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Wahlsysteme im Vergleich Mehrheits- oder Verhältniswahl?

Schwerpunkt im Kompetenzerwerb

Die SuS analysieren Unterschiede zwischen Mehrheits- und Verhältniswahlrecht. Davon ausgehend beurteilen sie die Bedeutung des Wahlrechts für die Funktionsweise des politischen Systems (Sachurteil). In Auseinander-setzung mit dem personalisierten Verhältniswahlrecht verstehen sie dessen Kompromisscharakter und entwerfen ein kriterienorientiertes Wahlsystem (Handlungskompetenz).

O 66–69 Demokratie und Partizipation

Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung

Schritte im Lernprozess Methodenvorschläge Erweiterung

Einstieg:

Wie funktioniert das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag?

Schaubild M1

interpretieren Hypothesen über Schwächen und Stärken der „ personalisierten Ver-hältniswahl“ entwickeln Leitfragen:

• (a) Welche Vor- und Nachteile haben das Verhältnis- und das Mehrheitswahlrecht?

• (b) Ist das Bundestagswahlrecht ein gelungener Kompromiss aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht?

• (c) Wie sollte ein ideales Wahlsystem aussehen?

Erarbeitung:

• (a) arbeitsteilig: Funktionsweise, Vor- und Nachteile von Verhältniswahl- und Mehrheitswahl erarbeiten (VT, M1–M5)

• (b) personalisiertes Wahlrecht als Kompromiss (VT, M1)

arbeitsteilige Gruppen-arbeit (AV1, AV2, AV4, AV6) – Expertengruppen vergleichen Wahlsysteme und deren Auswirkungen miteinander;

AV5 in Gruppen bearbeiten

Wahlergebnisse der briti-schen Unterhauswahlen analysieren;

Bundestagswahlrecht:

anhand (M4, M5) Reform-bedarf erarbeiten

Sicherung und Urteilsbildung:

• Sachurteil (erste, zweite Leitfrage)

• Werturteil (dritte Leitfrage)

Beantwortung der Leit fragen durch Entwurf eines idealen Wahl-systems (AV8)

Gendergerechtigkeit per Gesetz? Diskussion über Quotierung der Wahlvor-schläge der Parteien nach Geschlecht (M6, AV7)

Lösungshinweise und Erwartungshorizonte zu den Arbeitsvorschlägen

AV1 – [VT, M1, M3, M5]

– Das Mehrheitswahlrecht gibt den Wahlkreisen eine entscheidende Bedeutung. Hier lassen sich durch Manipulationen der Wahlkreiszuschnitte Mehrhei-ten organisieren: Manipulation 1: Hochburgen mit guten Wahlergebnissen des Gegners zerschneiden und mit umliegenden Wahlkreisen zusammenlegen:

Hochburg und Mehrheit des Gegners ist „neutra-lisiert“; Manipulation 2: Wahlkreise werden neu zusammen gelegt, sodass eigene Hochburgen ent-stehen.

– In den traditionell sicheren Hochburgen ist eine politische Verödung zu erkennen. Weder der sichere Sieger, noch die sichere Verliererin engagieren sich besonders. Sie konzentrieren ihre Ressourcen in sog.

marginal seats – umkämpfte und wahlentscheiden-de Wahlkreise.

– Kleinere Parteien mit einem Anliegen haben im Vergleich zu Regionalparteien mit einem regionalen Gestaltungsanspruch kaum Chancen, einen Wahl-kreis zu gewinnen.

– Entscheidend ist auch, mögliche demografische Ver-änderungen innerhalb der Wahlkreise zu erkennen und anzupassen. Dann bleiben die Wahlkreise etwa gleich groß, Gleichheit der Stimmen ist garantiert.

AV2 – [VT, M1]

Als Kategorien können gewählt werden:

Mandatsträger:

– Mehrheitswahlrecht: Mandatstragende stehen im Wahlkreis zur Wahl. Höhere Verpflichtung gegen-über dem Wahlkreis als der Partei. Wahlkreisgewin-nende besitzen hohe demokratische Legitimität.

– Verhältniswahlrecht: Mandatstragende kommen über Parteilisten ins Parlament, innerparteilicher Wett bewerb entscheidet über Listenplatz und damit Wahlchancen; Wiederwahl ist von gutem Listenplatz abhängig – diesen erhält man i. d. R. durch parteikon-formes Verhalten

Repräsentation des Willens der Wählerinnen und Wähler:

– Mehrheitswahlrecht: Es fallen durch das Prinzip

„the winner takes it all“ alle Stimmen, die nicht die Wahlkreisgewinnerin/den Wahlkreisgewinner wäh-len, unter den Tisch. Kleinere Parteien sind zuguns-ten größerer und regional verankerter Parteien be-nachteiligt; Wahlergebnis spiegelt nicht

Wahlverhalten wider. Regelmäßig kommt es zu Dispro portionseffekten, wenn relative Mehrheit zum Wahlkreissieg reicht. Da jede Stimme zählt, werden politisch extreme Parteien seltener gewählt.

– Verhältniswahlrecht: Ohne Sperrklausel wird im Gro-ßen und Ganzen das Wahlverhalten im Parlament gespiegelt. Regionale Parteien werden benachtei-ligt, da ihre Stimmen untergehen. Politisch extreme Parteien und/oder neue politische Strömungen wer-den öfter gewählt, da, vor allem ohne Sperrklausel, die Wahrscheinlichkeit groß ist, Parlamentssitze zu erhalten.

2.2 

Das politische System der Bundesrepublik Deutschland

Auswirkungen auf Mehrheitsbildung:

– Mehrheitswahlrecht: Mit dem Endergebnis steht mit dem Wahlsieg auch die zukünftige Regierungs-partei fest; in der Regel bilden sich Zwei-Parteien-systeme aus, die sich mit dem Regierungsauftrag abwechseln.

– Verhältniswahlrecht: Koalitionsregierungen i. d. R.

nach langwierigen Verhandlungen, Wahlsiegende stellen nicht automatisch die Regierung; ohne Sperr-klausel besteht Gefahr der Parteienzersplitterung.

Auswirkungen auf politische Kultur/politisches System:

– Mehrheitswahlrecht: fördert Konkurrenzdemokratie;

bei Regierungswechseln kann es zu starken Politik-wechseln kommen; starke Konkurrenz der Lager unter einander mit alternativen Politikentwürfen.

– Verhältniswahlrecht: fördert Konkordanzdemokra-tie; Koalitionsverhandlungen und -regierungen for-dern Kompromissbereitschaft der Koalitionäre; Re-gierungen können allerdings instabiler sein.

AV3

Der Arbeitsaufrag zielt auf eine eigenständige, indivi-duelle Leistung der SuS zu aktuellen Wahlergebnissen ab. Die SuS erhalten die Gelegenheit, folgende Aspek-te des WahlsysAspek-tems zu reflektieren:

→ Grafik

Das Wahlkreisergebnis der Partei A geht anteilig in das prozentuale Ergebnis der Partei A auf der über-geordneten Ebene (z. B. Land oder Bund) ein. Würde ein Parlament auf Wahlkreisebene gebildet, hätte die Partei A ein deutlich anderes Ergebnis erzielt.

AV4 – [VT, M1–M5]

– Im Mehrheitswahlrecht kommen nicht alle Wähler-stimmen zum Tragen; in seltenen Fällen erreicht so-gar die zweitstärkste Partei durch den Gewinn der Mehrheit der Wahlkreise die Parlamentsmehrheit.

– Im Verhältniswahlrecht zählen alle Stimmen;

Ergebnis bildet mehr ein Abbild der politischen Strömungen in der Bevölkerung ab; Gefahr einer Parteien zersplitterung des Parlaments besteht aber.

AV5

– Das personalisierte Verhältniswahlrecht verteilt die Sitze im Bundestag durch das Verhältniswahlrecht, aber die Hälfte der Mandate werden grundsätzlich über das relative Mehrheitswahlrecht in den Wahl-kreisen mit den Wahlkreisgewinnenden besetzt. Die andere Hälfte der Mandate werden über die Landes-listen der Parteien besetzt (ohne Überhang- und Ausgleichsmandate).

– Durch das personalisierte Verhältniswahlrecht kommt es über die Wahlkreise zu einem regionalen Bezug und die Wählenden können zu „ihren Abge-ordneten in Berlin“ eine persönliche Beziehung auf-bauen. Über Landeslisten können die Parteien Ein-fluss auf die Zusammensetzung der

Bundestagsfraktion mit Fachexpertise, Aushänge-schildern und jungen Talenten nehmen.

AV6 – [VT, M1, M2, M4, M5] 0

– Mehrheitswahlrecht fördert klare Ergebnisse und schnelle, stabile Regierungsbildung, enge Beziehung zwischen Abgeordneten und Wahlkreis, eine starke Konkurrenz zwischen den politischen Lagern in einem Zweiparteiensystem, benachteiligt kleinere Parteien und neue politische Strömungen, viele Wahlstimmen fallen unter den Tisch.

– Verhältniswahlrecht bildet politische Strömungen im Land gut ab, (fast) alle Stimmen werden berück-sichtigt, es bildet sich ein Mehrparteiensystem aus, was die Kompromissfindung im politischen System fördert, Koalitionsregierungen mit knappen Mehr-heiten können instabiler sein.

Demokratie und Partizipation