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IV. Diskussion

IV.1 Verschiedene Ansätze in der Biomarkerforschung

In den vergangenen 20 Jahren wurden verschiedene Substanzen des Knochen- und Knorpelstoffwechsels als Marker für die Diagnostik von Gelenkerkrankungen evaluiert. Zwar konnten für einige Stoffe signifikante Konzentrationsveränderungen im Zusammenhang mit bestimmten Erkrankungen und Krankheitsstadien nachgewiesen werden (vgl. K. I.1.5), die Entdeckung wirklicher, klinisch einsetzbarer Marker ist noch ausgeblieben. Die bisher bekannten Marker erlauben noch keine spezifische Diagnostik oder Prognose. Im Vordergrund stand bisher die „klassische“ Biomarkersuche basierend auf der Evaluierung bekannter Substanzen des Gewebeauf- oder -abbaus [Lammers, R.J. et al. 2005]. Dabei angewandte Methoden waren u. a. Immunoassays, Western-blot, In-Situ-Hybridization, Nephelometrie und Turbidimetrie [Singer, F. et al. 1987] sowie quantitative PCR [Yamagiwa, H. et al. 2003].

Parallel zum Fortschritt auf dem Gebiet der Proteomics- und Functional Genomicsstrategien werden zunehmend Ansätze verfolgt, die über die Beurteilung von Einzelsubstanzen hinausgehen und eine Erfassung der gesamten Proteinzusammensetzung in Blut, Synovia und/oder Synovialis bei Gelenkerkrankungen anstreben (vgl. K. I.2). Unterschieden werden können Gelmethoden von gelfreien Methoden oder eine Kombination aus beiden [Figeys, D.

et al. 2003]. Die Gelelektrophorese erbringt verbunden an andere Methoden weitere Informationen zur Charakterisierung der gefundenen Kandidaten: so erhält man z. B. mittels Immunohistochemie eine Aussage über die Art oder Identität der gefundenen Proteine [Fritz, P. et al. 1990]. Die Kombination mit der Massenspektrometrie ermöglicht die Identifizierung eines Proteins aufgrund seines Fragmentspektrums [Lorenz, P. et al. 2003; Sinz, A. et al.

20002]. Die Herstellung von Proteinarrays erlaubt die gleichzeitige Analyse vieler Target- moleküle in einem Experiment. Kennzeichnend für diese Techniken wie auch für das in dieser Arbeit angewandte Differential Peptide Display ist die simultane Erfassung zahlreicher Markerkandidaten (High-Throughput-Profiling-Techniken) [Urbanowska, T. et al. 2003].

Statt Einzelsubstanzen oder kleiner Substanzcluster werden bis zu mehrere Tausend Peptide gleichzeitig untersucht.

Beim Differential Peptide Display werden ausschließlich Eiweißmoleküle erfasst - eine Substanzklasse, die für die Suche nach biologischen Markern besonders erfolgsversprechend ist, da sie die typischen Mediatoren biologischer Prozesse sind [Corthals, G.L. et al. 2000].

Einige Kompartimente des Organismus enthalten auch gar keine gewebespezifische RNA.

Hierzu gehören die Körperflüssigkeiten, welche aber ein reizvolles Target zur Biomarkererfassung darstellen. In den Körperflüssigkeiten „sammelt“ sich alles; Eiweiße sind die aktiven Stoffe. Auf diese Weise gelingt die Erfassung des Phenotypes der Erkrankung.

Genom und Proteom stimmen nur bedingt überein. Viele Änderungen des Proteoms sind durch Genomanalyse nicht fassbar (vgl. K I.2).

In der vorliegenden Arbeit wurde auf Peptidebene ein Screening von biologischen Proben nach geeigneten Markern durchgeführt. Das Peptidspektrum von Proben, die von Patienten mit nach Kellgren und Lawrence klassifzierter Gonarthrose stammten, wurde analysiert.

Einzelne Peptide wurden unter Zugrundelegung des beobachteten Zusammenhangs ihres Auftretens mit dem Grad der Arthose statistisch gewertet. Dieses hypothesenfreie Verfahren ermöglicht eine Selektion auch solcher Peptide, die bisher noch gar nicht im Zusammenhang mit Arthrose oder allgemein mit dem Gelenkstoffwechsel beobachtet worden sind. Die weitere Validierung solcher Kandidaten erscheint besonders aussichtsreich.

Durch die differentielle Peptidanalyse findet die Auswahl potentieller Biomarker statt. Der nächste Schritt ist die Identifizierung der differenzierenden Signale. Hierzu wird die ESI-Quadrupol-TOF-Massenspektrometrie benutzt, bei der für das Ausgangsmolekül charakteristische Fragmentspektren erzeugt werden. Durch Recherchen in Datenbanken von Fragmentspektren kann das Peptid identifiziert oder vermutet werden.

Die Analyse von Peptiden unterscheidet sich dabei von den anderen Proteomics-Techniken:

Die Separation von Peptiden mittels 2-DE ist unbefriedigend. Aufgrund des kleineren Molekulargewichtes der Peptide werden eine schlechtere Auftrennung und Anfärbbarkeit erreicht. RP-Chromatographie und Kationenaustauschchromatographie dagegen ermöglichen eine nahezu verlustfreie Separation, da die Mehrheit der Peptide keine komplexe Sekundär- oder Tertiärstruktur besitzen und sich spontan falten kann. Zusätzlich erlaubt die Säulenchromatographie die Variation der Aufreinigungsmenge des Peptidmaterials von wenigen Submikrogramm bis zu Kilogramm mit preparativer Chromatographie. Durch eine für jedes Probenmaterial optimierte Vorbereitung wurden vorhandene Proteine mit einem

Molekulargewicht von mehr als 20 kDa zuvor abgetrennt. Anders als das 2-DE Gel basiert die Peptidkarte auf numerischen Daten und ist lediglich eine Visualisierung von Signalstärken.

Die Intensitäten der Peptidsignale werden beim DPD in Datenbanken erfasst, wodurch eine breite statistische Analyse möglich ist.

Ein ähnlicher Ansatz wie in der vorliegenden Arbeit wird am Proteomzentrum in Rostock verfolgt: mittels Kombination von Gelelektrophorese und Massenspektrometrie wird eine Analyse des Proteoms von Synovialflüssigkeit bei Gelenkerkrankungen durchgeführt [Sinz, A. et al. 2002]. Liao et al. benutzten LC-MS/MS zur Biomarkersuche bei Rheuma [Liao, H. et al. 2004].

Zusammenfassend kann die gezielte Analyse bereits bekannter Substanzen in Bezug auf ihren Zusammenhang mit einer Erkrankung unterschieden werden von der unspezifischen Suche (Screening oder Profiling) nach möglichen Markern. Das Konzept des Profilings erscheint ein erfolgversprechender Weg zu sein, der der Komplexizität der Gelenkerkrankungen mit ihrer noch vielfach unverstandenen Pathophysiologie Rechnung trägt [Lorenz, P. et al. 2003]: Weil Gelenkerkrankungen eine Vielzahl verschiedener Gewebe tangieren, ist eine Methodik nötig, die einen Überblick über die mit der Erkrankung verbundenen Stoffwechselinteraktionen verschafft. Somit erscheinen die Screening-Methoden den selektiven Verfahren überlegen.

Da Profiling-Studien einen vorwiegend explorativen Charakter haben [Kuhlemann, H. et al.

1996; Victor, A. et al. 2005], müssen die identifizierten Kandidaten anschließend in relevanten Probenkollektiven erneut vermessen werden, um ihre Güte als biologische Marker zu bestätigen. Dabei ist die Zahl der für die statistische Analyse benötigten Proben abhängig von der Differenz des Peptidgehaltes in den unterschiedlichen Analysengruppen und der Streubreite der Messwerte [Sachs, L. 1999]. Die Validierung kann auch mit anderen Testformaten mit hoher Sensitivität (z. B. ELISA) erfolgen. Eine Möglichkeit zur schnellen Markerevaluation bzw. zur Bestimmung von Proteinkonzentration im Patientenmaterial ist der Protein-Microarray [Urbanowska, T. et al. 2003]. Analog zu den Gen-Microarraays entwickelt, lassen sich mit dieser Methode mehrere Marker zugleich nachweisen. Die Microarray-Determination ist dabei preiswerter als die Bestimmung mehrerer Parameter mit gewöhnlichem ELISA und ermöglicht so ein effizientes und kosteneffektives Vorgehen [Kodadek, T. 2001].

Somit spielen auch bei der Markerevaluation die High-Throughput-Techniken eine große Rolle. Im klinischen Alltag ließen sich beim Patienten auf diese Weise die Konzentrationen vieler Einzelsubstanzen (Markerkombinationen) zeitgleich messen.

Auch die Spezifität eines Markers für eine Erkrankung muss überprüft werden. Aufgrund identischer Endprozesse bei verschiedenen Gelenkerkrankungen (Zerstörung des Gelenkes, Entzündung) ist zu erwarten, dass ein potentieller Arthrosemarker z. B. auch bei einem Rheumapatienten reagiert.