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Vertrocknung und Vernässung in gegenwärtiger und früherer Zeit

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Vertrocknung und Vernässung in gegenwärtiger und früherer Zeit

Vertrocknung [in gegenwärtiger Zeit]

Fließende und stehende Kleingewässer des ländlichen und städtischen Raumes sind durch eine Vielzahl anthropogener Faktoren in ihrer physischen Existenz bedroht.

Zahlreiche Bächlein und Weiher verschwanden im 20. Jahrhundert von der Landoberfläche: Durch flächen-haften Landschaftsverbrauch als Folge „postrurbaner“1 Urbanisierungs- und Industrialisierungsprozesse, durch Eutrophierung infolge landwirtschaftlichen Düngereintrages und der dadurch beschleunigend einsetzenden Verlandungsprozesse, durch Gewässerverschmutzung nach Einleitung wasserverunreinigender Stoffe sowie durch den Schwebstoffeintrag von belasteten Aeorosolen, die das Interesse an einer weiteren Nutzbarmachung reduzieren bzw. gänzlich verbieten. Aber auch durch den Niedergang traditioneller Wasser- und Wiesenbewirtschaftungsweisen, getragen zum einen vom sog. agrarstrukturellen Wandel, der auch als „Technisierung des ländlichen Raumes“ (KNAUSS 1998) beschrieben wird, und zum anderen von der Aufgabe fischereiwirtschaftlicher Kleinbetriebe. Angesichts schon seit Jahren unbefriedigender Erzeugerpreise und steigender Produktionskosten lohnt sich beispielsweise die Arbeit der Teichwirte kaum noch. Hinzu kommt die Einflussnahme der Konkurrenz aus dem Ausland wie das Beispiel des Speisekarpfenmarktes (HUBERT 1991:18) und der Forellenzucht zeigt. Aber auch die Interessenkonflikte zwischen Teichwirtschaft und Naturschutz haben beim Offenlassen der Nutzung unausweichlich die Verlandung der Stillgewässer zur Folge. Zudem erschweren Naturschutz-vorschriften, so sinnvoll sie auch sein mögen, die konstante Kultivierung von Altgewässern.

Abb. 0-1: Zeitschnittartige und stark generalisierte Entwicklung einer Flusstal-Landschaft im Mittellauf

bei Zunahme von Entwaldung, Entwässerung, Erosion, Deichbau, Auelehmbildung und Urbanisierung (Gewerbeflächenansiedlung). Das hier dargestellte Flussquerschnittprofil stellt das Beispiel des „Mississippi River“ dar. Es lässt sich in seiner prinzipiellen Aussage aber auf mitteleuropäische und kleinere Flusstal-Landschaften übertragen mit dem Hinweis der zeitlichen Vorverschiebung: die Umgestaltung von Flussläufen (Flusskorrekturen, Entwaldung) zum Beispiel setzte hier bereits vor und im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts verstärkt ein (nach PETTS 1990:19).

Die damit verbundenen Folgen der Umwandlung ruraler Wasserläufe in urbane Gewässer, der künstlichen Desertifikationsprozesse, des Brachfallens von Kleingewässernutzungen, des Umbruchs von Feucht- und Hangwiesen durch Melioration und Drainage sowie der Anzapfung von juvenilen Wasservorräten und der Fassung von Fließen zur zentralen Wasserversorgung mit verstärkter Intermittierung als Folge, mögen beispielhaft die Eingriffe verdeutlichen, die in neuerer Zeit zur „Austrocknung“ unserer Landschaft führen.

1 Die künstliche Wortzusammenstellung aus „rural“ und „urban“ wurde vom amerikanischen Geographieprofessor Dr. Harley JOHANSEN 1992 gewählt, um die Verstädterungstendenzen des ländlichen Raumes zu beschreiben.

Ich war erstaunt darüber, wie viele der kleineren Gewässer, die noch auf Messtischblättern der 1970er Jahre verzeichnet sind, im Laufe der letzten Jahre beseitigt wurden; obgleich es bereits etwa schon seit den 1930er Jahren im kulturbautechnischen Denken fast nur noch darum ging, „Wasser so schnell wie möglich loszuwerden.“ (GROTTIAN 2001:28) Auf Kartenwerken des 20. Jahrhunderts sind kleine Bäche, obwohl sie nachweislich schon im Mittelalter Mühlen antrieben, als Mühlengewässer oftmals schon nicht mehr aufgeführt.

Gerade die Teich- und Flusslandschaften gehören zu den wichtigen Lebensräumen unserer Landschaft, nachdem der Mensch die natürlichen Feuchtbiotope nach und nach trockengelegt hat. Die postglazialen Verbreitungsstrukturen von limnischen und aquatischen Arealen des norddeutschen und voralpinen Raumes wurden bereits in historischer Zeit, vor allem durch die gegenwärtig stattfindende intensive Landnutzung anthropogen überformt. Auch die Waldbienenwirtschaft, auch „Zeitlerei“ oder „Beutnerei“ genannt, hat durch die flächenhafte Rodung von Auen- und Niederungswäldern und deren eventuelle Trockenlegung noch bis in die 70er Jahre sog. „Bienenweiden“ geschaffen, damit die Bienen bei der Nektarsuche auf Blütenpflanzen trafen. Ich selbst weiß gar von einer in den 1990er Jahren praktizierten Umwandlung feuchter Auenbereiche in durchblumte Wiesentalböden für die kleingewerbliche Honigproduktion, die durch Forstprogramme auch noch fiskalisch gefördert wurden2. Überhaupt trägt der Wiesenbau erheblich zum Gewässerschwund bei, da das Wasser in den kleinen Bachläufen oftmals von den Wiesen der Täler aufgesogen wird (TEICH 1995:7). Ebenso bindet der intensivierte Ackerbau und die mit hohen Großvieheinheiten besetzten Weiden mehr Wasser als früher, das für den Abfluss nicht mehr zur Verfügung steht. Hang-Wiesenbewässerungen, auch wenn sie noch praktiziert werden wollten, könnten oftmals nicht mehr durchgeführt werden, weil die Gewässer und deren Uferstreifen durch Milchkuh- und Rinderhaltung zu sehr angezapft werden (siehe Abb. 0-2).

Abb. 0-2: Zentrale landwirtschaftliche Wasserentnahmestelle in Derental im Solling.

Sie darf von den Bauern kostenfrei und unbegrenzt benutzt werden. Die Füllung der Wassertanks wird notwendig aufgrund der Beweidung der trockenen Hangwiesen wie auch der feuchten Talwiesen, weil der ursprünglich am Talhang verlaufende Höxterborn kein Wasser mehr führt. Dies ist u. a. Folge der zusätzlich zu den Wassertanks angebrachten Tränkpumpen auf den Hangweiden, die in trockenen Sommermonaten aber auch kein Wasser mehr aus den unterhalb liegenden feuchten Talbereich saugen können, dem proportional zur Fließgewässermenge hohen Viehbesatz pro Flächeneinheit auf den Talwiesen und einer kleineren, oberhalb liegenden Einteichforellenzucht, die frühzeitig dem Lauf Frischwasser entnimmt (eig. Aufnahme 2003).

Die geringe Wasserführung der kleinen Bäche in den Lößbörden, Geesthochflächen und Mittelgebirgstälern im Vergleich zu früheren Jahrhunderten ist zur Hauptsache auf die Veränderung der hydrographischen Verhältnisse durch den Menschen zurückzuführen.

Viele Gräben und Teiche des ehemaligen wassergebundenen Bergbaus, wie zum Beispiel auch die - im Vergleich zur Oberharzer - weniger bekannte Unterharzer Wasserwirtschaft, sind, nachdem sie funktionslos geworden waren, trockengelegt oder sogar zugeschüttet worden (LIESSMANN 1997:263).

2 Im Tal des „Dörnhofer Forstes“, Landkreis Bayreuth, entstand eine private standortfeste Bienenzucht mit angeschlossenem Holzhaus. Die ehemals feucht-nassen Wiesenböden wurden mit Blumensamen bestreut und teilweise drainiert.

Die Vertrocknung der Landschaft durch die „Fällung“ von Weihern setzte besonders durch das große Mühlensterben ein, das in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts folgte und das sich noch bis in heutige Zeit fortsetzt. DENZER (1996:178) berichtet von der letzten tätigen Mahlmühle im südwestlichen Spessart, die am Ortsausgang von Heimbuchenthal nach Mespelbrunn gelegen war, im Jahre 1993 stillgelegt und dann abgerissen worden ist. Ich persönlich kann von einer Getreidewassermühle im ehemalige Stiftsort Quernheim/Kreis Herford berichten, die im Zuge eines Bundesstraßenneubaus im Jahr 1974 abgerissen und deren Mühlenteich zugeschüttet worden ist. In der Stilllegung der wasserradbetriebenen Hammerwerke in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts findet der Niedergang von historischen Wirtschaftsteichen ihre Fortsetzung. Durch die Mühlgrabentrockenlegungen sowie durch die massive Zuschüttung von Teichen, wie die Hammerteiche des Hobbacher Hammerwerkes im Spessart im Jahre 1954 (:182), wurde das ehemalige Gewässerbild nachhaltig verändert.

Des Weiteren wurden alte Nebenarme zugefüllt, überbaut, verrohrt oder mit Steinplatten abgedeckt und verschwanden genau wie die Teiche und feuchten Niederungsteile. Sie wurden künstlich aufgeschüttet, um Bauland zu gewinnen (SCHÜTTE 1989:243) oder um in die ackerbaulichen Nutzflächen mit einbezogen zu werden. TEICH (1995:6) berichtet vom Modschiedelbach/Schüttenitz-Böhmen: „Heute ist der Bach leider nur noch ein Schatten seiner selbst. [...] Noch bis zum Beginn dieses Jahrhunderts aber plätscherte er [...]

dahin.” Und wurden diese Niederungen nicht durch direkte Eingriffe entwässert, so führten die Regulierungsmaßnahmen der Flüsse zu einem häufigeren Übertreten und schadeten dadurch „vor allem durch Versandung der Talwiesen“ (HAGEL 1988:16), die aber erst mit den Meliorationsmaßnahmen der Auen entstanden waren.

Abb. 0-3: „Vertrocknung“ einer Flussauen-Landschaft vor und nach den Flusskorrektionen des 19. Jahrhunderts.

Dieses Beispiel aus der Oberrhein-Ebene mit seinen Folgen der Grundwasserabsenkung lässt sich auch auf kleine Gewässerläufe übertragen. Das Ausmaß der Wassersenkung wird hier aber noch aufgefangen mit einer Vegetationsveränderung in Richtung trockenheitsertragende Eichen-Lindenmischwälder. In vielen Fällen kam es zu einer vollständigen Beseitigung der Vegetation durch Überplanung (aus: ELLENBERG 1986:65, Abb. 31).

Feuchte Mikrostandorte, wie zum Beispiel die kleinen Gräben und Rinnen, die das Wässerwasser auf die Beetrücken in den Wiesentälern geleitet haben, sind ebenso verschwunden; in viel stärkerem Ausmaße hingegen als die Hauptgewässer, wie LEIBUNDGUT 1986 am Beispiel der Emme (Zollbrück/Schweiz) nachweist. Dabei besitzen sie einen hohen biologischen Wert: Ein Großteil der heimischen Frosch- und Schwanzlurche ist auf Kleingewässer mit einem Wasserkörper, der nicht zu früh austrocknet, angewiesen.

Die größten Feinde für Laich und Kaulquappen, die Fische, gibt es hier kaum; sie können das regelmäßige Trockenfallen der Gewässer nicht überleben (MÜLLER 1988:17).

Abb. 0-4: Die unterschiedliche Bedrohung großer und kleiner Gewässer.

Die hier in einem Ausschnitt dargestellte Emme bei Zollbrück wird kanalisiert, bleibt aber in ihrem Lauf erhalten. Die Nebengewässer hingegen sind im gleichen Zeitraum großteils verschwunden (nach MÜHLETHALER 1985, aus:

LEIBUNDGUT 1986:155).

Aber nicht nur Kleingewässer, darunter oft natürliche Senken oder von Menschen geschaffene obertägige, wassergefüllte Pingen und eingestürzte, mit Wasser gefüllte Stollenmundköcher sowie Bombentrichter, sind eingeebnet oder zugeschüttet worden, sondern auch ephemere3 Kleinstgewässer, wie wassergefüllte Huftritte (MÜLLER 1988:17), Ackerspuren oder Wagenspuren, nach FELDMANN (1974:17) bedeutende Laichplätze für Molche und Mollusken, Pfützen und sogar Suhlen, von SEEL (1996:248) als „Verzweiflungsbiotope“

bezeichnet, sind nicht mehr vorhanden. Dennoch besitzen sie eine große Bedeutung für die speziell an diese kurzlebigen Biotope angepassten Pflanzen und Tiere: Eine kurze Entwicklungszeit und ein Austrocknungsschutz durch Trockenstarre im Gewässerboden besitzen zum Beispiel zahlreiche Insektenlarven von Schwimmkäfer und Wasserläufer, von Plattbauchlibelle sowie Fadenwürmer und die Eier niederer Krebse (MÜLLER 1988:17).

Temporäre Gewässerkleinformen gehörten in regenreicher Zeit als Rückbleibsel von Wagenspuren zum alltäglichen mittelalterlichen Landschaftsbild und waren noch so lange vorhanden, wie der Transport mit Pferde- oder Ochsgespannen durchgeführt wurde. Die Fern- und Haupthandelsstraßen waren in früheren Jahren noch ungepflastert. Wie ein breiter festgefahrener Feldweg, mit mehreren nebeneinander herlau-fenden Wagengleisen, hier und da tiefe Löcher hatte, „in denen die meiste Zeit des Jahres Wasser stand“

(HEINE o. J.:185), so präsentierte sich das damalige Wegenetz. Erst „gegen Ende des 18. Jahrhunderts fing man an, die wichtigsten Straßen zu pflastern“ (:185). Mikrogewässer, sog. Telmen und Senken existierten bis zur endgültigen Durchführung agrarstruktureller Flurbereinigungsverfahren im bewegten, schwieriger zu beackernden Gelände.

3 Ephemere Bäche’ „sind Fließgewässer, ihre Bachbetten sind als solche zu erhalten, auch wenn sie nur in kurzen Intervallen durchgehend Wasser führen. Lokale Quellaustritte im Bachbett sind besonders wertvoll für die Besiedlung. Ihr Erscheinen und die Dauer ihrer Quellschüttung ist abhängig von der Füllung des Karstaquifers und kann von Jahr zu Jahr schwanken. Massive Wasserentnahme im Einzugsgebiet führt zum Versiegen solcher Quellaustritte.” (LUA NRW 1999b:83).

Abb. 0-5: Wassergefüllte Wagenspuren auf unbefestigtem Landweg in Priozersk/Ostkarelien.

So muss man sich die Wegeverbindung in den zentralen mitteleuropäischen Ländern vor Beginn des gepflasterten Chausseebaus vorstellen (eig. Aufnahme 1992).

Zugleich haben sich auch die Wassermengen verändert. Der Übergang zur öffentlichen Wasserversorgung und der gewaltig angestiegene Wasserverbrauch in den Haushalten und in der Industrie haben vielerorts zur Absenkung des Grundwasserspiegels geführt. „Die Folge war, daß mancher Mühlenbach zu einem Rinnsal verkam oder gar ganz trockenfiel“ (VOGT 1998:19).

Dramatisch wirkte sich die Grundwasserabsenkung auf das Gewässerbild in Feuchtgebieten aus, wie Quellmooren, Niedermooren, Auen, stehenden und fließenden Gewässer (EBHARDT 1992:197ff.), insbesondere aber auch auf Landschaften, die von Natur aus relativ arm an natürlichen Gewässern waren.

Die Ursachen der Beeinträchtigung liegen beispielsweise in dem direkten Wasserentzug, zum Beispiel durch Ableitung von Quellwasser für die Wasserversorgung sowie in der Absenkung des Grundwasserspiegels durch Tieferlegung der Vorflut durch Drainage und Grundwasserentnahmen durch Brunnen oder andere Entnahmeeinrichtungen (:200). Als Beispiel sei die Lüneburger Heide, die durch die Grundwasserentnahme für das Hamburger Stadtgebiet nahezu völlig ausgetrocknet ist, und das Emsland genannt. Viele der ehemaligen, auf natürliche Weise entstandenen Heide- und Moorseen liefen durch Grundwasserabsenkung leer oder waren so stark in ihrem Wasserstand herabgesetzt, dass sie leichter eutrophierten und schließlich verlandeten. So etwa hat die allgemeine Grundwasserabsenkung beispielsweise das Theikenmeer bei Ostenwalde/Kreis Emsland, „das sich noch vor 20 Jahren als eine ca. 400 m breite und 800 m lange offene Wasserfläche ausdehnte, heute in eine vollständig trockengefallene Binsen-Wüste (mit Juncus effesus) verwandelt“ (WEBER 1992:95).

Das Beispiel der „Schlatts“ zeigt eine solche Entwicklungsgeschichte für das Gebiet um Ganderkesee auf - einem Geestrücken zwischen den Flüssen Delme und Hunte. Auch diese zu- und abflusslosen, natürlicherweise durch Auswehungen in Dünengebieten des Geestrandes entstandenen kleinen und flachen Tümpel, die die tieferen Bodensenken der Geestlandschaft früher so zahlreich ausgefüllt haben, verschwanden aufgrund ihres nur geringen Wasserstandes, der in Abhängigkeit zu den jährlichen starken Wasserspiegelschwankungen stand.

Im Zuge der fortschreitenden Technisierung wurden die weiträumigen Hochflächen der Geest zwischenzeitlich systematisch entwässert und die ehemals kleinräumige Gewässerlandschaft aufgehoben.

Das Entwässerungsnetz wurde schließlich immer engmaschiger gelegt und die Drainierung der Flächen fortgesetzt, um eine intensivere land- oder forstwirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen. Wo die Entwässerungsmaßnahmen nicht ausreichten, um das Schlatt trocken zu legen, wurde die nässende Bodesenke zugeschüttet und eingeebnet.

Die kulturhistorische Nutzung dieser natürlichen Kleingewässer als Viehtränke wandelte sich zu einer Nutzung als Weidefläche oder in eine Waldnutzung um.

Eine im Frühjahr 1978 von JAGUSCH (1980:106) vorgenommene Kartierung von insgesamt 26 untersuchten Schlattflächen ergab, dass lediglich ein (!) Schlatt in seiner Ursprünglichkeit erhalten geblieben ist. Sein Fazit: „Die Existenz der Schlatts als typische Kleingewässer unserer Landschaft ist damit in der Gemeinde Ganderkesee erloschen.“

Vor allem die Veränderung durch Düngerzuflüsse führte des Weiteren zu einer immer stärkeren Eutrophierung, im extremen Fall zu einer Hypertrophierung mit den genannten Folgen. „Erst in unserem Jahrhundert“, stellt WEBER (1992:98) fest, „hat die allgemeine und flächendeckende agrarstruktrurell bedingte Landschaftseutrophierung auch die letzten natürlichen Klargewässer so mit Nährstoffen angereichert, daß der ursprünglich oligotrophe Charakter verloren gegangen ist.“ „Fast alle“ diese durch natürliche Prozesse entstandenen biogenen Gewässer „wurden trockengelegt und in landwirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt“ und sind „bis zur Gegenwart weitgehend vernichtet worden“ (:95). Mit einem

„Blick auf ältere amtliche Karten“ zeigt uns WEBER (:95), dass „die westniedersächsische Landschaft um die Jahrhundertwende immerhin noch um ein Vielfaches reicher an natürlichen Seen als heute war.“

In den offenen Tagebauen der großen rheinischen und sächsischen Braunkohlenreviere wurden mit Beginn der großflächigen Abräumung Mitte des 19. Jahrhunderts (z. B. Döbern 1867, Schönfließ bei Eisenhütten-stadt 1859) – bedingt zum einen durch die Absenkung des Grundwasserspiegels und zum anderen durch den sukzessiven Entfall der Einleitung von eher Hochwasser produzierendem Sümpfungswasser durch Wanderung des Braunkohlentagebaus – ehemals wasserführende Fließgewässer zu Flüsschen degradiert oder fallen vollkommen trocken (vgl. auch VOGT 1998:19). Gleichermaßen ergeht es den punktuellen gewässer-historischen Kulturdenkmalen: Der ehemalige Hofverband Glesch und heutiger Ortsteil des Landkreises Bergheim-Erft beispielsweise, der nach 1287 zum Oberhof Paffendorf gehörte, umfasste mehr als 30 Unterhöfe am Ort und 29 außerhalb sowie eine Wassermühle an der Erft. Im Zuge des fortschreitenden Braunkohlenabbaus mussten 1963 der Glescher Mühlenteich und die Mühle dem neuen Erftflutkanal weichen (LANDKREIS BERGHEIM-ERFT 2001).

Doch nicht nur im ländlichen, sondern auch im urbanen Raum lässt sich der Gewässerschwund nachzeichnen: Die früher kaum überschaubare und ehemals das Weichbild einer jeden Stadt prägende Ansammlung von Mühl-, Bewässerungs-, Gewerbe- und Entsorgungskanälen innerhalb der Städte hat sich aufgelöst. Die alten Mauerringe mit ihren wassergefüllten Wehrgräben und die Stadtweiher wurden – bis auf geringfügige Reste – verfüllt, wie die Beispiele der Städte Nordhausen, Euskirchen, Saarlouis, Höxter, Minden usw. demonstrieren. Im Zuge allgemeiner Straßenregulierungen verschwanden ebenso

„Entenpfuhle“ (KREINER 1996:214 am Bsp. Euskirchen) und „Pferdeschwemmen“ weitgehend aus dem Stadt- und Dorfbild. Und auch stadtnahe „Restseen“ ehemaliger Retentionsflächen mussten weichen, wie zum Beispiel der „Diepold“, ein See gleich hinter der Dessauer Muldebrücke in Dessau gelegen, der bereits 1937 beim Bau des Autobahnzubringers zugeschüttet wurde (HUHN 1992:49). Dabei verfügten sogar die Ortsgründungen des 7./8. Jahrhunderts im Zentrum der trockenen Lößbörden über „winzige Wasserläufe“.

„Einige von diesen Wasserläufen lassen sich heutzutage nur noch durch Trockenrinnen im Gelände rekonstruieren“ (KREINER 1996b:77).

Abb. 0-6: Rekonstruierte innerstädtische Wasserführung (aus: HERBST 1992:10, Abb. 27)

Verwässerung [in früherer Zeit]

Dem „Trend“ der Trockenlegung von natürlich und anthropogen entstandenen Gewässern stand auf der anderen Seite die Schaffung neuer Gewässer gegenüber: Menschen schufen Ausgrabungen entweder primär, um künstliche Gewässerstauungen zu erreichen, wie bei der Anlage von Fischteichen (siehe Abb. 0-7), oder sekundär. Das heißt, das Ziel war es nicht, wassergefüllte Gruben zu wasserwirtschaftlichen Zwecken zu schaffen, sondern sie stellten sich als Folge des Ressourcenabbaus, aus wasserbaulichen bzw.

schifffahrtstechnischen Erwägungen, wie die Buhnenteiche an der Weser, die infolge der Erzielung höherer Fließgeschwindigkeiten aus dem Buhnenbau hervorgegangen sind, aus anderen nicht-gewässerbezogenen Gründen ein.

Das Beispiel der Heidetümpel zeigt diese anthropogeographische Entstehungsursache deutlich auf: Nach Degradierung der natürlichen Eichen-Birkenwälder durch die Waldweidenutzung und verstärkte Holzentnahme waren hier – wie auch anderswo – gegen Ende des 16. Jahrhunderts großflächige Sandheiden entstanden. Die intensive Schafbeweidung und Plaggenentnahme durch die Markgenossenschaften vollendete vielerorts das Werk der Zerstörung bis hin zur totalen Vegetationsvernichtung. Die so bloß-gelegten Sandböden gerieten wieder in Bewegung, so dass einige der Heidetümpel durchaus erst im 16. – 17.

Jahrhundert entstanden sein können (HORST et al. 1980:71ff.). Diese, durch menschliche Einflüsse entstandenen, wassergefüllten Heidesand- und Moorstichgruben schufen ein mosaikartiges Stillgewässernetz. Fast überall gab es beispielsweise im Emsland Moor- und Heidegewässer, stellenweise sogar ausgeprägte „Seenplatten“, wie etwa in der Wulfenauer Mark bei Quakenbrück mit mehr als 30 Seen teils mit bis zu über 300 m Durchmesser, oder ähnlich im Welplager Moor bei Hunte (WEBER 1992:95).

Das Beispiel der „Fleuthkuhlen“ zeigt eine ähnliche Entwicklungsgeschichte für die niederrheinische Region auf: Hierbei handelt es sich um eine Reihe ehemaliger und wassergefüllter kleinerer und größerer Torfstiche (HEIN 1985:2), die aufgrund ihres Vorkommens am Niederrhein „Fleuthkuhlen“ genannt werden oder die niederdeutschen Namen „Kuhlen“, „Kullen“ und „Kaulen“ tragen (:9). Diese im 18. und 19. Jahrhundert und selbst noch im 20. Jahrhundert, in den Jahren der Brennstoffknappheit nach dem Ersten Weltkrieg noch stellenweise, durch Torfstich entstandenen Fleuthkuhlen setzten sich aus 45 einzelnen kleineren und größeren Gewässern zusammen und erstreckten sich von Sevelen bis Geldern/Kapellen über eine Länge von 12 Kilometern Luftlinie4 (:7ff.). An den ergiebigsten Standorten war der Torf bereits um 1800 so großflächig

4 Die von HEIN (1985:7ff.) untersuchten Fleuthkuhlen liegen geographisch im Kreis Kleve in Nordrhein-Westfalen (Reg.-Bez.

Düsseldorf) und gehören in landschaftsgeographischer Gliederung zu dem nördlichen Teil der „Niederrheinlande“, der als

„Niederrheinisches Tiefland“ bezeichnet wird. In naturräumlicher Hinsicht befinden sich die Fleuthkuhlen im Bereich der naturräumlichen Haupteinheit „Niersniederung“ innerhalb der „Fleuthniederung“. Das charakteristische Element der naturräumlichen Untereinheit „Fleuthniederung“ ist das gewundene Talsystem der Fleuth mit seinen mäanderartigen Schlingen. Innerhalb dieses

gestochen, dass deshalb ein großer Teil der Fleuthkuhlen schon zu dieser Zeit existierte. Anhand älterer Flurkarten kann festgestellt werden, dass manche Kuhlen eine Größe von 87.000 m2 erreichten; kleinere Kuhlen dagegen nur einige m2 groß waren (:11). Die meisten Kuhlen findet man an den Prallufern der frühen Mäander der Niers und der Fleuth. Diese Lage der Kuhlen erklärt sich dadurch, dass an den Steilufern der Mäander das bessere Material gefunden wurde, nämlich immer dort, wo die Verlandung wegen der größeren Tiefe weniger durch die harten Uferpflanzen als durch Laub und die eigentlichen Wasserpflanzen erfolgte (:11). Die Torflöcher füllten sich schnell mit Grundwasser. Weil die Torfschichten stark durchfeuchtet und zum Teil schlammig waren, betrieb man die Torfgewinnung sogar von einem Kahn, dem sog. Nachen, aus.

Darüber hinaus wurden die Kuhlen an verschiedenen Stellen über das Torfstechen hinaus vertieft, um die sog. „Grieserde“ abzubauen, die sich unter dem Torf befindet. Es handelt sich bei der Grieserde um den schlammigen nahrungsreichen Untergrund, der von den Flüssen im Holozän und Pleistozän abgelagert wurde. Als die Torflöcher sich dann mit Wasser füllten, wurde die Grieserde dieser großen Teiche mit

Darüber hinaus wurden die Kuhlen an verschiedenen Stellen über das Torfstechen hinaus vertieft, um die sog. „Grieserde“ abzubauen, die sich unter dem Torf befindet. Es handelt sich bei der Grieserde um den schlammigen nahrungsreichen Untergrund, der von den Flüssen im Holozän und Pleistozän abgelagert wurde. Als die Torflöcher sich dann mit Wasser füllten, wurde die Grieserde dieser großen Teiche mit