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6 STANDARDISIERUNG SPEKTRORADIOMETRISCHER MESSWERTE

6.3 Kalibrierung der Messdaten

6.3.1 Vorüberlegungen zur Kalibrierung

Die Kalibrierung spektroradiometrischer Daten soll im Idealfall alle unerwünschten Beeinträchtigungen auf das Messsignal „ausschalten“, um die Messwerte für quantitative, vergleichende Studien vergleichbar zu machen. Für spektroradiometrische Messungen unter Laborbedingungen sind die nachfolgenden Kalibrierungsansätze nicht erforderlich, da die Messkonfiguration durch den Versuchsaufbau eindeutig rekonstruierbar ist.

Die Vorüberlegungen zur Kalibrierung von Messwerten müssen sich zunächst mit der Gesamtheit der möglichen Einflussvariablen, welche das Signal verändern können auseinandersetzen und aus diesen eine Zielvariable definieren, für welche die Daten „entzerrt“

werden sollen. Im Fall der Aufnahme von Vegetationsbeständen in einer natürlichen Umgebung kommen eine Reihe von Parametern in Frage, die eine Auswirkung auf Spektralmessungen haben können. Auf die Interaktionsmechanismen zwischen elektromagnetischer Strahlung und natürlichen Oberflächen wurde zu diesem Zwecke in Kap.

2.3 bereits ausführlich eingegangen. In Merkmalsgruppen zusammengefasst können als Einflussvariablen folgende Komponenten definiert werden, die die spektrale Reflexion von Pflanzenbeständen beeinflussen, welche an einem Sensor gemessen wird:

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physikalische Pflanzenkomponenten (Pflanzen-/ Bestandsgeometrie) physikalische Bodenkomponenten (Oberflächenstruktur)

biochemische Bodenkomponenten (mineralische und chemische Zusammensetzung) Aufnahmekonfiguration (Sensor, Strahlungsquelle, Topographie)

Atmosphäre

biochemische Pflanzenkomponenten (Pflanzeninhaltsstoffe)

Aus der Gesamtheit der Variablen wird für die quantitative fernerkundliche Auswertung in der Regel ein Einflussfaktor als Zielvariable definiert. Die Aufgabe einer Kalibrierung besteht darin, den Einfluss der übrigen Variablen auf das Messsignal zu quantifizieren, um für die anschließende Analyse einen robusten, vergleichbaren Datensatz zu erhalten. Das Problem der Kalibrierung besteht in den meisten Fällen und auch in der vorliegenden Arbeit darin, dass es nicht möglich ist, sämtliche Einflussfaktoren welche, neben der Zielvariable, das Messsignal beeinflussen, zu erheben. Diese fehlenden Faktoren gehen durch die vereinfachte Annahme eines konstanten, wellenlängenunabhängigen Koeffizienten in die Berechnungen ein.

Die Zielvariable für die Analyse der durchgeführten spektroradiometrischen Messungen wird allgemein als biochemischer Pflanzenzustand definiert. Die Möglichkeiten zur Korrektur des Einflusses der übrigen Aufnahmekomponenten werden im Folgenden kurz skizziert und die für den vorhandenen Datensatz durchzuführenden Maßnahmen der Kalibrierung abgeleitet.

Bestandsgeometrie:

Der Einfluss der Bestandsgeometrie auf das Reflexionssignal wurde im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen nicht in Form von BRDF-Messungen quantifiziert. Für die Abschätzung des spektralen Verhaltens der aufgenommenen Vegetationsoberflächen in Abhängigkeit von ihrer Physiognomie wird deshalb für die folgenden Arbeiten von einer Reihe von Grundannahmen ausgegangen:

! Die Oberfläche der betrachteten Pflanzenbestände ist als relativ homogen anzunehmen mit vertikal gering gegliederter Oberfläche.

! Die Morphologie des Bestands wird als über den gesamten Bestand relativ gleichförmig angenommen (Abb. 39).

! Bestandsgeometrische Parameter, wie Blattwinkelverteilung oder Bestandsdichte werden verallgemeinernd als additive bzw. subtraktive Komponenten der spektralen Reflexion angesehen (siehe hierzu auch SCHNEIDER 1994 undHILDEBRANDT 1996).

! Die Reflexionsfunktion zu beiden Seiten der Hauptebene der Sonneneinstrahlung (principal plane) ist als symmetrisch anzunehmen (siehe z. B. BAUER et al. 1986 und MANAKOS et al. 2001)

Abb. 39: Morphologie eines Winterweizenbestands (Senkrechtaufnahme) zum Zeitpunkt der spektroradiometrischen in situ Messungen (10.05.2001)

Bodenkomponenten:

Der Anteil der reflektierten solaren Einstrahlung eines Objektes ist immer eine Funktion der einzelnen Komponenten, aus denen sich dieses Objekt zusammensetzt. Für die weiteren Analysen werden die aufgenommenen Feldspektren im Anschluss an die Sonnenstandskorrektur in die drei Bestandskomponenten Pflanze, Boden und Schatten zerlegt (Kap. 6.3.3). Für die Zerlegung wird das Verfahren der spektralen Mischung auf die Zielvariable invertiert, in diesem Fall den Anteil der Pflanze an dem spektralen Reflexionssignal. Die jeweiligen Anteile der einzelnen Komponenten werden über eine vorgeschaltete Clusteranalyse von Senkrechtaufnahmen des Bestands bestimmt.

Die Auswirkungen der physikalischen und biochemischen Bodenparameter auf das Mischsignal der Bestandsaufnahme gehen durch die Berücksichtigung einer für den jeweiligen Bestand charakteristischen Bodensignatur in die spektrale Entmischung ein.

Aufnahmegeometrie:

Unterschiede in der geometrischen Aufnahmekonstellation, d. h. Änderungen des Sonnenstands und der Sensororientierung verursachen Änderungen im Reflexionsverlauf elektromagnetischer Strahlung, wenn diese auf eine Oberfläche trifft. Dies führt zu Schwankungen im Messsignal, das am Sensor registriert wird. Die komplette quantitative Erfassung dieser Reflexionsanisotropien ist wiederum nur durch Messungen der bidirektionalen Reflexionsfaktoren (BRF) möglich (vgl. Kap. 2.1.2).

Für den vereinfachten Fall der Beobachtung, der ausschließlich die gerichtete Rückstreukomponente innerhalb eines begrenzten Einfallswinkelbereichs betrachtet, ist die Korrektur des Sonnenstandseinflusses durch ein lineares Verfahren möglich. Unter dieser Annahme wird für die Feldmessungen ein Verfahren zur wellenlängenunabhängigen linearen Korrektur des Sonnenstandseinflusses auf den gerichteten Reflexionsfaktor unter Berücksichtigung der Topographie des Geländeausschnitts abgeleitet, das in Kap. 6.3.2 erläutert wird.

Atmosphäre:

Bei der Auswertung von Luft- oder Satellitenbildern für die quantitative Vegetationsfernerkundung ist der Einsatz von Atmosphärenkorrekturmodellen, welche die vom Detektor gespeicherten Grauwerte in Reflexions- oder Strahldichtewerte transformieren, unumgänglich. Die Modellierung der Reflexionsfaktoren für die HyMap®-Daten am DLR, Oberpfaffenhofen erfolgte deshalb durch das Strahlungstransfermodell MODTRAN4.

Auf eine absolute Kalibrierung der spektroradiometrischen Feldmessungen (ASD FieldSpec®) durch Strahlungstransfermodelle kann verzichtet werden, da bei konstanter Strahlungswetterlage gemessen wurde und der Abstand zwischen Sensor und Objekt gering war (<1m). Außerdem erübrigt sich für die ASD FieldSpec®-Messungen eine Atmosphärenkorrektur, da bereits in situ Reflexionsfaktoren durch die zeitnahen Messungen des Referenzstandards (Spectralon®) vorlagen. Durch die direkte Berechnung der Reflexionsfaktoren werden bereits alle multiplikativen Effekte, welche die Objektreflexion beeinflussen können, ausgeschaltet.

Zusammenfassung:

Bei in situ Reflexionsmessungen ist eine Atmosphärenkorrektur nicht notwendig, da durch die zeitnahe Messung eines (quasi-) absoluten Standards direkt gerichtete Reflexionswerte gemessen werden. Die ASD FieldSpec®-Feldmessungen werden für die multivariate Auswertung auf einen absoluten Reflexionsstandard kalibriert.

Bei den durchgeführten spektroradiometrischen Messungen wird von der Annahme ausgegangen, dass die betrachteten Oberflächen homogen sind. Bezogen auf die bidirektionale Komponente der reflektierten solaren Strahlung bedeutet dies, dass die auf einen Pflanzenbestand auftreffende Strahlung in Abhängigkeit vom Zenitwinkel der einfallenden Strahlung unterschiedlich stark reflektiert wird (Einfallswinkelanisotropie). Aus dieser Annahme folgt, dass für die quantitative Analyse spektroradiometrischer Messungen zumindest eine Sonnenstandskorrektur notwendig ist. Für die vorliegende Untersuchung wird deshalb eine Korrektur des Sonneneinfallswinkels auf einen Referenzwinkel durchgeführt, der dem Sonnenhöchststand während der Aufnahmeperiode entspricht. Für die quantitative Bewertung der Vegetationskomponente im gemessenen Feldspektrum wird das Reflexionsspektrum durch ein linear-subtraktives Verfahren in einzelne Spektralkomponenten zerlegt (siehe Kap. 6.3.3).