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Probleme und Risiken bei der oralen Fütterungsbehandlung

2. Literaturübersicht

2.8 Probleme und Risiken bei der oralen Fütterungsbehandlung

Um eine adäquate orale Arzneimittelbehandlung von Tieren über das Futter gewähr-leisten zu können, muss der Stoff gut verfügbar sein und resorbiert werden können.

Insbesondere bei der Behandlung großer Tierzahlen kann eine orale Medikation problematisch sein, weil die Verfügbarkeit eines Wirkstoffes von einer Vielzahl von Faktoren abhängt. Da im Falle einer oralen Fütterungsbehandlung der Wirkstoff zeit-gleich zur Nahrung durch die Tiere aufgenommen wird, kann es zu Interaktionen zwischen den Futterbestandteilen und dem Wirkstoff kommen (KIETZMANN u. BÄU-MER 2009).

2.8.1 Einflussfaktoren auf die Resorptionsrate

In Tab. 2 sind einige Einflussfaktoren des Futters auf die Bioverfügbarkeit eines Arz-neimittels aufgelistet.

Tab. 2: Einflussfaktoren auf die Bioverfügbarkeit eines Arzneimittels bei oraler Gabe über das Futter (KIETZMANN u. BÄUMER 2009)

Magen-pH-Wert-Änderungen Magenentleerungsverzögerung

Durchblutungsänderung im Gastrointestinaltrakt Viskositätserhöhung der Ingesta

Gallesekretionssteigerung

Wirkstoffadsorption an Nahrungsbestandteile Bildung von Komplexen

Verringerter First-Pass-Effekt Beeinträchtigte Biotransformation

Literaturübersicht

Wie bereits unter 2.7.3 angesprochen, ist der Dünndarm der Hauptresorptionsort vieler Arzneimittel. Er weist im Vergleich zum Magen eine deutlich größere Resorpti-onsoberfläche und eine längere Verweilzeit der Ingesta auf. Außerdem ist er gut durchblutet. Der pH-Wert liegt, im Gegensatz zu dem des Magens mit einem sauren pH-Wert von 2,0, im neutralen bis alkalischen Bereich (KIETZMANN u. BÄU-MER 2009). Die Resorptionsoberfläche des Dünndarms kann durch die Futter-struktur beeinflusst werden. Der Einsatz eines Futtermittels mit einem eher groben Vermahlungsgrad und einer höheren Partikelgröße (wie z.B. grob vermahlenes Schrot) kann zu einer Vergrößerung der Resorptionsfläche durch eine Verlängerung der Villi bzw. Vertiefung der Krypten des Dünndarms führen (HEDEMANN et al. 2005). BETSCHER (2010) zeigte, dass der Effekt einer Villiverlängerung auch auftritt, wenn ein fein vermahlenes Futtermittel zu Pellets verarbeitet wurde.

LOMAESTRO u. BAILIE (1995) fassten einige Einflussfaktoren auf die Resorptions-rate von Fluorchinolonen zusammen. So führte z.B. die gleichzeitige Gabe von Mag-nesium oder Aluminium enthaltenden Antazida durch eine Chelatisierung zu einer verminderten oralen Bioverfügbarkeit der Fluorchinolone sowie zu einer Verringerung der MHK und des postantibiotischen Effektes. Zusätzlich konnte die Anwesenheit von Kationen durch die Bildung von Chelatkomplexen die Resorption von Fluorchino-lonen im Gastrointestinaltrakt verzögern. Sie beschrieben auch Wechselwirkungen mit Zink. Es wird Schweinen in vielen Ländern in Form von Zinkoxid in hohen Dosie-rungen zum Futter hinzugegeben, um die Durchfallproblematik von Ferkeln nach dem Absetzen zu bekämpfen, welche häufig durch pathogene E.-coli-Stämme verur-sacht wird (PETTIGREW 2006). Der Einsatz hoher Zinkdosen bei frisch abgesetzten Ferkeln ist zusätzlich mit einem stark gestörten intestinalen Mikrobiom verbunden (STARKE et al. 2014). Der Prozess des Absetzens, der eine erhebliche Stress-situation für die Ferkel darstellt, geht auch mit einer deutlich verminderten Futterauf-nahme während der ersten drei bis vier Tage nach dem Absetzen einher (STARKE et al. 2014). Auch andere Erkrankungen bzw. Umstände (z.B. Sauen im Puerperium) können in einer verringerten Futteraufnahme resultieren. Dies kann im Falle einer oralen Arzneimittelapplikation dazu führen, dass kein effizienter Wirkstoffspiegel im behandelten Tier erreicht wird (KAMPHUES 1996).

Literaturübersicht

In einer Studie von NIELSEN u. GYRD-HANSEN (1997) wurde der Einfluss des Be-handlungszeitpunktes im Bezug zur Nahrungsaufnahme auf die Bioverfügbarkeit von Enrofloxacin bei Schweinen erforscht. Nüchternen und gefütterten Schweinen wurde dafür Enrofloxacin per Magensonde in derselben Dosierung appliziert. Sie zeigten, dass die Bioverfügbarkeit bei gefasteten Schweinen (101 32 %) höher war als bei gefütterten Schweinen (83 13 %). Allerdings ergab sich aufgrund der Variationen kein signifikanter Unterschied. Sie stellten aber fest, dass die mittlere Verweilzeit nach der Gabe der Zubereitung bei gefütterten Schweinen signifikant länger war als bei nüchternen Schweinen. Zusätzlich war die Enrofloxacinhöchstkonzentration im Plasma (cmax = 2,4 0,7 µg/ml) bei der nüchternen Tiergruppe höher und wurde schneller erreicht (tmax = 2,9 2,5 Stunden) als bei der gefütterten Gruppe (cmax = 1,4 0,5 µg/ml und tmax = 4,8 1,9 Stunden). Daraus schlossen die Autoren, dass die Resorptionsgeschwindigkeit von Enrofloxacin durch die Anwesenheit des Futters beeinträchtigt war. Dies begründeten sie mit einer langsameren Resorption des Wirkstoffes.

2.8.2 Geschmacksbeeinträchtigung

Bei der oralen Anwendung von Enrofloxacin über das Tränkwasser werden therapeu-tische Dosen wegen der schlechten Palatabilität durch das Schwein nicht akzeptiert.

Auch die Gabe über das Futter gestaltet sich aufgrund der Geschmacksbeeinträchti-gung schwierig. Die verminderte Akzeptanz des enrofloxacinhaltigen Wassers bzw.

Futters wird besonders durch den bitteren Geschmack des Antibiotikums hervorgeru-fen. Dabei ist die Bitterkeit einer enrofloxacinhaltigen Lösung proportional zur enthal-tenen Enrofloxacinkonzentration (BAUDITZ 1987; CHUN u. CHOI 2004).

CHUN u. CHOI (2004) schlugen vor, Carbopol zu nutzen, um den bitteren Ge-schmack von Enrofloxacin in wässrigen Lösungen zu maskieren, ohne dabei

negati-Literaturübersicht

2.8.3 Einfluss der Fütterungstechnik und Futtermitteltechnologie

Die Fütterungstechnik kann einen erheblichen Einfluss auf die Wirkstoffaufnahme über das medikierte Futter haben. In der Regel werden beim Schwein Arzneimittel in ein Trocken-, Brei- oder Flüssigfutter eingemischt, wobei die Wirkstofffreisetzung im Magen, die Bioverfügbarkeit und die Resorptionsrate zwischen den Fütterungsfor-men variieren kann (DEL CASTILLO et al. 1998). WANNER et al. (1991) stellten bspw. fest, dass die Resorptionsrate von Chlortetracyclin bei Ferkeln bei einer Wirk-stoffverabreichung über Flüssigfutter höher war als bei der Verwendung eines Tro-ckenfutters. MORTHORST (2002) konnte dies für Amoxycillin nicht bestätigen. In seiner Studie applizierte er Amoxicillintrihydrat über Trocken- bzw. Feuchtfutter und schlussfolgerte, dass dessen Einsatz über das Futter bei der verwendeten Dosierung unzureichende Serumspiegel zur Folge hatte.

BLEYL u. KLEMANN (2009) zeigten, dass die Verteilung eines Wirkstoffes in einem Futtermittel sehr stark von einer guten Durchmischung abhing. Auch die Matrix des Futters spielte eine bedeutende Rolle. Sie zeigten, dass Arzneimittel in Pulverform nur in mehlförmiges Futter mit einer Partikelgröße unter 150 µm eingemischt werden sollten, da es sonst zu Inhomogenitäten des Wirkstoffes im Futter kommen kann. Bei der Zugabe eines pulverförmigen Arzneimittels zu einem pellet- bzw. granulatförmi-gen Futter kann es aufgrund der stark unterschiedlichen Partikelgröße zwischen Pel-let bzw. Granulat und dem Wirkstoff zu einer vollständigen Entmischung kommen.

Zunächst resultiert dies in einer erheblichen Unterdosierung des Wirkstoffes bei Tie-ren, die zu Beginn der Fütterung fressen, da sich das Arzneimittel aufgrund von Ent-mischungsprozessen auf dem Boden des Troges anreichert. Dies führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Ausbleiben des zu erwartenden Therapieerfolges. Tie-re, die gegen Ende der Fütterungsperiode fressen, erhalten im Gegensatz dazu grö-ßere Wirkstoffmengen oder zeigen eine verringerte Futteraufnahme durch eine ver-minderte Palatabilität, bis hin zur vollständigen Verweigerung des Futters (KAMPHUES 1996, BLEYL u. KLEMANN 2009).

Arzneimittel, die über das Futter verabreicht werden, müssen vom Zeitpunkt des Hin-zufügens bis zur Verfütterung an die Tiere eine ausreichende Stabilität garantieren.

Literaturübersicht

Die Wirkstoffstabilität kann durch physikalisch-chemische Prozesse beeinflusst wer-den. So kann sich bspw. die Bearbeitung von wirkstoffhaltigen Futtermitteln negativ auf die Arzneimittelstabilität auswirken und so zu einer unzureichenden Wirkstoff-menge im angebotenen Futter oder zu Beeinträchtigungen der Bioverfügbarkeit füh-ren (KIETZMANN u. BÄUMER 2009).

KREISNER u. KIETZMANN (1984) verglichen sulfadimidinhaltige Zubereitungen (Pulver und kalt- bzw. heißgepresste Pellets) bezüglich der Recovery-Rate (Wieder-findungsrate) und der Bioverfügbarkeit miteinander. Sie zeigten mittels HPLC, dass deutlich weniger Sulfadimidin in den Zubereitungen wiederzufinden war als ursprüng-lich hineingegeben wurde. Es waren jedoch keine signifikanten Unterschiede bezüg-lich des Sulfadimidingehalts bei kalt- und heißgepressten Pellets zu sehen. Es be-standen aber signifikante Unterschiede zu einem entsprechenden Pulver. Hier lag der messbare Wirkstoffgehalt deutlich höher. Anhand eines Fütterungsversuchs an Ratten stellten sie außerdem fest, dass die Bioverfügbarkeit von Sulfadimidin aus Pellets im Vergleich zu einer verabreichten Sulfadimidin-Suspension geringer war.

Außerdem war die Wirkstoffkonzentration im Serum bei der Pelletbehandlung 25 % niedriger als bei einer Vergleichsgruppe, der Sulfadimidin über Pulver appliziert wur-de. Die technologische Bearbeitung einer arzneimittelhaltigen Zubereitung hat somit große Auswirkungen auf deren Bioverfügbarkeit bzw. Recovery-Rate eines Arznei-mittels. Durch starke Kompression und Hitzeeinwirkungen, wie es bei der Herstellung von Pellets der Fall sein kann, können vermehrt Deformationen der Wirkstoffe oder anderweitige Interaktionen (Desaggregation, Fusion oder Agglomeration) mit Futter-komponenten oder zugesetzten Hilfsstoffen kommen, was sich wiederum negativ auf die Recovery-Rate bzw. Bioverfügbarkeit auswirken kann (KREISNER u. KIETZ-MANN 1984). Auch HEIDENREICH u. MICHAELSEN (1995) konnten bestätigen, dass thermische Effekte bei der Herstellung von Mischfuttern zu einem Verlust des Wirkstoffanteils hitzelabiler Substanzen (wie z.B. Tetracycline) bis zu über 20 % führ-ten.

Literaturübersicht

Grundlage aller Futtermittelkonfektionierungen diente dasselbe handelsübliche Schweinefutter in Mehlform, in welches Sulfadiazin eingemischt wurde. Anschließend wurde es zu Granulat bzw. Pellets verarbeitet. In einer Versuchsreihe verabreichten sie dann Schweinen das sulfadiazinhaltige Mehl-, Pellet- bzw. Granulatfutter. Anhand der Analytik von Urin- und Plasmaproben zeigten sie, dass alle Darreichungsformen eine vergleichbare Bioverfügbarkeit aufwiesen. Sie zeigten jedoch auch, dass die Wirkstoffverschleppung in die Umgebung unter der Gabe eines antibiotikahaltigen Mehlfutters deutlich höher war als bei den anderen beiden Darreichungsformen.

2.8.4 Verschleppung und Resistenzgeschehen bei der oralen Behandlung

Die orale Behandlung birgt Risiken zum Beispiel in Form von Wirkstoffverschlep-pungen bzw. -kontaminationen. Diese können bereits im Herstellungsbetrieb, beim Transport, bei der Lagerung oder aber im Betrieb der Anwendung selbst auftreten, um hier nur einige Möglichkeiten zu nennen. Der Fütterungsarzneimittelproduktion und der Lagerung wirkstoffhaltiger Mischfutter kommt dabei die größte Bedeutung zu. Auch bei der Verfütterung eines medikierten Futtermittels kann es durch Staub-entwicklung oder Futterrückstände im Trog zur Verschleppung von Arzneimitteln kommen. Gülle kann ebenfalls erheblich mit Wirkstoffen kontaminiert sein (KAMP-HUES 1996). Unter 2.5.2 und 2.5.3 wurde bereits auf die Problematik der Arznei-mittelrückstände im Stallstaub bzw. in der Gülle eingegangen. SCHERZ et al. (2014) belegten anhand der Simulierung von Verschleppungsszenarien mit Enrofloxacin als Testsubstanz, dass subtherapeutische Antibiotikakonzentrationen im Tränkwasser beim Huhn Auswirkungen auf die Resistenzentwicklung von E. coli haben konnte.

Sie wiesen nach, dass selbst subtherapeutische Dosierungen zu einer Resistenz-entwicklung führen konnten und untermauern damit die Ergebnisse der Studien von KIETZMANN et al. (1995) und ZESSEL (2012).

Letztlich können alle aufgezählten Risiken bei der oralen Behandlung über das Futter in einer unbeabsichtigten Über- bzw. Unterdosierung des Wirkstoffes beim Tier resul-tieren, sei es durch eine verminderte Bioverfügbarkeit des oral applizierten Arznei-mittels durch Entmischungen, durch chemischen Abbau des Wirkstoffes, durch

un-Literaturübersicht

erwünschte Wechselwirkungen mit Futterkomponenten oder durch eine reduzierte Futteraufnahme durch das erkrankte Tier selbst, wie bereits weiter oben beschrieben (UNGEMACH et al. 2006).

Es steht fest, dass die orale Antibiotikabehandlung großer Tierzahlen einen Selek-tionsdruck auf die Entwicklung bakterieller Resistenzen ausübt (UNGEMACH et al.

2006). Ein erhöhtes Vorkommen resistenter kommensaler E. coli nach oraler Anti-biotikabehandlung beim Schwein wurde bereits mehrfach bestätigt (KÄSBOHRER et al. 2012; BUROW et al. 2014; REUPKE 2014). Unter anderem wurden auch resis-tente Campylobacter jejuni bei lebensmittelliefernden Tieren nachgewiesen, die beim Schwein, Rind und Geflügel zur natürlichen Darmflora gehören (AVGUŠTIN 2012).

Insgesamt besteht Forschungsbedarf, um den Effekt oral angewendeter Arzneimittel auf die Entwicklung bakterieller Resistenzen quantifizieren und möglichst eindämmen zu können (BUROW et al. 2014).

Um zu testen, welche Auswirkungen verschiedene Mischfutterkonfektionierungen auf die Wirkstoffverschleppung in die Umgebung und die Resistenzentwicklung kom-mensaler E. coli haben, wurden in der vorliegenden Arbeit Schweine als Modelltier für die landwirtschaftlichen Nutztiere in therapeutisch wirksamen Dosierungen mit Enrofloxacin als Modellsubstanz über Mehl, Granulat bzw. Pellet behandelt.

Material und Methoden