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Der Rheumapatient Fortbildung^

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ex juvantibus eingesetzt, es gibt eine Fülle an Erfahrungsmaterial, dem jedoch in der Regel eine Systematisierung fehlt. Es mangelt somit an wissenschaftlich gesichertem Erkenntnis­

material aufgrund von erheblichen For­

schungsdefiziten im Bereich der Naturheil­

kunde.

Nur einige wenige systematische Untersu­

chungen zum Thema Naturheilverfahren in der Rheumatologie wurden bislang publiziert. Als Fazit daraus kann festgestellt werden, daß es durchaus biogene Arzneistoffe gibt, denen bei dieser Indikation eine Wirksamkeit zugespro­

chen werden kann.

Wirksamkeitsnachvveis eines naturgemä­

ßen Behandiungskonzeptes

Im Rahmen der Methodenforschung als Teilas­

pekt des Themas Wirksamkeitsweise von na­

turgemäßen Heilmethoden führen wir seit Jahren eigene Untersuchungen durch (6, 20, 21, 22, 23). Einige Ergebnisse aus dem Projekt

»Naturheilverfahren in der Rheumatologie«

sollen im folgenden kurz vorgestellt werden.

Untersucht wurden zwei definierte Patien­

tenkollektive jeweils mit rheumatoider Arthri­

tis (RA) sowie mit degenerativen Gelenkser­

krankungen (DGE), die sich einer naturheil­

kundlichen stationären Behandlung unterzo­

gen. Die beiden Kollektive wurden gemäß bestimmter Eingangskriterien in die Studie aufgenommen; die jeweilige Diagnose »rheu­

matoide Arthritis« und »degenerative Ge­

lenkserkrankung« wurde nach den üblichen rheumatologischen Standards erstellt. Damit war es von vornherein möglich, die Ergebnisse einem historischen Vergleich zu unterziehen.

Die methodische Vorgabe war, daß bei den Rheumapatienten nicht die Wirksamkeit einer einzelnen Therapiestrategie zu prüfen war, sondern daß die therapeutische Effizienz ver­

schiedener, beim selben Patienten jedoch gleichzeitig eingesetzter Naturheilverfahren zu erfassen sei. Dies ermöglicht sogenannte Vor- her-Nachher-Vergleiche; in der vorliegenden Untersuchung bedeutet dies eine dreiwöchige stationäre Behandlungs- und damit Beobach­

tungsdauer (in den Abbildungen als T 1 und T 2 bezeichnet) sowie eine dreimonatige Nachbe­

obachtungszeit (T 3), innerhalb welcher die Anwendung der Naturheilverfahren unter am­

bulanten Bedingungen fortgesetzt werden sollte.

Die Befunderhebungen bei den Patienten zu den Zeitpunkten T 1 (= Aufnahme in die Klinik) und T 2 (= Entlassung aus der Klinik) wurden

stets vom selben Untersucher, jeweils zur etwa gleichen Tageszeit vorgenommen. Der Befund zum Zeitpunkt T 3 (= nach etwa dreimonatiger ambulanter Behandlung) wurde mittels Befind­

lichkeitsskalen vom Patienten selbst erstellt.

Kombiniertes Therapiemanagement

Als Basisbehandlung erhielten alle Patienten eine physikalische Therapie in Form von Kran­

kengymnastik sowie individuell verordnete An­

wendungen wie Massagen, Moorpackungen, Teil- und Vollbäder mit pflanzlichen Badezu­

sätzen. Diätetische Maßnahmen wurden mit unterschiedlicher Intention eingesetzt; bei ei­

nem Teil der Gruppe mit rheumatoider Arthri­

tis als kurzzeitiges Heilfasten zur »Umstim­

mung«; bei den Patienten mit degenerativen

Wie kann die Wirksamkeit einer Behandlung von Rheumapatienten vom Hausarzt geprüft werden? Wir beantworten diese Frage zu­

nächst im Zusammenhang eines naturgemä­

ßen Behandlungskonzepts. Am Beispiel der Evaluation einer naturheilkundlichen statio­

nären Behandlung von Patienten mit rheuma­

toider Arthritis sowie mit degenerativen Ge­

lenkserkrankungen wird die Wirksamkeit der Kombination u. a. einer physikalischen Thera­

pie, diätetischer Maßnahmen, von Homöopa- thika und von Neuraltherapie, von Phytothe­

rapeutika sowie von Akupunkturbehandlungen geprüft. Im Vorher-Nachher-Vergleich ergeben sich u. a. Besserungen bei den erhobenen Ent­

zündungsparametern, bei rheumatologisch re­

levanten Parametern, bei Geschicklichkeit, Schmerz, Depression, Aktivität, Ängstlichkeit, Beeinträchtigung und beim Allgemeinzustand.

Im Kontrast zu dieser unter stationären Bedin­

gungen durchgeführten Studie wird eine wei­

tere Studie mit nur einem unter ambulanten Bedingungen verabreichten Therapieregime vorgestellt. Hierbei erweist sich die fixe Kom­

bination eines homöopathischen Einzelmittels als wirksam bei verschiedenen rheumatholo- gisch relevanten Entzündungsparametern so­

wie bei der Schmerzbeurteilung durch die Pa­

tienten mit chronischer Polyarthritis. Abschlie­

ßend berichten wir über die einfache Zeitrei­

henanalyse, mit deren Hilfe der Hausarzt Wirk­

samkeits-Studien selbst planen, durchführen und auswerten kann. Von besonderem Inter­

esse für den Hausarzt ist hierbei, daß er auch Wirksamkeitsnachweise bei einzelnen Patien­

ten durchführen kann.

Der Stellenwert der Naturheil­

verfahren in der Rheumato­

logie ist bisher kaum systema­

tisch geprüft

Zum Inhalt

ZK

Der Rheumapatient

Alle Patienten wurden mit Homöopathika behandelt, zum großen Teil auch mittels Neuraltherapie

Gelenkserkrankungen als Null-Diät vor allem zur Gewichtsreduktion. Durchweg wurden die Patienten mit Homöopathika behandelt, zum großen Teil auch mittels Neuraltherapie, ln un­

terschiedlicher Häufigkeit wurden Phytothera­

peutika eingesetzt sowie Akupunktur-Behand­

lungen durchgeführt; autogenes Training er­

hielten nur einzelne Patienten. Die Indikations­

stellung für die Anwendung der Verfahren orientierte sich am individuellen Befund des Patienten. Bei Entlassung wurde den Patienten eine Therapieempfehlung mitgegeben, die im weiteren Verlauf vom Hausarzt modifiziert werden konnte.

(10). Der mehrdimensional erfaßte Gesund­

heitszustand anhand der MOPO-Skala (Meas­

urement of patient outcome; vgl. 8, 9) war in den Subskalen »Geschicklichkeit«, »Schmerz«,

»Ängstlichkeit« ebenfalls signifikant gebessert wie auch die drei mit visuellen Analogskalen erfaßten Kriterien »Schmerz«, »Allgemeinzu­

stand«, »Beeinträchtigung«.

Die drei Monate (T 3) nach der stationären Behandlung erfaßte Gesamtbefindlichkeit durch Selbsteinschätzung mittels der MOPO - und der visuellen Analog-Skalen ergab nur noch eine signifikante Besserung in der Sub­

skala »Schmerz« (MOPO) (Abb. 2).

Mit naturgemäßen

Heilverfahren kann eine Bes­

serung bei rheumatischen Krankheitsbil­

dern erreicht werden

Ergebnisse bei den RA-Patienten

23 weibliche und drei männliche Patienten mit einem Durchschnittsalter von 51 Jahren wur­

den in die Studie aufgenommen; die Erkran­

kungsdauer betrug durchschnittlich fünf Jahre.

Für die Nachkontrolle (T 3) konnten nur die

TI T2 T3 Allgemeinzustand

T2 T3 Beeinträchtigung

Depressivität

Schmerz Ängstlichkeit

Abbildung 2: Selbsteinscbätzung (oben) und MOPO-Skalen (unten) bei Patienten mit rheumatoider .Arthritis (n = 23)

Verläufe von 19 Patienten herangezogen wer­

den, da sieben Patienten die Erhebungsbögen trotz Erinnerungsschreibens nicht zurückge­

schickt haben.

Im Vorher-Nachher-Vergleich (T 1, T 2) er­

gaben sich statistisch signifikante Besserungen bei den erhobenen Entzündungsparametern, sowie in den rheumatologisch relevanten Pa­

rametern Handkraftmessung rechts, Morgen­

steifigkeit, Gelenkindex Landsbury/Ritchie (15) sowie Bewegungs-Funktionstest nach Keitel

Ergebnisse bei den DGE-Patienten

In die Studie wurden 22 Patienten (18 weibli­

che und vier männliche) mit einem Durch­

schnittsalter von 61 Jahren aufgenommen, wo­

bei das Krankheitsbild durchschnittlich seit acht Jahren bestand. Für die Nachkontrolle (T 3) konnten 18 Patienten berücksichtigt wer­

den; vier Patienten haben trotz Nachfrage nicht geantwortet.

Im Vorher-Nachher-Vergleich (T 1, T 2) la­

gen auch in diesem Patientenkollektiv signifi­

kante Besserungen vor beim Gelenkindex Landsbury/Ritchie, Bewegungsfunktionstest nach Keitel, Gelenksumfangmessung bei Gonarthrose und bei der Beweglichkeit des Kniegelenks sowie bei der Beweglichkeit der Hüfte (Abduktion/Adduktion). Signifikant ge­

bessert waren in der visuellen Analog-Skala alle drei Kriterien (Schmerz, Allgemeinzustand, Beeinträchtigung) sowie mehrere Subskalen der MOPO-Skalen (Modalität, körperliche Akti­

vität, Schmerz, Depression, Ängstlichkeit).

Bemerkenswert bei den DGE-Patienten ist aber, daß nach drei Monaten (T 3) weder in den visuellen Analog-Skalen noch in den MOPO-Skalen signifikante Unterschiede im Vergleich zum Zeitpunkt der stationären Auf­

nahme vorhanden waren (Abb. 3).

Bewertende Zusammenfassung

Insgesamt sprechen die Ergebnisse dieses Pi­

lotprojekts dafür, daß durch eine Behandlung mit naturgemäßen Heilmethoden bei rheuma­

tischen Krankheitsbildern eine Besserung er­

zielt werden kann und zwar vor allem in der Dimension Schmerz (vgl. Abb. 2), in den psy­

chosozialen Dimensionen des Befindens, wie auch in den Bereichen der objektiven Meßver­

fahren. Daß die Effekte jedoch drei Monate nach der Entlassung oft kaum mehr nachweis­

bar sind, ist auch aus Untersuchungen mit

Der Rheumapatient Fortbildung^

einem konventionellen antirheumatischen Therapieregime bekannt. Im übrigen sollten die Ergebnisse auch Anlaß für eine kritische Diskussion der Methodologie klinischer Stu­

dien sein. Der Vergleich einer Behandlung unter stationären Bedingungen, zumal noch monozentrisch, läßt nicht zwangsläufig Aus­

sagen über eine ambulante, von verschiede­

nen Hausärzten durchgeführte Therapie zu (Abb. 4).

auch aus hinlänglich bekannten Gründen nur wenige kontrollierte Studien mit Homöopathika gibt, so sind doch die Ergebnisse der von Gib­

son und Mitarbeiter (5) publizierten Doppel­

blindstudie bei rheumatoider Arthritis bemer­

kenswert. Dabei waren unter individueller ho­

möopathischer Medikation im Gegensatz zur Placebogruppe signifikante Besserungen in rheumatologisch relevanten Testkriterien fest­

zustellen.

Homöopathika - Probleme zum Wirksam­

keitsnachweis

Andererseits werden naturgemäße Heilmetho­

den überwiegend in der hausärztlichen Praxis eingesetzt. Deshalb wurde im Rahmen der von uns initiierten Rheuma-Forschung auf diesem Gebiet der konzeptionelle Weg einer klinischen Studie mit nur einem Therapieregime gewählt.

Unter den Bedingungen des niedergelassenen Arztes sollte mit placebokontrolliertem, dop­

peltblinden Studiendesign die Wirksamkeit ei­

nes Homöopathikums bei chronischer Po­

lyarthritis überprüft werden.

Mittelbarer Anlaß sind die bei verschiedenen Umfragen und Erhebungen festzustellende Verordnungshäufigkeit sowie die zunehmende Akzeptanz homöopathischer Arzneimittel, ei­

ner ganz besonders kontrovers diskutierten Theapieform, gleichwohl sie als besondere Therapierichtung arzneimittelrechtlich veran­

kert und u. a. durch eine eigene Arzneimittel­

kommission am BGA vertreten ist. Wenn es

T2 T3

Allgemeinzustand Beeinträchtigung Schmerz

Skalenscore

Schmerz

TI T2 T3 TI T2 T3

Depressivität Ängstlichkeit

Abbildung 3: Selbsteinscbätzung (oben) und MOPO-Skalen (unten) bei Patienten mit degenarativen Gelenkerkrankun­

gen (n = 22)

Doppelblindstudie mit einem homöo- patischen Arzneimittel

In der von uns durchgeführten placebokontrol­

lierten Doppelblindstudie sollte die Wirksamkeit einer fixen Kombination homöopathischer Ein­

zelmittel (»Komplexmittel«) überprüft werden, zu denen positive Aufbereitungsmonographien des Bundesgesundheitsamtes vorliegen. Als we­

sentliches Studienziel wurde die Einsparung konventioneller, nicht-steroidaler Antirheuma­

tika (NSAR) und Analgetika unter Berücksich­

tigung der Schmerzintensität formuliert.

In die Studie wurden weibliche und männli­

che Patienten mit rheumatoider Artritis aufge­

nommen. Die Behandlungsdauer betrug zwölf Wochen. Zur Beurteilung des therapeutischen Effektes wurden die rheumatologisch relevan­

ten Entzündungsparameter verschiedener Schmerzarten, Morgensteifigkeit, Ermüdbar­

keit, der sog. Lee-Index (Behinderungen im täglichen Leben) sowie die Schmerzbeurteilung mittels visueller Analog-Skala herangezogen.

Für diese Kriterien ergab sich bei allen in die Studie aufgenommenen Patienten während der Behandlung eine deutliche Verbesserung; diese war jedoch bei den 58 Patienten der Verum- Gruppe deutlich stärker ausgeprägt als bei den 53 Patienten des Placebo-Kollektivs. Zu einer übergreifenden Beurteilung des Therapieer­

folgs wurde anhand der Patiententagebücher der Verbrauch an Antirheumatika und Anal­

getika sowie der Verlauf der subjektiven Schmerzbeurteilung zusammengefaßt. Dabei ergab sich eine signifikant bessere Wirksam­

keit des Homöopathikums gegenüber Placebo, unerwünschte Wirkungen wurden nicht beob­

achtet.

Fazit

Die Ergebnisse der beiden Studienbeispiele be­

legen einmal mehr die Möglichkeit, naturge­

mäße Heilverfahren unter besonderer Berück­

sichtigung der Methodenforschung klinisch kontrollierten Studien zu unterziehen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer

interdiszi-Wesentliches Studienziel war die Einsparung von NSAR und Analgetika

Fortbildung Der Rheumapatient

Die Naturheil­

verfahren müs­

sen heraus aus der wissen­

schaftlichen Grauzone

Methodisch wünschenswert sind minde­

stens 50 Meß­

zeitpunkte

plinären Zusammenarbeit. Andererseits - und das sollte deutlich sein - dürfen sich auch und gerade Naturheilverfahren nicht weiter in ei­

ner wissenschaftlichen Grauzone bewegen. Im Hinblick auf ihre Verordnungshäufigkeit kann dies letztlich auch nicht im Sinne von Patient, Arzt und Versicherungsträger sein.

Evaluation mit Hilfe von Zeitreihen

Liegen mehr als zwei Meßzeitpunkte (wie im Fall von Vorher-Nachher-Messungen) vor und steht nur eine Stichprobe (im Extrem nur ein Patient) für die Datenanalyse zur Verfügung, dann empfiehlt sich die Anwendung von Zeitreihen. Gerade der Hausarzt hat Datenma­

terial über seine Patienten, das aufgrund der Langzeitbetreuung viele Meßzeitpunkte umfaßt (methodisch wünschenswert sind mindestens 50 Meßzeitpunkte). So gesehen ist die Zeitreihe ein Verfahren, das für Evaluationen in der All­

gemeinmedizin besonders geeignet ist (vgl. 24).

Planung einer Zeitreihen-Untersuchung Cook und Campbell (3) diskutieren unterschied­

liche Untersuchungspläne, die für eine Zeitrei­

henanalyse geeignet sind. Grundlegend für diese Zeitreihen ist, daß eine Intervention - wie etwa die Anwendung eines Medikamentes - die Zeitreihe unterbricht und sich der Effekt der Unterbrechung durch die Intervention in den Meßzeitpunkten zeigt. Ein solcher Unter­

suchungsplan entspricht zunächst einer Vor- her-Nachher-Messung bei nur einer E.xperi- mentalgruppe, unterscheidet sich aber davon durch die Vielzahl der Vorher- und Nachher­

Untersuchungszeitpunkt (Wochen) GRUPPE »ee Rheumaselect Placebo

Abbildung 4: Schmerzbeurteilung der Patienten (Mediane)

messungen. Vorteil dieser vielen Messungen ist, daß sich vor der Applikation der Interven­

tion die für ein Patientengut typischen Verän­

derungen, saisonalen Einflüsse, Lerneffekte etc. feststellen lassen, die interventionsunab­

hängig Veränderungen in den Meßwerten be­

dingen. Gegen diesen (möglichen Verände- rungs-) Trend vor der Intervention wird der (Veränderungs-) Trend nach der Intervention getestet. Unterschiede in den Vorher- und Nachhermessungen können auf die Interven­

tion zurückgeführt werden, interventionsunab­

hängige Einflüsse auf die Meßwerte können kontrolliert werden.

Die Schwäche eines solchen Versuchsplanes liegt vor allen Dingen darin, daß zeitgleich mit einer Intervention »Störgrößen« wirksam sein können, die die Meßwerte bestimmen. Soll diese Möglichkeit zeitgleicher Störgrößen kon­

trolliert werden, ist die Einführung einer Kon- trollgruppe ohne Intervention vorzusehen. Bei dieser Kontrollgrupppe zeigt sich der Effekt der Störgröße unabhängig von der Intervention, gleichzeitig erlaubt die Kontrollgruppe (durch Vergleich mit der Interventionsgruppe) die Ab­

schätzung der Dauer der Interventionseffekte.

Problematisch bei der Einführung solcher Kon- trollgruppen ist, daß sich die Meßwerte der Zeitreihen beider Gruppen dadurch unterschei­

den können, daß sie unterschiedlichen Grund­

gesamtheiten zugehören und sich jeweils in die Richtung ihrer Populationswerte entwickeln.

Problematisch bei unbehandelten Kontrollg- ruppen ist stets auch, ob und inwieweit das Auslassen einer Intervention ethisch vertretbar ist.

Kann eine Kontrollgruppe eingeführt wer­

den, dann ist es günstig, wenn über viele Meß­

zeitpunkte hinweg abwechselnd die eine Gruppe oder die andere Gruppe Experimental- (Interventions-) oder Kontrollgruppe ist. Das angesprochene ethische Problem kann so mi­

nimiert, die (interne) Validität der Untersu­

chungsergebnisse erhöht werden (3).

Kann man vermuten, daß eine Intervention sich auf verschiedene Verhaltens- und Erleb­

nisbereiche einer Patientengruppe unter­

schiedlich auswirkt, beispielsweise daß ein verordnetes Medikament die Intensität des Er­

lebens von Schmerzen senkt, die körperlichen Bewegungsmöglichkeiten von Rheumapatien­

ten aber erhöht, dann sollten parallel mehrere Zeitreihen für jede der unterschiedlichen Mes­

sungen erhoben werden. Diese parallelen Zeitreihen mit erwarteten unterschiedlichen Verläufen erlauben es, die Validität des

unter-Der Rheumapatient Fortblldungjn

^JFA 1575

suchten Interventionskonzeptes (Konstruktva­

lidität) zu erhöhen.

Wurden bei den bisher besprochenen Unter­

suchungsplänen Zeitreihen vor einer Interven­

tion mit Zeitreihen nach der Intervention ver­

glichen, so lassen sich auch Zeitreihen planen, bei denen mehrere Messungen unter Bedin­

gungen mit und ohne Intervention bei einer Stichprobe vorgesehen sind. Vorteilhaft ist es, daß die Veränderungen in den Meßwerten un­

ter Interventions-Bedingungen sich umkehren müßten bei den Meßwerten ohne Intervention.

Ohne eine interventionsfreie Kontrollgruppe kann die Wirkung möglicher, mit der Interven­

tion zeitgleicher Störgrößen, kontrolliert wer­

den. Dieser Vorteil gilt insbesondere dann, wenn eine solche Zeitreihe mit mehreren Meß­

zeitpunkten unter Interventionsbedingungen und fehlender Intervention mehrfach wieder­

holt wird. Die Interventionseffekte sind verläß­

licher, wenn sie jedes Mal unter den Interven­

tionsbedingungen auftreten und jedes Mal aus- bleiben, wenn die Intervention ausgesetzt wird.

Bei solchen wiederholten Interventionen und ihrer Auslassung ist es günstig, wenn die Ein­

führung einer Intervention und ihre Ausset­

zung nach dem Zufall geschieht, also die jewei­

ligen Zeitpunkte in der Meßreihe nach dem Zufallsprinzip gewählt werden. So kann der mögliche Effekt einer zyklischen Reifung, einer zyklischen Gewöhnung (z. B. an eine Medika­

tion) kontrolliert werden (vgl. dazu ausführli­

cher 11).

Interessant gerade für die Evaluation thera­

peutischer Maßnahmen in der Allgemeinpraxis ist, daß die genannten Untersuchungsanord­

nungen auch mit Einzelfällen, also mit einer Intervention bei nur einem Patienten und vie­

len Meßzeitpunkten vor und nach der Interven­

tion, mit vielen Meßzeitpunkten unter Inter­

ventionsbedingungen und bei fehlender Inter­

vention durchzuführen und statistisch auszu­

werten sind (z. B. mit Hilfe von t-Tests, s. 13).

Diese Möglichkeit ist für die allgemeinmedizi­

nische Praxis von besonderer Wichtigkeit, weil die Vielzahl erforderlicher Messungen im Zu­

sammenhang mit Interventionen und bei feh­

lenden Interventionen erst aufgrund des oft langjährigen Arzt-Patient-Kontaktes in der all­

gemeinmedizinischen Praxis möglich ist.

Literatur

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Diskussion

Es konnten in diesem Beitrag nur Facetten des Verhältnisses von Rheumapatienten und Hausärzten behandelt werden. Unsere empi­

rischen Befunde sind darüberhinaus häufig noch von vorläufigem Charakter, teils aufgrund noch zu kleiner Stichproben, aufgrund von Besonderheiten des untersuchten Arzt-Patient-Kontaktes oder auf­

grund des Pilotcharakters der Studien.

Dennoch ergeben sich wichtige Ansatzpunkte für weitere Untersu­

chungen. Die Nachfrage nach therapeutischen Maßnahmen sowie nach Heilverfahren scheint von psychologischen Variablen auf sei­

ten des Patienten abhängig zu sein; die Seite und Rolle des Hausarztes in diesem Prozeß bleibt näher zu untersuchen. Unsere Arbeiten (7) zeigen einen sehr deutlichen Einfluß, den der Hausarzt auf die Nach­

frage und Compliance des Patienten haben kann - und Hausärzte wissen das. Das gilt in gleicher Weise für die Vorbereitung des Rheumapatienten auf ein Heilverfahren. Das besondere Dauerver­

hältnis des Hausarztes zu seinen Rheumapatienten erlaubt es dem Hausarzt, seinen Patienten die in unseren Untersuchungen angedeu­

tete Unterstützung für die erfolgreiche Vorbereitung und Durchfüh­

rung eines Heilverfahrens zu gewähren. Und besonders wichtig: Die Nachbereitung des Heilverfahrens durch den Hausarzt kann effek­

tiver gestaltet werden, eventuell in engerer Kooperation mit Betriebs­

ärzten (sofern das Leiden des Patienten arbeitsplatzbedingt sein sollte).

Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung kann auch im Zu­

sammenhang mit therapeutischen Maßnahmen, die der Hausarzt verordnet, in gleicher Weise wie beim Heilverfahren, vom Hausarzt effektiver gestaltet werden, vor allem, indem Motivationsaspokte auf seiten des Rheumapatienten vom Hausarzt stärker berücksichtigt und systematischer beeinflußt werden. Dies gilt auch für die Evalu- tion (und eventuelle Beibehaltung oder Veränderung) der hausärzt­

lichen therapeutischen Maßnahmen. Wir haben nicht nur gezeigt, wie naturheilkundliche Mittel in der allgemeinärztlichen Rheumabe­

handlung systematisch eingesetzt und evaluiert werden können, son­

dern haben auch auf einfache, vom Hausarzt anzuwendende Unter­

suchungspläne verwiesen, wie er die Effekte seiner Therapiemaß­

nahmen besser kontrollieren kann.

Diese Ergebnisse unseres Symposiums zu den entzündlichen und degenerativen Erkrankungen in der Allgemeinmedizin haben uns ermutigt, unsere Forschungsarbeiten fortzusetzen.

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Der Rheumapatient

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