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Wirkstoffverschleppungen in die Stallumgebung

5. Diskussion

5.5 Wirkstoffverschleppungen in die Stallumgebung

Wie schon in der Literaturübersicht unter 2.5.2 beschrieben, wurden Antibiotikakon-taminationen der Umwelt im Zuge einer Arzneimittelbehandlung von Tieren bereits mehrfach aufgezeigt (ELLIOTT et al. 1994; KIETZMANN et al. 1995; HAMSCHER et al. 2003; ZESSEL 2012; SCHERZ 2013; REUPKE 2014; WIDYASARI-MEHTA et al. 2016). Nicht nur die orale Gabe eines Antibiotikums über das Futter kann zu Wirkstoffverschleppungen führen, sondern auch eine parenterale Arzneimittelapplika-tion (BEYER 2014; REUPKE 2014).

Bislang sind jedoch wenige Studien vorhanden, die den Einfluss der Verwendung verschiedener antibiotikahaltiger Futtermittelformulierungen auf den Eintrag von Wirkstoff in die Umgebung erforscht haben. Deshalb wurden im Rahmen der vorlie-genden Arbeit verschiedene wirkstoffhaltige Formulierungen mit unterschiedlicher Festigkeit (Mehl, Pellet, Granulat) zur oralen Antibiotikabehandlung ausgewählt und Umgebungsproben auf Enro- und Ciprofloxacinkontaminationen (Sedimentations-staub und Aerosol) untersucht. Des Weiteren diente die Analytik von Plasma- und Urinproben von Sentineltieren, die im gleichen Stall in einer separaten Bucht gehal-ten wurden, als zusätzliche Nachweismöglichkeit für eine Wirkstoffverschleppung.

ZESSEL (2012) konnte zeigen, dass sich der Einsatz einer staubarmen sulfadiazin-haltigen Formulierung (Pellet bzw. Granulat) zur oralen Behandlung im Vergleich zur Verwendung eines wirkstoffhaltigen Mehls positiv auf eine Wirkstoffverschleppung in die Umgebung auswirkte. Dies konnte nur teilweise durch die vorliegende Arbeit be-stätigt werden. Auch hier war insgesamt die höchste Enrofloxacinkonzentration im Sedimentationsstaub (in ng/cm2 Fläche) bei der Verabreichung eines wirkstoffhalti-gen Mehlfutters zu finden. Der Unterschied zum Enrofloxacingehalt im Staub wäh-rend der Gabe des Granulats war jedoch so gering, dass hier nicht von einem

positi-Diskussion

ven Effekt durch die technologische Bearbeitung gesprochen werden kann. Im Ver-gleich dazu lagen die Antibiotikakonzentrationen im Stallstaub unter der Pelletfütte-rung deutlich niedriger. Die Wahl der staubärmeren FormuliePelletfütte-rung Pellet hat sich so-mit positiv auf den Wirkstoffeintrag in die Umgebung ausgewirkt.

Ciprofloxacin konnte ebenfalls in allen Versuchsdurchgängen im Stallstaub detektiert und quantifiziert werden. Unter der Granulatbehandlung wurde über den gesamten Messzeitraum gesehen eine fast doppelt so hohe Ciprofloxacinmenge (8,93 ng/cm2 Fläche) ermittelt als bei der Gabe des wirkstoffhaltigen Mehls (4,39 ng/cm2 Fläche) bzw. Pellets (3,61 ng/cm2 Fläche). Da es sich dabei um ein Stoffwechselprodukt des Enrofloxacins handelt, kann es folglich nur aus den Ausscheidungsprodukten der Tiere stammen.

Auch im Aerosol (luftgetragener Staub) konnten die beiden Substanzen in geringen Konzentrationen (ng/m3 Luft) nachgewiesen werden. Hier ergab sich folgende Abfol-ge (beginnend mit der höchsten Wirkstoffkontamination):

Enrofloxacin: Granulat > Mehl > Pellet Ciprofloxacin: Granulat > Pellet > Mehl

In der Luft wurden Enro- und Ciprofloxacin besonders während der Antibiotika-behandlung und einige Tage danach im Aerosol detektiert. Das spiegelt auch die Ergebnisse anderer Studien wider (ZESSEL 2012; SCHERZ 2013; REUPKE 2014).

Der Enrofloxacingehalt im Aerosol lag bei der Granulatfütterung fast zweimal höher als beim Mehlversuch, im Vergleich zum Pelletversuch sogar mehr als viermal so hoch. Auch anhand der Aerosolergebnisse bestätigt sich, dass der Einsatz eines staubärmeren Futtermittels (Pellets) deutlich positive Effekte auf den Antibiotikaein-trag in die Umwelt hat.

Aufgrund der ermittelten Ciprofloxacinkonzentration im Urin der behandelten Tiere wäre normalerweise davon auszugehen, dass die Staub- und Aerosolbelastung unter

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Tab. 37: durchschnittliche Temperatur (°C) und relative Luftfeuchte (%) während der drei Versuchsdurch-gänge

Temperatur (C°) relative Luftfeuchte (%)

Mehl 23,1 0,2 51,2 6,2

Pellet 23,2 0,1 45,4 6,6

Granulat 24,5 1,1 30,8 6,7

Aufgrund der nur sehr geringen Temperaturunterschiede sind durch diese keine nennenswerten Effekte auf die Staubentwicklung zwischen den Versuchsdurchgän-gen zu erwarten. Betrachtet man allerdings die Resultate der Luftfeuchtigkeitsmes-sungen, ergibt sich insgesamt eine deutlich niedrigere relative Luftfeuchte beim Gra-nulatfütterungsversuch. Beträgt die relative Luftfeuchte unter 50 %, wie es über den gesamten Granulatversuch der Fall war, wird die Staubentwicklung im Stall erheblich gefördert (HARTUNG u. SPINDLER 2013). Schaut man sich die sedimentierte Staubmenge im Verlauf der Experimente an, bestätigt sich dies. Die höchste Staub-mengenzunahme war während des Granulatfütterungsversuchs zu beobachten, ge-folgt vom Mehlfütterungsversuch. Beim Pelletversuch war sie am geringsten.

Insgesamt ist festzuhalten, dass in allen drei Versuchen zeitliche Abhängigkeiten der sedimentierten Staubmenge (Abb. 33) bestanden.

Abb. 33: Zeitlicher Verlauf der Sedimentationsstaubmenge (mg/48 cm2 Fläche) während der drei Ver-suchsdurchgänge bei der oralen Enrofloxacingabe über Mehl (V1), Pellet (V2) und Granulat (V3);

A) Ergebnisse der Sammelstelle A im Bereich der behandelten Tiere; B) Ergebnisse der Sammelstelle B im Bereich der unbehandelten Tiere; Kreise = V1; Quadrate = V2; Dreiecke = V3; Balken = Behandlungs-phasen (Tag 1–5 und Tag 22–26)

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Da die entsprechende Futtermittelformulierung (Mehl, Pellets, Granulat) jedoch nur in den beiden Behandlungsphasen von je fünf Tagen gefüttert wurde, kann die unter-schiedlich hohe Staubentwicklung (über den gesamten Versuchszeitraum gesehen) zumindest nicht mit den Ergebnissen der Sedimentationsstaubproben in Verbindung gebracht werden. Dafür hätten Mehl, Pellets bzw. Granulat jeweils über die gesamte Versuchsdauer an beide Tiergruppen verfüttert werden müssen. Zusätzlich hätte sichergestellt werden müssen, dass gleiche Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsbedin-gungen während der Versuche herrschen. Das erhöhte Staubaufkommen während des Granulatversuchs kann allerdings in Zusammenhang mit den ermittelten Aero-solwerten gebracht werden. Aufgrund der Tatsache, dass die Luftfeuchtigkeit hier besonders gering und das Staubaufkommen hoch war, könnte dies zu den höheren Wirkstoffspiegeln in der Luft geführt haben.

Eine weitere Bestätigung der Antibiotikaverschleppung in die Umgebung ist mit den unbehandelten Sentineltieren gelungen. Zwar konnte im Plasma dieser Tiergruppe weder Enro- noch Ciprofloxacin nachgewiesen werden, wie es bei einer Studie von ZESSEL (2012) gezeigt wurde. Aber es gelang, in einigen Urinproben der Tiere En-rofloxacin in Spuren (ng/ml Urin) nachzuweisen. Da die Wirkstoffspiegel im Urin (µg/ml) unter der Behandlung deutlich höhere Gehalte erzielen können als im Plasma (ng/ml), könnte dies die Plasmaergebnisse der unbehandelten Tiergruppe erklären (NOUWS et al. 1988). Die höheren Gehalte im Urin im Vergleich zum Plasma zeigten sich auch in der vorliegenden Untersuchung. KIETZMANN et al. (1995) und ZES-SEL (2012) wiesen ebenfalls Antibiotikaspuren im Urin unbehandelter Tiere nach (s. unter 2.5.2). Es hat also eine Wirkstoffaufnahme aus der Umgebung durch die Sentineltiere stattgefunden. Insgesamt spiegeln sich auch hier die Ergebnisse der Sedimentations- und Aerosolproben wider.

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