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2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN UND DEFINITIONEN

3.1 Volkswirtschaftliches Rechnungswesen

Das Volkswirtschaftliche Rechnungswesen vermittelt als Teil der amtlichen Statistiken zeitraumbezogen ein zahlenmäßiges Gesamtbild des Wirtschaftsablaufes in einer Volks-wirtschaft. Folgende Teilbereiche bauen aufeinander auf:

- Die Kreislaufanalyse liefert die konzeptionelle Basis. Sie ist Teil der Makroökonomik, die das Zusammenwirken volkswirtschaftlicher Globalgrößen betrachtet. Hier werden Wirtschaftssubjekte zu Gruppen (Sektoren) zusammengefasst (aggregiert) und die Beziehungen untereinander dargestellt (NEUBÄUMER/HEWEL, 2005, S. 163ff.).

- Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) füllen das von der Kreis-laufanalyse entwickelte Gerüst mit Zahlen. Im Rahmen der amtlichen Statistik dienen die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen dazu, ein umfangreiches Bild des wirt-schaftlichen Ablaufes und der damit verbundenen Vorgänge zu geben (THÜRINGER

MINISTERIUM FÜR LANDWIRTSCHAFT,NATURSCHUTZ UND UMWELT, 2006, S. 10).

- Mit ergänzenden Rechnungen werden z.B. die Vermögensbestände einer Volkswirt-schaft, die Kreditverflechtungen zwischen den Sektoren, die Geldbestände sowie Transaktionen mit dem Ausland ausgewiesen (NEUBÄUMER/HEWEL, 2005, S. 164).

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3.1.1 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen

Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) sind somit ein Teilbereich des volkswirtschaftlichen Rechungswesens. Sie ermitteln zeitraumbezogen ein zahlenmäßiges Gesamtbild des Wirtschaftsablaufes innerhalb einer Volkswirtschaft. Bei den VGR handelt es sich um ein sekundärstatistisches Rechenwerk, das aus der Einbindung einer Vielzahl von Primärstatistiken entsteht (RANSCHT, 2009, S. 62). Somit verfolgen die VGR das Ziel, das Wirtschaftsgeschehen innerhalb einer Volkswirtschaft für einen zurückliegenden und abgeschlossenen Zeitraum auf quantitativer Ebene möglichst umfassend zu beschreiben (FRENKEL/JOHN, 1999, S. 4).

Die VGR weisen folgende ökonomische Kennzahlen einer Volkswirtschaft aus:

- das Bruttoinlandsprodukt - die Bruttowertschöpfung - den Produktionswert

- die Vorleistungen.

Systematisch zugeordnet ist zudem die Ermittlung der Erwerbstätigenzahl nach Wirtschafts-bereichen und im gesamtwirtschaftlichen Kontext.

Wie oben angeführt ist die Ermittlung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zentrales Ziel der VGR. Das BIP ist das Maß der wirtschaftlichen Leistung innerhalb einer Volkswirtschaft in einem definierten Zeitraum. Es benennt den Wert, der in einer Volkswirtschaft im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen (Wertschöpfung). Es entspricht der Bruttowert-schöpfung aller Wirtschaftsbereiche zuzüglich Gütersteuern und abzüglich Gütersubventio-nen. Die Bruttowertschöpfung, die zu Herstellungspreisen bewertet wird, ergibt sich für jeden Wirtschaftsbereich aus dem Bruttoproduktionswert zu Herstellungspreisen abzüglich zuge-hörigen Vorleistungen zu Anschaffungspreisen (STATISTISCHE ÄMTERDER LÄNDER, 2009).

Das BIP wird nach dem Inlandskonzept berechnet. Hier werden alle Güter und Leistungen einbezogen, die im Inland produziert worden sind, auch wenn es sich bei den Eigentümern um Ausländer handelt. Somit werden von Ausländern im Inland produzierte Güter in der Berechnung berücksichtigt.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird sowohl von der Entstehungs- als auch von der Verwendungsseite her berechnet. Die Entstehungsrechnung zeigt den Anteil der einzelnen Wirtschaftsbereiche am BIP auf. Zwischen den beiden resultierenden Berechnungs-ergebnissen der Entstehungs- und Verwendungsseite findet ein Abgleich statt, der zum Veröffentlichungsergebnis des BIP und seiner Aggregate führt (STATISTISCHES BUNDESAMT, 2007d, S. 18).

Volkswirtschaftliche Bewertung des Agribusiness 17 Übersicht 3.1: Berechnungsweg des Bruttoinlandsproduktes

Entstehung Verwendung Verteilung Landwirtschaft Konsumausgaben der

privaten Haushalte und Baugewerbe Konsumausgaben des

Staates + Produktions- und Importabgaben

+ Außenbeitrag - Saldo der Primäreinkommen aus der übrigen Welt

Dienstleister

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT, 2007d, S. 18

Bei den Berechnungen der Bruttowertschöpfung sowie der Produktionswerte und Vorleis-tungen anhand der Entstehungsrechnung bilden Sektoren und einzelne Wirtschaftseinheiten die Grundlage. Die Darstellung erfolgt hier in aggregierter Form nach Wirtschaftsbereichen.

Dabei umfasst ein Wirtschaftsbereich alle Wirtschaftseinheiten mit gleicher schwerpunkt-mäßiger Aktivität. Als Grundlage für die Gliederung der Wirtschaftsbereiche dient die Klassifikation der Wirtschaftszweige (RANSCHT, 2009, 62ff.).

3.1.2 Klassifikation der Wirtschaftszweige

Grundvoraussetzung für die oben erläuterte statistische Arbeit ist die Existenz einer einheitlichen Klassifizierung, die auf einem anerkannten System beruht. Anhand einer solchen Klassifizierung werden vorhandene Daten einheitlich dargestellt und analysiert (EMMEL, 2008, S. 20). Zudem fordert die Internationalisierung und Globalisierung der Wirtschaft international vergleichbare Wirtschaftsstatistiken. Für die Statistiken wird eine Wirtschaftszweigklassifikation zugrunde gelegt, die diese international vergleichbare und aktuelle Zuordnung der verschiedenen Wirtschaftseinheiten ermöglicht. Mit dieser einheitlichen Vorgehensweise wird eine Vergleichbarkeit der ermittelten wirtschaftlichen Kennzahlen gewährleistet.

In Europa dient die europäische Systematik der Wirtschaftszweige (NACE) als Bezugs-system für die Erstellung und Verbreitung statistischer Daten. Hierdurch ist ein Rahmen vorgegeben, der die Zuordnung und Darstellung von statistischen Daten aus dem Erhebungsbereich „Wirtschaft“ ermöglicht. Die NACE ist innerhalb der Europäischen Union bindend. Sie ermöglicht somit eine Vergleichbarkeit der Daten innerhalb der EU und darüber hinaus. Die Wirtschaftszweigklassifikation untergliedert die Wirtschaft in Wirtschaftszweige.

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3.1.3 Anpassung der Wirtschaftszweigklassifikation

Um Beobachtungen und Analysen von Entwicklungen im Zeitablauf durchführen zu können, ist zu gewährleisten, dass eine Klassifikation während eines längeren Zeitraums angewendet werden kann. Gleichwohl erfordern wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen ab einer bestimmten Größenordnung eine Überarbeitung einer geltenden Klassifikation (SEIDEL, 2010, S. 255ff). Deutlich wird dies anhand der in Abbildung 3.1 aufgezeigten Strukturver-änderung am Beispiel der Erwerbstätigen in Deutschland und ihrem Anteil an den unter-schiedlichen Wirtschaftssektoren.

Abbildung 3.1: Erwerbstätige in Deutschland nach Wirtschaftssektoren

%

Quelle: Eigene Darstellung, STATISTISCHES BUNDESAMT, 2010a; HENKEL, 2004, S. 101 (bis 1990 früheres Bundesgebiet. 1950-1959 ohne Berlin und Saarland)

Seit Jahrzehnten sind tiefgreifende Strukturveränderungen in der deutschen Volkswirtschaft zu verzeichnen. Der tertiäre Sektor (Dienstleistungssektor) gewinnt zunehmend an Bedeutung, während Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei (primärer Sektor) und das Produzierende Gewerbe (sekundärer Sektor) an Gewicht verloren haben. Somit hat sich Deutschland von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft gewandelt. Waren im Jahr 1970 noch 46,5 % der Erwerbstätigen in Deutschland im Produzierenden Gewerbe und 45,1 % im Dienstleistungssektor tätig, stieg der Anteil der Erwerbstätigen im Dienstleistungs-sektor bis 2009 auf 73 %. Dies zeigt die zunehmende Bedeutung des DienstleistungsDienstleistungs-sektors, die durch die Schaffung zahlreicher neuer Beschäftigungsmöglichkeiten begünstigt wird (SEIDEL, 2010, S. 256; STATISTISCHES BUNDESAMT, 2010a).

Zudem veränderten sich innerhalb der einzelnen Wirtschaftssektoren die Bedeutungs-schwerpunkte der einzelnen Wirtschaftsbereiche in großem Umfang. Die internationalen und nationalen Wirtschaftszweigklassifikationen sowie die darauf aufbauenden Statistiken

wur-Jahr

Volkswirtschaftliche Bewertung des Agribusiness 19 den aufgrund dessen an die geänderten Gegebenheiten angepasst. Die Anpassung der geltenden Wirtschaftszweigklassifikationen begann auf Ebene der Vereinten Nationen mit der ISIC Rev. 4. Im Januar 2008 ist in der EU die revidierte Klassifikation NACE Rev. 2 in Kraft getreten. Sie löst die NACE Rev. 1.1 ab. Damit ist in den Mitgliedstaaten der EU die entsprechende Anpassung der NACE und der nationalen Wirtschaftszweigklassifikationen an die internationalen Standards umgesetzt worden.

In Deutschland gilt seit 2008, wie auch schon bei den vorangegangenen Versionen der NACE, eine nationale Version, die Wirtschaftszweigklassifikation WZ 2008. Die Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 (WZ 2003) wurde auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 (WZ 2008) umgestellt. Die nationale Klassifikation der Wirtschaftszweige systematisiert Wirtschaftseinheiten gemäß ihrem wirtschaftlichen Schwerpunkt und baut dabei auf der

„Statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft“ (NACE) auf (EMMEL, 2008, S. 20f).

In den amtlichen Konjunkturstatistiken, die als Grundlage zur Berechnung des BIP verwendet werden, ist bereits seit Januar 2009 die neue Klassifikation der Wirtschaftszweige WZ 2008 bindend. Für die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ist dagegen bis zum Kalenderjahr 2011 noch die bisherige WZ 2003 maßgeblich.

Wie oben beschrieben führt der Übergang auf die neue Klassifikation zu tief greifenden Umstrukturierungen innerhalb der einzelnen Wirtschaftszweige und zu einer entsprechenden Änderung der Gliederungsstruktur.

Übersicht 3.2: NACE Re. 1.1/WZ 2003 und NACE Rev. 2/WZ 2008 im Vergleich Ebene NACE Rev. 1.1 / WZ 2003 NACE Rev. 2 / WZ 2008 Gliederung Anzahl Kodierung Anzahl Kodierung Abschnitte 17 A bis Q 21 A bis V

Unterabschnitte 31 AA bis QA - -

Abteilungen 62/60 01 bis 99 88 01 bis 99 Gruppen 224/222 01.1 bis 99.0 272 01.1 bis 99.0 Klassen 514/513 01.11 bis 99.00 615 01.11 bis 99.00 Nationale Unterklassen 1041 01.11.1 bis 9.00.3 838 01.11.0 bis 9.00.0 Quelle: EMMEL, 2008, S. 21

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Folgende Veränderungen lassen sich aus Übersicht 3.2 ablesen:

- Die Ebene „Abschnitte“ ist um vier erweitert worden.

- Die Ebene „Unterabschnitte“ ist nicht mehr vorhanden.

- Die Ebene „Nationale Unterklasse“ ist um 203 gesunken.

Die Anzahl innerhalb der verbliebenen einzelnen Ebenen hat sich aufgrund der höheren Detailliertheit in der NACE Rev. 2 erhöht. Ausnahme macht die Ebene „Nationale Unter-klassen“, die um 203 Unterklassen reduziert wurde.

Grundvoraussetzung für die statistische Analyse und für eine allgemein akzeptierte Cluster-abgrenzung ist die Erstellung einer „Liste Agribusiness“, die stringent aus den amtlichen Klassifizierungen abgeleitet ist. Mit einer solchen Vorgehensweise können vorhandene Daten systematisch dargestellt und analysiert werden. Zudem wird mit dieser einheitlichen Vorgehensweise eine Vergleichbarkeit der Daten im Zeitablauf gewährleistet. Die WZ 2008 ist deshalb Grundlage für die Erstellung der „Liste Agribusiness“, mit der der Cluster Agribusiness definiert und die Landwirtschaft als Teil dieses Clusters separat ausgewiesen wird. Da die Erstellung der Liste in die Umstellungsphase von WZ 2003 auf WZ 2008 fällt, ist eine doppelte Schlüsselung anhand des Umsteigeschlüssels vorgenommen worden.