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Visuelle Brunstbeobachtung und Brunstbeobachtung durch

Brunstsymptome

Die visuelle Brunstbeobachtung stellt die konventionelle Art der Brunstbeobachtung dar. Sie erfolgt durch eine mehrmals täglich durchgeführte Beobachtung der Herde bzw. der für eine Besamung vorgesehenen Rinder. In der Vergangenheit gab es zahlreiche Untersuchungen zu verschiedenen Methoden der visuellen Brunstbeobachtung, die sich im Wesentlichen in der Beobachtungsintensität sowie der zur Brunsterkennung verwendeten Brunstsymptome unterschieden (PETER u.

BOSU, 1986; VAN VLIET u. VAN EERDENBURG, 1996; HEUWIESER, 1997; AT- TARAS u. SPAHR, 2001; VAN EERDENBURG et al., 2002; ROELOFS et al., 2005b;

HOLMAN et al., 2011).

Der Duldungsreflex gilt mit einer Sicherheit von 90 - 95 % als das verlässlichste Zeichen für eine Brunst (HEUWIESER, 1997). Auf Grund seiner geringen Zahl falsch positiver Brunstmeldungen wird er als kardinales Brunstsymptom bezeichnet (BORSBERRY, 2011). Jedoch hat sich über die letzten Jahrzehnte die Zahl der Tiere, die während der Brunst den Duldungsreflex zeigen, von 80 auf 50 % und die

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Phase der Duldungsdauer von durchschnittlich 15 auf 5 Stunden verringert (DOBSON et al., 2008). Wurde der Duldungsreflex in früheren Studien noch bei 90 % der Tiere beobachtet (HALL et al., 1959), so kann er in aktuelleren Studien nur noch bei 12 - 50 % der brünstigen Tiere nachgewiesen werden, selbst wenn beispielsweise eine 12-malige tägliche Beobachtung zu je 30 Minuten erfolgt (PETER u. BOSU, 1986; VAN VLIET u. VAN EERDENBURG, 1996; HEUWIESER, 1997; AT- TARAS u. SPAHR, 2001; VAN EERDENBURG et al., 2002). Die Anzahl von 8 - 9 Duldungsereignissen pro Brunst mit einer durchschnittlichen Duldungsdauer von 2,5 Sekunden (DRANSFIELD et al., 1998; DISKIN, 2008) belegt zudem, dass neben der Verkürzung der Duldungsphase, der Duldungsreflex immer seltener und kürzer gezeigt wird und damit durch die visuelle Brunstbeobachtung immer schwerer zu erfassen ist.

In der vorliegenden Studie wurde für die Brunsterkennung durch die ausschließliche Beobachtung des Duldungsreflexes eine BER von 22,3 % ermittelt, was deutlich unter den Beobachtungen von PERALTA et al. (2005) und VAN EERDENBURG et al. (2002) mit BER von 49 bzw. 50 % liegt. VAN EERDENBURG et al. (2002) führten drei Beobachtungen zu ähnlichen Zeitpunkten wie in unserer Studie durch, PERALTA et al. (2005) hingegen verteilten drei Beobachtungen auf einen ganzen Tag (alle 8 Stunden), wodurch eine Beobachtung auch nachts durchgeführt wurde.

Mit 24 % ermittelten HERES et al. (2000) eine ähnlich niedrige BER, wobei in deren Studie nur zwei Beobachtungen pro Tag erfolgten. In unserer Studie konnte bei jedem Tier, das den Duldungsreflex zeigte, eine Ovulations- Brunst (Ov- Brunst) nachgewiesen werden. Die Beobachtung des Duldungsreflexes ergab somit keine falsch positiven Meldungen und macht dieses Brunstsymptom mit einer daraus resultierenden Verlässlichkeitsrate (VLR) von 100 % zum sichersten Symptom für eine Ov- Brunst. Diese Feststellung deckt sich mit den Ergebnissen weiterer Autoren, die ebenfalls VLR zwischen 90 - 99 % ermittelten (HEUWEISER u.

MANSFELD, 1995; HERES et al., 2000).

Da die, durch die Beobachtung des Duldungsreflexes, ermittelten BER von weniger als 50 % keine Grundlage für ein erfolgreiches Fruchtbarkeitsmanagement darstellt (BECKER et al., 2005), liegt es auf der Hand, dass zur Steigerung der BER weitere

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Brunstsymptome in die Beurteilung mit einbezogen werden müssen. So wurden in der Vergangenheit Methoden für die visuelle Brunstbeobachtung entwickelt, die auch ohne die Beobachtung des Duldungsreflexes bei mehrmaligem Auftreten schwächerer Brunstsymptome eine Ov- Brunst erkennbar machen (VAN VLIET u.

VAN EERDENBURG, 1996). Bei einer täglich durchgeführten 3- maligen Beobachtung zu je 30 Minuten kann dadurch zum Beispiel die BER von 37 auf 74 % bzw. von 30 auf 90 % gesteigert werden (VAN VLIET u. VAN EERDENBURG, 1996;

ROELOFS et al., 2005b). Da in der Literatur mit einer Spanne von 13 bis teilweise 100 % unterschiedliche Angaben über die Verlässlichkeit einzelner Brunstsymptome angegeben werden (VAN VLIET u. VAN EERDENBURG, 1996; HERES et al., 2000;

ROELOFS et al., 2005b), wurden in der vorliegenden Studie die Verlässlichkeitsraten der beobachteten Brunstsymptome ermittelt, um eine Aussage über deren Effizienz in der Brunstbeobachtung machen zu können. Nicht nur eine niedrige BER sondern auch eine hohe Rate falsch positiver Brunstmeldungen (niedrige VLR) sind Zeichen schlechter Brunsterkennung und haben darüber hinaus einen negativen Effekt auf die Fruchtbarkeitskennzahlen (O´CONNOR, 1993; BORSBERRY, 2011). Daher wurden für die visuelle Erkennung von Ov- Brunsten in der vorliegenden Studie nur Brunstsymptome verwendet, die eine ausreichende Verlässlichkeit (> 85 %) aufwiesen.

Die Auswertung der Beobachtungsphasen gab Hinweise auf eine verkürzte Ausprägung der Brunstsymptome, wie es bereits in einigen früheren Studien belegt wurde (DRANSFIELD et al., 1998; WALKER et al., 1996; XU et al., 1998). Bis auf eine Ausnahme wurden alle visuell erkannten Ov- Brunsten in den Beobachtungsphasen eines Tages ermittelt, d. h. sie wurden nicht tagesübergreifend beobachtet. So zeigte fast die Hälfte der visuell erkannten Ov- Brunsten in nur einer Beobachtungsphase erkennbar verlässliche Brunstsymptome. Der Duldungsreflex wurde darüber hinaus nur bei jeder zwanzigsten Ov- Brunst (16 von 315; 5,1 %) in zwei oder drei Beobachtungsphasen beobachtet. Dass der Duldungsreflex sowie der Abgang des „klassischen“ Brunstschleimes nur im Rahmen von 22,3 % bzw. 0,7 % aller Ov- Brunsten gesichtet wurde, bestätigt den deutlichen Rückgang der Intensität der eigentlich sichersten äußeren Brunstsymptome. Dadurch gewinnt die Beurteilung

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der einmaligen Beobachtung eines verlässlichen Brunstsymptoms für die Brunstnutzung vermehrt an Bedeutung. Weitaus wichtiger als die BER ist in diesem Zusammenhang die VLR eines Brunstsymptoms. Diese zeigt dem Beobachter an, mit welcher Sicherheit es sich bei der Beobachtung eines Brunstsymptoms um eine Ov- Brunst handelt und ob die Brunst für eine Besamung genutzt werden kann (LØVENDAHL u. CHAGUNDA, 2010).

Mit einer durchschnittlichen VLR von 15,2 % waren die Brunstsymptome des Score 1 nicht als alleiniges Merkmal für die Erkennung einer Ov- Brunst geeignet. In einer Studie von HERES et al. (2000) wurden die Symptome „Unruhe“ und „Abgang von Vaginalschleim“ auf Grund zu vieler falsch positiver Ergebnisse ebenfalls als für die Brunsterkennung nicht brauchbar ermittelt. Die Symptome des Score 2 dagegen eignen sich entsprechend ihrer VLR von durchschnittlich 93 % gut für die visuelle Brunstbeobachtung. Dabei stellten sich die Symptome „Mitlaufen in der Brunstgruppe“, „Kopfauflegen von > 2 Sekunden auf der Kruppe anderer Tiere“ und

„Bespringen von Herdenmitgliedern“ als verlässliche Brunstsymptome heraus.

Ähnliche Ergebnisse ergaben auch frühere Studien, in denen VLR zwischen 84 - 95 % für die vorgenannten Symptome ermittelt wurden (ROELOFS et al., 2005b;

HERES et al., 2000). Es ist bekannt, dass mit der Anzahl gleichzeitig brünstiger Tiere die Ausprägung der äußeren Brunstsymptome zunimmt und damit die Möglichkeit eine Brunst zu erkennen signifikant ansteigt (HURNIK et al., 1975; VAN VLIET u.

VAN EERDENBURG, 1996; DISKIN u. SREENAN, 2000; ROELOFS et al., 2005b;

SVEBERG et al., 2011). Die Größe der Beobachtungsgruppe (ca. 120 Tiere) sowie die hohe Anzahl nicht tragender Tier (frisch abgekalbte) begünstigten die Bildung einer sexuell aktiven Gruppe. So wurden nicht selten drei bis fünf brünstige Tiere in der Brunstgruppe beobachtet, was nach ESSLEMONT et al. (1985) und SVEBERG et al. (2013) zur stärksten Ausprägung von Brunstsymptomen führt. Die VLR von 93,4 % für das Symptom „Mitlaufen in der Brunstgruppe“ spricht außerdem für eine Beteiligung fast ausschließlich brünstiger Tiere und schließt ein „mitbullen“ peri- oder diöstrischer Tiere weitestgehend aus, was SVEBERG et al. (2015) ebenfalls beobachten konnten. Zudem zeigten Kühe, die in einer Brunstgruppe mitliefen, in der gleichen Beobachtungsphase immer ein weiteres gleichwertiges Brunstsymptom

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(Kopfauflegen von > 2 Sekunden auf der Kruppe anderer Tiere, Bespringen von Herdenmitgliedern) oder den Duldungsreflex, was die hohe Verlässlichkeit des Symptoms zusätzlich untermauert.

Die in der vorliegenden Studie 3 Mal täglich zu je 30 Minuten durchgeführten Beobachtungen sowie die ausschließliche Bewertung hochverlässlicher Brunstsymptome führten für die visuelle Brunstbeobachtung zu einer BER von 52,2 % mit einer VLR von 94,6 %. Die BER liegt damit deutlich unter der BER der Studien von GOMEZ (2003), ROELOFS et al. (2005b) und VAN EERDENBURG (2008), welche Erkennungsraten von 63 %, 77 %, 85 % und 90 % bei dreimaliger Beobachtung pro Tag ermittelten. Vergleichbare Ergebnisse mit einer BER von 57 % und einer VLR von 93 % wurden von HOLMAN et al. (2011) erzielt. Dabei wurden allerdings statt 3 Beobachtungen zu je 30 Minuten sechs Beobachtungen zu je 10 Minuten durchgeführt. Bewertungsprofile, die weitere, teils schwächere, Brunstsymptome in die Auswertung mit einschließen, erzielen zwar höhere Brunsterkennungsraten von 80 - 90 %, sind allerdings auf Grund einer zu niedrigen VLR aus ökonomischer Sicht als nicht praxistauglich anzusehen.