• Keine Ergebnisse gefunden

Die Verschuldungspolitik im Kontext vorhergehender und nachfolgender Jahre

3 Beurteilung des Deficit Spending in der sozial-liberalen Koalition aus langfristiger Sicht

3.3 Zur Tragfähigkeit der Verschuldungspolitik .1 Die Grundlagen

3.3.3 Die Verschuldungspolitik im Kontext vorhergehender und nachfolgender Jahre

In Schaubild 15 ist die Entwicklung der Einnahmenlücken von Beginn der 60er Jahre bis heute dargestellt. Anstelle der Szenarien wurde für die mittel-und langfristigen Indikatoren jeweils die tatsächliche Ausgabenentwicklung herangezogen. Die Reihe der mittel- bzw. langfristigen Indikatoren kann folglich nur bis zum Jahre 1991 bzw. 1986 einschließlich berechnet wer-den.168 Die Werte für die Folgejahre sind damit nicht gleich Null, sondern die Reihe endet lediglich mit dem entsprechenden Jahr.

Die Schuldenpolitik der 60er Jahre kann allgemein als tragfähig angesehen werden. Zwar stieg im Rezessionsjahr 1967 die kurzfristige Lücke aufgrund der antizyklischen Politik auf 1, 7 4 % des Bruttosozialprodukts an, konnte jedoch schnell wieder abgebaut werden, so daß die mittel- und langfristigen Indikatoren auch weiterhin im negativen Bereich bleiben - und dies, obwohl der spätere Ausgabenanstieg zum Teil schon in die Werte mit einfließt.

Selbst im Vergleich mit den übrigen Jahren dieser Dekade war die Aus-gangssituation der SPD/FDP-Koalition außerordentlich gut. Wie bereits in Abschnitt 3.3.2 beschrieben, haben sich die Einnahmenlücken im Verlauf der Regierungsperiode drastisch vergrößert. Über fast die gesamte Zeit muß die Haushaltspolitik als nicht tragfähig beurteilt werden. Verglichen mit den 60er und 80er Jahren sowie der ersten Hälfte der 90er Jahre zeigt sich zu-dem, daß die Einnahmenlücken der 70er Jahre insgesamt die höchsten des gesamten Zeitraums sind. Aufgrund der von der späteren christlich-liberalen Koalition betriebenen Konsolidierungspolitik fallen die mittel-, vor allem aber die langfristigen Indikatoren besser aus als bei den oben beschriebenen Szenarien. Zu Beginn der 80er Jahre deuten die Indikatoren sogar eine lang-fristig tragfähige Politik an. Mit Blick auf diese Indikatoren läßt sich folgern, daß der CDU/FDP-Regierung in der Tat eine Wende gelungen ist. Politisch betrachtet war dies allerdings mit einer Höhergewichtung der langfristig an-gebotsorientierten Allokationseffizienz und einer Vernachlässigung des kurzfristigen Vollbeschäftigungsziels verbunden. Der Stabilitätsbegriff des 168 Natürlich könnten wiederum Trends gebildet und extrapoliert werden. Da es hier jedoch in erster Linie um eine Beurteilung der Politik der sozial-liberalen Koalition geht, soll hierauf verzichtet werden.

~

t

Entwicklung der Einnahmenlücken des Bundes

in v.H. des Bruttosozialprodukts

1 1 1

°'

Monika Hanswillemenke and Bernd Rahmann - 978-3-631-75268-5 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 06:29:54AM via free access

3. 3 Zur Tragftihigkeit der Verschuldungspolitik

§ 1 StabWG, der

a

priori gleichberechtigt Preisniveau, Beschäftigung, Au-ßenwirtschaft und Wachstum umfaßt, wird nunmehr radikal auf die Stabilität des Preisniveaus verkürzt. Anders als 1982 der sozial-liberalen Koalition hat sie dies bisher nicht die Regierungsmehrheit gekostet, obwohl Vollbeschäfti-gung bis heute nicht nur nicht erreicht wurde, sondern sich inzwischen auf einer Höhe befindet, die mit der Massenarbeitslosigkeit der Weltwirtschafts-krise Ende der 20er Jahre vergleichbar ist.

Neben der Haushaltskonsolidierung hat dann später nicht zuletzt der vereini-gungsbedingte Boom 1990/91 Erfolge gebracht. Für die folgenden Jahre las-sen sich ohne eine Ausgabenprognose allerdings keine langfristigen Werte mehr berechnen. Die Entwicklung der kurz- und mittelfristigen Einnahmen-lücken deutet jedoch wieder eine Verschlechterung an. Die vereinigungsbe-dingten Aufwendungen haben erwartungsgemäß die Indikatoren in die Höhe getrieben. Dadurch, daß hierfür Sondervermögen außerhalb des Budgets ge-bildet wurden169, schlägt dieser Anteil jedoch weniger stark zu Buche, wie dies die Finanzpolitik der sozial-liberalen Koalition für sich gesehen wäh-rend der 70er Jahre zu verzeichnen hat.170 Vergleichend muß festgestellt werden, daß seit Beginn der 90er Jahre ein erheblich wachsender Anteil der Verschuldung über Sondervermögen lief71 , während der Anteil der Sonder-vermögen an der Gesamtverschuldung sowie auch ihr absoluter Schulden-stand im Laufe der 70er Jahre tendenziell gesunken ist.

169 Dies ist ein klarer Verstoß gegen den § 11 BHO, der die Haushaltsgrundsätze der Einheit und Vollständigkeit enthält, ohne die eine Vergleichbarkeit nicht bzw. nur erschwert möglich ist. Die Bildung dieser Sondervermögen ist so gesehen auch ein Politikum.

170 Die für die 80er Jahre beschriebene Entwicklung wird von Blanchard/Choura-qui/Hagemann/Sartor (1990) und ChouraBlanchard/Choura-qui/Hagemann/Sartor (1990) anhand kurz-und mittelfristiger Indikatoren bestätigt, wenngleich die konkreten Werte sowohl voneinander als auch von den hier berechneten abweichen, letzteres u.a., weil eine unterschiedliche Abgrenzung des Haushalts vorgenommen wird.

171 Neben den ERP-Sondervermögen gehören hierzu seit 1990 der Fonds ,,Deutsche Einheit" und der Kreditabwicklungsfonds, dessen Schulden zusammen mit den Schulden der Treuhandanstalt seit 1995 vom Erblastentilgungsfonds übernommen wurden, seit 1994 das Bundeseisenbahnvermögen sowie seit 1995 der Ausgleichs-fonds „Steinkohle".

~ ...

Entwicklung der Ausgabenlücken des Bundes

in v. H. des Bruttosozialprodukts

~ . n .iril 1

°'

Monika Hanswillemenke and Bernd Rahmann - 978-3-631-75268-5 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 06:29:54AM via free access

3. 3 Zur Tragftihigkeit der Verschuldungspolitik

Die Ausgabenlücken bestätigen wiederwn grundsätzlich die beschriebenen Ergebnisse, wobei auch hier - insbesondere bei den Langfristwerten - stär-kere Schwankungen als bei den Einnahmenlücken festzustellen sind. Die mittel- und langfristigen Ausgabenlücken fallen vor allem in den Jahren 1975 bis 1982 insgesamt deutlich höher aus als die Einnahmenlücken und werden erst später auf ein tragfähiges Maß reduziert. Hierfür ist zum einen die Verstärkung angebotsorientierter Politik in den Folgejahren mit ihren einnah-meseitigen Reduktionen, zum anderen sind die in diesem Zeitraum hohen und in den darauffolgenden Jahren sinkenden Ausgaben verantwortlich.172 Es sei jedoch nochmals darauf hingewiesen, daß bei der Berechnung aller