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Ein sehr seltenes Vorkommen eines Pseudoekstrophie- Pseudoekstrophie-Komplexes mit Darmduplikatur bei einem Ziegenlamm Pseudoekstrophie-Komplexes mit Darmduplikatur bei einem Ziegenlamm

Pseudoekstrophie-Komplexes mit Darmduplikatur bei einem Ziegenlamm

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A very rare case of pseudoexstrophy-complex with intestinal duplication in a kid

Zusammenfassung

Ein weibliches Kreuzungslamm der Ziegenrassen Toggenburger x Pfauenziege wurde mit Pseudoekstrophie-Komplex ähnlichen Missbildungen geboren. Für diese komplexe Anomalie waren das Spaltbecken und die Rektusdiastase charakteristisch.

Weitere Missbildungen des Ziegenlammes wie Urachusfistel, Nabelbruch, Atresia ani und Kloakenbildung über Vaginalfisteln standen möglicherweise ebenfalls mit dem Pseudoekstrophiekomplex in Zusammenhang. Zusätzlich lag eine Duplikatur des distalen Jejunums, gesamten Ileums, Colons und Rektums vor. Bisher gibt es keinen Bericht über das gemeinsame Auftreten dieser Missbildungen bei Nutztieren.

Zytogenetisch war keine Veränderung der Chromosomenzahl zu sehen. Infektiöse Ursachen konnten nicht nachgewiesen werden. Weitere Tiere mit derartigen Missbildungen waren in der Herde nicht bekannt. Eine genetische Ursache konnte nicht ausgeschlossen werden.

Schlüsselwörter: Anomalie, Ziegenlamm, Pseudoekstrophie, Darmduplikation, Hernia umbilicalis, Rektusdiastase, Spaltbecken, Urachusfistel, Atresia ani, Rektovaginalfistel

Summary

A female kid of the breeds Toggenburg goat x Peacock goat showed congenital malformations that resembled the pseudoexstrophy-complex in humans. Typical for this complex anomaly were diastasis recti and diastasis of the pelvic symphysis.

Further anomalies of this kid like patent urachus, umbilical hernia, atresia ani and rectal fistulas to the vagina may also be associated with the pseudoexstrophy-complex. In addition, the kid had a duplication of the distal portion of jejunum, entire

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ileum, colon and rectum. So far there is no report on the joint occurrence of these malformations in livestock animals.

Chromosomal anomalies were not seen. Infectious causes were unlikely. No further animals exhibiting such malformations could be ascertained in the same flock. A genetic cause could not be ruled out.

Keywords: anomaly, kid, pseudoexstrophy, intestinal duplication, umbilical hernia, diastasis recti, absence of the pelvic symphysis, atresia ani, vaginal fistula

Einleitung Urachusfistel

Bei allen Haustieren mit Ausnahme von Pferd, Rind und der Katze tritt die Urachusfistel sehr selten auf (Herzog 2001). Über die Häufigkeit von Urachusfisteln bei Ziegen ist kaum etwas bekannt. Yeruham (2002) berichtete über ein Urachusdivertikel bei einem drei Tage alten männlichen Ziegenlamm, das außerdem einen im Umfang zunehmenden Nabelbruch aufwies. Der Harnabsatz war physiologisch. Ali und Youssef (2007) operierten Kälber, Schaf- und Ziegenlämmer mit angeborenen Missbildungen. Darunter befanden sich sieben männliche Ziegenlämmer mit einem Urachusdivertikel, wohingegen lediglich bei Kälbern Urachusfisteln gesehen werden konnten.

Wenn die Nabelschnur bei der Geburt reißt, ziehen sich normalerweise die Nabelarterien und der Urachus in die Bauchhöhle zurück, wo sie in der Regel atrophieren. Lediglich eine Narbe (Urachusnabel) bleibt am kranialen Scheitel der Blase zurück (Nickel et al. 2004). Die Muskulatur der Blase kontrahiert bei der Geburt und schließt dadurch den Übergang des Blasenscheitels in den Urachus (Richter u.

Götze 1993). Die fehlende Verödung des Urachus (Urachus patens, Urachus persistens) kann nach der Geburt zur Urachusfistel führen, durch die Harn am Nabelstumpf austritt. Es ist nicht eindeutig geklärt, ob es sich bei der Urachusfistel um eine angeborene verzögerte Rückbildung des Urachus handelt, ob eine Beschädigung des Nabelstumpfs bei Durchtrennung des Nabelstrangs oder ein übermäßiges Belecken der Nabelgegend ursächlich verantwortlich ist (Walser u.

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Bostedt 1990). Als Ursachen für Involutionsstörungen des Urachus werden zudem aufsteigende Infektionen ausgehend von einer Entzündung des Hautnabels diskutiert, wobei häufig gleichzeitig eine zur Abszedierung neigende Urachitis auftreten soll (Starke u. Kehler 2004). Als weitere Ursache kann eine angeborene Verengung der Urethra in Betracht gezogen werden, die zu einem erhöhten Druck in der Blase führen soll, weshalb sich der Urachus nach der Geburt nicht verschließt (Hunt u. Allen 1989, Hylton u. Trent 1987).

Nabelbruch, Bauchbruch und Rektusdiastase

Als Nabelbruch (Hernia umbilicalis) wird der bedeckte Austritt von Eingeweideteilen durch eine abnorm weite, sich nach der Geburt nicht schließende Nabelöffnung bezeichnet. Eine palpierbare Nabelöffnung von mehr als einem Zentimeter berechtigt zur Diagnose Hernia umbilicalis (Distl 2001). Wenn der Verschluss der embryonalen Leibeswände eine Hemmung erfährt, bleiben größere oder kleinere Spalten an der ventralen Embryonalfläche bestehen und stellen eine Hemmungsmissbildung dar (Wiesner u. Willer 1974).

Beim kongenitalen Bauchbruch (Hernia abdominalis) befindet sich die Bruchpforte meist in der ventralen Bauchwand in oder neben der Linea alba. Gelegentlich kommt er durch das Fehlen mehr oder weniger großer Abschnitte des M. rectus abdominis zustande. Für den Bauchbruch wird ein polygener Erbgang mit unterschiedlicher Expressivität vermutet (Herzog 2001). Bei der Rektusdiastase weichen beide Rektusscheiden in der Linea alba auseinander. Dies kann als Fusionsdefekt angeboren oder z.B. infolge Narbenschwäche nach medianer Laparotomie erworben sein.

Berichte über Hernien bei Ziegen sind selten. Abdin-Bey und Ramadan (2001) berichteten über verschiedene Hernien bei 59 Ziegen in der Region Al-Hasa (Saudi-Arabien), wo Nabelbrüche und Bauchbrüche häufig auftreten sollen. Nabelbrüche waren vor allem bei Lämmern zu sehen. Bauchbrüche kamen meist bei adulten Tieren vor und hatten in der Regel traumatische Ursachen. Al-Sobayil und Ahmed (2007) berichteten über 10 Ziegen der Rassen Syrian und Baladi mit Bauchbruch und vier Ziegen mit Nabelbruch im Alter zwischen drei Monaten und sechs Jahren. Alle

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Bauchbrüche waren erworben und Folgen von stumpfen Traumata wie beispielsweise Hornstößen beim Kampf oder Treiben durch enge Tore. Die Nabelbrüche waren wahrscheinlich angeboren, wobei zwei der Lämmer zudem einen Nabelabszess aufwiesen, der ursächlich für den Bruch verantwortlich gewesen sein könnte. Ali und Youssef (2007) sahen eine angeborene Omphalozele bei fünf weiblichen Ziegenlämmern.

Spaltbecken

Beim sogenannten Spaltbecken des Menschen sind die Schambeinfugen und somit das Schambein nicht geschlossen (Reutter u. Boemers 2002). Die Anlagen für das Darmbein, Sitzbein und Schambein sind beim Embryo zunächst getrennt und fusionieren später auf jeder Seite zum knorpeligen Hüftbein. Beide Hüftbeine vereinigen sich anschließend zum Beckengürtel. Die Beckensymphyse ist knorpelig und bindegewebig und im Alter knöchern. Sie wird kranial vom Schambein und kaudal vom Sitzbein gebildet (Nickel et al. 2003, Ruth 1932). Bei der Ziege beginnt das Schambein zwischen dem 80. bis 82. Trächtigkeitstag zu ossifizieren. Knapp vor oder nach der Geburt verwächst es mit dem Sitzbein (Rajtová 1972). Eine Untersuchung an Kaninchenembryonen ergab, dass die Entwicklung der Harnblase und der ventrale Schluss des Beckenrings einen zeitlichen Zusammenhang haben. In der Phylogenese ist ebenfalls ein Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Urogenitaltrakts und der Beckenknochen zu sehen: Der Fisch hat eine Kloake und lediglich rudimentäre Beckenstrukturen, während der Froschlurch schon eine Auftrennung des Beckens in Darm-, Scham- und Sitzbein sowie eine beginnende Separation des Harnsystems vom Genitalsystem aufweist (Beaudoin et al. 2004).

Anders und Collins (2006) fanden bei einem vier Monaten alten weiblichen inkontinenten Golden Retriever eine Missbildung des Beckens mit fehlender Symphyse des Scham- und Sitzbeins. Altmann (1925) berichtete von einem missgebildeten Alpensteinbocklamm, das mit Atresia ani, einem Spaltbecken, einer akzessorischen Beckengliedmaße, zwei Nieren und zwei Ureteren, Veränderungen der Geschlechtsorgane sowie einer Fistelbildung zwischen Urethra und Rektum geboren wurde. Das linke Schambein war plumper gebaut als das rechte und wies

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einen Vorsprung auf, von dem mittels eines Stranges aus derben Bindegewebsfasern eine akzessorische Beckengliedmaße entsprang.

Darmduplikatur

Verdopplungen von Darmabschnitten können Divertikel darstellen, zystisch oder tubulär sein, isoliert oder an einzelnen oder mehreren Stellen mit dem ursprünglichen Darmlumen in Verbindung stehen, zahlreiche Formen annehmen und mit anderen Missbildungen assoziiert sein (Bremer 1944). Bei Haussäugetieren kann diese Missbildung hin und wieder beobachtet werden. Verdopplungen können im gesamten Verdauungstrakt auftreten, sind jedoch im Bereich des Ileums am häufigsten. Bei der normalen Darmentwicklung durchlaufen verschiedene Teile des Verdauungskanals ein solides Stadium. Die Wiederherstellung des Lumens erfolgt durch anschließende Vakuolisierung. Wenn mehrere Vakuolen sich zusammenschließen und keinen Anschluss an das Hauptlumen finden, dann bilden sie einen Kanal, der parallel zum Hauptlumen verläuft. Durch die Vereinigung der Wandschichten des Darms zwischen den Lumina werden diese voneinander getrennt (Bremer 1944, Rüsse u. Sinowatz 1991). Espalieu et al. (1985) merkten hingegen an, dass die Auffüllung und Rekanalisierung des Darms lediglich für das Duodenum bewiesen seien und nur dort Duplikationen erklären können. Weitere Hypothesen der Entstehung dieser Missbildung sind Fehler der intrauterinen vaskulären Versorgung, Fehler in der Entwicklung der Chorda dorsalis sowie eine fehlgeschlagene Zwillingsbildung (Espalieu et al. 1985, Ildstad et al. 1988). Es wird eine erbliche Grundlage vermutet, deren Erbgang jedoch unbekannt ist (Herzog 2001).

Meist bleibt eine Verdopplung von Darmabschnitten nicht komplikationslos. Es kann zu abdominalen Schmerzen, Konstipation, Tenesmus und Kümmern, Invagination, Darmobstruktion, Perforation, Volvolus, bösartiger Entartung, Infektionen und Hämorrhagien aufgrund von ektopischer gastrischer Muskosa kommen. Blinddarm-, Colon- oder Rektumduplikationen sind oft nur Zufallsbefunde (Herzog 2001, Shinozaki et al. 2000).

Berichte über Doppelbildungen bei Ziegen sind selten und betreffen meist nicht nur Einzelorgane. Corbera et al. (2005) untersuchten ein Ziegenlamm mit zwei Becken

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und vier Beckengliedmaßen, Gaumenspalte und Atresia ani. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um einen Fall von Monozephalus dipygus. Ottiang`a-Owiti et al.

(1997) untersuchten eine adulte weibliche Ziege in Kenia, die in der Beckenregion eine parasitäre Doppelbildung aufwies, die aus einer ovoiden fetthaltigen Masse mit zwei Hintergliedmaßen bestand. Die Autoren diagnostizierten einen Ischiopagus parasiticus. Dorsal des Parasiten befanden sich zwei Ani und doppelt angelegte äußere Genitale. Der Autosit hatte zwei vollständige weibliche innere Geschlechtsorgane und hatte nach Besitzerangaben Nachwuchs gebracht.

Außerdem war kaudal der Mitte des Jejunums der Darm zweigeteilt und es fanden sich zwei Harnblasen. Ursächlich machten sie eine unvollständige Trennung in Zwillinge mit Assimilation bzw. Anlagerung des Parasiten an den Autositen verantwortlich. Ramadan (1996) berichtete von einem weiblichen Ziegenlamm mit einer Duplikation des Kopfes (Dizephalus), der Speiseröhre, Milz und Leber, einer Urachusfistel und weiteren Missbildungen.

Nommensen (1986) berichtete von dem Fall eines zweijährigen Bullens, dessen Darm distal vom Ileum an zweigeteilt war. Die Därme vereinigten sich 20 cm proximal des Rektums, wobei sie innerlich durch eine senkrecht gestellte Scheidewand in zwei Röhren geteilt waren.

Atresia ani

Atresia ani ist die häufigste Missbildung des Intestinaltrakts und kommt vor allem beim Rind und Schwein vor (Rüsse u. Sinowatz 1991). Ursache für diese Hemmungsmissbildung ist eine Störung der Differenzierung der Kloake in Rektum und Sinus urogenitalis oder eine Bildungsstörung der Kloakenmembran (Wiesner u.

Willer 1974). Die Afteröffnung ist mit einer mehr oder weniger dicken Hautmembran verschlossen, das Rektum bis zu dieser Wand jedoch normal angelegt.

Die Ätiologie anorektaler Fehlbildungen beim Menschen ist noch nicht vollständig geklärt. Diskutiert werden genetische Faktoren, mütterlicher Diabetes und teratogene Substanzen wie Vitamin A und Adriamycin. Anorektale Fehlbildungen treten auch in Zusammenhang mit Syndromen und Chromosomenanomalien (vorwiegend humanes Chromosom 13) auf. Aus pathogenetischer Sicht werden das Glykoprotein Sonic

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hedgehog, Transkriptionsfaktoren der Gli-Familie und Homeoboxgene für die Entstehung anorektaler Fehlbildungen verantwortlich gemacht (Mauch u. Albertine 2002, Mo et al. 2001). Anorektale Anomalien des Menschen sind oft mit weiteren Missbildungen assoziiert, wie vertebrale Defekte, Analatresie, tracheo-ösophageale Defekte, radiale Extremitätenreduktion, renale Defekte, vaskuläre Anomalien (Werner 1998).

Beim Schaflamm wird Atresia ani als Letalfaktor D13 in der internationalen Letalfaktorenliste geführt (Wiesner u. Willer 1974). Weibliche Lämmer können durch eine Kloakenbildung (Rektovaginalfistel, Atresia ani vaginalis) überleben. Bei der Ziege ist Atresia ani bei verschiedenen Rassen bekannt und folgt vermutlich einem polygenen Erbgang mit Schwellenwertcharakter. Auch bei weiblichen Tieren dieser Art kann es zur Ausbildung einer Rektovaginalfistel kommen. In den Fällen, bei denen die Fistel zu eng ist, kommt es zur Koprostase und abdominaler Reizung (Herzog 2001). Cazabon et al. (1994) untersuchten ein weibliches Ziegenlamm mit Atresia ani vaginalis und stark geweitetem Rektum. Zudem fehlte die Lendenwirbelsäule (Perosomus elumbis). Rahman (1973) operierte eine Rektovaginalfistel bei einer weiblichen Ziege. Johnson et al. (1980) untersuchten eine weibliche Ziege mit Atresia ani und Rektovaginalfistel, die eine Vaginitis entwickelt hatte. Das vier Monate alte Tier war ingezüchtet und kümmerte. Ali und Youssef (2007) operierten Atresia ani bei drei männlichen Ziegen- und vier Schaflämmern. Rektovaginalfisteln sahen sie bei sechs Schaflämmern. Dennis und Leipold (1972) berichteten von Atresia ani bei 64 Schaflämmern, die in 65,6 % der Fälle mit weiteren Missbildungen, vor allem des Urogenitalsystems, vergesellschaftet waren. Männliche Lämmer waren dreimal häufiger betroffen als weibliche, wobei letztere zu 59 % eine Rektovaginalfistel aufwiesen. Ein weibliches Lamm hatte zudem eine Atresia vaginalis und einen Urachus patens. Watson und Cunliffe (2003) berichteten von Atresia ani bei Schaflämmern einer in Gruppen geteilten Herde. Die Häufigkeit von Atresia ani in den einzelnen Gruppen betrug durchschnittlich ca. 12 % und die Missbildung war vor allem zu Beginn der Ablammsaison zu beobachten, während in einer Gruppe in der Nachkommenschaft eines neuen Zuchtbocks 50 % der Lämmer betroffen waren. Die Autoren vermuteten einen Umwelteffekt als

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Ursache, da die Häufigkeit des Auftretens für einen einfachen genetischen Effekt zu hoch erschien. McFarland (1959) sah zwei weibliche Schaflämmer mit Atresia ani, bei denen das Rektum ins Vestibulum mündete. Die Vulva war von normaler Größe, Form und Position. Swartz et al. (1985) untersuchten ein weibliches Schaflamm mit Atresia ani vaginalis. Das leicht ingezüchtete Lamm mit normalen Karyotyp wurde aufgrund von Kotabsatzschwierigkeiten im Alter von drei Monaten erfolgreich chirurgisch therapiert. Bei der genealogischen Untersuchung von Schaflämmern mit Atresia ani ermittelten Fischer und Adinata (1957) einen autosomal rezessiven Erbgang. Mauch und Albertine (2002) berichteten von einem weiblichen Zwillingsschaflamm mit Missbildungen des äußeren Genitale (eine penisähnliche Struktur am Perineum) und einer Fistelbildung zwischen Blase, Rektum und Vagina.

Epispadie-Ekstrophiekomplex des Menschen

Die humane Pseudoekstrophie ist eine sehr seltene Variante des Epispadie-Ekstrophiekomplexes (Kilic et al. 2004). Unter diesem Komplex werden angeborene Fehlbildungen des Urogenital- und Intestinaltrakts in unterschiedlicher Ausprägung subsumiert. Unter Ekstrophie versteht man eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Ausstülpung bzw. Auswärtsdrehung der Schleimhautfläche eines Hohlorgans infolge eines fehlenden Verschlusses während der Embryonalentwicklung. Bei der klassischen Blasenekstrophie handelt es sich trotz vielfältiger Variationen immer um einen Mittelliniendefekt, der die untere Bauchwand betrifft. Aus der offenen Bauchdecke tritt eine nicht verschlossene Blase hervor und es findet sich ein Spaltbecken und eine komplette Epispadie (obere Harnröhrenspalte). Bei der kloakalen Ekstrophie, der schwersten Form, ist zudem die Harnblase halbiert, der Enddarm gespalten (Reutter u. Boemers 2002), und es liegt eine Omphalozele sowie eine Dünn- oder Dickdarmfistel bei distaler Darmatresie vor (Ludwig et al. 2005). Die seltene Variante der Pseudoekstrophie ist gekennzeichnet durch ein Spaltbecken, eine Rektusdiastase und einen kaudal verlagerten Nabel. Bei der gedeckten Ekstrophie ist ein isoliertes ektopisches Ileum- oder Colonsegment zu finden, das jedoch keine Verbindung zum Gastrointestinaltrakt aufweist. Bei der oberen Blasenspalte kann ein feiner Fistelgang zwischen Blasenwand und

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Bauchdecke bestehen, was differentialdiagnostisch von Urachusanomalien unterschieden werden muss. Die gemeinsame Teratogenese aller Ausprägungsformen ist gekennzeichnet durch eine verzögerte bis fehlende Retraktion der Kloakenmembran, möglicherweise wegen fehlerhafter mesodermaler Verdickung ihrer sonst nur dünnen ekto- und entodermalen Schicht (Rösch et al.

2003). Das Wiederholungsrisiko für diese Krankheit beträgt innerhalb von Familien mit einem Betroffenen 0,5-3 %. Bisher konnte jedoch kein verantwortlicher Gendefekt identifiziert werden und assoziierte chromosomale Aberrationen (Translokationen v.a.

von Chromosom 9 sowie verschiedene numerische Chromosomenanomalien) wurden bisher nur in wenigen Fällen beschrieben. Epidemiologische Daten deuten darauf hin, dass dem Krankheitsbild ein komplexer genetischer bzw. multifaktorieller Erbgang zugrunde liegt. Eine spezifische teratogene Noxe für die Entstehung dieser Krankheit beim Menschen konnte bisher nicht identifiziert werden (Ludwig et al.

2005).

Material und Methoden

Das weibliche Kreuzungslamm der Rassen Toggenburger x Pfauenziege wurde als Zwilling eines gesunden männlichen Lammes in einem Toggenburger-Herdbuchbetrieb geboren. Aufgrund einer Umfangsvermehrung des Nabels wurde es am ersten Lebenstag in die Klinik für kleine Klauentiere der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover eingeliefert. Dort wurden eine klinische und hämatologische Untersuchung sowie eine Sonographie des Nabelbereichs durchgeführt. Diese erfolgte in Rückenlage mittels eines 7,5 MHz-Scanners und umfasste die Umfangsvermehrung am Nabel und die abdominale Region kaudal davon. Die zytogenetische Untersuchung erfolgte an Blutlymphozyten aus einer steril entnommenen heparinisierten Vollblutprobe im Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung. Im Institut für Virologie wurde EDTA–Blut auf Bovine Virusdiarrhoe-Virus (BVDV) Antigene und Antikörper gegen das Bovine Respiratorische Synzytialvirus (BRSV) getestet. Da eine chirurgische Therapie für den Züchter nicht in Betracht kam, wurde das Lamm im Alter von acht Tagen mit einer intravenösen Gabe von Pentobarbital (Eutha77, Essex Tierarznei, München)

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euthanasiert. Anschließend wurde eine pathologisch-anatomische Untersuchung durchgeführt. Die Beckenknochen, das Kreuzbein, die Lendenwirbel- und Schwanzwirbelsäule wurden im ventrodorsalen und latero-lateralen Strahlengang geröntgt und anschließend im Institut für Anatomie mazeriert.

Ergebnisse

Anamnese und neonatale Untersuchung

Das weibliche gehörnte Ziegenlamm wurde als Zwillingslamm zusammen mit einem gesunden männlichen Lamm nach einer unauffälligen Trächtigkeit am 24.7.2006 geboren. Die Mutter hatte zum ersten Mal gelammt. Der Vater war ein reinrassiger Pfauenziegenbock und hatte bisher mit einem anderem Muttertier zwei gesunde männliche Nachkommen. Einer dieser Söhne hatte mit einer Toggenburgerziege zwei gesunde weibliche und einen gesunden männlichen Nachkommen. Außer bei zwei unverwandten Tieren mit Entropium konnten in dieser Herde keine weiteren Tiere mit Missbildungen beobachtet werden. Die Ziegenherde bestand aus 26 Muttern und drei Böcken, acht Zutretern sowie der Nachzucht. Die Fütterung erfolgte mit Heu, Gerste, Hafer und Milchleistungsfutter. Neben Stallhaltung war den Ziegen Weidegang möglich. Die Tiere wurden regelmäßig gegen Clostridien (Covexin 8®, Essex Tierarznei, München oder Heptavac P Plus®, Intervet, Unterschleissheim) geimpft und die Lämmer zweimal im Jahr mit Moxidectin (Cydectin®, Fort Dodge, Würselen) entwurmt. Das Muttertier wurde während der Trächtigkeit nicht medikamentös behandelt. Ob eine Entwurmung dieses Tieres in der Trächtigkeit mit Moxidectin erfolgte, konnte jedoch nicht mehr nachvollzogen werden. Im Zeitraum zwischen November 2005 und Mai 2006 konnte beim Muttertier mittels Enzyme Linked Immunosorbent Assay (ELISA) serologisch eine Serokonversion gegen das Bovine Respiratorische Synzytial-Virus (BRSV) festgestellt werden. Mehrere Tiere der Herde erkrankten klinisch mit Husten und Fieber im Februar 2006 an BRSV und bei zweien verlief die PCR auf BRSV-Antigen in der Lungenspülprobe positiv. Somit ist es wahrscheinlich, dass das Muttertier ebenfalls in ihrer Frühträchtigkeit eine Infektion mit BRSV hatte.

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Das Lamm wurde aufgrund einer Umfangsvermehrung und freiliegender Unterhaut im Nabelbereich am ersten Lebenstag in die Klinik für kleine Klauentiere eingeliefert.

Es zeigte ein gutes Saugvermögen, war aufmerksam und belastete alle Gliedmaßen gleichmäßig. Der neonatale Untersuchungsgang brachte folgende pathologische Befunde: Ein After war nicht vorhanden. Die geringgradig ödematisierte vulvaähnliche Öffnung erschien länglicher und größer als normal und befand sich ca.

drei cm ventral der Stelle, an der sie normalerweise zu erwarten gewesen wäre (Abb.

1). Am zweiten Lebenstag setzte das Lamm über diese Öffnung in geringer Menge Mekonium und im weiteren Verlauf geformten Kot ab. Vom äußeren Nabel aus Richtung Becken war ein ca. sechs cm langer Spalt in der Bauchwand palpierbar, der sich in der Breite mehr auf die linke Bauchseite erstreckte. In der Medianen vom Nabel bis zum Becken war bei intakter Haut ein haarloser Streifen zu sehen (Abb. 1).

Ein Bruchsack war nur im Bereich des Nabels vorhanden und wies einen Durchmesser von ca. drei cm auf. Der Bruchinhalt war weich, reponierbar und auf

Ein Bruchsack war nur im Bereich des Nabels vorhanden und wies einen Durchmesser von ca. drei cm auf. Der Bruchinhalt war weich, reponierbar und auf