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Voraussetzungen der Patentierbarkeit

Im Dokument Band 42 LV (Seite 35-39)

D. Rechtlicher Rahmen der Patentierbarkeit

IV. Voraussetzungen der Patentierbarkeit

Auslegung nur von zweitrangiger Bedeutung.257 Die BiotechnologieRL ist für die Aus-legung der Artt. 52, 53 EPÜ nur von drittrangiger Bedeutung nach dem TRIPS und der AO EPÜ.258

te. Diese Befürchtungen lassen sich aber bereits mit den Grundlagen des Patent-rechts weitgehend ausräumen.

Entdeckungen zeigen auf, welche Naturgesetze, Stoffe, Wirkungszusammenhän-ge, Eigenschaften, Vorgänge oder Erscheinungen bisher unbekannt, aber objektiv in der Natur vorhanden sind.265 Sie sind also reine Erkenntnisse.266 Außerhalb von menschlicher Einflussnahme kann es keine Erfindungen geben.267 Die wissenschaft-lichen Grundlagen müssen allen Menschen zur Verfügung stehen. Daher ist eine Er-findung nicht nur das abstrakte Wissen, sondern erst die Umsetzung dieses Wissens in einer praktischen Anwendung.268

Dementsprechend ist nach § 1a I PatG der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung einschließlich der Keimzellen sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile keine Erfindung i.S.d. PatG.269

§ 1a I PatG setzt Art. 5 I und Erwägungsgrund (16) Satz 2 BiotechnologieRL in das deutsche Recht um.270 Damit bestätigt auch das europäische Recht, dass bloße Ent-deckungen nicht Gegenstand eines Patents sein können.271 Auf diese Weise soll die Achtung der Menschenwürde gewährleistet werden, indem der menschliche Körper unverfügbar und unveräußerlich bleibt.272

Nach § 1a II PatG273 kann ein isolierter Bestandteil des menschlichen Körpers o-der ein auf ano-dere Weise durch ein technisches Verfahren gewonnener Bestandteil eine patentierbare Erfindung sein, auch wenn der Aufbau dieses Bestandteils mit dem Aufbau eines natürlichen Bestandteils identisch ist. Ein derartiger Bestandteil kann das Ergebnis technischer Verfahren zu seiner Identifizierung, Reinigung, Be-stimmung und Vermehrung außerhalb des menschlichen Körpers sein, zu deren An-wendung nur der Mensch fähig ist und die die Natur selbst nicht vollbringen kann.274

Der Ausschluss des § 1a I PatG gilt nicht für embryonale Stammzellen. Diese sind weder ein embryonaler menschlicher Körper noch Keimzellen, sondern pluripotente

265 Kraßer, PatentR, § 11 II. 1.; Jestaedt, PatentR, Rn. 138; Ahrens, GewRS, Rn. 94.

266 BPatG, GRUR 1978, 238 (239) - Naturstoffe.

267 Ahrens, GewRS, Rn. 94.

268 Kraßer, PatentR, § 11 II. 1.; Jestaedt, PatentR, Rn. 137.

269 Dem entspricht R 29 I AO EPÜ zur Konkretisierung von Art. 52 EPÜ.

270 Dem entspricht R 29 II AO EPÜ.

271 Erwägungsgrund (16) S. 3 BiotechnologieRL.

272 EuGH, GRUR Int 2001, 1043 (1047, Tz. 71, 77) - Biotechnologie-Richtlinie; Straus, Jhb. für Wis-senschaft und Ethik 2004, 111 (112); Calliess/Meiser, JuS 2002, 426 (428).

273 Umsetzung von Art. 5 II BiotechnologieRL, vgl. auch Erwägungsgrund (20) BiotechnologieRL. Dem entspricht R 29 II AO EPÜ.

274 Erwägungsgrund (21) BiotechnologieRL.

Stammzellen, die Embryonen entnommen wurden.275 Aufgrund von § 1a II PatG kön-nen isolierte multi-, pluri- und omnipotente Stammzellen eine mögliche Erfindung sein, genau wie Verfahren, deren unmittelbares Ergebnis ein Teil des menschlichen Körpers ist.276 Die Rechte aus einem solchen Patent können sich jedoch nicht auf den menschlichen Körper und dessen Bestandteile in seiner natürlichen Umgebung erstrecken.277

Allerdings gilt dies nicht für totipotente Stammzellen im hier verwendeten engeren Sinne. Da totipotente Stammzellen die Fähigkeit haben, ein ganzes Individuum her-vorzubringen, sind sie selbst ein menschlicher Körper i.S.d. § 1a I PatG und damit nicht patentierbar.278 Ein sog. "Patent auf Leben" kann es somit nicht geben. Dies wird bereits durch § 1a I PatG und Art. 5 I BiotechnologieRL hinreichend gewährleis-tet.

2. Neuheit

Nur neue Erfindungen sind patentierbar, §§ 1 I, 3 PatG. Neu sind Erfindungen, die noch nicht zum Stand der Technik gehören. Der Stand der Technik umfasst alle technischen Kenntnisse, die vor dem Anmeldetag (bzw. Prioritätstag) der Öffentlich-keit zugänglich gemacht worden sind. Es wird also nicht auf die Existenz eines Ge-genstandes, sondern auf die Zugehörigkeit einer bestimmten Information zum Stand der Technik abgestellt.279 In der Natur vorkommende Stoffe, wie z.B. ein Mikroorga-nismus, der ein Antibiotikum produziert, oder (isolierte) Stammzellen zur Therapie neuraler Defekte, sind neu und patentierbar, wenn ein wiederholbarer Weg aufge-zeigt wird, wie der in der Natur vorhandene Stoff der Allgemeinheit dauerhaft zur Ver-fügung gestellt werden kann.280 Nur ein öffentlich zugänglicher Naturstoff ist in die-sem Sinne nicht mehr neu.281 Ein derartiger Naturstoff fällt aber schon nicht unter den Begriff der Erfindung.

275 Heinemann/Kersten, Stammzellforschung, 115.

276 Hartmann, GRUR Int 2006, 195 (198).

277 Erwägungsgrund (20) BiotechnologieRL.

278 Hartmann, GRUR Int 2006, 195 (198); Treichel, Jhb. für Wissenschaft und Ethik 2004, 279 (284).

279 Treichel, Jhb. für Wissenschaft und Ethik 2004, 279 (283); Haedicke, JuS 2002, 113 (115).

280 Treichel, Jhb. für Wissenschaft und Ethik 2004, 279 (283).

281 BPatG, GRUR 1978, 238 (239) - Naturstoffe.

3. Erfinderische Tätigkeit

Eine Erfindung im Rahmen der Stammzellforschung darf sich, wie alle Erfindun-gen, nicht für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben, d.h. er muss auf einer erfinderischen Tätigkeit i.S.v. § 4 S. 1 PatG beru-hen.282 Dem Patentierungserfordernis der erfinderischen Tätigkeit kommt erhebliche praktische Bedeutung zu.283 Für den Bereich der menschlichen embryonalen Stamm-zellen ergeben sich aber keine Besonderheiten.

4. Gewerbliche Anwendung

Patente werden nur für Erfindungen erteilt, die gewerblich anwendbar sind, § 1 I PatG.284 Nach § 5 I PatG gilt eine Erfindung als gewerblich anwendbar, wenn ihr Ge-genstand auf irgendeinem gewerblichen Gebiet einschließlich der Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden kann.285 § 1a III PatG, welcher Art. 5 III Biotechnolo-gieRL286 umsetzt, stellt nur eine zusätzliche Voraussetzung für die Patentierbarkeit von Sequenzen oder Teilsequenzen von Genen auf. Danach ist die konkrete Be-schreibung der gewerblichen Anwendung erforderlich. Für isolierte Stammzellen ent-hält § 1a III PatG also keine zusätzliche Voraussetzung.

Nach dem Bericht der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien der Kommission (EGE)287 vom 07.05.2002 müsse eine isolierte Stammzelle zusätzlich modifiziert sein, damit sie gewerblich anwendbar ist.288 Begründet wird dies damit, dass isolierte Stammzellen dem menschlichen Kör-per, Fötus oder Embryo, dem sie entnommen wurden, so ähnlich seien, dass ein Pa-tent möglicherweise als Kommerzialisierung des menschlichen Körpers angesehen werde.289 Auch fehle es an einer konkreten Anwendbarkeit. Vielmehr hätten die

282 So auch Art. 56 S. 1 EPÜ. Die Definition beruht auf Art. 5 S. 1 Straßburger Patentübereinkommen.

Auch nach der amtlichen Fußnote 5 zu Art. 27 I 1 TRIPS können die Begriffe "erfinderische Tätig-keit" und "gewerblich" durch die Synonyme "nicht naheliegend" bzw. "nützlich" ersetzt werden.

283 Dazu Jestaedt, GRUR 2001, 939.

284 So auch Art. 52 I EPÜ. Die Definition beruht auf Art. 3 Straßburger Patentübereinkommen.

285 So auch Artt. 57, 52 IV EPÜ. Art. 33 IV 1 PCT enthält eine ähnliche Begriffsbestimmung für die internationale vorläufige Prüfung von Patentanmeldungen.

286 Dazu auch Erwägungsgründe (22) S. 3 und (24) BiotechnologieRL.

287 Nach Art. 7 und Erwägungsgrund (44) BiotechnologieRL bewertet die EGE alle ethischen Aspekte im Zusammenhang mit der Biotechnologie.

288 EGE, Opinion Nr. 16, S. 15.

289 EGE, Opinion Nr. 16, S. 15.

lierten Stammzellen ein sehr großes, dafür aber unbeschriebenes Anwendungspoten-tial.290

Art. 7 BiotechnologieRL sowie die Erwägungsgründe (19) und (44) verdeutlichen, dass die Stellungnahmen der EGE bei der Auslegung der BiotechnologieRL zu be-rücksichtigen sind.291 Die Stellungnahme Nr. 16 vermag aber nicht zu überzeugen.

Die EGE trennt nicht klar zwischen der gewerblichen Anwendbarkeit und der Ab-grenzung von Entdeckung und Erfindung. Für die gewerbliche Anwendbarkeit ist irre-levant, ob der Gegenstand des Patents dem Naturstoff entspricht. Der Begriff "ge-werblich" ist lediglich von der "rein persönlichen" und "privaten" Anwendbarkeit zu unterscheiden.292 § 1a II PatG und Art. 5 II BiotechnologieRL machen hinreichend deutlich, dass auch mit Bestandteilen des menschlichen Körpers identische Stoffe patentierbare Erfindungen sein können. Eine Erfindung in diesem Bereich setzt zwar die Isolierung, aber nicht die Modifizierung voraus.293 Daher müssen isolierte Stamm-zellen nicht modifiziert werden, um Gegenstand eines Patents zu sein.

Im Dokument Band 42 LV (Seite 35-39)