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Weshalb sind Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen für die Gewaltprävention wichtig?

Gezielte und bewusste Förderung von Selbst- und Sozialkompetenzen erweisen sich als wirkungsvollster Beitrag zur Gewaltprävention und sind in Schulen von zentraler Bedeutung. Die persönlichen Fähigkeiten und Einstellungen tragen dazu bei, das indi-viduelle Verhalten auf eine gemeinschaftliche Handlungsorientierung auszurichten.

Sozial kompetente Personen verknüpfen ihre Ansprüche mit den Einstellungen und Werten einer Gruppe. Grundlage für soziales Verhalten ist ein klares Bild von sich selbst, die eigenen Stärken und Schwächen einschätzen zu können und die eigenen sozialen Bezüge zu kennen. Der Aufbau sozialer Beziehungen, insbesondere von Freundschaften, ist für eine positive Persönlichkeitsentwicklung zentral. Auch im schu-lischen Kontext geht es darum, Selbstvertrauen und soziale Kompetenzen zu erweitern, für die Gemeinschaft Verantwortung zu übernehmen und die eigene Wirksamkeit durch das Erledigen von Aufgaben zu erfahren.

5.1 Die Lehrperson als Modell

Soziales Lernen findet immer statt.Daher können Lehrer/innen in all ihrem verbalen und nonverbalen Tun aktiv den sozial kompetenten Umgang miteinander vorleben.

Kinder und Jugendliche lernen nicht so sehr über Belehrungen, sondern wie sie die Erwachsenen erleben, wie diese miteinander und mit ihnen umgehen. Es sind die konkreten und realen Erfahrungen, von denen die Kinder und Jugendlichen lernen, die persönlich erlebten „Vor-bilder“.

Erwachsene geben ein soziales Modell für das Verhalten von Kindern und Jugendlichen ab. Deshalb sind soziale Regeln gleichermaßen von Erwach-senen, Jugendlichen und Kindern zu leben.

Kinder und Jugendliche lernen viele Verhaltensweisen mittels Modelllernens. Die sozial-kognitive Theorie nach Albert Bandura (1963) versteht darunter Beobachtungslernen.

Das bedeutet, dass das Verhalten anderer Personen wahrgenommen wird und auf das eigene Verhalten projiziert und angewendet wird. Daher ist auch jede Lehrperson ein prägendes soziales Modell für die Schüler/innen.

Die Lehrperson als Modell für soziales Lernenzeigt ein authentischen Auftreten, einen achtsamen Umgang mit sich und anderen Personen, zeigt Einfühlungsvermögen, sie kann Wertschätzung und Anerkennung äußern und sich kommunikativ sicher aus-drücken. Sie achtet auf einen reversiblen Gebrauch von sprachlichen, gestischen und mimischen Symbolen, d.h. die Schüler/innen können die gleiche Sprache, Gestik und Mimik der Lehrperson gegenüber verwenden.

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Die Lehrperson als Modell für kooperatives Verhaltenspricht nicht negativ über andere (Schüler/innen, Lehrer/innen, Eltern), zeigt Geduld beim Erklären, auch wenn sie etwas schon „hundert Mal“ erklärt hat, präsentiert sich nicht als unfehlbare Lehr-person, sondern als eine, die fortlaufend Neues dazulernt und sie demonstriert durch partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Kolleg/innen, Eltern und Schüler/innen ihre kooperative Haltung.

Die Lehrperson als Modell für tolerantes Verhaltenvermeidet Bloßstellungen, Demütigungen und das Auslösen von Minderwertigkeitsgefühlen, vermittelt deutlich, dass sie alle Schüler/innen gleichermaßen respektiert und nimmt deren Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse ernst.

Die Lehrperson als Modell für konstruktives Konfliktverhalten wählt bei auftretenden Meinungsverschiedenheiten mit Schüler/innen faire Methoden zur Konfliktregelung, bei der beide Seiten ihre Meinung darstellen können und eine Lösung finden, die beiden Seiten gerecht wird.

5.2 Gestaltung von Beziehungen im Lehrberuf

Lehrer/innen stehen in ihrem Beruf in sehr vielen Beziehungen, die sie bewusst oder unbewusst gestalten. Täglich haben sie Kontakt zu den Schüler/innen, den Eltern, den Kolleg/innen, zur Schulleitung, zum Schulpersonal etc. Hinzu kommen noch die Bezie-hungen zu Personengruppen wie der Schulklasse, der Elternschaft bei Elternabenden und zum Kollegium. Die Gestaltung von Beziehungen ist eine große Herausforderung, die viel Gespür und kommunikatives Geschick erfordert. Wichtig ist, eine Balance zu finden zwischen persönlicher Authentizität und beruflicher Rolle, zwischen der Identi-fikation mit dem Beruf und dem notwendigen inneren Abstand dazu, zwischen verste-hender Hinwendung zu den Schüler/innen und der Notwendigkeit Führungsanspruch zu vertreten.

Verstehende Hinwendungbedeutet, den einzelnen Schüler/die einzelne Schülerin nicht nur unter dem Aspekt des schulischen Könnens zu sehen, sondern ihn/sie vor allem als Person wahrzunehmen, d.h. Motive, Bemühen, Verhalten, emotionale Stärken, Vorlieben und Begabungen, kreative Fähigkeiten ebenso wie den sozialen Hintergrund, den Migrationshintergrund sowie die problematischen Seiten zu kennen.

Im Dialog auf Augenhöhe7vermeidet eine Lehrperson grundsätzlich, Schüler/innen zu kränken, bloßzustellen und zu demütigen. Führungbedeutet die Notwendigkeit, Werthaltungen und Regeln zu vertreten, Ziele vorzugeben, Schüler/innen zu fordern und zu diesen Forderungen zu stehen, ggf. Kritik zu üben, aber auch immer wieder Mut zu machen und sie in ihren Anstrengungen zu fördern, Grenzen zu setzen und deren Ein-haltung einzufordern, Halt und Zuwendung zu geben.

Wer sich für den Beruf eines Lehrers/einer Lehrerin entschieden hat, weiß, dass es wichtig ist, ein hohes Maß an Bereitschaft zu Beziehung, Begegnung, Nähe und

7Ein Dialog in Augenhöhe muss nicht unbedingt Augenkontakt bedeuten, wie er in westlichen Kulturen eher gepflegt wird.

Manchmal ist es für Kinder einfacher, nicht Augenkontakt halten zu müssen. In manchen Kulturen signalisiert Augenkontakt von Kindern zu Erwachsenen Respektlosigkeit.

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Empathie in die tägliche Arbeit einzubringen. Mut zur Erziehung bedeutet Mut zur Beziehung. Besonders junge Menschen brauchen stabile, personale Bindungen.

Viele Schüler/innen verbringen mit Lehrern und Lehrerinnen täglich mehr Zeit als mit ihren Eltern oder Erziehungsberechtigten. Ihr Weltbild bekommt in der Schule eine besondere Prägung. Erfolgreiches Lernen wird von Lehrer/innen unterstützt, die sich auch als Lernbegleiter/Lernbegleiterinnen verstehen, die individuellen Lernprozessen im Schulalltag viel Aufmerksamkeit widmen (Individualisierung). Die Wahrnehmung und Achtung individueller Lernwege, die auch Umwege sein können, ist ein Ausdruck von Anerkennung der Bemühungen eines Kindes oder Jugendlichen, selbst bestimmt sein Leben zu gestalten.

Beziehung wächst durch das Interesse an der Person, in einem Klima des Ange-nommenseins, der Wertschätzung, in einer Ermutigungs- und Bestärkungskultur. Die Fähigkeit von Lehrpersonen, bei aller notwendigen Distanz, positive Beziehungen zu ihren Schüler/innen aufzubauen, kann in vielen Fällen Konfliktpotenzial in der Schule entschärfen, denn die rationale Vermittlung von Werten allein wird erfolglos bleiben, wenn die affektive Ebene fehlt, wenn sich Jugendliche mit Erwachsenen, die die Werte vermitteln, nicht identifizieren können. Schüler/innen lernen nicht von der „perfekten“

Lehrperson am meisten, sondern von Persönlichkeiten, die sich in ihren Beziehungen auch mit ihren Schwächen, jedoch als Lernende, zu erkennen geben. Kinder und Jugend-liche brauchen primär für ihre Entwicklung Erwachsene, die die Integrität der Heran-wachsenden wahren und sich für sie einsetzen. Für die Wahrung der Integrität des/

der Einzelnen ist die regelmäßige Reflexion der eigenen Wahrnehmungen und Hand-lungen unerlässlich und ein Ausdruck von Lernbereitschaft und von Professionalität.

Fragen zu der Lehrer-Schüler-Beziehungsind im Anhang 20zu finden.

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6. Gemeinsam gewaltpräventiv handeln

Welche gewaltpräventiven Programme sind in der Praxis