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Mein Beitrag wird ziemlich persönlich sein, weil ich ein halbes Jahrhundert lang die Diktaturperioden in Rumänien direkt miterlebt habe, zuerst die D ikta tu r des Königs Karl des Zweiten, dann die militärische D iktatur des Generals Antonescu, dann die kommunistische D ikta tu r Gheorghiu-Dejs und zuletzt die D iktatur Nicolae Ceau-

$escus, welche drei Etappen hatte - die Jahre der Hoffnungen 1965—1970, dann die Jahre des Wechsels und endlich das schwere letzte Dezennium, Jahrzehnt der Absurdität und Inkompetenz. Ich habe es alles erlebt! Dort in meinem Lande, Tag fü r Tag, Nacht für Nacht!

Das Haus, das ich bewohnte, wurde 1979 abgerissen, dann mußte ich ein anderes kaufen, wo ich heute noch wohne, aber jahrelang - zusammen m it meiner Frau - haben w ir gezittert und nie gewußt, ob die Systematisierung uns nicht das zweite Mal ohne Haus lassen wird! Am 22. Dezember 1989 konnten w ir endlich wieder ruhig sein, aber das nach 10 Jahren Spannung und Streß!

Von jeder Auslandsreise wußte man nicht, ob es nicht die letzte sei! Als Wissen- schaftler mußte ich fü r jede Reise die Genehmigungen des Wissenschaftlichen Rates meines Institutes, der Akademie der Sozialen Wissenschaften, des Rektorats der Universität, der Parteiorganisation der Universität, des Parteizenters der Universi- täten, des Unterrichtsministeriums und des Munizipalkomitees der Partei haben;

nur wenn ich alle Genehmigungen erhalten hatte, konnte ich mit den Papieren zur Polizei gehen, um den Paß anzufordern, und das mußte wenigstens zwei Monate vor der Wegfahrt geschehen! Den Paß erhielt man zwei Tage, einen Tag oder nur ein paar Stunden vor der Abfahrt o d e r ... man erhielt ihn gar nicht! Das erste Mal bin ich 1965 gereist, ich war 42 Jahre alt! Seitdem habe ich ziemlich viel reisen können, weil ich in der Zwischenzeit ein internationales Prestige gewonnen hatte und oft eingeladen war, aber trotzdem wurden meine Reisen dreimal von der ״ Securitate“

für zwei - drei Jahre jedesmal, ohne eine klare Erklärung der Sache abzugeben, unterbrochen.

Die schwersten Zeiten waren die Zeiten der Stalinperiode, als G heorghiu-Dej, Generalsekretär der Kommunistischen Partei war. Dann waren Hunderttausende Menschen eingesperrt. Damals fuhren die schwarzen Wagen durch die Stadt, und wenn es während der Nacht an der Tür klingelte, dachte man: ״ Jetzt sind sie gekom- men, mich oder uns mitzunehmen!“ Meine Frau war fast drei Jahre eingesperrt, meine Tochter ist im Gefängnis geboren. Ich bin allein mit meinem Sohn, der nur drei Jahre alt war und dann, nach einem Jahr, auch mit meiner kleinen Tochter, geblieben. Mein Vater, meine M utter, mein Schwiegervater und meine Schwieger- m utter waren alle im Gefängnis. Mich hatte man vom Institut für Geschichte heraus- geschmissen, und ich habe eine Zeit als Mechaniker in einem Handwerkeratelier gearbeitet.

Nach Stalins Tod haben sich die Sachen ein wenig verbessert; während der 60er Jahre hat man auch wieder gehofft. Die Distanzierung von der Sowjetunion, die Intensivierung der allgemeinen Auslandsbeziehungen, der verbesserte innere

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bensstandard, die Erleichterung der Reiseformalitäten, die Genehmigung, daß man wieder große Persönlichkeiten der Nationalgeschichte positiv ansehen dürfte, waren alles Elemente unserer Hoffnungen. Persönlich konnte ich meine A k tiv itä t als H i- storiker entfalten, im Lande und auch im Ausland.

Leider hat es nicht lange gedauert! Ceauçescu hatte schon angefangen sich zu ändern! D er vermutliche Reformator ist ein Tyrann geworden! Die Leute haben noch eine Z eit geglaubt, daß er über die Lage nicht genau unterrichtet war, aber mit den 80er Jahren hat man ganz klar gesehen, daß er, auch unter dem Einfluß seiner Frau, eine D iktatur der Misere ohne Sinn und Verstand eingesetzt hat. Die Lebens- m ittel sind verschwunden und dann die Heizung der Häuser. Die Systematisierung der Hauptstadt hat das ״ kleine Paris“ zerstört! Die Systematisierung der D örfer war noch zu keiner richtigen Gefahr bis Ende 1989 geworden. Auch der russische Gene- ral Kisselef hatte, in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts, eine ähnliche Sache geprüft, aber ohne Erfolg. Auch Ceauçescu hat in der Praxis sehr wenig in dieser Richtung gemacht; ich glaube, daß man nicht von mehr als 20 ״ systematisierten“

D örfern sprechen kann, aber trotzdem war es für die Dorfbewohner eine potentielle Gefahr seit 1988 geworden. Während des letzten Dezenniums der Ceauçescuzeit war die Zahl der Menschen, die im Gefängnis waren, gering, aber die ganze Gesell- schaft lebte in einem großen Gefängnis; jeder war umkreist von den Spitzeln der Securitate, dem rumänischen Sicherheitsdienst.

So war cs, ganz allgemein, bis im Dezember 1989, und dann kam die Revolution, weil es eine richtige Revolution war, an welcher M illionen von Menschen teilgenom- men haben und auf den Straßen waren. Daß man vorher gegen Ceauçescu und die Regierung sprach, daß es auch Pläne gegeben hatte, um Ceauçescu zu stürzen, ist eine Realität, aber konkret hat man nichts gemacht, und man konnte auch nichts machen, weil die Securitate überall war. So hat im Dezember 1989 eine riesige sozialpolitische Explosion stattgefunden, und über tausend Menschen sind gestor- ben. Man hat gesprochen und geschrieben über Großmächte und Malta-Pläne, und es ist sicher, daß es Interessen der Großmächte in Rumänien wie auch in den anderen Ländern der Zone gegeben hat. Trotzdem haben sich die Ereignisse unter internationalen günstigen Bedingungen spontan entwickelt, und eine Erhebung sol- chen Ausmaßes von M illionen Menschen konnte nie das Resultat einer Verschwö- rung oder einer fremden Einmischung sein. Man wartete nur, daß das Feuer von jemand angezündet wurde! Und das geschah in Temeswar!

Die konkreten Ereignisse der Revolution waren sicher sehr positiv. Man hat viel erreicht. D er D irektor des Italienischen Instituts von Bukarest erzählte m ir, daß er von Journalisten nach seiner A nkunft in Rom am 29. Dezember 1989 gefragt wurde, was sich in Rumänien geändert hat und er dabei antwortete: ״ Alles hat sich geändert.“ Es ist wahr, daß man dann dieses Gefühl gehabt hat, und auch eine große Euphorie hat es gegeben! Man hat wieder die Glocken der Kirchen gehört, auf einmal war es wieder warm in den Hochhäusern von Bukarest und das nach fast zehn Jahren! Man hat für jedes Kilowatt Strom nur 65 Bani zahlen müssen, nicht 2,50 Lei, wie es bis zum 22. Dezember 1989 der Fall war! Benzin konnte man jetzt im ganzen Land kaufen. Die Systematisierung wurde eingestellt. Seit Anfang des Frühlings 1990 arbeitet man - wie in ganz Europa! - nur fü n f Tage pro Woche.

die alle zahlen mußten, wurde aufgehoben. Die Grenzen wurden geöffnet, alle bekamen Pässe (über 4 M illionen allein 1990), bis zum 1. Juli 1990 gab es keine Zollgebühr mehr, und nachher wurden die Zollgebühren niedriger als vor dem 22. Dezember 1989. Die Devisen kann man frei behalten und über die Grenze bringen oder schicken. Man hat den Bauern 5000 m2 Boden gegeben, und die Priva- tisierung hat begonnen. Die Kommunistische Partei ist praktisch explodiert, die Front der Nationalen Rettung, die die Revolution geleitet hatte, ist eine politische Partei geworden, und viele andere Parteien haben sich gebildet; heute sind es über 100! Die volle Freiheit der Presse und der über 1000 Periodika, ein Fernsehen, das heute fast non stop in Betrieb ist (nach den zwei Stunden Fernsehen pro Tag in der Ä ra Ceauçescus, während denen man fast nur Ceauçescu zeigte!), freie Kundgebun- gen, Streiks waren auch Folgen der Revolution. Die persönlichen Beziehungen zu den Ausländern sind ganz frei geworden. Die ehemaligen politischen Häftlinge haben sich in einem Verband organisiert, und der Staat zahlt ihnen monatlich eine Summe Entschädigung. Große Probleme gab es und gibt es teilweise noch m it der Securitate. Man hat sie unter die A utorität der Armee gesetzt, dann hat man einen neuen Sicherheitsdienst gegründet (S .R .I.), wo nur ungefähr 25% der Securitate- mitglieder behalten worden waren und das nach genauer individueller Prüfung ihrer persönlichen A k tiv itä t. Sicher ist es auch, daß die ehemaligen M itglieder der Securi- tate jetzt, sozusagen, versplittert sind in der ganzen Gesellschaft, auch politisch verteilt - von der Front bis in die Parteien der Opposition - und daß sie immer noch die Gesellschaft verschmutzen; aber sie verlieren allmählich ihre schädlichen Fähigkeiten und sind schon fast zu einem Phänomen der Vergangenheit geworden.

Die katholische Kirche, die Linierten, die protestantischen Gläubigen im allgemei- nen haben ihre volle Freiheit erhalten. Der Papst hat sechs katholische Bischöfe und sechs unierte Bischöfe ernannt. Die Rumänische Akademie ist wiedergeboren und man hat ihr und dem Kulturministerium mehr Geld als je zuvor in den letzten 40 Jahren zugeteilt! Die Studenten, die eine so wichtige Rolle während der Revolution spielten, erhielten Stipendien in größerer Zahl, die Anwesenheit bei den Vorlesun- gen wurde freiw illig ; sie boykottierten viele Professoren, die sie unmoralisch be- trachteten, und so hat man auch neue Professoren eingesetzt. Als H istoriker habe ich am 22. Dezember 1989 ein wunderbares Gefühl erlebt: Ich konnte jetzt schrei- ben ohne an jedes Wort zu denken, ohne Formeln suchen zu müssen, durch welche ein Buch erscheinen konnte, aber auch die Wahrheit bewahrt sei; diesmal konnte ich frei schreiben, ohne Kontrolle, und ich konnte endlich auch ganz frei reisen m it dem Paß in der Tasche (ohne monatelang auf die Genehmigung der wissenschaftlichen, aber auch politischen Behörden warten zu müssen und ohne jedesmal von der Polizei den Paß zu verlangen)!

Wie w ird es weitergehen? Welche wird die Zukunft meines Landes und meiner Nation sein? Es sind natürliche Fragen, die w ir uns stellen. Ich muß sagen, daß ich ein O ptim ist bin und bleibe, vielleicht auch, weil ich die Sachen als H istoriker und nicht als Politiker ansehe! (Mein persönliches Problem bleibt trotzdem: Werde ich noch leben, wenn die guten Zeiten kommen werden? Das ist meine Frage!)

Eine Analyse der jetzigen politischen Lage zeigt aber, daß w ir uns nicht mehr in der Situation des Frühlings 1990 befinden. Die Meinungsumfragen zeigen, daß die Front der Nationalen Rettung - die sich als eine Partei sozialdemokratischer

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tung (es ist ein paar Monate her) deklarierte - noch die stärkste Formation bleibt, ohne aber in der öffentlichen Meinung noch 66% auf sich zu vereinen. Ihre Popula- rität ist — wegen der Liberalisierung der Preise und der wirtschaftlichen Schwierig- keiten - um 1 5 -2 0 % zurückgegangen. Die ״ historischen“ Parteien haben aber ziemlich wenig in der öffentlichen Meinung gewonnen; im allgemeinen glauben wenige an ihre Fähigkeit, das Land zu retten. Eine Gefahr ist in der Zwischenzeit erschienen: die Sozialistische Partei der A rb eit (die alten Kommunisten, geleitet von Ilie Verde{), welche bei einigen Arbeitern in der jetzigen schweren sozioökonomi- sehen Lage ein Echo gefunden hat. Die U D M R — Partei der Ungarn — w ird, wahrscheinlich, ihre 7% vom 20. Mai 1990 beibehalten; im Gegensatz dazu ist die politische Partei der ״ Vatra romäneascä“ auch ziemlich stark geworden, vor allem unter den Siebenbürger Rumänen. Seit über einem Jahr haben die interethnischen Konflikte in ihrer brutalen Intensität abgenommen, und dieselbe Sache kann man im allgemeinen auch über das politische Leben in Rumänien sagen. Die anderen kleinen Parteien und auch die Grünen haben wenig Wahlchancen. Eine Perspektive hat der junge Flügel der Liberalen, und während der letzten Z eit hat H err Ra{iu an persönlicher Popularität gewonnen, aber nur in den Reihen der m ittleren Schichten.

Die große Mehrheit der Bauern und die Mehrheit der A rbeiter bleibt an der Seite des Präsidenten Iliescu. Die politische Organisation der ״ Alian{a civica“ (Bürgerli- che Allianz) könnte auch Erfolg haben, aber nur bei einem Teil der Intellektuellen ste der Könige Karl der Erste und Ferdinand nicht anerkennt. N ur ist die Monarchie für die meisten eine alte Sache geworden.

Wie geht es dann mit der Bildung der Institutionen eines Rechtsstaates und der neuen Marktwirtschaft? Nach den Maiwahlen des vorigen Jahres gibt es einen legiti- men Präsidenten der Republik, eine legitime Regierung und ein legitimes Parlament mit zwei Kammern; es hat eine Gewaltenteilung stattgefunden. Auch während der

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Ubergangsetappe, die fast ein halbes Jahr dauerte, wurde eine ziemlich reiche ge- setzgebende Tätigkeit entfaltet. Man muß sagen, daß auch das neu gewählte Paria- ment sehr kreativ gearbeitet hat; man ist auch fast am Ende m it der Ausarbeitung der neuen Verfassung.

Das Minderheitenproblem müßte man sicherlich besser regeln. Man sucht die Emigration der Deutschen, die noch geblieben sind, zu bremsen, was leider ziemlich schwer ist, weil man ihnen sozialökonomisch so wenig anzubieten hat. Die neue Verfassung soll auch der ungarischen Minderheit von fast zwei M illionen (ein Viertel fast der Bevölkerung Siebenbürgens) die individuellen Menschenrechte, ihre Spra- che. ihren U nterricht, ihre K ultur und ihre Presse in freier Entwicklung garantieren.

In den Landesbezirken Covasna und Harghita, im m ittleren Teil Rumäniens, haben

Rumänien hat immer eine flexible, aber auch eine rege Außenpolitik gehabt;

diese Politik wurde dem Land von seiner ״ Insellage“ auferlegt. Rumänien zielt auf allgemeine gute Außenbeziehungen ab. Gute politische Beziehungen entfalten sich mit Frankreich - Präsident M itterrand war der erste westliche Staatschef, der Bu- karest nach der Revolution besuchte - ; gute Beziehungen gibt es auch zu der B R D , weil die deutsch-rumänischen wirtschaftlichen aber auch kulturellen Beziehungen traditionell sind; gute Beziehungen gibt es zu Italien und Spanien - lateinische Länder - , aber man erhoffte mehr von den Vereinigten Staaten und von England;

vielleicht werden die Sachen in der nahen Zukunft von diesem Standpunkt aus besser laufen. Rumänien ist auch sehr interessiert an einem Sicherheitsvertrag in seiner Zone und hat Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei den Antrag vorge- schlagen, sich ihnen hinzuzugesellen. M it der Sowjetunion hat man einen sehr um- strittenen Vertrag abgeschlossen, der noch auf die Ratifizierung des Parlaments wartet. Von rumänischer Sicht ist es sehr wichtig, daß sich durch diesen Vertrag verbesserte Wirtschaftsbeziehungen entwickeln können, aber zuerst, daß neue di- rekte und enge Beziehungen zwischen Rumänien und der jetzigen Republik Moldau zustande kommen. Das Problem des Termins oder die militärischen Bestimmungen sind ähnlich mit solcher A rt Bestimmungen in anderen Verträgen. Das Selbstbestim- mungsrecht ist, indirekt wenigstens, akzeptiert.

Die schwersten Probleme bleiben aber die der Wirtschaft. Die Umwandlung der Agrarverhältnisse ist im Gang: Sofort nach der Revolution hat man den Bauern 5000 in2 Boden zugeteilt, seit Anfang des Jahres wird das neue Bodengesetz durch- geführt. Was die Industrie betrifft, laufen die Sachen viel schwieriger; die Produkti- vität ist gesunken. Es stellt sich vorerst das Problem der Energie, eng verbunden mit dem Problem der Modernisierung der Industrie, und es gibt auch das Problem der Kapitalien (innere sehr wenige — von draußen sehr schwer kommende!), und allen voran das Problem einer neuen Mentalität der A rbeiter und der Manager! Das Problem der Arbeitslosigkeit ist vorhanden! Der private Handel entwickelt sich rasch; ganz Bukarest ist auch voll von Privattaxis und man sieht jeden Tag mehr Privatläden. Ein Gesetz für autonome Regionen und für Handelsgesellschaften ist schon am Laufen; und in kurzer Zeit wird das Parlament ein Gesetz der Privatisie- rung diskutieren und sehr wahrscheinlich annehmen. Maßnahmen zur Anregung des fremden Kapitals hat man schon im Frühling 1990 gefördert, und es wird weiterge- hen in dieser Richtung mit dem Gesetz der Privatisierung. Sicher ist es, daß alle Parteien die M arktwirtschaft wollen, die Regierung, wie die Opposition. A m 1. No- vember 1990 und am 1. A p ril 1991 hat man die Liberalisierung der Preise durchge- führt, kom biniert m it Maßnahmen für soziale Protektion. Man muß sagen, daß die Bevölkerung im allgemeinen nicht viel Verständnis in dieser Richtung gezeigt hat, trotz der absoluten Notwendigkeit der Sache.

Die K u ltu r erlebt eine klare Wiedergeburt. Erstmalig kann sie sich ganz frei entwickeln, und das ist das Wichtigste! Die Rumänische Akademie hat - nach 25 Jahren! — neue M itglieder gewählt; man hat ihr viel mehr Geld zur Verfügung gestellt, wie auch dem Kulturm inisterium . Ein Projekt des neuen Gesetzes des Unterrichts diskutiert man. Wichtig ist auch die Erregung in den Reihen der Intel- lektuellen, die man in den verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften verfolgen kann. Man muß trotzdem hinzufügen, daß diese Erregung nur einen Teil der

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lektuellen erfaßt hat; die M ehrheit bleibt still, sie mischt sich nicht in die politischen Angelegenheiten ein und bleibt ein wenig skeptisch! Es gibt noch ein wichtiges Problem: Nach der Liberalisierung der Preise sind Druck und Papier sehr teuer geworden, und so sind die Preise der Bücher auf einmal sehr angestiegen. Die wissenschaftlichen Arbeiten können nur schwer veröffentlicht werden, und auch fü r die Schriftsteller ist das Problem der Verwertung ihrer Schriften nicht mehr leicht.

Es handelt sich in W irklich keit in Rumänien - wie auch in den anderen Ländern der Zone - , wenn man alles global betrachtet, nicht nur um einen Wandel des Systems, sondern es handelt sich um einen Wandel der Gesellschaft, die jetzt noch krank ist. Die meisten Bürger - zuerst in den Städten - haben geglaubt, daß auf einmal alles wie im Schlaraffenland sein w ird, und so etwas hat sich natürlich nicht ereignet! Die alte Ordnung ist in Rumänien explodiert, die neue wird aufgebaut, aber selbstverständlich sehr mühsam. Die M inister sind jung und tüchtig, und unter ihnen findet man echte Persönlichkeiten - angefangen mit Premierminister Roman - ; aber zwischen ihnen und der Nation gibt es eine dickflüssige Bürokratie, die die neuen Prozesse hemmt:

Beamte, die jahrzehntelang in einem System gearbeitet haben und die nicht verstehen wollen, daß die Zeiten sich von Grund auf geändert haben. Man hat, seit der Révolu- tion, auch sehr viele jungen Leute in die Verwaltung aufgenommen, aber sie haben wenig Erfahrung, und nicht selten stellt sich heraus, daß einige unter ihnen oberfläch- lieh sind. Dann gibt es die K orruption, welche leider in derTransitionsetappe, die man überschreiten muß, blüht, die Spekulation und auch die K rim in a litä t, die ihrerseits angestiegen sind. Die wichtigste Sache bleibt aber, daß die Menschen überzeugt seien, daß sich die Lösung nur in ihren Händen befindet; sehr viele warten auf die H ilfe des Westens (seit 50 Jahren wartet man auf die A m erikaner!), einige warten auf den Sturz der Regierung und des Präsidenten, und gleichzeitig glauben sie, daßso ein Wechsel die Zustände bessern könnte; es gibt auch Menschen — aber ihre Zahl ist gering — , die glauben, daß, wenn der König zurückkäme, allesauf einmal gut laufen könnte. Meiner Meinung nach sind es nur utopische Spekulationen, die weit von der W irklichkeit der Umstände entfernt sind. N ur in einer tüchtigen, kompetenten A rb e it, unter den neuen Bedingungen der Freiheit, kann man die Lösung des Gegensatzknödels finden.

Es handelt sich auch um eine richtige H ilfe der fortgeschrittenen Länder, eine konkrete, praktische H ilfe und vor allem um eine Zusammenarbeit. Vor einem halben Jahrhundert hat man einen Marshallplan gehabt, und so war Westeuropa gerettet!

Diesmal könnte auch nur ein neuer Marshallplan die Lage der m ittel- und osteuropäi- sehen Länder verbessern. H ilfe und M itleid genügen nicht! Man muß die Möglichkei- ten einer Zusammenarbeit schaffen, ein neues Gleichgewicht in ganz Europa bilden und allen eine Chancengleichheit anbieten. Die Zusammenarbeit wäre im Interesse

Diesmal könnte auch nur ein neuer Marshallplan die Lage der m ittel- und osteuropäi- sehen Länder verbessern. H ilfe und M itleid genügen nicht! Man muß die Möglichkei- ten einer Zusammenarbeit schaffen, ein neues Gleichgewicht in ganz Europa bilden und allen eine Chancengleichheit anbieten. Die Zusammenarbeit wäre im Interesse