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Die relevanten Rechtsakte

Im Dokument Band 42 LV (Seite 31-35)

D. Rechtlicher Rahmen der Patentierbarkeit

III. Die relevanten Rechtsakte

Das deutsche Patentrecht wird durch ein Geflecht verschiedener internationaler und supranationaler Rechtsakte beeinflusst. Für die Patentierung biotechnologischer Erfindungen sind folgende Rechtsakte relevant:

1. Die Biotechnologierichtlinie

Die Patentierbarkeit von biotechnologischen Erfindungen wird durch die Biotech-nologieRL vom 06.07.1998 für die Mitgliedstaaten determiniert. Dabei handelt es sich

222 Jestaedt, PatentR, Rn. 14; Götting, GewRS, § 23 Rn. 1; van Raden, in: Hauskeller, Humane Stammzellen, 149 (150); Haedicke, JuS 2002, 113 (116); Erwägungsgrund (14) S. 1 Biotechnolo-gieRL.

223 Haedicke, JuS 2002, 113 (116); Erwägungsgrund (14) S. 1 BiotechnologieRL.

224 BVerfG, GRUR 2001, 43 (44) - Klinische Versuche.

225 BVerfG, GRUR 2001, 43 (44) - Klinische Versuche.

226 Erwägungsgrund (46) BiotechnologieRL; Spranger, Jhb. für Wissenschaft und Ethik 2004, 263 (264); Haedicke, JuS 2002, 113 (114).

227 Van Raden, in: Hauskeller, Humane Stammzellen, 149 (150); Haedicke, JuS 2002, 113 (114 f.):

"Die Kosten für die Entwicklung eines einzelnen Medikaments können ohne weiteres mehrere 100 Millionen US $ betragen". Vgl. Erwägungsgründe (2) und (3) BiotechnologieRL.

um den zweiten Anlauf, da 1995 der erste Vorschlag der Kommission vom Europäi-schen Parlament abgelehnt wurde.228 Die BiotechnologieRL wurde im Jahre 2005 (verspätet)229 in das deutsche Patentrecht umgesetzt. Bei der Auslegung und An-wendung des deutschen Patentrechts sind daher insoweit die verbindlichen Ziele der Richtlinie zu beachten.230 Es besteht eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung, wenn die umgesetzten nationalen Vorschriften mehrdeutig sind.231 Es ist dann derje-nigen Auslegungsmethode der Vorrang zu geben, die zu einem richtlinienkonformen Ergebnis führt.232 Soweit den Mitgliedstaaten ein inhaltlicher Gestaltungsspielraum überlassen wird, kann bei der Auslegung und Anwendung auf Wertungen der natio-nalen Rechtsordnung zurückgegriffen werden.

2. Das TRIPS-Übereinkommen

Im Zusammenhang mit der Gründung der WTO wurde 1994 das TRIPS-Übereinkommen233 abgeschlossen, das am 01.01.1995 in Kraft getreten ist.234 Ziele des Abkommens sind nach Art. 7 TRIPS die Innovationsförderung, Verbreitung von Technologie, Erweiterung der Vorteile für Erzeuger und Nutzer sowie ein gesell-schaftlich und wirtgesell-schaftlich vertretbarer Interessenausgleich zwischen Rechten und Pflichten durch den Schutz und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigen-tums. Durch das TRIPS sollen Behinderungen des internationalen Handels beseitigt und ein angemessener Mindestschutz des geistigen Eigentums gewährleistet wer-den.235

Das TRIPS bindet als von der Union unterzeichnete Übereinkunft die Organe der Union und die Mitgliedstaaten.236 Der EuGH überprüft zwar grundsätzlich nicht die

228 Dazu ausführlich Barton, Der "Ordre public" als Grenze, 115 ff.

229 Nach Art. 15 I 1 BiotechnologieRL war die Richtlinie bis zum 30.07.2000 umzusetzen.

230 Vgl. Art. 288 III AEUV i.V.m. Art. 4 III EUV, sog. Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit.

231 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 769; Canaris, in: FS Bydlinski, 47 (80); Roth, in: Riesen-huber, Europäische Methodenlehre, § 14 Rn. 40.

232 Roth, in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 14 Rn. 40.

233 Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights bzw. Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, Anhang 1 C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15.04.1994, BGBl. II, 1730, im Folgenden: TRIPS.

234 Zum historischen Hintergrund des TRIPS Forkel, NJW 1997, 1672 (1676 f.) und zur Bedeutung des TRIPS für das Patentrecht Straus, GRUR Int 1996, 179.

235 Präambel zum TRIPS; Götting, in: Tietje, Int WirtschaftsR, § 12 Rn. 88.

236 Vgl. Art. 216 II AEUV und Beschluss des Rates 94/800/EG vom 22.12.1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Be-reiche, Abl. L 336 vom 23.12.1994, 1.

Rechtmäßigkeit von Unionsrecht am Maßstab des TRIPS, 237 er sieht es aber als in-tegralen Bestandteil der Unionsrechtsordnung an.238 Nach dem Prinzip der völker-rechtskonformen Auslegung ist das sekundäre Unionsrecht TRIPS-konform auszule-gen, wenn die Bestimmungen des TRIPS in die ausschließliche Vertragsschlusskom-petenz der Union fallen.239 Angesichts des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts240 führt dies dazu, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten in Bereichen, in denen das TRIPS anwendbar ist und in dem die Union bereits Rechtsvorschriften erlassen hat, verpflichtet sind, so weit wie möglich den Wortlaut und Zweck des TRIPS zu berück-sichtigen.241

Die Artt. 27 bis 34 TRIPS regeln einen Mindeststandard für den Patentschutz. Die BiotechnologieRL enthält Regelungen auf dem Gebiet der Patente und ist daher so weit wie möglich in übereinkommenskonformer Weise auszulegen.242 Dies wird in Art. 1 II BiotechnologieRL und den Erwägungsgründen (12) und (36) auch ausdrück-lich klargestellt. Durch diese Hervorhebung des TRIPS wird der Zweck der Biotech-nologieRL erkennbar, zu restriktiven Einschränkungen der Patentfähigkeit bestimmter Kategorien biotechnologischer Erfindungen durch die Mitgliedstaaten entgegenzuwir-ken.243

3. Das Europäische Patentübereinkommen

Das EPÜ244 schafft nach Art. 1 EPÜ für die Vertragsstaaten ein gemeinsames Recht für die Patenterteilung. Es ermöglicht dem Erfinder durch eine einzige Patent-anmeldung beim Europäischen Patentamt (EPA) in München ein Bündel nationaler Patente in einem einheitlichen Verfahren zu erhalten, Art. 2 I, II EPÜ. Der Inhaber des europäischen Patents hat in jedem Vertragsstaat, für das es erteilt ist, dieselben Rechte, die ihm ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent gewähren würde, Art.

64 I EPÜ.

237 EuGH, Rs. C-149/96, Slg. 1999, I-8395 (Tz. 47) – Portugal/Rat.

238 EuGH, GRUR Int 2012, 440 (Tz. 39 m.w.N.) – SCF.

239 EuGH, Rs. C-431/05, Slg. 2007, I-7026 (Tz. 35) - Merck Genéricos; EuGH, GRUR Int 2010, 843 (Tz. 72) – Sojamehl; Götting, in: Tietje, Int WirtschaftsR, § 12 Rn. 96.

240 Dazu Polzin, JuS 2012, 1 ff.

241 EuGH, Rs. C-300/98 und C-392/98, Slg. 2000, 11307 (Tz. 47) – Dior; Rs. C-431/05, Slg. 2007, I-7026 (Tz. 35) - Merck Genéricos; EuGH, GRUR Int 2010, 843 (Tz. 72) – Sojamehl.

242 EuGH, GRUR Int 2010, 843 (Rn. 73) – Sojamehl.

243 König/Müller, EuZW 1999, 681 (683); Straus, GRUR Int 2010, 911 (912 Fn. 4).

244 Europäisches Patentübereinkommen in der Fassung vom 29.11.2000 zur Revision des Überein-kommens über die Erteilung Europäischer Patente vom 05.10.1973 (BGBl. II 1976, 649, 826) in der am 13.12.2007 geltenden Fassung, vgl. Bekanntmachung vom 19.02.2008 (BGBl. II, 179), im Fol-genden: EPÜ.

Das Übereinkommen ist ein von nationalen Rechtssystemen unabhängiges, auto-nomes Patentrechtssystem.245 Bei der Auslegung des EPÜ sind die nationalen Ge-richte und Patentbehörden grundsätzlich nicht an die Entscheidungen des EPA ge-bunden.246 Aus dem völkerrechtlichen Grundsatz der harmonischen Rechtsanwen-dung folgt jedoch, dass die Rechtsauffassungen der jeweils anderen Organe zu be-rücksichtigen sind.247 Nur mit guten Gründen kann von der Auslegung des Überein-kommens durch das EPA und der nationalen Gerichte abgewichen werden.

Art. 52 EPÜ regelt, welche Erfindungen patentierbar sind, und Art. 53 EPÜ, für welche Erfindungen keine Patente erteilt werden. Das TRIPS ist nicht unmittelbar auf das EPÜ anwendbar,248 aber durch die Neufassung des EPÜ im Jahr 2000 wurde Art. 52 EPÜ an Art. 27 I TRIPS angepasst.249 Auch Art. 53 EPÜ wurde an Art. 27 II TRIPS angeglichen.250 Als „spätere Übung“ i.S.v. Art. 31 III lit. b WVK251 ist das TRIPS von völkerrechtlich erstrangiger Bedeutung.252 Zwar hat das EPA dies noch nicht für Art. 53 EPÜ, aber für Art. 52 EPÜ, bestätigt.253 Dementsprechend sind die Artt. 52, 53 EPÜ in TRIPS-konformer Weise auszulegen. Im Zusammenhang mit biotechnologischen Erfindungen ist im Rahmen der Artt. 52, 53 EPÜ zudem Art. 164 EPÜ i.V.m. den Regeln254 26 ff. AO EPÜ255 zu beachten, welche sich aus-drücklich auf biotechnologische Erfindungen beziehen. In diesen Vorschriften wurde die BiotechnologieRL (klarstellend) umgesetzt, obwohl die Europäische Patentorga-nisation nicht Normadressat der Richtlinie ist.256 Da es sich beim EPÜ und dem TRIPS jeweils um erstrangiges Völkerrecht handelt, sind die R 26 ff. AO EPÜ für die

245 EPA, J 15/80, ABl. EPA 1981, 213 (216) - Prioritätsrecht; Stauder, in: Singer/Stauder, EPÜ, Art. 1 EPÜ Rn. 2; Jestaedt, PatentR, Rn. 71.

246 EPA, Entsch. v. 05.07.1995 - T 452/1991, BeckRS 1995, 30587338; BGH, GRUR 1998, 895 (896) – Regenbecken; Jestaedt, in: Benkard, EPÜ, Art. 1 EPÜ Rn. 5; ders., PatentR, Rn. 72.

247 EPA, G 1/83, ABl. EPA 1985, 60 (61) – Zweite medizinische Indikation; Jestaedt, PatentR, Rn. 72;

Bruchhausen, GRUR Int 1983, 205 (208).

248 EPA, Entsch. v. 26.04.2004 – G 2/02 und 03/02, ABl. EPA 2004, 483 Tz. 8.9; Steinbrenner, in:

Singer/Stauder, EPÜ, Art. 52 EPÜ Rn. 3.

249 Steinbrenner, in: Singer/Stauder, EPÜ, Art. 52 EPÜ Rn. 2.

250 Schatz/Stauder, in: Singer/Stauder, EPÜ, Art. 53 EPÜ Rn. 7

251 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention), vom 23.05.1969 (BGBl. II 1985, 926), im Folgenden: WVK.

252 Straus, GRUR Int 1998, 1 (15).

253 EPA, G 1/83, ABl. EPA 1985, 60 (61) – Zweite medizinische Indikation; Schatz/Stauder, in: Sin-ger/Stauder, EPÜ, Art. 53 EPÜ Rn. 9.

254 Im Folgenden abgekürzt als: R.

255Ausführungsordnung zum Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente vom 05.10.1973 in der Fassung des Beschlusses des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorgani-sation vom 7.12.2006 und zuletzt geändert durch den Beschluss des Verwaltungsrats vom 26. Ok-tober 2010, im Folgenden: AO EPÜ.

256 Treichel, Jhb. für Wissenschaft und Ethik 2004, 279 (281).

Auslegung nur von zweitrangiger Bedeutung.257 Die BiotechnologieRL ist für die Aus-legung der Artt. 52, 53 EPÜ nur von drittrangiger Bedeutung nach dem TRIPS und der AO EPÜ.258

Im Dokument Band 42 LV (Seite 31-35)