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6 STANDARDISIERUNG SPEKTRORADIOMETRISCHER MESSWERTE

6.5 Parametrisierung der Reflexionsmessungen

6.5.1 Duale Spektralindizes zur Abbildung natürlicher Oberflächen

Duale Spektralindizes (Vegetationsindizes) setzen sich aus den spektralen Reflexionswerten zweier Wellenlängenbereiche zusammen. In der überwiegenden Anzahl der bekannten Indizes bilden die verwendeten Wellenlängenkanäle jeweils einen Bereich des sichtbaren Lichts (VIS) und einen Bereich des nahen oder mittleren Infrarot (NIR, MIR) ab.

Vegetationsindizes liefern dimensionslose Indexwerte für die Ableitung von Oberflächeneigenschaften, deren Verteilung durch die Verhältnisbildung in den meisten Fällen weniger anfällig ist, sowohl für Schwankungen der Umgebungsvariablen (Atmosphäre, Einstrahlung, Sensoreigenschaften), als auch für Störungen durch Objektmerkmale, welche zu gleichen Teilen in beiden Wellenlängen am Signal beteiligt sind (z. B. Bodenanteil, Schattenanteil). Auf diese Weise ist durch simple Ratiobildung die Vergleichbarkeit von Aufnahmen unterschiedlicher Aufnahmetermine oder auch unterschiedlicher Sensoren möglich, wenn diese identische Wellenlängenbereiche abdecken.

Der bekannteste spektrale Index zur Ableitung der Beziehungen zwischen spektraler Reflexion und dem Zustand natürlicher Oberflächen ist der NDVI (normalized difference vegetation index), der ursprünglich für die Auswertung von Landsat/MSS-Daten entwickelt wurde (ROUSE et al. 1974).

Das Prinzip des NDVI wurde seitdem in zahlreichen Untersuchungen weiterentwickelt. Das Resultat ist eine unüberschaubare Fülle von Vegetationsindizes, die in vielen Fällen eine hohe Redundanz aufweisen und jeweils das Ziel haben, möglichst unabhängig von beeinträchtigenden Umgebungsvariablen den Oberflächenzustand aus Fernerkundungsdaten abzuleiten. Die folgende Zusammenstellung (Tab. 19) gibt einen kurzen Überblick über ausgewählte Indizes, wobei das Auswahlkriterium deren postulierte Eignung zur Ableitung von Biomasse bzw. biomassebildenden Pflanzenkomponenten ist. Ergänzende und ausführlichere Übersichten finden sich z. B. bei BAUSCH & DIKER 2001, ELVIDGE & CHEN

1995, JENSEN 2000 und KNEUBÜHLER 2001.

Tab. 19: Übersicht ausgewählter dualer Spektralindizes

Bezeichnung Formel Indikator für Quelle Biomasse /

Die aufgeführten Spektralindizes zeigen laut Ihrer Autoren teils signifikante Korrelationen zu den angegebenen Pflanzenparametern. Aufgrund der in der Regel breiten Wellenlängenbereiche der den Untersuchungen zugrunde liegenden Sensoren kann ein festgestellter Zusammenhang aber nicht mehr als eine Schätzung zwischen Index und Bestandsmerkmal sein. Zur Überprüfung der Zusammenhänge wurden die in Tab. 19 aufgeführten Indizes aus den HyMap® und den ASD FieldSpec®-Daten berechnet, wobei aus den angegebenen Wellenlängenbereichen durch Angleichung bzw. Mittelung der für die Sensoren jeweils zentrale Wellenlängenkanal ausgewählt wurde. Die Bewertung der Zusammenhänge erfolgt in Kap. 7.4.1.

6.5.2 Parametrisierung des Rot-Infrarot-Anstiegs

Die bisher beschriebenen Spektralindizes beruhen auf der Restriktion, dass für deren Berechnung immer nur sehr breite Spektralbänder, wie sie von den bekannten Weltraumsensoren abgedeckt werden, berücksichtigt werden können. Diese erlauben die Ableitung von Kennwerten, deren räumliche Schwankungen relative Schwankungen von Pflanzenkennwerten beschreiben können.

Eine andere Möglichkeit zur Parametrisierung des starken Reflexionsanstiegs von Rot zu Infrarot ist die Berechnung der sog. Rotschulter (red edge index, REI). Der REI bestimmt den Punkt der Signaturkurve zwischen Rot und Infrarot, an dem die Krümmung des Reflexionsverlaufs gleich null bzw. die Steigung am größten ist. Dieser Punkt des Reflexionsverlaufs wird als Beugungswellenlänge (Hauptwendepunkt, HWP) bezeichnet.

Für die Berechnung des REI stehen verschiedene, mehr oder weniger komplexe Methoden zur Verfügung. Aus der direkten Umsetzung der gegebenen Definition des REI berechnet sich der Hauptwendepunkt als der Punkt, an dem die 1. Ableitung (Steigung) einer Funktionskurve f'(λ) ein relatives Maximum annimmt und/oder für die 2. Ableitung (Krümmung) die Bedingung f''(λ)=0 erfüllt ist (HORLER et al. 1983, CLEVERS 2001). Die Verfahren der Kurvenanpassung setzen allerdings eine hohe Anzahl von Funktionsstützstellen (Wellenlängenkanälen) voraus, weshalb sie für die meisten Sensoren nicht anwendbar sind.

Trotzdem kann auch bei weniger Stützstellen über eine Polynomanpassung eine Ableitungsanalyse erfolgen (zum Verfahren der Differentialanalyse siehe Kap. 6.6.1).

Eine andere Methode der Funktionsanpassung ist die sog. inverse Gauß-Fit-Methode (BONHAM-CARTER 1988), bei der durch ein iteratives Verfahren der wellenlängenabhängige Verlauf der Reflexionswerte an eine gaußsche Normalverteilung angenähert wird und die durch Anpassung erhaltene Exponentialfunktion durch Invertierung zur zentralen Wellenlänge (HWP) aufgelöst wird. Ebenso wie die Ableitungsmethode erfordert dieses Verfahren eine hohe Stützstellendichte, die bei den meisten abbildenden Sensoren nicht gegeben ist.

Für die weiteren Untersuchungen werden zwei relativ einfache Verfahren der HWP-Berechnung vorgeschlagen. Die einfachste Form der HWP-Berechnung des HWP von GUYOT &

BARET (1988), betrachtet den Verlauf des Reflexionsanstiegs als lineare Funktion und benötigt lediglich die Reflexionswerte von vier Wellenlängen im VNIR zur Berechnung der Beugungswellenlänge (Abb. 43).

0

660 680 700 720 740 760 780 800

Wellenlänge [nm ]

Abb. 43: Parametrisierung des REI durch Linearisierung (die Gleichungsparameter gehen aus Gl. 25 und Gl. 26 hervor)

Die lineare Interpolation setzt die Annahme einer geraden Linie als Verbindung zwischen der Wellenlänge der Maximalabsorption im Rot (ca. 670 nm) und einem Maximum der Reflexion im NIR (ca. 780 nm) voraus. Für die Berechnung der Lage des HWP wird zunächst die Reflexion an diesem Punkt geschätzt und ins Verhältnis zum Reflexionswert bei 740 nm gesetzt:

RREI = geschätzte Reflexion am Hauptwendepunkt

λREI = Lage des Hauptwendepunktes (Beugungswellenlänge )

Die zweite Methode nach DAWSON & CURRAN (1998) beruht auf einer Drei-Punkt-Interpolation der Wellenlängenkanäle zur Berechnung der 1. Ableitung und einer anschließender Polynomanpassung 2. Grades. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht in der Berücksichtigung der Kurvenform des Rot-Infrarot-Anstiegs. Außerdem ist das Verfahren, im Vergleich zum Ansatz nach GUYOT & BARET (1988), nicht auf das Vorhandensein bestimmter Wellenlängenkanäle angewiesen und der Abstand der Funktionsstützstellen muss nicht konstant sein (DAWSON & CURRAN 1998). Der HWP einer Funktionskurve des Rot-Infrarot-Anstiegs errechnet sich danach durch:

( ) ( ) ( )

λREI : Lage des Hauptwendepunktes (Beugungswellenlänge ) λi : Wellenlängenkanal an dem R' maximal ist

R' : Steigung der Reflexionskurve an der Wellenlängenposition λ bzw. λ ,

i, i-1, i+1 λ i i-1

i+1

Die Ergebnisse der REI-Berechnung der ASD FieldSpec®-Weizenspektren nach den beiden Methoden sind in Abb. 44 gegeneinander aufgetragen. Die Tendenz der Verschiebung des HWP in den beiden Berechnungen ist sehr ähnlich, was durch das Bestimmtheitsmaß bestätigt wird. Es fällt aber auf, dass der Wertebereich des HWP bei der Methode nach DAWSON &

CURRAN (1998) zu kürzeren Wellenlängen verschoben wird. Dies ist bedingt durch den Abstand der Wellenlängenstützpunkte bei der Berechnung des REI. Der REI-Wert liegt beim Verfahren nach DAWSON & CURRAN (1998) immer in einem Bereich λ < λ <λ , wie aus Gl. 27 und Gl. 28 hervorgeht. Für die ASD-Messungen kann demnach der HWP nur in einem Bereich von ∆λ = λ +/- 1nm liegen. Der Vorteil des Verfahrens wird eher bei der Anwendung für Sensoren mit einer begrenzten Anzahl unterschiedlich breiter Wellenlängenkanäle deutlich.

i-1 i i+1

REI i

Die Wertespanne des REI liegt in der Regel ungefähr zwischen 680 und 760 nm und für die vorliegenden Daten aufgrund der ähnlichen Physiognomie der gemessenen Oberflächen in einem sehr eng begrenzten Bereich um 725 nm, der vom gewählten Verfahren zur HWP-Bestimmung abhängig ist. Die Untersuchung der Sensitivität des REI für die Erkennung von Bestandsmerkmalen und der Vergleich mit den übrigen Spektralindizes ist Gegenstand von Kap. 7.4.1.1.

724 724.5 725 725.5 726

λREI[nm ] (Daw son & Curran 1998) λREI [nm] (Guyot & Baret 1988)

Abb. 44: Lage des Hauptwendepunkts nach unterschiedlichen Interpolationsmethoden