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Aktivitätsmessung / Hilfsmittel zur Brunsterkennung

Durch stetig wachsende Herden, einen erhöhten Arbeits- und Zeitaufwand sowie Personalmangel steht auf den meisten landwirtschaftlichen Betrieben wenig Zeit für eine effektive visuelle Brunstbeobachtung zur Verfügung. Daher wurden in den vergangenen Jahrzehnten unterschiedliche Verfahren entwickelt, die, als teil- oder vollautomatische Systeme, die visuelle Brunstbeobachtung ergänzen oder gänzlich ersetzen und nebenbei die BER verbessern sollen. Für einige Verfahren wird beispielsweise das Aufsprung- und Duldungsverhalten der brünstigen Tiere als Grundlage verwendet. Schwanzkreide, Farbpatronen oder Drucksensoren, die auf dem Kreuzbein der Tiere angebracht sind, zeigen durch eine farbliche Markierung die bespringenden oder duldenden Tiere bzw. in Form eines elektronischen Signales den Aufsprung an. Ebenso können im Stall angebrachte Kamerasysteme ganztägig das Verhalten der Tiere dokumentieren, die aufspringenden Tiere identifizieren und

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anschließend dem Landwirt melden (HURNIK et al., 1975; BOYD, 1984; AT- TARAS u. SPAHR, 2001; CAVALIERI et al., 2003; BECKER et al., 2005; BRUYERE et al., 2012). Ein anderer Ansatz zur Brunsterkennung zielt auf die Veränderung eines am Tier messbaren Parameterwertes (z.B. Körperinnentemperatur, Milchtemperatur, elektrischer Widerstand des Vaginalschleimes oder Progesteronkonzentration im Blut oder der Milch) ab (SCHLÜNSEN et al., 1987; RAJAMAHENDRAN et al., 1989;

WALKER et al., 1996; XU et al., 1998; JAINUDEEN u. HAFEZ, 2000; FIRK et al., 2002; BEWLEY et al., 2008b; IPEMA et al., 2008; FISHER et al., 2008; HOCKEY et al., 2010; KAMPHUIS et al., 2012).

5.2.1 Brunsterkennung durch Heatime®

Die Möglichkeit der Brunsterkennung mittels Aktivitätsmessung wurde bereits in zahlreichen Studien untersucht und stellte sich dort mit einer BER von 80 - 90 % als ein geeignetes Hilfsmittel heraus (LEHRER et al., 1992; FIRK et al., 2002; ROELOFS et al., 2005a; HOLMAN et al., 2011). Fehlerraten von 17 - 55 % weisen jedoch auf eine hohe Zahl an falsch positiven Brunstmeldungen hin (FIRK et al., 2002;

HOLMAN et al., 2011). Ob der Aktivitätssensor dabei am Metacarpus (Pedometer) oder, wie in der vorliegenden Studie, am Hals des Tieres (Neck collar) angebracht ist, verursacht hinsichtlich der Ergebnisse keinen Unterschied (WANGLER et al., 2005). Jedoch gingen in vorherigen Studien zur Pedometrie hohe BER meist mit niedrigen VLR einher (WANGLER et al., 2005).

Mit Hilfe des Heatime®- Systems wurden 86 % aller nicht induzierten Ov- Brunsten mit einer VLR von 90 % erkannt, was für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen BER und VLR spricht. In den Ergebnissen anderer Untersuchungen mit Heatime®

variierte die BER zwischen 72 - 90 % bei einer VLR von 68 bis 85 % und erreichte damit eine vergleichbar gute Kombination aus hoher BER bei möglichst hoher VLR (AUNGIER et al., 2012; SILPER et al., 2015). Der Grenzwert für das Heatime®- System war in der vorliegenden Studie bei 5,0 eingestellt und wurde während des Versuchsablaufes nicht verändert. Die versuchsweise Einstellung eines höheren Aktivitätsgrenzwertes (6, 7, 10 und 15) führte zu einer Zunahme der VLR und einer Abnahme der BER. Den umgekehrten Effekt machten sich WANGLER et al. (2005)

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zur Steigerung der BER zu Nutze. Sie konnten durch eine Senkung des Grenzwertes die BER von 73 % auf 95 % steigern, die VLR fiel dabei von 55,3 % auf 45,0 % ab.

Mit einem Aktivitätsgrenzwert von 5,0 wurden sowohl für die BER (85,1 %) als auch für die VLR (91,8 %) zufriedenstellende Ergebnisse erzielt. Um gegebenenfalls die Zahl falsch positiver Brunstmeldungen zu reduzieren, ist es möglich den Aktivitätsgrenzwert von 5 auf 7 zu erhöhen. Allerdings werden dann im gleichen Verhältnis weniger falsch positive wie auch weniger richtig positive Brunsten gemeldet. Wird der Aktivitätsgrenzwert weiter erhöht, sinkt die BER unverhältnismäßig stark zum Anstieg der VLR ab und hat damit einen negativen Effekt auf die Brunsterkennung. Entgegen der Vermutung, falsch positive Meldungen gingen nur mit geringen Aktivitätssteigerungen einher, waren mit 48 % zwar fast die Hälfte der falsch positiven Meldungen in dem Bereich 5,0 - 6,9 angesiedelt, jedoch befanden sich auch 22 % der Meldungen in dem Bereich ≥ 15. Ähnliche Beobachtungen machten auch AUNGIER et al. (2012). Sie berechneten für falsch positive Brunstmeldungen eine durchschnittliche Aktivitätssteigerung (Peakwert) auf einen Wert von 8,2 (Lutealphase) bzw. 7,9 (tragende Kühe). Die Durchschnittswerte für die erste Ov- Brunst p.p. bzw. jede weitere Ov- Brunst lagen bei 14,8 bzw. 19,3 Punkten.

Meldet Heatime® eine Brunst mit einem Peakwert, der den Grenzwert nur um ein paar Punkte überschreitet (z. B. 6,2), stellt sich für den Betriebsleiter berechtigterweise die Frage, ob es sich in dem vorliegenden Fall um eine Ov- Brunst oder eine falsch positive Brunstmeldung handelt. In der vorliegenden Studie wurde für Brunstmeldungen (nicht induzierte Brunsten) mit Peakwerten zwischen 5 - 6,9 eine VLR von 50,0 % und für den Bereich 7 - 9,9 eine VLR von 63,6 % berechnet.

Diese niedrigen VLR resultierten weniger aus einer Häufung der falsch positiven Meldungen, sondern vielmehr aus der geringen Zahl richtig positiver Brunstmeldungen in diesen Aktivitätsbereichen. Je höher also der Peakwert einer Heatime®- Meldung war, desto verlässlicher war die Brunstmeldung und umso wahrscheinlicher handelte es sich bei der angezeigten Brunst um eine Ov- Brunst.

MADUREIRA et al. (2015) konnten nachweisen, dass ein höherer Peakwert mit einem erhöhten Östradiol- Spiegel im Vergleich zu Aktivitätssteigerungen mit

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niedrigen Peakwerten einher geht, was ebenfalls die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Ov- Brunst bei hohem Peakwert unterstreicht. AUNGIER et al. (2012) fanden heraus, dass Brunsten mit höheren Peakwerten eine längere Brunstdauer aufwiesen als Brunsten mit niedrigen Peakwerten.

Im Verlauf der Untersuchungen kam es bei 117 Trächtigkeiten zu 15 Aborten zwischen den Tagen 30 und 60 der Trächtigkeit, was einer Abortrate von 13 % entspricht. Eine wenn auch etwas höhere Rate für Aborte von 21 % ermittelten GREEN et al. (2011), allerdings reichte bei ihnen die Spanne vom 25. bis zum 60.

Tag p. i. Heatime® meldete alle 15 Aborte zwischen den Tagen 30 und 60 der Trächtigkeit. Zwölf Aborte wären unregistriert geblieben, wäre das Heatime®- Halsband bereits mit der Umstallung am Tag 40 der Trächtigkeit entfernt worden.

Lediglich ein Abort zwischen den Tagen 60 und 100 der Trächtigkeit blieb unerkannt, was im Verhältnis zur Verweildauer des Heatime®- Halsbandes am Tier zu vernachlässigen ist. Im Gegensatz dazu wurde fünf Mal durch Heatime®

zwischen dem Tag 30 und 60 der Trächtigkeit ein tragendes Tier als brünstig gemeldet. Verschiedene Studien belegen, dass 1 - 22 % der tragenden Tiere Brunstsymptome zeigen und dies in der Folge zu falsch positiven Brunstmeldungen führen kann (WILLIAMS u. WILLIAMS, 1921; CHOUDHURY et al., 1965; THOMAS u. DOBSON, 1989; DIJKHUIZEN u. VAN EERDENBURG, 1997). Trotzdem erscheint die Besenderung der Tiere vom Partus bis zum Tag 60 der Trächtigkeit aus betriebswirtschaftlicher Sicht optimal gewählt.

5.2.2 Unterschiede zwischen spontanen Brunsten und Umbullern sowie zwischen induzierten und nicht induzierten Brunsten

Im Rahmen der Studie wurden 181 Ov- Brunsten ohne eine vorherige KB (Spontane Brunst) und 120 Ov- Brunsten mit einer vorherigen KB (Umbuller) untersucht.

Umbuller wurden sowohl von Heatime® als auch von der VBb signifikant besser erkannt als spontane Brunsten. Der Duldungsreflex wurde bei Umbullern ebenfalls verhältnismäßig häufiger beobachtet, der Wert erreichte allerdings kein Signifikanzniveau. Hinsichtlich der VLR lagen zwischen den Erkennungssystemen keine deutlichen Unterschiede vor. Auffällig ist, dass sich die Ergebnisse von

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Heatime® und der VBb im Allgemeinen deutlich voneinander unterscheiden, bei der Erkennung von SpB und Ub zeigen sie allerdings die gleiche Tendenz. Daher ist zu vermuten, dass die Ursache für eine bessere Erkennung der Umbuller nicht an der Methode der Brunsterkennung, sondern in einer schwächeren Ausprägung der Brunstsymptome bei spontanen Brunsten im Vergleich zu Umbullern liegt. Bei einem Großteil der spontanen Brunsten handelt es sich um die ersten Brunsten post partum, die oft still oder mit abgeschwächten Brunstsymptomen verlaufen (GRUNERT u. DE KRUIF, 1999). CHANVALLON et al. (2014) ermittelten für drei automatische Brunsterkennungssysteme eine deutlich schlechtere BER für die erste Brunst post partum als für die darauf folgenden Ov- Brunsten. Auffällig niedrig ist die VLR von 28,6 % für Umbuller- Meldungen mit Peakwerten zwischen 5,0 - 6,9. Dies ist allerdings auf die geringe Zahl richtig positiver Brunstmeldungen (n = 2) in dem Bereich zurückzuführen.

Bei dem Vorhandensein eines aktiven CL kann durch eine Prostaglandin F- Applikation eine Luteolyse und dadurch eine Brunst eingeleitet werden (DRILLICH, 1999), was bei 72 % bis 98 % der Tiere mit einem Corpus luteum zur Luteolyse führt (LUCY et al. 1986; SLENNING, 1994; ASCHER et al., 1994; DRILLICH, 1999). Eine vergleichbare Erfolgsquote zeigte die PGF- Behandlung in unserem Versuch. Hier trat bei 87 % der behandelten Tiere innerhalb von 8 Tagen nach der Applikation eine Luteolyse ein. In einer Studie von VALENZA et al. (2012) ovulierten 95 % der behandelten Tiere innerhalb von 7 Tagen nach der PGF- Applikation. Der zeitliche Abstand zwischen PGF- Applikation und Ov- Brunst deckte sich zum Großteil mit den Erkenntnissen von BÓ et al. (2002) und KANITZ und BECKER (2005), wonach eine eingeleitete Brunst zwei bis fünf Tage nach der PGF- Applikation eintritt.

Von den in der Studie induzierten Ov- Brunsten erkannte Heatime® 93 %, die VBb 57 % und die BdDr 14 %. Die VLR betrug für alle drei Systeme 100 %. In vergleichbaren Studien erkannte Heatime® 71 % der induzierten Brunsten (VALENZA et al., 2012). Ein signifikanter Unterschied zwischen der Erkennung induzierter Brunsten und nicht induzierter Ov- Brunsten lag bei keinem der untersuchten Systeme vor. Ähnliche Beobachtungen machten ROELOFS et al.

(2005b) im Hinblick auf die visuelle Brunstbeobachtung. Bei vergleichbarer

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Stichprobengröße induzierter Ov- Brunsten (n = 23) konnte ebenfalls kein Unterschied zu nicht induzierten Ov- Brunsten nachgewiesen werden. Die von TENHAGEN und HEUWIESER (1999) und BRUNO et al. (2013) beschriebene Verbesserung der BER durch den Einsatz von PGF war bei Heatime® und der VBb durch eine 5 - 7 % höhere BER induzierter Brunsten im Vergleich zu nicht induzierten Brunsten zwar messbar, erreichte allerdings aufgrund der geringen Stichprobengröße (n = 20) kein Signifikanzniveau. Die Ergebnisse unserer Studie decken sich mit den Beobachtungen von WALKER et al. (1996), BLOCH et al. (2006) und VALENZA et al. (2012), wonach kein Unterschied zwischen der Brunsterkennung induzierter und nicht induzierter Brunsten feststellbar war. Eine herabgesetzte BER sowie eine reduzierte Ausprägung der äußeren Brunstsymptome bei induzierten Brunsten (ROELOFS et al., 2005b) konnte nicht bestätigt werden.

Obwohl die BER bei induzierten Brunsten 6 % unter der von nicht induzierten Brunsten lag, konnte für den Duldungsreflex keine signifikante Reduzierung der Ausprägung nachgewiesen werden.