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6 STANDARDISIERUNG SPEKTRORADIOMETRISCHER MESSWERTE

6.6 Funktionsanalyse der Spektralsignatur

6.6.1 Ableitung lokaler Extrema

Die Verfahren zur Bestimmung der Bereiche maximaler Steigung einer Spektralsignatur wurden bereits in Kap. 6.5.2 erläutert. Zur Vervollständigung ist in Gl. 29 noch einmal der Ablauf zur Bestimmung des HWP durch die 1. und 2. Ableitung aufgezeigt.

Gl. 29

REI : Hauptwendepunkt (Beugungswellenlänge) des Funktionsabschnitts R'λ : Steigung der Reflexionsfunktion an der Wellenlängenposition λi

Für die quantitative Bestimmung von Oberflächenparametern aus spektralen Reflexionswerten werden daneben im Folgenden die lokalen Minima und Maxima der Funktionskurve detektiert und für die multivariate Analyse extrahiert.

Die Absorptionsbereiche spektraler Reflexionsmessungen können unter der Annahme der Spektralsignatur als eine Funktionskurve durch differentialanalytische Verfahren (Ableitungsanalse) in Form lokaler Minima dieser Kurve aufgezeigt werden. Ein lokales Minimum einer Funktionskurve f(λ)=R liegt an der Wellenlänge λ vor, wenn für die Ableitungen die folgenden Bedingungen erfüllt sind (vgl. Abb. 46).

λ i

Gl. 30

minlok : lokales Minimum des Funktionsabschnitts R'λ : s.o.

Entsprechend Gl. 30 befindet sich an der Position λi ein lokales Maximum der Funktion, wenn gilt:

Gl. 31

maxlok : lokales Maximum des Funktionsabschnitts R'λ : s.o.

Die Einbeziehung der 3. und 4. Ableitung ist aus verfahrenstechnischen Gründen erforderlich, da das entwickelte Funktionsanalyseverfahren nicht absolute bzw. lokale Extrema erkennt, sondern die Ableitungsfunktionen mit Hilfe logischer Operatoren nach den o.g.

Entscheidungskriterien durchsucht. Aus Abb. 46 geht hervor, dass die Komplexität bzw. das Rauschen des Messsignals mit der Ableitung der ursprünglichen Funktionskurve zunimmt.

Aus diesem Grunde ist es notwendig, auf die Funktionskurve vor der Ableitung einen Frequenzfilter anzuwenden (Kap. 6.2). Zugleich wird deutlich, dass das in Gl. 30 vorgeschlagene Verfahren zu einer eindeutigen Ausweisung der Funktionsabschnitte führt, an denen lokale Minima vorliegen.



600 700 800 900 1000 1100 1200 1300 Wellenlaenge [nm]

0.00 0.10 0.20 0.30 0.40 0.50

R [%/100]

-0.0004 -0.0002 0 0.0002 0.0004

Spektrum 1. Ableitung 2. Ableitung 3. Ableitung

lok. Minimum

-0.0002 -0.0001 0 0.0001 0.0002

970 975 980 985

Wellenlaenge [nm]

0.324 0.326 0.328 0.330

R [%/100]

Abb. 46: Bestimmung lokaler Minima durch Differentialanalyse

Die Berechnung der Funktions-Ableitungen erfolgt durch eine Drei-Punkt-Interpolation, wie sie ebenfalls in Kap. 6.5.2 für die Parametrisierung des Rot-Infrarot-Anstiegs verwendet wurde. Diejenigen Wellenlängen, für die die o.g. Kriterien zutreffen, werden durch ein Detektierungsverfahren unter Verwendung logischer Operatoren für den gesamten Datensatz automatisch in einer Matrix und in graphischer Form ausgegeben. Das Resultat sind zwei Datensätze von Wellenlängenabschnitten, in denen lokale Minima und Maxima der Funktionskurve für die Spektralsignaturen von Winterweizenbeständen auftreten. Die Ergebnisse der Ableitungsanalyse sind in Abb. 47 in graphischer und in Tab. 20 in tabellarischer Form dargestellt.

(a)

(b)

400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200

Wellenlaenge [nm]

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1

R [%/100]

lokale Maxima lokale Minima

400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5

R[%/100]

Abb. 47: Lage lokaler Extrema (Durchschnittswerte) spektroradiometrischer in situ (a) und Labormessungen (b) von Winterweizenbeständen bzw. -proben

Neben den aufgrund des charakteristischen Signaturverlaufs zu erwartenden und bereits aus der deskriptiven Analyse (siehe Kap. 6.4) ersichtlichen lokalen Extrema weist die Ableitungsanalyse zusätzlich eine Reihe untergeordneter lokaler Minima der Spektralsignaturen auf, die konsequenter Weise von untergeordneten Maxima umrahmt werden. Insgesamt kann man die Extrema der Funktionskurven hierarchisch gliedern nach Ihrem Einfluss auf die Form der Signaturkurve. Zu den Extrema 1. Ordnung gehören die breiten Chlorophyll- und Wasserabsorptionsbanden. Merkmale 2. Ordnung bilden z. B. die nicht immer sichtbaren Nebenminima der Chlorophyllkomponenten im VIS sowie die übrigen Absorptionsbereiche der Infrarotschulter und als Extrema 3. Ordnung werden die Merkmale im SWIR-2 sowie insgesamt relative Extrema innerhalb übergeordneter Merkmale gruppiert (Tab. 20). Auf diesen Bereichen in Ihrer Gesamtheit liegt das Hauptaugenmerk für die Auswahl geeigneter Spektralmerkmale für die multivariate Datenanalyse in Kap. 7.

Tab. 20: Lokale Extrema der Signaturkurven von Winterweizen (grün = 1. Ordnung, gelb = 2. Ordnung, rot = 3. Ordnung)

in situ Messungen, λ [nm] Labormessungen, λ [nm]

*2 lok. Minima lok. Maxima lok. Minima lok. Maxima

Die Ableitungsanalyse der Funktionskurven wird nach dem hier beschriebenen Verfahren jeweils für die in situ und für die Laborspektren durchgeführt. Der direkte Vergleich der Extrema für die Labor- und Feldsignaturkurven in Abb. 47 deckt die Übereinstimmungen aber ebenso auch die Abweichungen der Funktionsmerkmale der Feld- und Labormessungen auf.

Die Funktionskurven der Feldmessungen sind auf den ersten Blick differenzierter als die entsprechenden Laborspektren. Dies zeigt sich vor allem anhand der Häufung der Extrema im NIR und im SWIR-2-Bereich. Andererseits treten in den Laborspektren Extrema auf, die in den Feldspektren völlig fehlen (z. B. 2. Absorptionsmaximum im VIS-Rotbereich, Extrema im SWIR-1-Bereich zwischen 1480 und 1600 nm). Zieht man für die qualitative Bewertung der Extrema die Ergebnisse der Varianzanalyse aus Kap. 6.1 hinzu, zeigt sich, dass die Häufung der Extrema in den Feldspektren zum Teil in enger Beziehung zur Zunahme der Variationskoeffizienten der Parallelmessungen steht. Das bedeutet, dass Extrema in spektroradiometrischen Feldmessungen neben den eindeutigen absoluten und erstrangigen Minima und Maxima vor allem in Bereichen mit einer hohen Messunsicherheit auftreten.

Diese Feststellung wird auch durch die Betrachtung der Extrema über die einzelnen Messpunkte unterstrichen (Abb. 48). Im VIS, NIR und SWIR-1-Bereich treten die lokalen Minima, abgesehen von den Randbereichen der atmosphärischen H O-Absorptionsbanden, mit einer sehr hohen Lagegenauigkeit auf, d.h., sie befinden sich immer in einem Bereich von +/-2 nm zu einer Zentrumswellenlänge, was unter der vom Hersteller angegebenen maximalen Lagegenauigkeit der Wellenlängenkanäle liegt (siehe hierzu Kap. 4.1.3). Im SWIR-2 ist dagegen keine Regelhaftigkeit der Lage der Absorptionsbereiche feststellbar.

2

Andererseits ist die Anzahl der lokalen Minima und damit der potenzielle Informationsgehalt des SWIR-2-Bereichs gegenüber den anderen Abschnitten des solaren Spektrums um ein Vielfaches höher.

Diese grundlegenden Aspekte, zum einen der hohe potenzielle Informationsgehalt und zum anderen die Messunsicherheiten müssen bei der Bewertung der Merkmale im SWIR-2-Bereich und der eventuellen Verwendung in der multivariaten Analyse berücksichtigt werden.

(orange) spektroradiometrischer in situ Messungen für alle Messpunkte (Weizen, n=74)

bb. 48: Lage lokaler Minima (x) der Funktionskurven sowie die Variationskoeffizienten

0 10 20 30 40 50 60 70 80

400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200

Wellenlänge [nm]

0.1 1 10 100

A

6.6.2 Skalierung durch Frequenztransformationen