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Fallbericht - Kongenitale okzipito-atlanto-axiale Malformation (OAAM) bei einem Schaflamm Malformation (OAAM) bei einem Schaflamm

Fallbericht - Kongenitale okzipito-atlanto-axiale Malformation (OAAM) bei einem Schaflamm

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Case report - Congenital occipito-atlanto-axial malformation (OAAM) in a lamb

Zusammenfassung

Ein vier Tage altes männliches Rauhwolliges Pommersches Landschaf zeigte von Geburt an Bewegungsstörungen und eine rechtsseitige Kopfschiefhaltung mit Instabilität der Kopfhaltung. Die Lendenwirbelsäule wies eine Skoliose auf. Das spontan verendete Lamm zeigte röntgenologisch und pathomorphologisch eine partielle Fusion des Atlas mit dem Hinterhauptsbein, eine Deformation von Atlas und Axis mit fehlendem Dens axis sowie eine Subluxation des atlanto-axialen Gelenks.

Aufgrund dieser Befunde wurde die Diagnose einer kongenitalen okzipito-atlanto-axialen Malformation (OAAM) gestellt. Die Ursache der Missbildung konnte nicht ermittelt werden. Da es sich um einen sporadischen Fall handelte, ist eine Aussage über die Erblichkeit nicht möglich.

Schlüsselwörter: Schaf, kongenitale Malformation, okzipito-atlanto-axiale Malformation (OAAM)

Summary

A four day old male lamb of the sheep breed Pomeranian Coarsewool exhibited locomotory disturbances since birth. Its head was tilted to the right with insecure position. The lumbar spine was scoliotic. The lamb, which died spontaneously, showed a partial occipito-atlanto fusion, malformations of atlas and axis, a missing dens axis and a subluxation of the atlanto-axial joint in X-rays and patho-morphological investigations. These findings supported the diagnosis of a congenital occipito-atlanto-axial malformation (OAAM). The cause of the malformation could not be clarified. As this case was sporadic, it was not possible to draw conclusions on inheritance.

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Keywords: sheep, congenital malformation, occipito-atlanto-axial malformation (OAAM)

Einleitung

Über kranio-vertebrale Missbildungen beim Schaf liegen einige Fallbeschreibungen vor (Cravero et al., 1976; Van Nie und Folkerts, 1977; Palmer et al., 1981; Parish et al., 1984; Edwards et al., 1989; Johnson et al., 1994; Schmidt et al., 1993; Lakritz et al., 1995; Henze und Schulze, 1997). Zu ihnen zählt auch die kongenitale okzipito-atlanto-axiale Malformation (OAAM), die durch das Verschmelzen des Atlas mit dem Hinterhauptsbein, Fehlen oder Hypoplasie des Dens axis und Subluxation des atlanto-axialen Gelenks gekennzeichnet ist. Zudem können Os occipitale, Atlas und Axis sowie weitere Wirbel deformiert sein. Betroffene Lämmer gehörten den Rassen Suffolk (Schmidt et al., 1993) und Skudde (Henze und Schulze, 1997) an, während in anderen Berichten keine Angaben über die Rasse gemacht wurden (Cravero et al.

1976, Van Nie und Folkerts, 1977).

Kraniovertebrale Missbildungen bei Schaflämmern können unterschiedliche Ursachen haben. Skoliosen und Kyphosen wurden nach intrauterinen Infektionen mit dem Cache Valley-Virus (Edwards et al., 1989) und dem Akabane-Virus (Parsonson et al., 1977) gesehen. Das Virus der Border Disease (BDV) und das Bluetonguevirus (BTV) sind teratogene Viren, die im Gegensatz zum Cache Valley- und Akabane-Virus auch in Deutschland vorkommen und ebenfalls skelettale Missbildungen verursachen können (Ebner, 2001). Lakritz et al. (1995) hielten eine erbliche Ursache bei Lämmern der Rasse Colombia mit Veränderungen der kaudalen Hals- und kranialen Brustwirbel, der Halsmuskulatur sowie einer zusätzlichen Hypoplasie des Dens axis bei einem Lamm für wahrscheinlich.

Bei Pferden mit Missbildungen des Os occipitale, Atlas und Axis werden je nach Erscheinungsform drei Krankheitsbilder unterschieden: Familiäre Okzipitalisation des Atlas mit Atlantisation des Axis beim Araber, kongenitale asymmetrische okzipito-atlanto-axiale Malformation und asymmetrische okzipito-atlanto-axiale Fusion (Mayhew et al., 1978). Sieben Fohlen mit familiärer Okzipitalisation des Atlas mit Atlantisation des Axis hatten sowohl auf maternaler als auch auf paternaler Seite einen gemeinsamen

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Vorfahren, so dass von einer Erblichkeit beim Araber ausgegangen wird (Mayhew et al., 1978). Wilson et al. (1985) berichteten von OAAM bei einem Appaloosa und Quarter Horse, die der familiären Form der Araber glich. Eine OAAM mit doppelt angelegtem Atlas wurde beim Araber-Pinto (De Lahunta et al. 1989) und Araber (Watson und Mayhew, 1986) beschrieben. OAAM bzw. OAAM-ähnliche Erscheinungsbilder wurden auch beim Rind (Leipold et al., 1972; White et al., 1978;

Watson et al., 1985; Engelken et al., 1992), Hund (Watson et al., 1988) und der Katze (Jaggy et al., 1991) beobachtet.

Eine weitere sporadische Missbildung der kranio-zervikalen Grenze stellt die Arnold- Chiari-Malfomation bei Hunden (Bynevelt et al., 2000; Dewey et al., 2005), Rindern (Cho und Leipold, 1977; Madarame et al., 1993) und Löwen (Shamir et al., 1998) dar. Diese komplexe Fehlbildung, bei der das Kleinhirn und der Hirnstamm nach kaudal verlagert sind, ist zudem die häufigste Missbildung des Kleinhirns beim Menschen und wird abhängig vom Schweregrad in vier Typen eingeteilt (Fischer et al., 2007). Bei diesem Syndrom kann der kaudale Teil des Okziputs als zu kleine Fossa cranii caudalis missgebildet sein und das Kleinhirn durch das Foramen occipitale magnum in Richtung Wirbelkanal verdrängt werden. Spina bifida, Hydrocephalus internus, Arthrogrypose und Meningomyelocele können mit dieser Erkrankung assoziiert sein (Cho und Leipold, 1977; Bynevelt et al., 2000; Dewey et al., 2005). Beim Cavalier King Charles Spaniel wird von einer erblichen Ursache ausgegangen (Rusbridge und Knowler, 2003). Ein Cavalier King Charles Spaniel wies zudem eine atlanto-axiale Subluxation auf (Bynevelt et al. 2000), die vorwiegend bei Zwergrassen mit disproportionierten großen Köpfen vorkommt und auf eine Hypoplasie des Dens axis und/oder eine Lockerung oder Ruptur der dorsalen und evtl. der ventralen Bandverbindungen zwischen den beiden Wirbeln zurückzuführen ist (Niemand und Suter, 2001).

Material und Methoden

Ein Lamm der Rasse Rauhwolliges Pommersches Landschaf wurde mit Bewegungsstörungen in die Klinik für kleine Klauentiere der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover eingeliefert. Es wurden eine klinische und hämatologische

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Untersuchung durchgeführt. Postmortal wurden Röntgenaufnahmen des Kopfes und Übersichtsaufnahmen der Wirbelsäule im latero-lateralen und ventro-dorsalen Strahlengang sowie der Halswirbelsäule zusätzlich im schräg ventro-dorsalen und im dorso-ventralen Strahlengang angefertigt. Im Institut für Pathologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover wurden eine pathologischanatomische und -histologische Untersuchung durchgeführt. Bei der Sektion entnommene Gewebeproben wurden im Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Veterinärinstitut Hannover, mittels Immunfluoreszenz auf BDV-Antigen und auf BTV spezifische RNA-Sequenzen untersucht. Es folgte eine Mazeration der Schädelknochen und der ersten beiden Halswirbel. Die durch die Mazeration isolierten Knochen und Anteile des Axis wurden anschließend geklebt.

Zum Vergleich der knöchernen Strukturen wurden der Schädel und der Atlas eines an Enteritis gestorbenen 10 Tage alten weiblichen Heidschnuckenlammes mazeriert.

Ergebnisse

Anamnese und klinische Untersuchung

Das vier Tage alte männliche Rauhwollige Pommersche Landschaf zeigte seit der Geburt hochgradige Bewegungsstörungen und war nicht in der Lage, von selbst aufzustehen oder nach dem Aufstellen selbständig zu stehen. Die Trächtigkeit des Mutterschafes war unauffällig und die Ablammung problemlos verlaufen. Neben diesem Lamm wurde eine weitere, mumifizierte Frucht entwickelt. Das Schaflamm stammte aus einem Hobbyzuchtbestand mit 11 Mutterschafen, drei Böcken, sieben Zutretern und der Nachzucht. Die Schafe wurden auf einer Standweide in Offenstallhaltung gehalten. Zugefüttert wurden Heu, Heulage, Weizenstroh, Pellets, Hafer und getrocknetes Brot. Die Schafe wurden nicht geimpft, aber regelmäßig mit Fenbendazol (Panacur®, Intervet Deutschland, Unterschleissheim) entwurmt. Das dreijährige Muttertier erhielt während der Trächtigkeit keine Entwurmung und auch keine andere Medikationen. Die Lämmer aus zwei früheren Trächtigkeiten waren alle gesund geboren worden. Das Vatertier war seit vier Jahren im Deckeinsatz und hatte zu Beginn eine geringe Potentia generandi. Die Schwester des Muttertieres hatte von diesem Bock im Jahr 2007 zwei gesunde Bocklämmer geboren.

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Bei der klinischen Untersuchung des neonatalen Schaflamms wurden Apathie und fehlendes Stehvermögen festgestellt. Das Lamm zeigte eine Kopfschiefhaltung und eine Instabilität in der Kopfhaltung nach rechts (Abb. 1). Die Lendenwirbelsäule wies eine Skoliose nach rechts auf. Der Saugreflex sowie die Flexorreflexe aller Gliedmaßen waren erhalten. Das Lamm starb, bevor eine ausführliche neurologische Untersuchung möglich war.

Hämatologische, röntgenologische und virologische Untersuchungsbefunde

Die Blutparameter Hämatokrit, Hämoglobin, Erythrozytenzahl und die des weißen Blutbildes lagen im Referenzbereich (Normwerte nach Bickhardt, 2001).

Die Röntgenaufnahme des Kopfes im ventro-dorsalen Strahlengang zeigte, dass die Schneidezähne die Dentalplatte links geringgradig überragten. Die Wirbelsäule bestand aus 13 Brust- und 6 Lendenwirbeln, jedoch lediglich 6 statt normalerweise 7 Halswirbeln. Die Lendenwirbelsäule wies eine Skoliose nach rechts auf.

In der latero-lateralen Aufnahme der Halswirbelsäule waren der dritte bis siebte Halswirbel (C3 - C7) normal ausgebildet. Der dem C3 kranial folgende Wirbel wurde aufgrund des ausgeprägten Dornfortsatzes als Axis angesprochen (Abb. 2a). Anstatt eines Foramen vertebrale laterale wies der Axis eine tiefe Inzisur auf. Unmittelbar ventral davon erstreckte sich ein Fortsatz nach kranial, der im dorsalen Bereich spitz ausgezogen war. Dieser, als „Dens axis“ angesprochene Fortsatz, war plumper und nicht nach ventral auslaufend, wie man es auf der Röntgenaufnahme eines gesunden zwei Tage alten Vergleichstiers (Abb. 2b) sehen kann. Stattdessen ragte er nach dorsal in das Lumen, das von den kranial gelegenen Knochenstrukturen gebildet wurde. Der Knochen kranial des Axis wurde als ein mit dem Os occipitale verschmolzener Atlas identifiziert. Aufgrund von Überlagerungen dieser Knochenstrukturen wurden weitere Röntgenaufnahmen in dorso-ventralem und schräg ventro-dorsalem Strahlengang aufgenommen. Bei letzterem fiel auf, dass die als „Dens axis“ identifizierte Struktur doppelt angelegt war (Abb. 3a) und links eine eher dreieckige und rechts runde Form hatte. Aufgrund dieser Röntgenaufnahme wurden die beiden Fortsätze als kraniale Gelenkfortsätze des Axis identifiziert.

Median, wo normalerweise der Dens anzutreffen ist, war kein Fortsatz zu sehen. Der

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Schädel war nach rechts von der Achse abgewichen. Zwischen ihm und dem Axis war links eine rundliche Knochenstruktur eingeschoben, die als Atlas angesprochen wurde. Im dorso-ventralen Strahlengang (Abb. 3b) hatte dieses Knochenstück die Form eines Halbmonds. Auf der rechten Seite waren keine Anteile des Atlas zu sehen. Normalerweise sind auf dieser Aufnahme die Atlasbögen und -flügel erkennbar (Abb. 3c). Zudem fehlten beidseits die Condyli occipitales. Der Gelenkspalt zwischen Axis und dem drittem Halswirbel war nach links hin keilförmig eingeengt.

Die Untersuchungen auf Border Disease- und Bluetongue-Virus verliefen negativ.

Pathologisch-anatomische und -histologische Untersuchsbefunde

Im Bereich der Articulatio atlantoaxialis war die Halswirbelsäule um ca. 40° nach rechts abgeknickt. Die Strukturen im Nacken (Knochen, Muskeln) wiesen eine Ausbuchtung nach links auf. Das Hinterhauptsbein war mit dem Atlas verschmolzen.

Der Atlas wies im kaudalen Bereich eine asymmetrische, links weiter nach kaudal reichende Aushöhlung auf, die von Knorpel überzogen war (Abb. 4). Die Articulatio atlantoaxialis war disloziert und der Axis nach links verschoben, so dass der rechte Artikulationsfortsatz teilweise in den Wirbelkanal ragte. Da die Knochenstrukturen des Schädels und des kranialen Bereichs der Halswirbelsäule bei der Sektion nicht eröffnet wurden, konnten Gehirn und kraniales Halsmark nur limitiert beurteilt werden. So zeigte sich histologisch im Bereich des Halsmarks in Höhe des atlanto-axialen Gelenks rechtsseitig eine geringgradige Gliose. Der Unterkiefer und das Nasenseptum wiesen eine geringgradige Deviation nach links auf. Das Sternum war geringgradig nach rechts gebogen. Alle anderen Organe waren makroskopisch und histologisch ohne besonderen Befund.

Nach der Mazeration lagen der Schädel, der Axis sowie links zwischen Os occipitale und Axis ein isolierter Knochen vor.

Die Pars basilaris des Os occipitale, die rostral des Foramen magnum gelegen ist, sprang kaudal weiter nach ventral vor als beim gesunden Vergleichstier (Abb. 5). Die Squama occipitalis war normal ausgebildet. Die kaudalen Flächen der Pars basilaris des Os occipitale, die normalerweise mit den hier fehlenden Condyli occipitales

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verbunden sind, wiesen Rauhigkeiten und median, wo sich normalerweise die Incisura intercondylaris befinden sollte, einen kleinen Vorsprung auf. Links wurde die kaudale Fläche durch zwei parallel verlaufende Inzisuren dreigeteilt. Rechts war eine kondylenartige Erhebung mit rauer Oberfläche zu sehen, die weiter nach kaudal ragte als die linke Umrandung des Foramen magnum. Beidseits waren die Processus paracondylares mit normaler Morphologie und die hier flachen Fossae condylares dorsales ausgebildet. Die zwischen dem Gelenkfortsatz und dem Processus paracondylaris gelegene Fossa condylaris ventralis war links schmal ausgebildet und enthielt drei kleine Löcher mit einem Durchmesser von ca. 0,5 mm. Rechts war die Fossa condylaris ventralis breiter und enthielt ein einzelnes Foramen mit einem Durchmesser von 2 mm.

Der links zwischen dem Os occipitale und dem Axis gelegene, isolierte Knochen (Abb. 7) bestand aus einem würfelähnlichen Teil mit einer Kantenlänge von ca. 2 cm, das sich an einer Seite zungenförmig und nach distal verjüngend auf einer Länge von 1,4 cm auszog. Der zungenförmige Teil wies ein Foramen mit einem Durchmesser von 1 mm auf und formte mit einer seiner Längsseiten zum würfelförmigen Teil hin einen offenen Kanal. Die Seite des Würfels, die die zungenförmige Ausziehung bildete, wies an der Basis der Ausziehung einen nahezu kreisförmigen Vorsprung auf. Eine Seite des Würfels, senkrecht zum zungenförmigen Teil, bestand aus einer leichten Einbuchtung mit glatter Oberfläche, die an eine Gelenkfläche erinnerte. Die ihr gegenüber gelegene Seite bestand aus einer rauen Ausbuchtung. Im Vergleich mit dem Atlas des gesunden Lammes ähnelte das isolierte Knochenstück dem rechten Atlasflügel.

Der Axis (Abb. 6) hatte eine ventrale Länge von 1,4 cm und wies kranial zwei unterschiedlich große kondylenartige Artikulationsfortsätze auf. Ein Dens war nicht vorhanden. Rechts fehlte das Foramen vertebrale laterale und links war es durch einen dünnen, dorsal nicht geschlossenen Knochensteg angedeutet, der dorsal vom linken Kondylus und ventral am Processus spinosus entsprang. Der Processus transversus hatte links eine Länge von 4 mm und sein Foramen transversarium einen Durchmesser von 2 mm. Der rechte Querfortsatz war lediglich angedeutet und das Foramen transversarium bestand aus einer Vertiefung, die nicht sondiert werden

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konnte. Das linke Foramen alare war mit einem Durchmesser von 1 mm doppelt so groß wie das rechte. Die kraniale Spitze des Dornfortsatzes war asymmetrisch und wies rechts kranial eine leichte Erhebung auf. Der Processus articularis caudalis war rechts stärker ausgebildet als links.

Diskussion

Bei dem untersuchten Lamm lagen hochgradige Missbildungen der okzipito-atlanto-axialen Knochen sowie weitere geringgradige skelettale Anomalien des Schädels, der Lendenwirbelsäule und des Brustbeins vor.

In der pathologisch-anatomischen Untersuchung war der Atlas fest mit dem Hinterhauptsbein verbunden und erst durch die Mazeration trennte sich ein Knochenstück vom Os occipitale ab. Der mediane Vorsprung kaudal an der Pars basilaris des Os occipitale könnte eine morphologische Veränderung dieses Knochens darstellen oder durch eine Verwachsung mit dem Arcus ventralis des Atlas bedingt sein. Ebenso könnte die rechterseits gelegene kondylenartige Erhebung einen hypoplastischen Condylus occipitalis oder eine Verschmelzung des Okziputs mit Anteilen des Atlas darstellen. Das im Vergleich zur linken Seite große Loch in der rechten Fossa condylaris ventralis könnte den Zugang zu fusionierten Kanälen des Okziputs darstellen und aufgrund der Lokalisation möglicherweise auch mit den Löchern des rechten Teils des verschmolzenen Atlas (Foramen alare und Foramen vertebrale laterale) fusioniert sein. Allerdings hatte selbst das große Foramen der rechten Fossa condylaris ventralis immer noch einen geringeren Durchmesser als die Öffnung des Canalis nervi hypoglossi des Vergleichstieres. Die drei kleinen Löcher der linken Fossa condylaris ventralis könnten Zugänge zum Canalis nervi hypoglossi und/oder dem weiter kaudodorsal gelegenen Canalis condylaris darstellen.

Der mit dem Os occipitale verbundene Atlas bildete durch einen knorpeligen Überzug kaudal Gelenkflächen, die den Foveae articulares caudales des Atlas ähnelten (Abb.

4). Durch das nach der Mazeration isoliert vorliegende Knochenstück sprang die linke Gelenkgrube weiter kaudal vor als die rechte. Das isolierte Knochenstück war spezifischen Teilen des Atlas schwer zuzuordnen, ähnelte am ehesten jedoch einem rechten Atlasflügel. Dabei stellte die zungenförmige Ausziehung den rechten Anteil

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des Arcus dorsalis, die Einbuchtung des würfelförmigen Stückes die Fovea articularis cranialis und die raue Ausbuchtung die kaudale Gelenkgrube dar. Eine Zuordnung des Foramens, offenen Kanals und des kreisrunden Vorsprungs konnte aufgrund fehlender Ähnlichkeiten zur Morphologie und Lokalisation zu den normalen Atlasstrukturen nicht erfolgen. Da das dem rechten Atlasflügel ähnelnde Knochenstück in situ links gelegen war, muss neben einer Verwachsung zusätzlich eine Drehung des Atlas erfolgt sein.

Die atlanto-axiale Subluxation, das Fehlen des Dens axis und die zumindest partielle Verwachsung des Atlas mit dem Hinterhauptsbein, die bei diesem Lamm gefunden wurden, sind typisch für OAAM. Eine Arnold-Chiari-ähnliche Missbildung kann aufgrund der Untersuchungsbefunde ausgeschlossen werden. Unvollständige oder in die Inzisur inkorporierte Foramina vertebralia lateralia, wie sie der Axis des hier vorgestellten Tieres aufwies, zeigte auch das von Schmidt et al. (1993) beschriebene Lamm mit OAAM. Zusätzlich lagen bei dem hier untersuchten Lamm eine Skoliose der Lendenwirbelsäule sowie eine Deviation des Brustbeins und der Nase vor. Eine Gesichtsskoliose und Verkrümmung der Halswirbelsäule wurde auch in anderen Fällen von OAAM beobachtet (Mayhew et al., 1978; Henze und Schulze, 1997).

Andere Missbildungen (Anomalien des Nervensystems, weitere missgebildete und fusionierte Wirbel, Verdopplung des Atlas, Ausbildung von Halsrippen und eines akzessorischen Knochens kranial des Axis, polyzystische Nieren), die gelegentlich mit OAAM gemeinsam auftreten können, waren bei diesem Lamm nicht zu sehen.

Klinische Symptome der OAAM können bei der Geburt oder innerhalb der ersten Lebenswochen und -monate auftreten. Bei der OAAM der Araber können die Fohlen bereits tot geboren werden (Mayhew et al., 1978). Meist ist der Verlauf progressiv und betroffene Tiere zeigen eine deutliche Ataxie und Parese gelegentlich mit Kopfschiefhaltung. Häufig können zervikale Schmerzen durch Manipulation des Nackens ausgelöst werden. Die Reflexe im Kopfbereich und das Allgemeinbefinden sind meist ungestört. Die Gliedmaßen zeigen hypermetrische Bewegungen, der Patellarreflex ist hyperreflexiv und es können propriozeptive Defekte auftreten. Das beschriebene Lamm war seit der Geburt tetraparetisch bei erhaltenen Flexorreflexen.

Dieser neurologische Befund ist mit einer symmetrischen Störung des oberen

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Motoneurons in Einklang zu bringen. Die ursächliche Läsion wäre im Hirnstamm oder in den kranialen Segmenten des Halsmarks zu suchen. Der Durchmesser des Wirbelkanals war nicht verkleinert, so dass an dieser Stelle das Rückenmark wahrscheinlich nicht in seiner Funktion beeinträchtigt wurde. Die klinischen Symptome des Lammes sind wahrscheinlich auf die Subluxation des atlanto-axialen Gelenks zurückzuführen. Durch die fehlende Stabilität ist es möglich, dass das Rückenmark, eventuell ausgelöst durch ein leichtes (Geburts-) Trauma, komprimiert wurde. Bei einer atlanto-axialen Subluxation mit vorhandenem Dens axis besteht die Gefahr eines plötzlichen Todes durch Quetschung der Medulla oblongata zwischen Dens axis und Atlasbogen (Genickbruch). Dabei werden die Nervenzentren für Atmung und Kreislauf beschädigt. Bei dem hier untersuchten Lamm könnte ein ähnliches Ereignis infolge der Instabilität des Gelenks und dem in den Wirbelkanal verlagerten rechten Gelenkfortsatz des Axis zum plötzlichen Tod geführt haben. Das schlechte Allgemeinbefinden des Tieres könnte auf Schmerzen des Nackens oder auf eine neonatale Lebensschwäche zurückzuführen sein. Von der okzipito-atlanto-axialen Missbildung unabhängige Ursachen, die den Tod des Lammes erklären könnten, wurden bei der pathomorphologischen Untersuchung nicht gefunden.

Das histologische Bild des Rückenmarks im atlanto-axialen Gelenkbereich bei einer OAAM ist heterogen und zeigt meist degenerative Prozesse: Demyelinisierung, geschwollene Axone, Poliomalazie, Vakuolen der weißen Substanz (White et al., 1978), reaktive Astrogliose (Watson et al., 1988), Infiltration mit Gitterzellen, Kompression des Zentralkanals (Schmidt et al., 1993), Proliferation der Gefäße und Wallersche Degeneration in den aufsteigenden Bahnen des ersten zervikalen Segments und der Medulla oblongata (De Lahunta et al., 1989). Im histologischen Schnitt des atlanto-axialen Halsmarks war bei dem betroffenen Lamm rechtsseitig eine geringgradige Gliose zu sehen. Diese erhöhte Anzahl von Gliazellen stellt eine unspezifische neuropathologische Reaktion dar und ist in diesem Fall wahrscheinlich die Folge der mechanischen Kompression. Die Lokalisation auf der rechten Seite ist

Das histologische Bild des Rückenmarks im atlanto-axialen Gelenkbereich bei einer OAAM ist heterogen und zeigt meist degenerative Prozesse: Demyelinisierung, geschwollene Axone, Poliomalazie, Vakuolen der weißen Substanz (White et al., 1978), reaktive Astrogliose (Watson et al., 1988), Infiltration mit Gitterzellen, Kompression des Zentralkanals (Schmidt et al., 1993), Proliferation der Gefäße und Wallersche Degeneration in den aufsteigenden Bahnen des ersten zervikalen Segments und der Medulla oblongata (De Lahunta et al., 1989). Im histologischen Schnitt des atlanto-axialen Halsmarks war bei dem betroffenen Lamm rechtsseitig eine geringgradige Gliose zu sehen. Diese erhöhte Anzahl von Gliazellen stellt eine unspezifische neuropathologische Reaktion dar und ist in diesem Fall wahrscheinlich die Folge der mechanischen Kompression. Die Lokalisation auf der rechten Seite ist