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Was kann eine Schulgemeinschaft gegen Gewalt tun?

ERLEBTE GEWALT

2. Anti-Mobbing-Programm nach Olweus

Das Anti-Mobbing-Programm nach Olweus

Wesentliche Erkenntnisse über Gewalt in der Schule kamen vom Norweger Dan Olweus.

Er entwickelte ein Interventionsprogramm mit gleichzeitig präventiver Wirkung, das bei Gewaltphänomenen an Schulen Abhilfe schaffen soll. Die Hauptziele des Pro-gramms sind

∑∞ die bestehenden Gewalttäter-/Gewaltopfer-Probleme und ihre Entwicklung soweit wie möglich innerhalb und außerhalb der Schulumgebung zu reduzieren und im Idealfall vollständig zu beseitigen

∑∞ das Auftreten neuerlicher Vorkommnisse zu verhindern

∑∞ bessere Schüler-Schüler-Beziehungen innerhalb der Schule zu erreichen.

Mittlerweile wird dieses Programm an vielen Schulen in den skandinavischen Ländern, in Großbritannien und in einigen deutschen Bundesländern eingesetzt. Das Konzept von Olweus ist lerntheoretisch ausgerichtet und bezieht neben den Opfern und Tätern/

Täterinnen auch mittelbar am Geschehen beteiligte Personen („Zuschauer/innen“, Lehrkräfte, Eltern) ein.

Das Interventionsprogramm von Olweus stellt einen Leitfaden zur Identifizierung von potentiellen Gewaltopfern und Gewalttätern/Gewalttäterinnen bereit, indem eine Reihe von „Anzeichen“ und „Symptomen“ spezifiziert werden. Der Leitfaden hilft Lehrer/innen und Eltern, jene Schüler/innen herauszufinden, die Täter/ Täterinnen oder Opfer von Gewalttätigkeit geworden sind. Es rückt somit nicht nur die Aggressi-vität, sondern auch die Viktimisierung (das Erleiden aggressiver Angriffe) ins Zentrum des Interesses.

Vor Beginn des Interventionsprogramms sind zwei Bedingungen zu erfüllen: Es handelt sich dabei um Problembewusstsein und Betroffensein, d.h. Lehrer/innen und Eltern müssen das Ausmaß des Gewalttäter-/Gewaltopferproblems an „ihrer“

Schule erkennen und beschließen, sich für eine Änderung dieser Situation ernsthaft einzusetzen.

Als Maßnahmen auf Schulebeneempfiehlt Olweus eine anonyme Erhebung unter Schüler/innen mit dem Gewalt-Fragebogen und die Präsentation der Ergebnisse an einem Pädagogischen Tag, auf einer Schulkonferenz (Schulebene) oder anlässlich eines Elternabends (Klassenebene).

Als zentrale Schritte auf Klassenebene empfiehlt er die gemeinsame Erarbeitung von Klassenregeln gegen Gewalt. Auf jeden Fall sollten die Schüler/innen an der Diskus-sion über diese Regeln und Verhaltensrichtlinien einbezogen werden (z. B. im Rahmen der „sozialen Stunde“ in der Klasse). Verhalten sich die Kinder positiv und regelge-treu, sollten die Lehrer/innen einzelne Schüler/innen oder die ganze Klasse regelmä-ßig loben. Da in einer normalen Klassensituation eher wenig Lob ausgesprochen wird, wird sich Lob, das im Zusammenhang mit dem Verhalten der Schüler/innen anderen gegenüber artikuliert wird, günstig auf das Klassenklima auswirken. Für Missachtung der Regeln bzw. Verhaltensrichtlinien sind Sanktionen zu erwarten. Auch hier sollten sich Lehrer/innen und Schüler/innen gemeinsam an der Diskussion beteiligen.

Regel-mäßige Klassengespräche können das Bewusstsein für dieses Problem wach halten und zu einer nachhaltigen positiven Verhaltensänderung beitragen. Außerdem regt Olweus den Einsatz spezieller Unterrichtsmethodenan (z. B. kooperatives Lernen), um soziales Lernen im Klassenverband zu ermöglichen.

Auf der persönlichen Ebenegeht es um Gespräche mit den gewalttätigen Schü-ler/innen sowie ihren Opfern und den Eltern. Da die Opfer häufig verängstigt sind, ist es hilfreich, wenn sie ihre Situation anonym schildern können. Dafür empfiehlt sich die Einrichtung eines Kontakttelefons, über das eine Vertrauensperson der Schule einige Stunden in der Woche erreichbar ist. Insgesamt regt Olweus eine verstärkte Koopera-tion zwischen Eltern und Lehrer/innen an. Eine äußerst wichtige Maßnahme stellt für Olweus die angemessene Aufsichtwährend der Pausen dar, um das Gewaltvorkommen während dieser Zeit zu reduzieren.

Folgendes Feedback wird nach Anwendung dieses Interventionsprogramms gegeben:

∑∞ Zwei Jahre nach Einführung des Interventionsprogramms konnte ein deutlicher Rückgang des Gewaltproblems verzeichnet werden.

∑∞ Es zeigte sich keine „Verlagerung“ der Gewalt aus der Schule auf den Schulweg.

∑∞ Auch im allgemeinen gesellschaftsfeindlichen (asozialen) Verhalten gab es eine deutliche Abnahme.

∑∞ Verschiedene Aspekte des „Sozialklimas“ in der Klasse verbesserten sich.

∑∞ Durch das Interventionsprogramm konnte die Zahl von neuen Opfern gesenkt werden.

∑∞ Die Zufriedenheit mit dem Schulleben bei den Schüler/innen nahm zu.

Zum Weiterlesen:

Olweus, Dan (1995): Gewalt in der Schule. Was Lehrer und Eltern wissen sollten – und tun können. 2. Auflage 1996. Bern: Hans-Huber-Verlag.

Alsaker, Francoise (2003): Quälgeister und ihre Opfer. Mobbing unter Kindern – und wie man damit umgeht. Bern: Hans-Huber-Verlag.

Das Buch befasst sich mit Formen von Mobbing, sowohl im Schul- als auch im Vor-schulalter. Die Autorin stellt ein erprobtes Präventionsprogramm und konkrete Umset-zungsempfehlungen detailliert und nachvollziehbar dar.

Dambach, Karl E. (1998): Mobbing in der Schulklasse. München: Ernst Reinhardt Verlag.

Eine allgemeinverständlich geschriebene Handreichung aus der Praxis für die Praxis.

Aus dem Inhalt: Grundlagen; typische Verhaltensmuster von Auß enseitern/Auß enseite-rinnen; In der Falle (Teufelskreise und andere zwischen- und innermenschliche Fall-stricke, die zu Mobbing führen können).

Kasper, Horst (2000): Schüler-Mobbing – tun wir was dagegen! Lichtenau: AOL-Verlag.

Hilfestellungen zu Mobbing in der Schule mit dem »Smob«-Fragebogen und mit Materialien für die Schulentwicklung.

3. Faustlos

Das Faustlos-Curriculum versteht sich als Gewaltpräventionsprogramm, das auf die Förderung der sozialen und emotionalen Kompetenzen von Kindern abzielt und in Anlehnung an den amerikanischen „Second Step“-Ansatz konzipiert wurde. Dieses Programm wird mittlerweile sehr erfolgreich in Grundschulen und Kindergärten in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz eingesetzt.

Die Entstehung von Gewalt wird aufgrund eines multifaktoriellen Bedingungsgefü-ges erklärt. Das heißt, dass das Individuum, die Familie, die Gruppe der Gleichaltrigen, die Schule und die Gesellschaft in einem engen Wechselverhältnis zueinander stehen.

Die drei Themenbereiche Empathieförderung, Impulskontrolle(Förderung des zwischenmenschlichen Problemlösens und das Training sozialer Verhaltensfertigkeiten) und der Umgang mit Ärger und Wut(Verbesserung der Wahrnehmung der Auslöser, Suchen nach konstruktiven Lösungen und Beruhigungstechniken) sind in insgesamt 51 Lektionen aufgeteilt und werden von der ersten Klasse bis zur vierten Klasse unter-richtet. Jede Lektion bezieht sich auf eine Fähigkeit, welche die Kinder lernen sollen.

Ein Vorteil dieses Programms ist die Implementierung in den Regelunterricht, da es von den Lehrkräften – die zuvor meist an einem Fortbildungsseminar teilgenommen haben – selbst unterrichtet werden kann. Die Einführung eines solchen Programms ist mit einem zeitlichem Mehraufwand verbunden und kann daher nur dann erfolgreich und dauerhaft umgesetzt werden, wenn einerseits ein Konsens zwischen Schulleiter/innen und Lehrpersonen hinsichtlich dessen Durchführung besteht und andererseits – im Hin-blick auf die Langfristigkeit – auch ein günstiges Umfeld für soziales Lernen durch Än-derungen im Schulsystem geschaffen wird.

Folgende Effekte von langfristigen Gewaltpräventionsprogrammen (Second Step-Pro-gramm bzw. Faustlos-Curriculum) konnten durch Studien bisher nachgewiesen werden:

∑∞ Verbesserung der sozialen Kompetenzen der Kinder und Ablehnung aggressiver Verhaltensweisen als Mittel der Konfliktlösung

∑∞ Rückgang körperlicher und verbaler Aggressionen der Kinder und Steigerung prosozialer und neutraler Interaktionen

∑∞ Kinder mit „Second Step“-Unterricht störten bzw. lenkten andere Kinder weniger oft ab, konnten Gefühle besser identifizieren und die Folgen von Handlungen besser vorhersagen als Kinder ohne „Second Step“-Unterricht

∑∞ das Faustlos-Curriculum hat eine Angst reduzierende Wirkung und unterstützt den Transfer von neu hinzugewonnenen Kompetenzen im Alltag der Kinder

∑∞ Lehrpersonen beurteilten Curriculum und Materialen des Faustlos-Konzepts positiv.

Das bmukk stattet in den Jahren 2008 und 2009 insgesamt 50 % der Volksschulen mit diesem Programm aus.

Zum Weiterlesen:

Cierpka, Manfred (2005): Faustlos. Wie Kinder Konflikte gewaltfrei lösen lernen.

Freiburg: Herder Verlag. Und unterwww.faustlos.de