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Die Textilwirtschaft

Im Dokument VORARLBERGER BOMBENGESCHÄFTE (Seite 95-106)

vor dem IIAnschluß 11

6. Die Entwicklung der wichtigsten Wirt- Wirt-schaftsbereiche

6.2. Die Textilwirtschaft

Zu Beginn der NS-Herrschaft in Österreich hatte es in der Textil-wirtschaft noch Kurzarbeit gegeben. Sie konnte dank der Bele-bung der Wirtschaft schon bald nach der Machtübernahme praktisch beseitigt werden. Aber die Textilindustrie bekam in den reichsdeutschen Vierjahresplänen keineswegs den Stellenwert den die hiesigen Unternehmer gerne gehabt hätten. Viele arbeitslose Textilarbeiter wurden in den Jahren 1938 und 1939 nicht durch eine gute Konjunktur in der Textilindustrie wieder be-schäftigt sondern durch Dienstverpflichtungen an Baustellen im Walgau und im Montafon.

Dr. Eberl - er war nicht nur Finanzreferent der Landesregie-rung, sondern auch Aufsichtsratsvorsitzender der IIlwerke und kommissarischer Leiter der Industrie und Handelskammer -mußte im Herbst 1938 entsetzt feststellen, daß für die Vorarlberger Textilindustrie überhaupt keine Kriegsaufträge vorgesehen wa-ren. Der größte Teil der Arbeiterschaft hätte demnach - so Eberl in seinem Bericht - nach Berlin transferiert und dort in der Rü-stungsproduktion eingesetzt werden sollen. Eberl fuhr mit den wichtigsten Industriellen des Landes nach Berlin ins Reichswirt-schaftsministerium und erreichte eine Abänderung der Pläne: Die hiesige Textilindustrie wurde in den folgenden Monaten mit Auf-trägen für die Wehrmacht bedachf.1

Das war ein großer Erfolg und zeigte eine Bevorzugung der Vorarlberger Textilindustrie, denn im Altreich hatte es schon früh Probleme für die Baumwollindustrie gegeben. Ab Sommer 1935 gab es einen eklatanten Baum- und Zellwollmangel und in der Folge Entlassungen und Kurzarbeit. Im März 1937 kam es dann zu ersten StHlegungen von Baumwollspinnereien?

Von den im Herbst 1938 für die Vorarlberger Textilindustrie er-langten Aufträgen konnte allerdings ein Bereich der Textilwirt-schaft nicht profitieren: die Stickereien. Sie waren nach dem "An-schluß" in eine schwere Krise geschlittert, die sogar vom national-sozialistischen Vorarlberger Tagblatt nicht verschwiegen wurde.

Dort hieß es am 31. Dezember 1938:

"Ein Sorgenkind war und ist die Stickerei. Der Rückschlag, der durch die geänderten Zollverhaltnisse, den Judenboykott und die infolge der Kursverhältnisse gesteigerten Einkaufspreise für Halbfabrikate entstand, war sehr stark und führte in den

soge-nannten Stickereigemeinden zu sehr bedenklichen Folgeer-scheinungen."3

Zur damaligen Zeit - so ist dem Artikel zu entnehmen - seien etwa 70 Prozent der Kapazitäten ausgelastet, womit man wieder den Stand vor dem "Anschluß" erreicht habe. Dies sei durch eine Steigerung des Inlandabsatzes erreicht worden. Für das kom-mende Jahr 1939 hoffe man auf eine Vollauslastung der Maschi-nen und auf Vollbeschäftigung. Doch mit Hoffnungen und Wün-schen war der extrem exportabhängigen Stickereiindustrie auf

Dauer nicht zu helfen. .

Die Sticker hatten zwar trotz aller Schwierigkeiten zu Beginn des Jahres 1939 mit Holland einen neuen Exportmarkt für ihre Pro-dukte erschlossen, mit Kriegsbeginn, so meldete die Wehrwirt-schaftssteIle Innsbruck, müsse aber mit dem Verlust dieser Ab-satzmöglichkeit gerechnet werden.4

Die Prognose sollte sich bewahrheiten. Der Export an Platten-stichstickereien Deutschlands ging von 1939 auf 1940 von 4.247 Doppelzentnern auf etwa ein Viertel - 1.047 Doppel-zentner - zurück. Der Anteil Vorarlbergs an der reichsdeutschen Plattenstichstickerei dürfte etwa 70 Prozent betragen haben.5

Im Sommer 1940 - also mitten in der Absatzkrise - analysierte die WehrwirtschaftsteIle Innsbruck die Situation der Stickereien folgendermaßen:

"England drückt sehr stark auf die Schweizer Stickerei-Indu-strie, um zu verhindern, daß im Wege des Stickerei-Verede-lungsverkehres irgendwelche Arbeiten ins Reich (Vorarlberg) vergeben werden. Die Engländer verlangen in dieser Hinsicht Verpflichtungserklärungen und behalten sich vor, allen denje-nigen die Zertifikate für die Ausfuhr nach England oder dessen Kolonien zu verweigern, die sich für die Unterfertigung solcher Verpflichtungserklärungen nicht entschließen. Durch diese Hal-tung wird indirekt jeder wirtschaftliche Verkehr mit dem Reich unterbunden."6

Bis zum Kriegsende produzierten die Vorarlberger Stickereien im wesentlichen nur noch gesteppte Winterbekleidung für die Ost-gebiete. Diese Arbeit hatte natürlich keinen Zusammenhang mit der Stickereiindustrie, wenn man davon absieht daß die Stepp-arbeiten auf Stickmaschinen ausgeführt wurden. Die folgende Statistik ergibt daher ein trügerisches Bild:

Umsatz und Export der Vorarlberger Stickereien7 Die scheinbare Ausweitung der Produktion in den ersten Kriegs-jahren wurde nicht durch typische Stickereiprodukte, sondern durch Stepparbeiten erzielt. In bezug auf die Stickereien ist da-her der Export aussagekräftiger - und der sank von 1937 auf 1943 um 95,6 Prozent. Immerhin aber konnten die Betriebe praktisch bis Kriegsende weiterproduzieren.

Auch in anderen Bereichen der Textilwirtschaft war die Situa-tion Ende 1939 - also nach Kriegsbeginn - äußerst bedenklich.

Die Wehrwirtschaftsinspektion Innsbruck hatte die wichtigsten Be-triebe überprüft und dabei eine besorgniserregende Lage fest-gestellt. In einem Bericht vom 22. Oktober 1939 hieß es:

"Ungenügend beschäftigt ist infolge der beschränkten Roh-stoffzuteilung nach wie vor die Vorarlberger Textilindustrie. Kür-zere Arbeitszeit u(nd) Entlassungen von Gefolgschaftsmitglie-dern sind eingetreten bei:

Firma Herrburger & Rhomberg, Dornbirn Firma F. M. Hämmerle, Dornbirn

Firma Schindler & Co, Kennelbach

Firma Kammgdrnspinnerei Schoeller, Bregenz Firma Wilhelm Benger's Söhne, Bregenz.

Mit Betriebsstillegung ist zu rechnen bei:

Firma Seidenbandweberei C. Boss, Bregenz ... sowie bei der Seilerei Lotteraner, Wüstner & Co. Mellau:'8

An anderer Stelle wurde schon im Detail darauf verwiesen, weI-ches Ausmaß diese Kündigungen und die Kurzarbeit nach Kriegs-beginn im Herbst 1939 annahmen: 400 Entlassungen bei F. M. Hämmerle, 200 bei Franz M. Rhomberg, 170 bei den Textil-werken Schindler & Co. in Kennelbach, 150 bei der Kammgarn-spinnerei Schoeller in Bregenz usw.9

Noch vor der Winterarbeitslosigkeit spitzte sich somit nach Kriegsbeginn die Situation am Vorarlberger Arbeitsmarkt zu. Die

"Wehrwirtschaftsstelle Innsbruck" registrierte im Bereich Vorarl-bergs Ende Oktober 1939 etwa 1.500 entlassene Textilarbeiter, die größtenteils an Großbaustellen im Montafon vermittelt werden konnten. Daneben gab es im land allein in der Textilindustrie fast 10.000 Kurzarbeiter.lO

In dieser Situation kam es verschiedentlich zu Unruhe unter der betroffenen Arbeiterschaft.n Die Behörden sahen sich gezwun-gen, Aufträge für die notleidende Textilindustrie zu beschaffen.

Aus dem lagebericht der Wirtschaftsinspektion Innsbruck vom 10.Jänner 1940 geht dies hervor:

"In den Textilbetrieben Vorarlbergs und Tirols gehen vermehrt Wehrmachtsaufträge ein .... Die dort recht stark vertretene Tex-tilindustrie ist zu rund 50 % jetzt für die Wehrmacht tätig."12 In anderen Zentren der Baumwollindustrie war die Situation im Winter 1939/40 ähnlich. Auch in Augsburg kam es damals zu Ent-lassungen und Kurzarbeit. Während die Behörden aber in Vorarl-berg mit Wehrmachtsaufträgen dieser Entwicklung gegensteuer-ten, geschah andernorts meist nichts. Dort wurden Textilarbeiter häufig in Rüstungsbetriebe oder in die landwirtschaft abgezo-gen. So beispielsweise in der Textilstadt Augsburg:

"Angesichts des weiter steigenden Personalbedarfs der Rü-stungsindustrie versuchten die Textilunternehmer durch Abga-be von rund 2500 ArAbga-beitskräften auftauchenden Plänen zur völligen Schließung von Betrieben zuvorzukommen. Die Kurz-arbeit dauerte aber trotz dieser 'Auskämmung' an. Im Juni 1940 wurden Hunderte von kurzarbeitenden Textilarbeitern zur Heuernte geschickt. Die durchschnittliche Kapazitätsausla-stung der Baumwollindustrie lag zu diesem Zeitpunkt bei 50 Prozent, und die Textilbetriebe hatten bis dahin durch Um-setzungsmaßnahmen 38 Prozent ihres Personals eingebüßt."13 Im oben zitierten Bericht der Wirtschaftsinspektion Innsbruck vom Jänner 1940 wird auch darauf hingewiesen, daß die

wirtschaftli-Vor dem "Anschluß" unterstützten wirtschaftli-Vorarlberger Textilunternehmen offen-sichtlich nicht nur die illegalen Aktivitäten der hiesigen Nationalsoziali-sten, sondern auch solche in anderen Bundesländern. Hier ein Dank-schreiben von "Illegalen" aus der Steiermark an die Firma Franz M. Rhomberg tür die "in schwerer Zeit".

che Situation der Betriebe aufgrund per mangelnden Versor-gung mit Rohstoffen - besonders Baumwolle - dennoch sehr schwierig sei und die Schließung einiger Betriebe notwendig werden könnte. Die Umstellung der entsprechenden Firmen auf Wehrmachtsgeräteherstellung sei sehr schwierig, da kaum ent-sprechende Maschinen zur Verfügung ständen.14

Das Problem der Rohstoffknappheit war für die Textilindustrie nur schwer lösbar. Die von der Wehrmacht gewährten Aufträge sicherten zwar vorerst die Weiterführung der Betriebe, gegen die Rohstoffknappheit allerdings waren auch die Berliner Stellen machtlos.

Für die ehemaligen Förderer der NSDAP aber schaute die Situation freundlicher aus. Während anderen kaum noch Baum-wolle zugeteilt wurde und sie günstigstenfalls genügend Zellwol-le erhielten, wurden die Dornbirner Großunternehmen schon in den Monaten zuvor bevorzugt beliefert. Auch in anderen Ge-meinden des Landes war das SO.15

Die Ortsgruppenleitung der NSDAP in Lauterach beschwerte sich im Sommer 1939 in einem Brief an die Kreisleitung in Bre-genz, daß die Unzufriedenheit der Bevölkerung über die wirt-schaftliche Lage deshalb so groß sei, weil die ansässigen Kleinbetriebe bei der Zuteilung von Rohstoffen offensichtlich be-nachteiligt würden. Man müsse feststellen, "daß die Klöppeleien viel zu wenig Baumwolle und fast gar keine oder gar keine Zell-wolle bekommen, während die großen Textilbetriebe in Dornbirn gut versorgt sein sollen und sogar Lohnarbeit ausgeben wollen".16

Im Sommer 1940 halfen dann auch die guten politischen Be-ziehungen nicht mehr weiter - zu gravierend war der Rohstoff-mangel inzwischen geworden. Von einer anhaltend schlechten Versorgungslage im Bereich der Vorarlberger Textilindustrie be-richtet der Sicherheitsdienst der Gestapo am 20. Juni 1940:17

"Nach Meldungen der Vorarlberger Textilindustrie lassen die im Verhältnis zu den Aufträgen stets knappen Anlieferungen an Zellwolle kaum mehr eine Bevorratung zu. Eine gewisse Bevor-ratung sei aber zur unbehinderten laufenden Fertigung not-wendig, da andernfalls geringste Stockungen in der Zufuhr durch Transportschwierigkeiten sofort Betriebsstockungen zwangsläufig auslösen. Die ehemals vorhandenen geringen Vorräte wären bereits nach Änderung des Mischungsverhält-nisses mit Baumwolle zugunsten von Zellwolle bedeutungslos

geworden. Aus diesem Grunde mußten infolge plötzlich aufge-tretenen Warenmangels erst vor kurzer Zeit Abteilungen der Baumwollspinnerei Ganahl & Co. in Feldkirch ... ihre Produktion zeitweise einstellen."

Nicht nur die mengenmäßige Belieferung durch die Zellwolle AG in Lenzing wurde kritisiert, sondern auch die gelieferte Qualität, die zu großen Schwierigkeiten bei der Verarbeitung führe.18

Viele Betriebe stellten aufgrund der Schwierigkeiten um und begannen. Nähabteilungen einzurichten. um fertigkonfektionier-te Waren auf den Markt zu bringen.19 Nicht wenige auch versuch-ten sich in der Rüstungsfertigung als "Unterlieferer" für ein reichs-deutsches Unternehmen.

Ende 1939 war beispielsweise die Textilfirma F. M. Hämmerle -neben anderen Vorarlberger Firmen aus dem Bereich des Maschinenbaus und der Metallverarbeitung - in ein Munitionsfer-tigungsprogramm eingebunden worden und sollte Handgrana-ten herstellen.20

Eine andere große Firma benutzte offenkundig die politischen Beziehungen des Firmenchefs. um Aufträge für die Herstellung von Fallschirmen zu erhalten. Hermann Rhomberg. er war "Be-triebsführer" von Franz M. Rhomberg. war zum "Luftwaffenbeauf-tragten" des Reichsluftfahrtministeriums und zugleich zum Be-zirksbeauftragten der Rüstungskommission im Wehrkreis XVIII be-. stellt worden. In mehreren Schreiben an das Bekleidungsamt der Luftwaffe und an andere Stellen bemühte sich daraufhin die "Ab-teilung Luft" der Rüstungsinspektion Salzburg um Aufträge spe-ziell für diese Firma. Das Kriegstagebuch vermerkt etwa am 18.

Dezember 1939. daß um "Berücksichtigung der Fa. F. M. Rhom-berg in Dornbirn bei der Vergebung von Fallschirmseide gebe-ten" werde?1

In anderer Hinsicht wurden in der Folge alle großen Vorarlber-ger Textilunternehmen bevorzugt. Mitte 1940 gingen von den Ge-samtaufträgen. die· von der Wehrmacht an die Baumwoll- und Leinenindustrie des Wehrkreises XVIII (Steiermark Kärnten. Salz-burg. Tirol-Vorarlberg) vergeben wurden. 73.1 Prozent ins "Ländle".

was einer Gesamtauftragsmenge von monatlich 552.000 m ver-schiedener Stoffe entsprach. Die Firma F. M. Hämmerle hatte dabei als Branchenleader mit einer Auftragsmenge von 315.000 m -dazu kamen noch andere Großaufträge - den größten Anteil.22

Die von der Wehrmacht in diesem Wehrkreis insgesamt

verge-benen Aufträge für Trikothemden von monatlich 47.500 und von Trikotunterhosen von monatlich 71.500 Stück gingen allesamt an fünf Vorarlberger Firmen - Benger in Bregenz, Komerell und Mathis in Hohenems, Hubers Erben und Heuß in Götzis. Hier er-hielt die Firma Hubers Erben mit jeweils etwa zwei Dritteln den Löwenanteil der Aufträge. Auch die Aufträge für Mull (Schind-ler & Co., Ganahl & Co., Getzner, Mutter & Cie.), Ballonstoffe (F.

M. Hämmerle), Schlupf jacken (Philipp Mäser), Anstrickwolle (Wollgarnspinnerei Schoeller) und Kunstseidenstoff (Franz M.

Rhomberg) gingen praktisch ausschließlich nach Vorarlberg.23 Dennoch wurde mit Verlauf des Krieges die Rohstoffversor-gung laufend schwieriger. Das Rüstungskommando Innsbruck hielt am 18. September 1941 fest:

"Verschiedene Vorarlberger Textilfirmen, an erster Stelle Firma F. M. Hämmerle, Dornbirn, befürchten in absehbarer Zeit größere Betriebseinschränkungen wegen Baumwollmangel (Ostkrieg)."24

Das Rüstungskommando gab den Firmen den Rat, sich mit den Dornier-Werken in Friedrichshafen in Verbindung zu setzen. Von dort kam die Auskunft, daß umgehend Arbeiten für etwa 200 Arbeiter vergeben werden könnten. Die Firma Hämmerle überlegte, ob nicht in der Weberei Sägen im Hochbau und im Werk Mittenbrunn in vier Räumen auf insgesamt 2.000 m2 eine entsprechende Fertigung eingerichtet werden könnte. Das Rüstungskommando vermerkte:

"Da es sich bei den in Frage kommenden weiblichen Arbeits-kräften fast nur um Weberinnen und Spinnerinnen mit beson-derer Fingerfertigkeit handelt, erschiene eine Massenfertigung von Kleinteilen bzw. die Montage solcher am geeignetsten (etwa Kleinkondensatoren u. ähnl.):'25

Statt branchenfremde Arbeiten zu verrichten, wäre natürlich die Firma Hämmerle lieber auf die Produktion von Fallschirmen umgestiegen. Sie hätten komplett - also einschließlich der Kon-fektionierung - hergestellt werden können. Die Firma hatte be-reits Erfahrungen mit Kunstseide gesammelt und besaß 800 Sei-denwebstühle und eine eigene Schlichterei. Abschließend mein-te das ROstungskommando:

"Eine solche Fertigung hinge jedoch davon ab, ob IG Farben noch ein größeres Kontingent in Spezialseide zur Verfügung stellen kann.

Alle genannten Belegungsarten hätten den Vorteil, daß sowohl geeignete Räume wie auch geeignete Arbeitskräfte bereits vorhanden sind. Auch würden keine oder nur wenige un-schwer zu beschaffende Maschinen zusätzlich benötigt. Der Zeitpunkt wäre günstig, auf diese Weise die ausgezeichnet ge-führte Textilindustrie Vorarlbergs in das künftige große

Luftrü-stungsprogramm einzuspannen:'26 .

Der Zeitpunkt war günstig: Mit Kriegsverlauf verbesserte sich -verglichen mit der Lage im gesamten Reich - die Situation der großen Textilbetriebe des Landes. Der für die Wirtschaft im Wehr-kreis XVIII zuständige Reichsstatthalter in Salzburg richtete am 11. Februar 1942 ein Schreiben an den Reichswirtschaftsminister, in dem er im Sinne der von dort angeordneten Maßnahmen zur

"Konzentration und Rationalisierung" zugunsten der vordringli-chen Schwerpunktfertigung anregte, vor allem Aufträge für Textil-fertigungen nach Vorarlberg und Tirol zu vergeben. Er wies auf die technisch gut ausgestatteten Spinnereien, Webereien und Ausrüstereien hin, die bereits größtenteils für die Wehrmacht tätig, wegen der Rohstoffknappheit aber nicht voll ausgelastet seien.

Insbesondere aus dem mitteldeutschen Raum könnten - so mein-te der Reichsstatthalmein-ter - Kapazitämein-ten sttllgelegt und nach Vorarl-berg bzw. lirol verlagert werden, da es dort neben der Textil-auch eine "stark zusammengeballte Rüstungsindustrie" gebe, in die die freiwerdenden Arbeitskräfte einbezogen werden könnten?'

Schließlich -kam es gegen Kriegsende zu einer ganzen Reihe von Verlagerungen - allerdings in einer anderen Form. Denn speziell ab 1943/44 wurde die Textilindustrie massiv zurückge-drängt. In den dadurch freigewordenen Produktionsstätten konn-ten Rüstungsbetriebe hauptsächlich der Metallbranche ihre Ferti-gung vornehmen. Der Leiter der Wirtschaftsgruppe Textilindustrie und somit zuständige für die gesamte Textilindustrie des Reichs, Dr. Otten, verwies in einem Schreiben vom 11. Februar 1944 auf die Tatsache, daß die seit 1943 durchgeführten Verlagerungen von Rüstungsbetrieben in Textilunternehmen "mit besonders gu-tem Erfolg aufgenommen worden sind".28

Es wurden aber auch Textilbetriebe nach Vorarlberg verlagert.

Daraus entwickelten sich nach 1945 einige Vorarlberger Unter-nehmen, etwa die Firmen R. Horais in Feldkirch, das Unterneh-men Malin &. Co., Berufskleiderfabrik in Rankweil, oder die Firma

Rengo G.m.b.H. in Silbertal, die nach 1945 Büstenhalter, Korsetts und Damenwäsche herstellte. Die nachhaltigste Wirkung hatte die Verlagerung des Mannheimer Unternehmens Hans Bäumler, damals praktisch ausschließlich für die Wehrmacht arbeitend, nach Hohenems. Diese Firma ist heute einer der größten Herren-konfektionsbetriebe - nicht nur in Vorarlberg.29

Die Bekleidungsindustrie des Landes nutzte den in der NS-Zeit anfallenden Bedarf an Uniformen und expandierte kräftig. Das gilt insbesondere für das Götzner Unternehmen Johann Peter Mayer &. Söhne und die Firma Richard Kundruweit in Egg.

Das Unternehmen Johann Peter Mayer &. Söhne wurde im Jah-re 1900 in Götzis gegründet. Schon ab 1930 hatte sich die Firma für Herrenoberbekleidung auf Uniformen für Offiziere, die Zoll-wache und die Gendarmerie spezialisiert.30 Am 14. August 1942 wurde die Firma zum Wehrwirtschaftsbetrieb ernannt und be-schäftigte am 29. Februar 1944 bereits 112 Personen, die auf einer Betriebsfläche von 1.800 m2 arbeiteten.

Die Kleiderfabrik Richard Kundruweit in Egg war seit dem 5. Februar 1942 Wehrwirtschaftsbetrieb. Die Firma arbeitete hauptsächlich für das Heeresbekleidungsamt in Salzburg. Im Fe-bruar 1944 waren in diesem Betrieb insgesamt 63 Personen beschäftigt, denen 410 m2 Produktionsfläche zur Verfügung standen.31

Die Schrunser Schafwollwarenfabrik Heinrich Mayers Nachfol-ger wurde am 5. Februar 1942 zum Wehrwirtschaftsbetrieb und fertigte vor allem Lodenstoffe und Drillichhosen ebenfalls für das Heeresbekleidungsamt in Salzburg. Am 1. Februar 1944 waren in diesem Betrieb insgesamt 29 Personen beschäftigt.32

Auch Firmen für Unterwäsche bzw. Trikots wuchsen: Ing. Rudolf KommereIl &. Co. in Hohenems, Josef Hubers Erben in Götzis oder Leopold Bischofs Söhne in Bezau.

In der Nachkriegszeit sah man diese Entwicklung der Vor-arlberger Textilwirtschott - insbesondere der Wirk- und Strickwa-renindustrie - durchaus positiv:

"Als Österreich im Jahre 1938 in das Großdeutsche Reich einge-gliedert wurde, erlebte die Vorarlberger Wirk- und Strickwa-renproduktion gute Zeiten",33

heißt es 1950 in einer Veröffentlichung der Vorarlberger Handels-kammer.

Die Textilindustrie - das kann festgehalten werden - übersk:md

Ohne Wehrmachtsaufträge hätten viele Textilfirmen in der NS-Zeit nicht weiterbestehen können. Die Schrunser Firma Heinrich Mayers Nachfol-ger wurde am 5. Februar 1942 zum Wehrwirtschaftsbetrieb erklärt und fertigte vor allem Lodenstoffe und Drillichhosen.

die NS-Herrschaft und den Zweiten Weltkrieg relativ gut. Das vor allem unter dem Gesichtspunkt, 'daß dieser Industriezweig im Reich schon vor dem "Anschluß" mit großen Problemen zu kämp-fen hatte und im deutschen Vierjahresplan nur einen untergeord-neten Stellenwert einnahm.

Mit Kriegsbeginn wurde die hiesige Textilindustrie - weit mehr als die Konkurrenz im Altreich - mit Wehrmachtsaufträgen be-dacht.

Dies war unter anderem deshalb geschehen, weil die Eigentü-mer der großen Textilbetriebe des Landes schon in der "illegalen Zeit" sehr enge Verbindungen zur NSDAP hatten und diese tat-kräftig unterstützten. Nach dem "Anschluß" erhielten Männer wie Hermann Rhomberg, Gustav Wagner-Wehrborn, Hans Ganahl und andere auch hohe Funktionen inden entscheidenden Wirt-schaftsgremien.

Insbesondere der "Betriebsführer" von Franz M. Rhomberg, Her-mann Rhomberg, machte eine steile Karriere und wurde zum

"Luftwaffenbeauftragten" des Reichsluftfahrtministeriums, zum Bezirksbeauftragten der Rüstungskommission für den Wehrkreis XVIII und zum Vizepräsidenten der Handelskammer für den Gau Tirol-Vorarlberg bestellt.

Rhomberg gelang es, Aufträge für die großen Vorarlberger Be-triebe - insbesondere für seinen eigenen - zu erhalten. Gemein-sam mit F. M. Hämmerle stieg sein Unternehmen schließlich auch zu einem der bedeutendsten Rüstungsbetriebe des Landes auf -einerseits durch Umstrukturierungen, andererseits durch Neugrün-dungen bzw. den Ankauf des größten hiesigen Metallbetriebes.

Darauf wird andernorts genauer einzugehen sein.34

Mit Kriegsbeginn gab es zwar Auftragseinbrüche, diese konn-ten aber teilweise durch die Übernahme von Unteraufträgen für die Rüstungswirtschaft aufgefangen werden, sodaß Betriebsstill-legungen größtenteils verhindert wurden.

Von der Stickerei abgesehen, für die es während des Krieges naturgemäß kaum mehr Aufträge gab, gelang es der Vor-arlberger Textilindustrie, ihre Kapazitäten im wesentlichen auf-recht zu erhalten. Erst im Zuge der großen Verlagerungsaktionen ab 1943 mußten einige Produktionsräume für die Rüstungsindu-strie bereitgestellt werden.

Im Dokument VORARLBERGER BOMBENGESCHÄFTE (Seite 95-106)