von Gauleiter Plankensteiner auch die Führung der Vorarlberger Handelskammer übernommen und diese Funktion bis zur Auflösung und Eingliederung in die Gauwirtschaftskam-mer für Tirol und Vorarlberg zu Beginn des Jahres 1943 ausgeübt.

In Vorarlberg verblieb von 1943 bis 1945 nur noch eine Geschäfts-stelle der Gauwirtschaftskammer - mit Sitz in Dornbirn.lO

In der Zeit vom März 1938 bis zum September desselben Jah-res hatte übrigens der letzte österreichische Handelskammerprä-sident Hans Ganahl seine Funktion weiter ausüben können. Wie oben dargestellt war er politisch ja durchaus nicht als unzuver-lässig einzustufen. Ganahl war übrigens erst kurz vor Torschluß", am 2. Februar 1938, zum Präsidenten ernannt worden. Als Vor-sitzender der Landesgruppe des Bundes Österreichischer Industri-eller und Urenkel von Carl Ganahl einerseits und Franz Martin Hämmerle andererseits war er von den austrofaschistischen Machthabern nicht zu umgehen gewesen.lI

Der Start der Nazis in Österreich im allgemeinen und in

Vor-arlberg im besonderen war in wirtschaftlicher Hinsicht sehr gut.

Insbesondere die Bauwirtschaft erhielt Großaufträge, was in der Folge auch vielen anderen Wirtschaftsbereichen zugute kam. Die großen Warenlager wurden durch reichsdeutsche Hamsterkäu-fer schnell abgebaut. Das führte zumindest kurzfristig zu einem Aufschwung in der Textilindustrie und im Handel. Dieser profitier-te auch von der schnellen Beseitigung der Arbeitslosigkeit und dem dadurch steigenden Geldumlauf. Dennoch sollten sich vie-le Erwartungen als nicht erfüllbar erweisen.

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