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Wie häufig kommt Gewalt an österreichischen Schulen vor?

Gewalt kommt in jeder Schule (auch der eigenen) vor. Gewaltprävention betrifft somit jede Schule. Studien zeigen, dass Schulen, die sich für die Implementierung eines Gewaltpräventionsprogramms entscheiden, häufig (schon zu Beginn) eine geringere Gewaltbelastung aufweisen als Schulen, die das Problem ignorieren.

Gewaltprävention als Anliegen der Schule zu definieren ist ein Zeichen für einen verantwortungsvollen Umgang einer Schulgemeinschaft mit Problemen in der Gesellschaft.

Es gibt eine große Vielfalt von wissenschaftlichen Studien, die sich mit der Auftretens-häufigkeit von aggressivem Verhalten von Kindern und Jugendlichen beschäftigt haben.

Die große Fülle von Ergebnissen zeigt: Gewaltbereitschaft und Gewaltanwendung sind ernstzunehmende Probleme, die für viele Kinder und Jugendliche, für Eltern, Lehrerin-nen und Lehrer belastend sind.

Länder vergleichende WHO-Studie

In der „Health Behaviour in School-aged Children“-Studie (WHO) wurden 163.000 Schüler/innen im Alter von 11, 13 und 15 Jahren aus 35 Ländern und Regionen zu Gewalthandlungen befragt (HBSC; Craig & Harel, 2004). In allen Ländern wurden die-selben Erhebungsinstrumente zur Erfassung von Mobbing (Täterprävalenzen) und Viktimisierung (Opferprävalenzen) eingesetzt. Die Studie differenziert zwischen selte-nem Mobbing (wenn die Befragten angaben, in den letzten Monaten zumindest einmal an Mobbing beteiligt gewesen zu sein) und häufigem Mobbing (mindestens 2-3-mal pro Monat). Eine analoge Differenzierung wurde für Viktimisierung vorgenommen. Die Daten wurden in drei Altersgruppen (11-, 13-, 15-Jährige) und getrennt nach Geschlecht durchgeführt. Im Folgenden werden einige zentrale Ergebnisse berichtet.

Weitere Details finden sich auch bei Spiel & Strohmeier (2007).

35 % der Befragten gaben an, in den letzten Monaten zumindest einmal an Mobbing beteiligt gewesen zu sein. Zwischen den Ländern gibt es drastische Unter-schiede. Die höchste Prävalenzrate für Mobbing über alle Altersstufen weist Litauen auf; bei der Altersgruppe der 13- bis 15-Jährigen liegt Österreich an zweithöchster Stelle. Die niedrigste Prävalenzrate für Mobbing über alle Altersstufen hinweg wurde für Schweden ermittelt. Mädchen zeigen über alle Länder und Alters-stufen hinweg niedrigere Prävalenzraten als Buben.

Die Prävalenzratevon häufigem Mobbing (mindestens 2-3-mal pro Monat) beträgt 11 %. Die Geschlechtsunterschiede sind hier besonders hoch. Die Ländervergleiche zeigen ein ähnliches Bild wie für seltenes Mobbing. Litauen weist auch hier die höchsten Mobbingraten auf, gefolgt von Österreich.

Analoge Analysen wurden bzgl. Viktimisierung durchgeführt. 34 % der Befragten gaben an, mindestens einmal in den letzten Monaten Opfer von Gewalthandlungen gewesen zu sein. Auch hier hatte Litauen die höchsten Prävalenzraten. Österreich

(

liegt für alle drei Altersgruppen im oberen Drittel. Die niedrigsten Prävalenzraten für Viktimisierung wurden in Schweden gefunden. Die Prävalenzraten nehmen mit dem Alter ab; Geschlechtsunterschiede sind sehr niedrig.

Die Prävalenzrate von häufiger Viktimisierung (mindestens 2-3-mal pro Monat) beträgt 11 %. Auch hier gibt es kaum Geschlechtsunterschiede. Die Ländervergleiche erbrachten ein ähnliches Bild wie für seltene Viktimisierung. Österreich liegt für alle Altersgruppen im obersten Drittel.

Die Ergebnisse der WHO-Studie weisen somit Österreich als Land mit besonders hohen Mobbingraten aus.

3.1 Situation in Österreich

Daten der polizeilichen Kriminalstatistik sowie differenzierte Analysen von Daten zur Jugendgewalt und Jugendkriminalität deuten auf eine Zunahme von gewalttätigem und kriminellem Verhalten zwischen Mitte der achtziger Jahre und Ende der neunziger Jahre hin. Zu bedenken ist dabei jedoch, dass diese Zahlen zum Teil auch auf eine erhöhte Anzeigebereitschaft in der Bevölkerung zurückzuführen sind. Darüber hinaus können Statistiken auch durch eine Reihe anderer Faktoren beeinflusst werden, wie z. B. durch Veränderungen in der juristischen Definition von Gewalt, durch eine erhöhte Aufmerksamkeit der Medien oder durch veränderte Erfassungsmethoden bei der Polizei, z. B. bedingt durch den verstärkten Einsatz von Computern und durch die Veränderung der Definitionen, ab wann von Gewalt gesprochen wird.

In einem ausführlichen Länderbericht über schulische Gewaltin Österreich von Spiel / Atria (2001) wurden, basierend auf der Auswertung vorhandener österreichi-scher Studien, folgende Tendenzen und Gemeinsamkeiten über Ausmaß und Häufigkeit von Gewaltanwendungen an Schulen festgestellt: (siehe dazu auch: Nationaler Bildungs-bericht Österreich 2009, S. 272 u. 273)2

∑∞ Die Mehrzahl der Schüler/innen ist weder gewalttätig noch gewaltbereit, weder regelmäßig Täter/in noch Opfer.

∑∞ Verbale Attacken kommen zwischen Schüler/innen weit häufiger vor als physi-sche Angriffe oder soziale Ausgrenzung. Etwa 25 % der Schüler/innen ist minde-stens einmal in der Woche als Täter/in und/oder Opfer in verbale Konflikte verwickelt, für physische Auseinandersetzungen liegt der Anteil bei etwa 10 %.

∑∞ Aggressives Verhalten in der Schule ist am häufigsten bei der Gruppe der 12 -15-jährigen Schüler/innen zu beobachten.

∑∞ Körperliche Aggression nimmt mit dem Alter der Schüler/innen ab.

∑∞ Gewalt und Aggression kommen in Hauptschulen häufiger vor als in Allgemein bildenden Höheren Schulen. Besonders hohe Prävalenzraten von Opfern und Täter/innen wurden an Berufsbildenden Mittleren Schulen festgestellt.

∑∞ Es gibt bezüglich Häufigkeit und Ausmaß kaum Unterschiede hinsichtlich aggres-siven Verhaltens zwischen Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Mutter-sprachen. Offene rassistische Übergriffe kommen sehr selten vor.

(

2 Nationaler Bildungsbericht Österreich 2009. Hrsg. Werner Specht.

Download unter: http://www.bmukk.gv.at/schulen/sb/nbb.xml

( A

S. 119

( G

S. 75

3 Eder, Ferdinand (2007): Das Befinden von Kindern und Jugendlichen in der österreichischen Schule.

Befragung 2005. Innsbruck: Studien Verlag. Zusammenfassung der Ergebnisse als Download auf www.oezeps.at bzw. http://www.bmukk.gv.at/schulen/sb/befindlichkeitsstudie.xml

Geschlechtsspezifische Unterschiede

In allen Forschungsergebnissen ist die Unterscheidung nach dem Geschlechtder Schüler/innen in Bezug auf Gewalthandlungen ein eindeutiges und markantes Differen-zierungsmerkmal:

∑∞ Burschen verwenden mehr physische Aggression, während Mädchen eher zu verdeckter Aggression neigen. Buben sind auch in höherem Maße als Mädchen selbst von physischer Gewalt betroffen.

∑∞ Mädchen bevorzugen häufig subtile Mittel, um ihren Opfern zu schaden, indem sie z. B. Gerüchte verbreiten, jemanden sozial ausschließen oder absichtlich Beziehungen zerstören. Mädchen sind diesen indirekten Formen auch häufiger ausgesetzt als Buben (z. B. soziale Isolierung und absichtliche Ausgrenzung, üble Nachrede etc.).

∑∞ Buben beobachten physische Gewalthandlungen häufiger als Mädchen. Sie akzep-tieren Gewalt als Mittel der Konfliktlösung stärker und wenden physische Gewalt-formen häufiger und in schwererer Form an als Mädchen.

∑∞ Burschen setzen Gewalt als Demonstration von Männlichkeit ein, die sie mit

„männlichen Eigenschaften“ wie Härte, Macht, Kontrolle, Dominanz über Frauen und Kinder assoziieren. Mehr Informationen zu Männlichkeit und Gewaltsind im Anhang 32und im Glossar unter männliche Gewaltzu lesen.

Zu dem Aspekt der Gewaltausübung durch Lehrer/innengibt es nur wenig Literatur und Forschungsergebnisse. Aus den vorhandenen empirischen Arbeiten zu Gewalt an der Schule können immerhin die folgende Aspekte erkannt werden:

Etwa die Hälfte aller Schüler/innen zwischen 12 und 14 Jahren gab an, von ihrem Lehrer/innen in irgendeiner Art und Weise ungerecht behandelt, verletzt oder geär-gert worden zu sein. Bei den 17 bis 18jährigen Schüler/innen war es jede/r dritte (Spiel / Atria, 2001).

Ferdinand Eder3hat 2005 das Befinden von Kindern und Jugendlichen an öster-reichischen Schulen untersucht und Anzeichen für Gewaltausübung durch Lehrperso-nen gefunden. Überwiegend geben SchülerinLehrperso-nen und Schüler gute Beziehungen zu zumindest einigen Lehrer/innen an und haben das Gefühl, im Allgemeinen gerecht und fair behandelt zu werden und vor ihnen wenig Angst zu haben.

Allerdings gibt es einen Grundstock von 10-15 % der Schüler/innen, für die diese positive Beschreibung nicht zutrifft: „Die sozialen Beziehungen zu den Lehrpersonen sind besonders durch fehlendes Zutrauen, verbale Herabsetzung, Demütigung, Entmu-tigung und Bloßstellung vor der Klasse charakterisierbar. Nicht selten fühlen sich die Schüler/innen von ihren Lehrpersonen verfolgt, schikaniert, benachteiligt, willkürlich behandelt, zurückversetzt oder schikanös geprüft. Besonders gravierend erscheinen dabei die häufigen Misserfolgserwartungen, die von den Lehrpersonen gegenüber den Schüler/innen ausgesprochen werden („Du wirst dieses Schuljahr sowieso nicht schaffen.“), da sie nicht nur den Charakter selbsterfüllender Prophezeihungen, sondern auch ein Element der Selbstverpflichtung für die aussprechenden Lehrer/innen ent -halten.“ (Eder 2007, S. 230) Die Qualität der Beziehungen zu den Lehrpersonen ist vor allem in der Sekundarstufe I belastet.

4. Mechanismen der Gewalt

Welche Erklärungen und Zusammenhänge sind für