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III Quellen, Methoden und Kartenwerke der historisch-geographischen Gewässerforschung

„Ohne eine solide Kenntnis des Raumes und seiner Geschichte, ohne eigene Archiv- und Feldarbeit und ohne gründliche Auswertung der Karten und Luftbilder ist es nicht möglich, der komplexen Realität einer historisch gewachsenen Kulturlandschaft gerecht zu werden.“

[FLIEDNER 2001:387]

Die Historische Geographie „bewegt sich in einem interdisziplinären Spannungsfeld und bedarf daher der Anwendung ganz verschiedener Forschungsmethoden“ (SONNABEND 1999d:219f.), die in zahlreicher Form auch zur Verfügung stehen:

Durch die Feldforschung werden „gegenständliche Relikte früherer Kulturlandschaften sowie die naturgeographischen Gegebenheiten und durch die Archivforschung schriftliche, kartografische oder bildliche Zeugnisse für die früheren Zustände ausgewertet“ (FEHN 1975a 1975:49). Darüber hinaus bezieht sie wesentliche Elemente ihrer Forschungsergebnisse von den verschiedensten Disziplinen der geistes-, natur- und auch ingenieurwissenschaftlichen Bereiche ein (vgl. SONNABEND 1999d:220).

Insbesondere müssen häufig Nachbarwissenschaften wie die Archäologie, die Bodenforschung oder die Orts- und Flurnamenkunde herangezogen werden (vgl. FEHN 1975a:49): „Mithilfe spezifischer Verfahrensweisen verarbeitet sie die von diesen Wissenschaftsdisziplinen zugelieferten inhaltlichen wie methodischen Elemente zu eigenen Forschungsergebnissen. Solche Verfahrensweisen haben das Ziel, eine bestimmte historische Landschaftsgestaltung zu rekonstruieren“ (SONNABEND 1999d:220). Die Zusammenführung von extradisziplinären Erkenntnissen und Methoden gilt auch für die Rekonstruktion einer Gewässerlandschaft.

Für die Historische Geographie, und damit auch für eine historisch-geographische Gewässerforschung, sind in dieser Hinsicht zwei gegensätzliche, doch beide für sich genommen nachteilige, Entwicklungen zu beobachten:

1. „Ein zunehmend größerer Teil der für historisch-geographische Untersuchungen heranzuzie-henden Quellen“, darauf weist DENECKE (2001:293) hin, „ist von anderer Seite erarbeitet“.

Diese sollten nach seiner Ansicht einerseits zwar noch „gezielter genutzt werden“, was andererseits „aber gerade die geographische Forschung auch von der primären Quellenarbeit wegführen muss.“ (:293) Ein solches methodisch differenziertes Bewusstsein, denke ich, äußert DENECKE vor dem Hintergrund, da das Quellenstudium insbesondere von der

‚anderen Seite’ (z. B. den Geschichtswissenschaften) zur Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt und als primär erkenntnisleitendes Medium genutzt wird und insofern keinen disziplinären Wiedererkennungswert für die Geographie besitzt.

2. „Im interdisziplinären Zusammenhang ist weniger eine Übernahme von Arbeitsmethoden anderer Disziplinen gegeben als vielmehr ein zunehmendes Überlassen, was sich ganz besonders in der Geographie eingestellt hat.“ (DENECKE 2001:293) Es ist demgemäß nicht allein die – wie unter Pkt. 1 dargestellt – Adaption von Quellen und Methoden, die sich im Übrigen noch vermehrt einstellen muss, negativ zu betrachten, sondern die Aufgabe resp.

Übergabe ureigener Quellen- und Methodenansätze an die „Fachkonkurrenz“.

Einen Lösungsweg aus dieser, bei weiterem Voranschreiten sukzessiven Aufgabe des fachlichen Stellenwertes bzw. letztendlich sogar der disziplinären Daseinsberechtigung innerhalb des interdisziplinären Verbundes zeigt DENECKE (2001:293) ebenfalls auf: Hierzu „sind bewusst die in der Geographie gegebenen und auch weiter zu entwickelnden methodischen Praktiken von der Histo-rischen Geographie mit der Geographie aufzugreifen und interdisziplinär einzubringen, wozu besonders die spezifische Geländeforschung, die Altkartenanalyse, die Luftbild- und

Satellitenbild-auswertung, der Entwurf historisch-thematischer Karten, die EDV historischer Daten wie auch die Geographischen Informationssysteme (GIS) gehören, aber auch die Nutzung naturwissenschaftlicher Analysen, die mit den physisch-geographischen Laboreinrichtungen im eigenen Haus gegeben sind.“

Das Einbringen originär geographischer Praktiken wird aber dadurch schwierig, als dass vom umweltgeschichtlichen Überbau ebenfalls die Forderung ergeht: „Umweltgeschichte kann sich nicht allein auf schriftliche Quellen stützen, sondern muß archäologische Zeugnisse und historische Sachüberreste mit einbeziehen.“ (GROHMANN et al. 2000:11) Mit der Aufnahme von historischen Kulturlandschaftselementen, und nicht anders übersetze ich ‚historische Sachüberreste’, in die geschichtswissenschaftlich orientierte Umweltgeschichte würde damit ein weiteres wesentliches Standbein der Historischen Geographie aus dem Quellen- und Methodenfundus wegfallen.

Einen Ausweg bietet nach meinem Dafürhalten erstens die ‚sture’ Beibehaltung historisch-geographi-scher sowie die vermehrte Einbindung allgemein-geographihistorisch-geographi-scher Praktiken, wie sie DENECKE genannt hat, und zweitens, die – nach Prüfung der Sinnhaftigkeit und Anwendbarkeit, die je nach Fragestellung unterschiedlich ausfallen kann – ungehemmte Übernahme von Methoden anderer Fächer. Personifizierte Beispiele dafür gibt es bereits heute: Richard POTT, ehemaliger Privat-Dozent an der Universität Münster und heute Professor für Geobotanik ist eigentlich Geograph und hat sich bereits während seines Studiums der Labore der Biologischen Fakultät zur C14-Isotopen-Bestimmung bedient, ebenso der am Geographischen Institut der Universität Münster ansässige Lehrstuhl für Klimatologie, der zur Bestimmung von Bodenversauerungen mikrobiologische Organismen in biologischen Laborstätten analysiert hat. Und nicht zu vergessen Marie-Luise HILLEBRECHT (1982), die in ihrer Dissertation am Geographischen Institut der Universität Göttingen anhand von Kohlenresten ehemalige Meilerplätze lokalisiert hat.

Methodisch überschreitet also die historisch-geographische Umweltforschung deutlich die klassischen Verfahren der historiographischen und geographischen Fächer. Naturwissenschaftliche Auswertungs-methoden (Pollenanalyse, Dendrochronologie, Bodenuntersuchungen), archäologische Befunde (Siedlungsfunde, Ortskerngrabungen, Wüstungsforschung, Industriedenkmäler), ikonographische und kartographische Quellen spielen eine ungewohnt große Rolle. Die Folge: „Der multimethodische und interdisziplinäre Zugang droht Lehrende und Lernende zu überfordern.“ (BORRIES 1996:320)

Aus diesem Grund bestimmt, wie bereits oben angedeutet, „bei der möglichen Vielfalt der Methoden [...] die Zielsetzung der Untersuchung die Wahl des Arbeitsverfahrens.“ (BORN 1977:18) Neben der Aufgabenstellung und dem Untersuchungsgegenstand kann einzig der Anwendungsbezug, so scheint es jedenfalls, diese Informations- und Verfahrensflut aufgrund seiner strengeren zeitlichen Vorgaben kanalisieren und beschränken. Bei der Zielsetzung der Anwendungsorientierung muss sich die Wahl eines Arbeitsverfahrens zwar nach den Besonderheiten des Untersuchungsobjektes wie auch der Beschaffenheit der Arbeitsmittel richten, sich aber vor allem dem speziellen Zweck der Praxisanwen-dung unterordnen. Des Weiteren ermöglicht allein die Konzentration auf das methodisch erprobte Handwerkszeug der historisch-geographischen Kulturlandschaftsforschung – einschließlich der Erweiterung um ausgewählte methodische Neuerungen – fachlich fundierte Ergebnisse zur historischen Gewässerforschung vorzulegen.

Es gibt, dies lässt sich indessen vorausschicken, keine dominierenden oder allgemeingültigen Arbeitsmittel zur Untersuchung historischer Gewässer: „Will man die älteren gewässerkundlichen Verhältnisse rekonstruieren, so führt – wie häufig bei landeskundlichen Arbeiten – die kombinierte Auswertung der verschiedensten Zeugnisse zum Ziel.“ (JÄGER 1965:411). Dies trifft für die Historische Geographie im Allgemeinen zu, wohingegen der Anwendungsbezug besondere Bedingungen erfordert: „Historisch-geographischen Forschungen ist die Quellenkombination eigen, die Zusammenführung einer Geländeaufnahme von Erscheinungen und Relikten im Gelände, einer Auswertung von Altkarten sowie von Verbreitungskarten flächenhaft verortbarer Daten und Indikatoren archivalischer Quellen. Die Quellenbasis ist dabei im Maßstab der Fragestellung und der Größe des Arbeitsgebietes stets anzupassen, wobei im anwendungsbezogenen Bereich die Notwendigkeit einer Selektion und Generalisierung von den Zielsetzungen einer wissenschaftlichen Forschung wegführt.“ (DENECKE 2001:293)

Die Methodenwahl ist bei der historisch-geographischen Gewässerforschung, will sie dem Praxisanspruch genügen, insofern keine leichte, da hier, wie bereits betont, die Berücksichtigung des Praxisbezuges gewährleistet bleiben muss. Das bedeutet eine Methodenauswahl, die es, obgleich keine rein wissenschaftliche Zielsetzung verfolgt wird, neben dem szientistischen Anspruch nach einer auf präzise und umfangreiche Analysen aufbauenden Untersuchung ermöglicht, dem in der Planungs-praxis geforderten relativ schnellen Zugriff auf Quellenmaterial hinreichend zu entsprechen. Dazu gehört auch die Durchführbarkeit in einem angegebenen Zeitrahmen. Deshalb bieten sich die nachfolgend beschriebenen Methoden zur Lokalisation, Inventarisation und Rekonstruktion von historischen Gewässern und deren Elementen unter Beachtung des Anwendungsbezuges an. Es muss aber an dieser Stelle auch hervorgehoben werden, dass eine auch angewandt ausgerichtete historisch-geographische Forschung, d. h. eine historisch-historisch-geographische Gewässerplanung mit ihrem Anspruch und in ihren insbesondere textlichen Ausführungen – vorbehaltlich der Aufgabenstellung – nicht mit einer „gewöhnlichen“ Stadt- oder auch Landschaftsplanung hinsichtlich Quellenwahl und Methodik vergleichbar ist. Dies beweisen allein die verschiedenen Fachgutachten von BURGGRAAFF und KLEEFELD (1997, 1998, 1999, 2000) zu unterschiedlichen Landschaftsräumen sowie die noch näher zu betrachtende Projektarbeit zur „Klosterlandschaft Heisterbachtal“ (2001, 2002) (siehe hierzu Kap.

IX 1a).

Die Arbeitsweisen einer so verstandenen historischen Gewässerforschung entsprechen dabei zunächst einmal in etwa der bei der Erforschung historischer Wasserwege angewandten methodischen Quellenerfassung, die wiederum sich bei der methodischen Vorgehensweise auf die historisch-geographische Untersuchung des Landwegenetzes stützt (GOLDAMMER 1997:29; DENECKE 1969:24). Sie erfolgt in klassischer Form durch die Zusammenstellung und Auswertung schriftlicher und kartographischer Aufzeichnungen (historische Sekundärliteratur, Archivalien, Itinerare, alte Karten), von Flur- und Gewässernamen, von Luftbildern und prähistorischen Funden und verfolgt das Ziel eines sicheren und topographisch genauen Nachweises von historischen Gewässerelementen im Gelände.

Zur Erreichung dieser Zielsetzung gilt als klassisches methodisches Referenzmittel der Historischen Geographie nach wie vor und insbesondere die Geländearbeit zur Bestandsaufnahme und Katastrierung von Gewässerrelikten. FEHN (1989:10) bezeichnet gesamthaft „die wichtigste Voraus-setzung für die Erforschung der Entwicklung von Kulturlandschaften [...] die historisch-geographische Landesaufnahme der Relikte im Gelände verbunden mit der Auswertung von schriftlichen und kartographischen Quellen.”

Des Weiteren werden zunehmend in der Historischen Geographie zur computergestützten graphischen Analyse und Verwaltung von Sachdaten Geographische Informationssysteme (GIS) eingesetzt.

Schließlich können aber auch eher nonkonforme Methoden zur Anwendung gelangen, wie die Betrachtung und Auswertung kunsthistorischer Werke, die – leider sehr aufwendige – Paläobotanik und -zoologie sowie die tachymetrische Vermessung und sogar auch, insbesondere bei unzureichender Quellenlage, das mündliche Gespräch mit Zeitzeugen („oral history“).

Ebenso gilt es die quellenkundliche Analyse nicht auf ein- oder zweidimensionale Quellengattungen zu beschränken, wie es KALESSE (1987:202) vorsieht, wenn er auch die Bedeutung richtig hervor-hebt: „Mit Hilfe der quellenkundlichen Analyse, d. h. des Auswertens von Schrift- und Bildquellen zur Genese eines Kulturlandschaftsausschnittes, kann der vom Menschen beeinflusste historische Entwicklungsverlauf zeitlich und flächenhaft relativ präzise rekonstruiert werden.“

Zusammenfassend lässt sich vorausschauend folgende Diagnose stellen:

Der historisch-geographische Befund stützt sich auf eine Reihe von Methoden. Zur Erfassung von historischen Gewässerrelikten bedarf es vielfältiger Hilfsmittel und Arbeitsverfahren, und es wird „die kombinierende Auswertung einer möglichst großen Zahl von Quellen unterschiedlicher Art notwendig.“ (SCHENK 2002:112f.) Die Historische Geographie gleicht damit in ihrer methodischen Betrachtungsweise naturgemäß der in der Geschichtswissenschaft, Ur- und Frühgeschichte und

Archäologie angewendeten kritischen Auswertung aller Arten von schriftlichen Quellen, von kulturlandschaftlichen Relikten im Gelände, Grabungsfunden sowie älteren Karten. Aufgrunddessen erhält der abseits aller Disziplinkämpfe und Methodendiskussionen stehende Ausblick DENECKEs (2001:293) seine Mut machende Bestimmung am Ende dieser Überlegungen: „Eine Vielfalt Histo-rischer Geographien ist [...] vor allem auch durch die Forschungsmethoden und Arbeitsansätze“

gegeben. Diese lassen sich grob in Quellen und Methoden einteilen.

1 Quellen

„...scheint die Umwelthistorie mitunter in der Kunst zu bestehen, sich um die Misere herumzumogeln, daß wir nur eine Handvoll Quellen haben, deren Aussagekraft obendrein unsicher ist.“

[RADKAU 2002:46f.]

Die anwendungsorientierte historisch geographische Gewässerforschung hat zum Ziel, ehemalige Gewässerformen, -arten und –nutzungen im Gelände mit Hilfe der im Folgenden benannten Quellengruppen zu erfassen, zu dokumentieren und zu analysieren. „The data and information sources on which such reconstructions are based“, so fasst R. A. BUTLIN (1993:IX) nach umfangreichen Quellengrundlagen historisch-geographischer Forschung im Gegensatz zur quellenkundlich schwachen Umweltgeschichte (siehe Zitat RADKAU) allgemein zusammen, „are extensive, from pre-census and pre-census population data to paintings and written accounts, official and personal, of place-located experiences and processes. […] They are not sources uniquely employed by historical geographers,” so stellt er zwar fest, „but are examined, repaired, analysed, and deconstructed with reference to senses and ideologies of space and place.“ Diese für die historisch-raumwissenschaftliche Gewässerforschung nutzbaren und notwendigen Quellengruppen finden im Folgenden ihre Erwähnung.

a Alte Sekundärliteratur und historische Autorenberichte

„Gewiß,“ beschreibt RADKAU (2002:47) die Situation richtigerweise, „die Literaturtitel werden mehr und mehr; aber man kann immer neue Literaturmassen durchackern, ohne festen Boden zu finden.

Wer mit Literatur und Quellen kritisch umgeht, muß durch eine Phase des Agnostizimus hindurch.“

Gewässerhistorisch-geographische Arbeiten, wollen sie der Praxisrelevanz und Aktualität vor dem Hintergrund von Zeit, Verfügbarkeit und Zugänglichkeit entsprechen, bedürfen meist der Heranziehung von jüngeren Forschungsergebnissen der Ur- und Frühgeschichte, der Siedlungs-, Wirtschafts-, Sozial- und Landesgeschichte, der Volkskunde etc., die in zahlreichen Veröffentlichungen erscheinen.

Es gilt jedoch hier, abseits der Sekundärliteratur eine neue Quellengruppe zu erschließen, die als ‚alte Sekundärliteratur’ bezeichnet werden kann, aber oftmals auch Aspekte primärer Quellen erfüllt. Es sind jene frühen Arbeiten auszuwerten, die eigentlich keinen geschichtlichen Bezug haben, sondern einfach in damaliger Zeit verfasst worden sind.

Auf die Bedeutung der zeitgenössischen Fachliteratur für die Einschätzung und Behandlung der Wassernutzung, insbesondere der technischen Fachliteratur zum Wasserbau, sei besonders hingewiesen. Es ist z. B. sehr aufschlussreich, wie in der Mühlen- und Teichwirtschaftsliteratur oder in den landwirtschaftlichen Bewässerungsanweisungen Wasserinanspruchnahme und Gewässerumgestal-tung behandelt werden. Ähnliche Erkenntnisse lassen sich bei der AuswerGewässerumgestal-tung der entsprechenden zeitgenössischen Fachzeitschriften erzielen, die ab Mitte des 19. Jh. in einer großen Fülle erschienen sind (siehe Literaturverzeichnis zu den entsprechenden Abschnitten).

Da in dem genannten Beispiel zum historischen Teichbau, der Teichbewirtschaftung oder auch zur Technik der Wiesenbewässerung nur eine unzureichende primäre Quellenlage existiert, die zudem in

den meisten Fällen nur in sehr beschränktem Maße zu geeigneten Zeiten öffentlich zugänglich ist1, ist man bei der Rekonstruktion historischer Wirtschaftsweisen auf die Vielzahl geschichtlicher Nachrichten und Berichte frühneuzeitlicher Autoren sowie auf die Fachliteratur hauptsächlich des 19.

und 20. Jahrhunderts, teilweise sogar, wie beim Bergbau, auf Übersetzungen von Werken des 16. bis 18 Jh. (z. B. von AGRICOLA) angewiesen.

Sie bilden zweifellos eine hervorragende Grundlage für die Ermittlung der allgemeinen Wasserwirtschaft in früherer Zeit, insbesondere wenn davon ausgegangen wird, dass sich Arbeitsweisen bis zur Industrialisierungswende am Ende des 19. Jh. und noch bis zu Anfang der 1950er Jahre in ländlichen Gebieten nicht wesentlich verändert hatten und zum Teil noch heute als tradierte Formen vorliegen. Aus diesem Grund vermögen in dieser Zeit verfasste Bücher und Beiträge sogar auch die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Wasserbewirtschaftung zu veranschaulichen.

Obgleich das vielfach bei fehlenden Quellen angewandte Analogieverfahren, „mit [dem] von Bekanntem auf Unbekanntes geschlossen wird“ (LIENAU 1995:160), nur mit größter Vorsicht verwendbar ist; etwa wenn vom Teichbau und von der beschriebenen Teichbewirtschaftungsweise des 19. Jahrhunderts auf dieselbe Entstehungsgeschichte der mittelalterlichen Teiche und zudem in einer anderen Region geschlossen werden soll.

Doch gerade bei dem Beispiel der landwirtschaftlichen Teichwirtschaft bestehen sogar hinsichtlich der Auffindung von sekundärer Alt-Literatur große Schwierigkeiten. Die unbefriedigende Quellen- und Forschungslage ist für die Vergangenheit teilweise dadurch bedingt, daß z. B. die Instandhaltung der Teichböden sowie der Teichbau „in der Regel die Sache derer war, die sie bearbeiteten, und nicht staatlicher Instanzen, die schriftliche Quellen und Forschungsergebnisse produzierten.“ (RADKAU 2002:47). Durch die schriftlichen Quellen sieht sich der Historische Geograph, „sofern er eine Ahnung von Quellenkritik hat, stets auf den Blickwinkel jener Interessen beschränkt, die diese Quellen produzierten und tradierten.“ (:14) Die Realität der Wassernutzungen aus (sekundären) Literatur-quellen zu erarbeiten ist deshalb nicht ganz unproblematisch.

Man darf jedoch – bei aller Kritik bei der Anwendung von jüngeren Fachbeiträgen der Jahrhundert-wende – nicht übersehen, dass es zur Auswertung schriftlicher Überlieferungen des Mittelalters fast immer des geschulten Historikers bedarf (BORN 1977:25). Dieser aber ist zum einen nicht immer in Planungsbüros vorhanden und zum anderen ist die dafür notwendige Zeit auch einfach nicht gegeben.

Trotzdem, und weil historische Originalüberlieferungen die einzige wirklich originäre Quellengrund-lage darstellen, seien sie im Folgenden genannt.

b Archivalische Quellen

Als zweite wichtige Quellengruppe für die Erforschung historischer Gewässer können die Schriftzeugnisse genannt werden.

Schriftliche Aufzeichnungen, Urkunden und Aktenvorgänge, die als Quellen bezeichnet werden (BOSSE 1991:11), bedeuten eine „für den Historiker ‚klassische’ Gattung […], die sowohl in gedruckter als in ungedruckter Form vorliegen“ (KREINER 1996b:51). Der größte Teil der bisher veröffentlichten gewässerhistorischen Untersuchungen basiert auf der Auswertung ungedruckten Quellenmaterials aus staatlichen, kommunalen oder privaten Archiven (stellvertretend KREINER 1996b, DIX 1997).

„Je größer der Umfang des Quellenangebotes ist,“ so lautet die Faustregel, „umso sicherer sind Untersuchungsergebnisse, Rückschlüsse und Aussagen in ihrer Wertigkeit“ (BOSSE 1991:11). Aber ob sie uns „unbestechliche objektive Aussagen [...] liefern“ (:11), mag angezweifelt werden, angesichts oftmals als Fälschung vorliegender Regesten und der subjektiven Darstellung in der Geschichtsschreibung. „Vergangenheit aufzuhellen und Historisches zu entdecken ist [jedenfalls]

1 Eine Ausnahme von den begrenzten Öffnungszeiten von Staatsarchiven und erst recht von Stadt- und Privatarchiven bildet z. B. die Stadt Nordheim, die bereits 1998 einige ihrer Quellen online zur Verfügung gestellt hat.

immer nur über ein Quellenstudium denkbar. Es ist ein mühsamer Weg, der nur schrittweise Erfolge zeitigt und oft auch stagniert.” (:11)

Wissenschaftliche Grundlage für die Bestandsaufnahme historischer Gewässerelemente bildet also neben dem Literatur- und Quellenstudium verschiedener Zugänglichkeit und Wissenschaftsbereiche insbesondere die Auswertung unveröffentlichter Archivalien und Schriften, denn historisch-genetische Analysen von Gewässern können erst durch Heranziehung archivalischer Quellen wesentlich differenzierter durchgeführt werden.

Gleichwohl haben Arbeitsmethoden, wie z. B. die Rückschreibung gezeigt, dass Katasterkarten und Archivalien als wichtigste Hilfsmittel genetischer Kulturlandschaftsforschung nur sehr bedingt direkte Hinweise zur vorangegangenen Landschafts- und Siedlungsentwicklung liefern (z. B. bei KRENZLIN 1961). Sie spiegeln oft nur Augenblickszustände wider und bedürfen deshalb der sorgfältigen und meist mühevollen wissenschaftlichen Aufbereitung und Interpretation (vgl. BORN 1977:17). Dies gestaltet sich umso schwieriger und aufwendiger angesichts der früher üblichen Schrift sowohl in Kalligraphie als auch im Wort.

Die Urkundensprache des frühen und hohen Mittelalters ist das Lateinische und dies gilt auch für gewässerrelevante Quellen wie zum Beispiel für Gerichtsakten. Erst seit der Mitte des 13. Jh. vollzog sich ein Wandel: Akten und Urkunden wurden zunehmend in der Volkssprache abgefasst (KREINER 1996b:52). Die Kanzleien vieler Klöster und Stifte hielten dagegen bis in das 16. Jh. am Latein als Urkundensprache fest (:52). Erst ab Mitte des 16. Jh. löste das Hochdeutsche das Lateinische als Schriftsprache ab.

Völlig unverzichtbar sind aber die Urkundenbücher und andere Quelleneditionen der großen Klöster und Stifte, wovon einige nicht nur mittelalterliches, sondern auch frühneuzeitliches Quellenmaterial präsentieren. Bereits in den Urkunden des 14. Jh. tauchen Fischteiche auf, werden hier aber noch allgemein „piscinae“ genannt. In gleicher Bedeutung kommen auch „stagnum“ und „aqua“ vor.

Vielfach bezeichnen stagnum und aqua allerdings auch andere stehende und fließende Gewässer.

Eine andere wichtige archivalische Quelle zur Erforschung von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Teichanlagen und anderen Gewässernutzungsarten gibt es in den sog. Urbarien. Als Urbarium (=

Sachbuch) bezeichnet man das seit dem Mittelalter für die Wirtschaftsführung angelegte Güter- und Einkünfteverzeichnis der Grundherrschaften (Klöster, Bistümer, weltliche Landesherren) (vgl.

LIENAU 1995:159).

Als eine spezielle Form der Archivalie sind des Weiteren die Teichbücher zu nennen, die die Klöster, wie z. B. das Würzburger Hochstift, geführt haben. In ihnen war der höchstmögliche Fischbesatz eines jeden Teiches festgelegt. Auch die Abfischergebnisse wurden in die Teichbücher eingetragen.

Dadurch ließ sich die Ertragsfähigkeit der Teiche ständig kontrollieren. RUST (1952:29) verweist auf die Bücher aus dem 16. Jh., die er in seinem vergleichenden Abschnitt seiner Untersuchungen zur holsteinischen Teichwirtschaft zu Hilfe zieht, um Rückschlüsse daraus auf Stückzahl und Gesamt-gewicht des Fischbesatzes und der Teichformen mittelalterlicher Teichwirtschaft zu ziehen.

Eine Untersuchung der Rentabilität der mittelalterlichen Teichwirtschaft auf der Grundlage exakten Urkundenmaterials würde zum Beispiel einen interessanten Beitrag zur Kenntnis früherer Betriebsmethoden in der Fischzucht liefern. Eine Untersuchung über den Fischbesatz auf der Grundlage der Teichbücher würde Aussagen über Menge und Nahrungsanteil an Fisch ermöglichen.

Alte Mühlenverzeichnisse, sog. Mühlenkataster, können als weitere gewässerhistorische Quellenedition herangezogen werden. Die preußische Regierung führte 1817 für die Mühlen eine staatliche Gewerbesteuer ein. Soweit nicht vorhanden, sollte in jeder Gemeinde ein Kataster angelegt werden, in dem sämtliche Mühlen mit Anzahl der Wasserräder und Mahlgänge erfasst wurden. In den verschiedenen Rubriken waren die Gemeinde, der Name der Mühle und der Name des Müllers sowie des Wassers eingetragen. Die nächste Spalte war vorgesehen für Angaben der Anzahl von Mahlgängen, Ölpressen und anderen Einrichtungen, sowie Angaben über Anzahl der Wasserräder, ob

ober- oder unterschlächtig und ob ein Sammelteich vorhanden war. In der nächsten Spalte wurden Angaben gemacht über die Wasserverhältnisse, dem Mahlgutmangel wegen der vielen Mühlen und der

ober- oder unterschlächtig und ob ein Sammelteich vorhanden war. In der nächsten Spalte wurden Angaben gemacht über die Wasserverhältnisse, dem Mahlgutmangel wegen der vielen Mühlen und der