Der Rheumapatient Fortbildung^
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ex juvantibus eingesetzt, es gibt eine Fülle an Erfahrungsmaterial, dem jedoch in der Regel eine Systematisierung fehlt. Es mangelt somit an wissenschaftlich gesichertem Erkenntnis
material aufgrund von erheblichen For
schungsdefiziten im Bereich der Naturheil
kunde.
Nur einige wenige systematische Untersu
chungen zum Thema Naturheilverfahren in der Rheumatologie wurden bislang publiziert. Als Fazit daraus kann festgestellt werden, daß es durchaus biogene Arzneistoffe gibt, denen bei dieser Indikation eine Wirksamkeit zugespro
chen werden kann.
Wirksamkeitsnachvveis eines naturgemä
ßen Behandiungskonzeptes
Im Rahmen der Methodenforschung als Teilas
pekt des Themas Wirksamkeitsweise von na
turgemäßen Heilmethoden führen wir seit Jahren eigene Untersuchungen durch (6, 20, 21, 22, 23). Einige Ergebnisse aus dem Projekt
»Naturheilverfahren in der Rheumatologie«
sollen im folgenden kurz vorgestellt werden.
Untersucht wurden zwei definierte Patien
tenkollektive jeweils mit rheumatoider Arthri
tis (RA) sowie mit degenerativen Gelenkser
krankungen (DGE), die sich einer naturheil
kundlichen stationären Behandlung unterzo
gen. Die beiden Kollektive wurden gemäß bestimmter Eingangskriterien in die Studie aufgenommen; die jeweilige Diagnose »rheu
matoide Arthritis« und »degenerative Ge
lenkserkrankung« wurde nach den üblichen rheumatologischen Standards erstellt. Damit war es von vornherein möglich, die Ergebnisse einem historischen Vergleich zu unterziehen.
Die methodische Vorgabe war, daß bei den Rheumapatienten nicht die Wirksamkeit einer einzelnen Therapiestrategie zu prüfen war, sondern daß die therapeutische Effizienz ver
schiedener, beim selben Patienten jedoch gleichzeitig eingesetzter Naturheilverfahren zu erfassen sei. Dies ermöglicht sogenannte Vor- her-Nachher-Vergleiche; in der vorliegenden Untersuchung bedeutet dies eine dreiwöchige stationäre Behandlungs- und damit Beobach
tungsdauer (in den Abbildungen als T 1 und T 2 bezeichnet) sowie eine dreimonatige Nachbe
obachtungszeit (T 3), innerhalb welcher die Anwendung der Naturheilverfahren unter am
bulanten Bedingungen fortgesetzt werden sollte.
Die Befunderhebungen bei den Patienten zu den Zeitpunkten T 1 (= Aufnahme in die Klinik) und T 2 (= Entlassung aus der Klinik) wurden
stets vom selben Untersucher, jeweils zur etwa gleichen Tageszeit vorgenommen. Der Befund zum Zeitpunkt T 3 (= nach etwa dreimonatiger ambulanter Behandlung) wurde mittels Befind
lichkeitsskalen vom Patienten selbst erstellt.
Kombiniertes Therapiemanagement
Als Basisbehandlung erhielten alle Patienten eine physikalische Therapie in Form von Kran
kengymnastik sowie individuell verordnete An
wendungen wie Massagen, Moorpackungen, Teil- und Vollbäder mit pflanzlichen Badezu
sätzen. Diätetische Maßnahmen wurden mit unterschiedlicher Intention eingesetzt; bei ei
nem Teil der Gruppe mit rheumatoider Arthri
tis als kurzzeitiges Heilfasten zur »Umstim
mung«; bei den Patienten mit degenerativen
Wie kann die Wirksamkeit einer Behandlung von Rheumapatienten vom Hausarzt geprüft werden? Wir beantworten diese Frage zu
nächst im Zusammenhang eines naturgemä
ßen Behandlungskonzepts. Am Beispiel der Evaluation einer naturheilkundlichen statio
nären Behandlung von Patienten mit rheuma
toider Arthritis sowie mit degenerativen Ge
lenkserkrankungen wird die Wirksamkeit der Kombination u. a. einer physikalischen Thera
pie, diätetischer Maßnahmen, von Homöopa- thika und von Neuraltherapie, von Phytothe
rapeutika sowie von Akupunkturbehandlungen geprüft. Im Vorher-Nachher-Vergleich ergeben sich u. a. Besserungen bei den erhobenen Ent
zündungsparametern, bei rheumatologisch re
levanten Parametern, bei Geschicklichkeit, Schmerz, Depression, Aktivität, Ängstlichkeit, Beeinträchtigung und beim Allgemeinzustand.
Im Kontrast zu dieser unter stationären Bedin
gungen durchgeführten Studie wird eine wei
tere Studie mit nur einem unter ambulanten Bedingungen verabreichten Therapieregime vorgestellt. Hierbei erweist sich die fixe Kom
bination eines homöopathischen Einzelmittels als wirksam bei verschiedenen rheumatholo- gisch relevanten Entzündungsparametern so
wie bei der Schmerzbeurteilung durch die Pa
tienten mit chronischer Polyarthritis. Abschlie
ßend berichten wir über die einfache Zeitrei
henanalyse, mit deren Hilfe der Hausarzt Wirk
samkeits-Studien selbst planen, durchführen und auswerten kann. Von besonderem Inter
esse für den Hausarzt ist hierbei, daß er auch Wirksamkeitsnachweise bei einzelnen Patien
ten durchführen kann.
Der Stellenwert der Naturheil
verfahren in der Rheumato
logie ist bisher kaum systema
tisch geprüft
Zum Inhalt
ZK
Der RheumapatientAlle Patienten wurden mit Homöopathika behandelt, zum großen Teil auch mittels Neuraltherapie
Gelenkserkrankungen als Null-Diät vor allem zur Gewichtsreduktion. Durchweg wurden die Patienten mit Homöopathika behandelt, zum großen Teil auch mittels Neuraltherapie, ln un
terschiedlicher Häufigkeit wurden Phytothera
peutika eingesetzt sowie Akupunktur-Behand
lungen durchgeführt; autogenes Training er
hielten nur einzelne Patienten. Die Indikations
stellung für die Anwendung der Verfahren orientierte sich am individuellen Befund des Patienten. Bei Entlassung wurde den Patienten eine Therapieempfehlung mitgegeben, die im weiteren Verlauf vom Hausarzt modifiziert werden konnte.
(10). Der mehrdimensional erfaßte Gesund
heitszustand anhand der MOPO-Skala (Meas
urement of patient outcome; vgl. 8, 9) war in den Subskalen »Geschicklichkeit«, »Schmerz«,
»Ängstlichkeit« ebenfalls signifikant gebessert wie auch die drei mit visuellen Analogskalen erfaßten Kriterien »Schmerz«, »Allgemeinzu
stand«, »Beeinträchtigung«.
Die drei Monate (T 3) nach der stationären Behandlung erfaßte Gesamtbefindlichkeit durch Selbsteinschätzung mittels der MOPO - und der visuellen Analog-Skalen ergab nur noch eine signifikante Besserung in der Sub
skala »Schmerz« (MOPO) (Abb. 2).
Mit naturgemäßen
Heilverfahren kann eine Bes
serung bei rheumatischen Krankheitsbil
dern erreicht werden
Ergebnisse bei den RA-Patienten
23 weibliche und drei männliche Patienten mit einem Durchschnittsalter von 51 Jahren wur
den in die Studie aufgenommen; die Erkran
kungsdauer betrug durchschnittlich fünf Jahre.
Für die Nachkontrolle (T 3) konnten nur die
TI T2 T3 Allgemeinzustand
T2 T3 Beeinträchtigung
Depressivität
Schmerz Ängstlichkeit
Abbildung 2: Selbsteinscbätzung (oben) und MOPO-Skalen (unten) bei Patienten mit rheumatoider .Arthritis (n = 23)
Verläufe von 19 Patienten herangezogen wer
den, da sieben Patienten die Erhebungsbögen trotz Erinnerungsschreibens nicht zurückge
schickt haben.
Im Vorher-Nachher-Vergleich (T 1, T 2) er
gaben sich statistisch signifikante Besserungen bei den erhobenen Entzündungsparametern, sowie in den rheumatologisch relevanten Pa
rametern Handkraftmessung rechts, Morgen
steifigkeit, Gelenkindex Landsbury/Ritchie (15) sowie Bewegungs-Funktionstest nach Keitel
Ergebnisse bei den DGE-Patienten
In die Studie wurden 22 Patienten (18 weibli
che und vier männliche) mit einem Durch
schnittsalter von 61 Jahren aufgenommen, wo
bei das Krankheitsbild durchschnittlich seit acht Jahren bestand. Für die Nachkontrolle (T 3) konnten 18 Patienten berücksichtigt wer
den; vier Patienten haben trotz Nachfrage nicht geantwortet.
Im Vorher-Nachher-Vergleich (T 1, T 2) la
gen auch in diesem Patientenkollektiv signifi
kante Besserungen vor beim Gelenkindex Landsbury/Ritchie, Bewegungsfunktionstest nach Keitel, Gelenksumfangmessung bei Gonarthrose und bei der Beweglichkeit des Kniegelenks sowie bei der Beweglichkeit der Hüfte (Abduktion/Adduktion). Signifikant ge
bessert waren in der visuellen Analog-Skala alle drei Kriterien (Schmerz, Allgemeinzustand, Beeinträchtigung) sowie mehrere Subskalen der MOPO-Skalen (Modalität, körperliche Akti
vität, Schmerz, Depression, Ängstlichkeit).
Bemerkenswert bei den DGE-Patienten ist aber, daß nach drei Monaten (T 3) weder in den visuellen Analog-Skalen noch in den MOPO-Skalen signifikante Unterschiede im Vergleich zum Zeitpunkt der stationären Auf
nahme vorhanden waren (Abb. 3).
Bewertende Zusammenfassung
Insgesamt sprechen die Ergebnisse dieses Pi
lotprojekts dafür, daß durch eine Behandlung mit naturgemäßen Heilmethoden bei rheuma
tischen Krankheitsbildern eine Besserung er
zielt werden kann und zwar vor allem in der Dimension Schmerz (vgl. Abb. 2), in den psy
chosozialen Dimensionen des Befindens, wie auch in den Bereichen der objektiven Meßver
fahren. Daß die Effekte jedoch drei Monate nach der Entlassung oft kaum mehr nachweis
bar sind, ist auch aus Untersuchungen mit
Der Rheumapatient Fortbildung^
einem konventionellen antirheumatischen Therapieregime bekannt. Im übrigen sollten die Ergebnisse auch Anlaß für eine kritische Diskussion der Methodologie klinischer Stu
dien sein. Der Vergleich einer Behandlung unter stationären Bedingungen, zumal noch monozentrisch, läßt nicht zwangsläufig Aus
sagen über eine ambulante, von verschiede
nen Hausärzten durchgeführte Therapie zu (Abb. 4).
auch aus hinlänglich bekannten Gründen nur wenige kontrollierte Studien mit Homöopathika gibt, so sind doch die Ergebnisse der von Gib
son und Mitarbeiter (5) publizierten Doppel
blindstudie bei rheumatoider Arthritis bemer
kenswert. Dabei waren unter individueller ho
möopathischer Medikation im Gegensatz zur Placebogruppe signifikante Besserungen in rheumatologisch relevanten Testkriterien fest
zustellen.
Homöopathika - Probleme zum Wirksam
keitsnachweis
Andererseits werden naturgemäße Heilmetho
den überwiegend in der hausärztlichen Praxis eingesetzt. Deshalb wurde im Rahmen der von uns initiierten Rheuma-Forschung auf diesem Gebiet der konzeptionelle Weg einer klinischen Studie mit nur einem Therapieregime gewählt.
Unter den Bedingungen des niedergelassenen Arztes sollte mit placebokontrolliertem, dop
peltblinden Studiendesign die Wirksamkeit ei
nes Homöopathikums bei chronischer Po
lyarthritis überprüft werden.
Mittelbarer Anlaß sind die bei verschiedenen Umfragen und Erhebungen festzustellende Verordnungshäufigkeit sowie die zunehmende Akzeptanz homöopathischer Arzneimittel, ei
ner ganz besonders kontrovers diskutierten Theapieform, gleichwohl sie als besondere Therapierichtung arzneimittelrechtlich veran
kert und u. a. durch eine eigene Arzneimittel
kommission am BGA vertreten ist. Wenn es
T2 T3
Allgemeinzustand Beeinträchtigung Schmerz
Skalenscore
Schmerz
TI T2 T3 TI T2 T3
Depressivität Ängstlichkeit
Abbildung 3: Selbsteinscbätzung (oben) und MOPO-Skalen (unten) bei Patienten mit degenarativen Gelenkerkrankun
gen (n = 22)
Doppelblindstudie mit einem homöo- patischen Arzneimittel
In der von uns durchgeführten placebokontrol
lierten Doppelblindstudie sollte die Wirksamkeit einer fixen Kombination homöopathischer Ein
zelmittel (»Komplexmittel«) überprüft werden, zu denen positive Aufbereitungsmonographien des Bundesgesundheitsamtes vorliegen. Als we
sentliches Studienziel wurde die Einsparung konventioneller, nicht-steroidaler Antirheuma
tika (NSAR) und Analgetika unter Berücksich
tigung der Schmerzintensität formuliert.
In die Studie wurden weibliche und männli
che Patienten mit rheumatoider Artritis aufge
nommen. Die Behandlungsdauer betrug zwölf Wochen. Zur Beurteilung des therapeutischen Effektes wurden die rheumatologisch relevan
ten Entzündungsparameter verschiedener Schmerzarten, Morgensteifigkeit, Ermüdbar
keit, der sog. Lee-Index (Behinderungen im täglichen Leben) sowie die Schmerzbeurteilung mittels visueller Analog-Skala herangezogen.
Für diese Kriterien ergab sich bei allen in die Studie aufgenommenen Patienten während der Behandlung eine deutliche Verbesserung; diese war jedoch bei den 58 Patienten der Verum- Gruppe deutlich stärker ausgeprägt als bei den 53 Patienten des Placebo-Kollektivs. Zu einer übergreifenden Beurteilung des Therapieer
folgs wurde anhand der Patiententagebücher der Verbrauch an Antirheumatika und Anal
getika sowie der Verlauf der subjektiven Schmerzbeurteilung zusammengefaßt. Dabei ergab sich eine signifikant bessere Wirksam
keit des Homöopathikums gegenüber Placebo, unerwünschte Wirkungen wurden nicht beob
achtet.
Fazit
Die Ergebnisse der beiden Studienbeispiele be
legen einmal mehr die Möglichkeit, naturge
mäße Heilverfahren unter besonderer Berück
sichtigung der Methodenforschung klinisch kontrollierten Studien zu unterziehen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer
interdiszi-Wesentliches Studienziel war die Einsparung von NSAR und Analgetika
Fortbildung Der Rheumapatient
Die Naturheil
verfahren müs
sen heraus aus der wissen
schaftlichen Grauzone
Methodisch wünschenswert sind minde
stens 50 Meß
zeitpunkte
plinären Zusammenarbeit. Andererseits - und das sollte deutlich sein - dürfen sich auch und gerade Naturheilverfahren nicht weiter in ei
ner wissenschaftlichen Grauzone bewegen. Im Hinblick auf ihre Verordnungshäufigkeit kann dies letztlich auch nicht im Sinne von Patient, Arzt und Versicherungsträger sein.
Evaluation mit Hilfe von Zeitreihen
Liegen mehr als zwei Meßzeitpunkte (wie im Fall von Vorher-Nachher-Messungen) vor und steht nur eine Stichprobe (im Extrem nur ein Patient) für die Datenanalyse zur Verfügung, dann empfiehlt sich die Anwendung von Zeitreihen. Gerade der Hausarzt hat Datenma
terial über seine Patienten, das aufgrund der Langzeitbetreuung viele Meßzeitpunkte umfaßt (methodisch wünschenswert sind mindestens 50 Meßzeitpunkte). So gesehen ist die Zeitreihe ein Verfahren, das für Evaluationen in der All
gemeinmedizin besonders geeignet ist (vgl. 24).
Planung einer Zeitreihen-Untersuchung Cook und Campbell (3) diskutieren unterschied
liche Untersuchungspläne, die für eine Zeitrei
henanalyse geeignet sind. Grundlegend für diese Zeitreihen ist, daß eine Intervention - wie etwa die Anwendung eines Medikamentes - die Zeitreihe unterbricht und sich der Effekt der Unterbrechung durch die Intervention in den Meßzeitpunkten zeigt. Ein solcher Unter
suchungsplan entspricht zunächst einer Vor- her-Nachher-Messung bei nur einer E.xperi- mentalgruppe, unterscheidet sich aber davon durch die Vielzahl der Vorher- und Nachher
Untersuchungszeitpunkt (Wochen) GRUPPE »ee Rheumaselect Placebo
Abbildung 4: Schmerzbeurteilung der Patienten (Mediane)
messungen. Vorteil dieser vielen Messungen ist, daß sich vor der Applikation der Interven
tion die für ein Patientengut typischen Verän
derungen, saisonalen Einflüsse, Lerneffekte etc. feststellen lassen, die interventionsunab
hängig Veränderungen in den Meßwerten be
dingen. Gegen diesen (möglichen Verände- rungs-) Trend vor der Intervention wird der (Veränderungs-) Trend nach der Intervention getestet. Unterschiede in den Vorher- und Nachhermessungen können auf die Interven
tion zurückgeführt werden, interventionsunab
hängige Einflüsse auf die Meßwerte können kontrolliert werden.
Die Schwäche eines solchen Versuchsplanes liegt vor allen Dingen darin, daß zeitgleich mit einer Intervention »Störgrößen« wirksam sein können, die die Meßwerte bestimmen. Soll diese Möglichkeit zeitgleicher Störgrößen kon
trolliert werden, ist die Einführung einer Kon- trollgruppe ohne Intervention vorzusehen. Bei dieser Kontrollgrupppe zeigt sich der Effekt der Störgröße unabhängig von der Intervention, gleichzeitig erlaubt die Kontrollgruppe (durch Vergleich mit der Interventionsgruppe) die Ab
schätzung der Dauer der Interventionseffekte.
Problematisch bei der Einführung solcher Kon- trollgruppen ist, daß sich die Meßwerte der Zeitreihen beider Gruppen dadurch unterschei
den können, daß sie unterschiedlichen Grund
gesamtheiten zugehören und sich jeweils in die Richtung ihrer Populationswerte entwickeln.
Problematisch bei unbehandelten Kontrollg- ruppen ist stets auch, ob und inwieweit das Auslassen einer Intervention ethisch vertretbar ist.
Kann eine Kontrollgruppe eingeführt wer
den, dann ist es günstig, wenn über viele Meß
zeitpunkte hinweg abwechselnd die eine Gruppe oder die andere Gruppe Experimental- (Interventions-) oder Kontrollgruppe ist. Das angesprochene ethische Problem kann so mi
nimiert, die (interne) Validität der Untersu
chungsergebnisse erhöht werden (3).
Kann man vermuten, daß eine Intervention sich auf verschiedene Verhaltens- und Erleb
nisbereiche einer Patientengruppe unter
schiedlich auswirkt, beispielsweise daß ein verordnetes Medikament die Intensität des Er
lebens von Schmerzen senkt, die körperlichen Bewegungsmöglichkeiten von Rheumapatien
ten aber erhöht, dann sollten parallel mehrere Zeitreihen für jede der unterschiedlichen Mes
sungen erhoben werden. Diese parallelen Zeitreihen mit erwarteten unterschiedlichen Verläufen erlauben es, die Validität des
unter-Der Rheumapatient Fortblldungjn
^JFA 1575
suchten Interventionskonzeptes (Konstruktva
lidität) zu erhöhen.
Wurden bei den bisher besprochenen Unter
suchungsplänen Zeitreihen vor einer Interven
tion mit Zeitreihen nach der Intervention ver
glichen, so lassen sich auch Zeitreihen planen, bei denen mehrere Messungen unter Bedin
gungen mit und ohne Intervention bei einer Stichprobe vorgesehen sind. Vorteilhaft ist es, daß die Veränderungen in den Meßwerten un
ter Interventions-Bedingungen sich umkehren müßten bei den Meßwerten ohne Intervention.
Ohne eine interventionsfreie Kontrollgruppe kann die Wirkung möglicher, mit der Interven
tion zeitgleicher Störgrößen, kontrolliert wer
den. Dieser Vorteil gilt insbesondere dann, wenn eine solche Zeitreihe mit mehreren Meß
zeitpunkten unter Interventionsbedingungen und fehlender Intervention mehrfach wieder
holt wird. Die Interventionseffekte sind verläß
licher, wenn sie jedes Mal unter den Interven
tionsbedingungen auftreten und jedes Mal aus- bleiben, wenn die Intervention ausgesetzt wird.
Bei solchen wiederholten Interventionen und ihrer Auslassung ist es günstig, wenn die Ein
führung einer Intervention und ihre Ausset
zung nach dem Zufall geschieht, also die jewei
ligen Zeitpunkte in der Meßreihe nach dem Zufallsprinzip gewählt werden. So kann der mögliche Effekt einer zyklischen Reifung, einer zyklischen Gewöhnung (z. B. an eine Medika
tion) kontrolliert werden (vgl. dazu ausführli
cher 11).
Interessant gerade für die Evaluation thera
peutischer Maßnahmen in der Allgemeinpraxis ist, daß die genannten Untersuchungsanord
nungen auch mit Einzelfällen, also mit einer Intervention bei nur einem Patienten und vie
len Meßzeitpunkten vor und nach der Interven
tion, mit vielen Meßzeitpunkten unter Inter
ventionsbedingungen und bei fehlender Inter
vention durchzuführen und statistisch auszu
werten sind (z. B. mit Hilfe von t-Tests, s. 13).
Diese Möglichkeit ist für die allgemeinmedizi
nische Praxis von besonderer Wichtigkeit, weil die Vielzahl erforderlicher Messungen im Zu
sammenhang mit Interventionen und bei feh
lenden Interventionen erst aufgrund des oft langjährigen Arzt-Patient-Kontaktes in der all
gemeinmedizinischen Praxis möglich ist.
Literatur
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Diskussion
Es konnten in diesem Beitrag nur Facetten des Verhältnisses von Rheumapatienten und Hausärzten behandelt werden. Unsere empi
rischen Befunde sind darüberhinaus häufig noch von vorläufigem Charakter, teils aufgrund noch zu kleiner Stichproben, aufgrund von Besonderheiten des untersuchten Arzt-Patient-Kontaktes oder auf
grund des Pilotcharakters der Studien.
Dennoch ergeben sich wichtige Ansatzpunkte für weitere Untersu
chungen. Die Nachfrage nach therapeutischen Maßnahmen sowie nach Heilverfahren scheint von psychologischen Variablen auf sei
ten des Patienten abhängig zu sein; die Seite und Rolle des Hausarztes in diesem Prozeß bleibt näher zu untersuchen. Unsere Arbeiten (7) zeigen einen sehr deutlichen Einfluß, den der Hausarzt auf die Nach
frage und Compliance des Patienten haben kann - und Hausärzte wissen das. Das gilt in gleicher Weise für die Vorbereitung des Rheumapatienten auf ein Heilverfahren. Das besondere Dauerver
hältnis des Hausarztes zu seinen Rheumapatienten erlaubt es dem Hausarzt, seinen Patienten die in unseren Untersuchungen angedeu
tete Unterstützung für die erfolgreiche Vorbereitung und Durchfüh
rung eines Heilverfahrens zu gewähren. Und besonders wichtig: Die Nachbereitung des Heilverfahrens durch den Hausarzt kann effek
tiver gestaltet werden, eventuell in engerer Kooperation mit Betriebs
ärzten (sofern das Leiden des Patienten arbeitsplatzbedingt sein sollte).
Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung kann auch im Zu
sammenhang mit therapeutischen Maßnahmen, die der Hausarzt verordnet, in gleicher Weise wie beim Heilverfahren, vom Hausarzt effektiver gestaltet werden, vor allem, indem Motivationsaspokte auf seiten des Rheumapatienten vom Hausarzt stärker berücksichtigt und systematischer beeinflußt werden. Dies gilt auch für die Evalu- tion (und eventuelle Beibehaltung oder Veränderung) der hausärzt
lichen therapeutischen Maßnahmen. Wir haben nicht nur gezeigt, wie naturheilkundliche Mittel in der allgemeinärztlichen Rheumabe
handlung systematisch eingesetzt und evaluiert werden können, son
dern haben auch auf einfache, vom Hausarzt anzuwendende Unter
suchungspläne verwiesen, wie er die Effekte seiner Therapiemaß
nahmen besser kontrollieren kann.
Diese Ergebnisse unseres Symposiums zu den entzündlichen und degenerativen Erkrankungen in der Allgemeinmedizin haben uns ermutigt, unsere Forschungsarbeiten fortzusetzen.
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