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Vergleichende morphometrische Untersuchungen im AVCN

Im Dokument 1. Histologische Aufarbeitung (Seite 177-180)

6. Alterbedingte Veränderungen im CN

6.1 Vergleichende morphometrische Untersuchungen im AVCN

Willott et al. (1987) benutzte in seinen Untersuchungen zwei genetisch verschiedene Mäusestämme, um altersbedingte Veränderungen im AVCN zu untersuchen. Zum einen verwendeten sie den C57BL/6J- Stamm, der genetisch bedingt einen im jungen Erwachsenenalter einsetzenden, progredienten chronischen, cochleären Hörverlust aufweist. Dieser zeichnet sich durch substantiellen Ganglienzellverlust vor allem im basalen Teil der Cochlea aus. Zum Vergleich verwendeten sie den CBA/J-Stamm, welcher erst spät im Leben einen moderaten Hörverlust aufweist. Somit konnten sie direkt durch den Vergleich altersgleicher Tiere beider Stämme Veränderungen im AVCN zum einen auf peripher bedingten Einfluss (C57 Mäuse) oder auf Alterungsprozesse per se (CBA Mäuse) zurückführen.

Bei beiden Stämmen zeigten sich keine signifikanten Volumenänderungen des AVCN als Funktion des Alters. Die Zellzahlen und Neuronendichten nahmen bei den C57 Mäusen während der initialen Phase des Hörverlusts zwischen 2 und 7 Monaten

signifikant ab, blieben aber trotz fortschreitenden peripheren Hörverlusts über die weitere Lebensspanne konstant. Der Rückgang der Neuronendichte zeigte sich besonders im dorsalen Bereich (hohe Frequenzen) des AVCN ausgeprägt. Bei den CBA Mäusen zeigt sich ein Rückgang in Zellzahl und Dichte nur im zweiten Lebensjahr. Die Tatsache, dass C57 Mäuse in höherem Alter, wie es bei den CBA Mäusen der Fall ist, nicht noch einen zusätzlichen Zellverlust aufweisen oder auch, dass sie trotz progredientem Hörverlust ab 7 Monaten keinen weiteren Zellverlust aufweisen, deutet darauf hin, dass der Neuronenverlust nicht einfach eine Funktion verminderten peripheren Inputs ist. Willott et al. (1987) schließen daraus, dass der AVCN besonders anfällig auf periphere Störungen im jungen Erwachsenenalter und auch spät im Leben reagiert und dass chronische Beeinträchtigung nicht in beliebig fortlaufenden Zellverlusten resultiert. Dies bestätigten Willott und Bross (1996) in einer Folgearbeit, in der sie morphologische Veränderungen in DBA/2J und C57 Mäusen verglichen. DBA Mäuse entwickeln schon ab 4 Wochen einen beschleunigten cochleären Schaden, beginnend im hochfrequenten Bereich. Im Vergleich zu C57 Mäusen entwickelt sich ihr Hörverlust früher und mit höherer Intensität. Dabei stellten die Autoren fest, dass die morphologischen Veränderungen im AVCN bei den DBA Mäusen denen der C57 ähneln, nur entwickelten sie sich eben zu einem früheren Zeitpunkt. Nach einem Jahr waren die morphologischen Veränderungen auf Gleichstand.

In einem anderen Versuch untersuchten Willott et al. (1994), inwieweit chronische cochleäre Schädigung auf die Morphologie des CN Einfluß nimmt. Dabei setzten sie CBA Mäuse unterschiedlicher Altersgruppen beginnend ab 2 Monaten unterschiedlich lang konstantem Breitbandrauschen mit 135 dB aus und verglichen sie mit entsprechend alten Tieren ohne auditiver Behandlung (Kontrollgruppe). Sie konnten zeigen, dass die AVCN-Volumina sich in allen beschallten Altergruppen verglichen zu altersgleichen Kontrollgruppen signifikant verringerten, ebenso erhöhte sich die Neuronendichte, weil die Zellzahlen im Netto fast unverändert blieben, was auf einen Verlust des Neuropils und somit der Innervation hinweist. Einen additiven Effekt zum Alter konnten sie nicht feststellen. Ebenso trug die Dauer der Beschallung, also die Chronizität, zu keiner zusätzlichen Veränderung bei.

Willott et al. untersuchten nochmals die Frage, ob Mäuse im jungen Erwachsenenalter tatsächlich sehr empfindlich auf periphere Störungen reagieren, so wie Willott et al. es 1987 bei C57 Mäusen feststellte (diese erleiden genetisch bedingt

zwischen 1 und 7 Monaten cochleären Hörverlust). Somit müssten CBA Mäuse, die ab 2 bis 6 Monaten beschallt wurden, im Vergleich zu Mäusen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt beschallt wurden, entsprechend deutlichere Schäden aufweisen.

Willott et al. (1994) konnten keinen Beweis erbringen, dass peripherer Schaden einen größeren Effekt im CN bei jungen erwachsenen Mäusen nur aufgrund des Alters per se hervorruft. Sie führten genetische Gründe als Ursache für den signifikanten Verlust von Zellzahlen und Neuronedichten bei C57 Mäusen an. Das Lebensalter in dem peripherer Schaden in der ausgereiften Cochlea eintrat, schien generell keinen Einfluss auf das Ausmaß zentraler Veränderungen zu haben.

Gleich und Strutz (1997) untersuchten beim „unausgereiften“ Gerbil einen altersbedingten Effekt in Abhängigkeit des Zeitpunkts einer direkten Gehörschädigung auf das Volumen der CN-Unterkerne. Dazu zerstörten sie die Funktion der Gehörknöchelchen im Mittelohr auf der rechten Seite des Gerbils bei vier verschiedenen Altersgruppen (P12-14, P20-21, P42 und P85). Hier wurde im Gegensatz zu den weiter oben aufgeführten Arbeiten bei Mäusen nur die Schallübertragung durch das Mittelohr beeinträchtigt und keine Schädigung der Cochlea angestrebt. Die Tiere wurden alle bis zu einem Alter von 6 Monaten gehalten. Die quantitative Analyse von P12 und P14 zeigte, dass sich das Neuropil-Volumen des AVCN auf der deprivierten Seite im Vergleich zur undeprivierten Seite um fast 20% reduzierte. Mit späteren Deprivationszeitpunkten nahm die Größe der Volumenreduktion ab. Es zeigte sich in Bezug auf den Deprivationszeitpunkt ein altersbedingter Effekt. Ab einem Alter von 3 Monaten, bei dem das Hörsystem ausgereift war, führte eine Deprivation zu keiner Volumenreduktion, blieb für diesen Messparameter also uneffektiv. Andere Untersuchungen von Gleich et al. (1998), die sich mit dem postnatalem Wachstum der CN- Unterkerne des Gerbils beschäftigten, zeigten für das Volumen des AVCN eine deutliche Volumenzunahme nach dem Einsetzen der Hörfähigkeit mit 12 bis 14 Tagen, bis es sein Maximum mit 3 bis 4 Monaten erreicht hat. Der Zeitpunkt, an dem Hörschädigung uneffektiv wird, fällt genau mit dem Ende des Wachstums des AVCN zusammen. Deshalb schlossen Gleich und Strutz (1997) auf eine „sensitive oder kritische Periode“, in der direkte Hörschädigung auf das Volumen des AVCN Einfluss nehmen kann. Sie endet beim Gerbil, wenn das natürliche postnatale Volumenwachstum mit 3 bis 4 Monaten eingestellt ist.

Gleich und Strutz (1997) konnten beim Gerbil gut verdeutlichen, dass es sich um einen Rückgang des Neuropilvolumen handelt. Die Zellsomata der Prinzipalzellen im AVCN erreichen ihre endgültige Größe schon mit Abschluß des 12. Lebenstages und bleiben somit wahrscheinlich von der Hörschädigung unbeeindruckt.

Vergleichend mit anderen Spezies zeigte sich auch bei der Maus (Webster, 1988) und bei der Ratte (Coleman et al., 1982) diese kritische Periode während der postnatalen Reifung, wobei das Ausmaß des Volumenrückgangs ebenfalls vom Zeitpunkt und der Art der Hörschädigung währen dieser Phase abhing.

In einer Deprivationsstudie am Gerbil konnte Hashisaki et al. (1989) die Auswirkung des Zeitpunkts einer Cochleaentfernung auf die Zellzahlen im AVCN untersuchen.

Sie verglichen Tiere, die mit einer Woche und mit 20 Woche depriviert wurden und untersuchten jeweils nach 2 Tagen bzw. 2 und 9 Wochen die Veränderungen an den Zellzahlen. Gerbils mit einer Woche zeigten bereits nach 2 Tagen einen Rückgang der Neuronenzahl um 35%, bei der Untersuchung nach 2 Wochen um 58% und nach 9 Wochen um 59%. Bei den Tieren, die mit 20 Wochen ertaubt wurden, konnte sowohl nach 2 Tagen, als auch nach 2 Wochen kein Zellrückgang gefunden werden.

Auch diese Daten bestätigen das Vorliegen einer sensiblen Phase.

Im Dokument 1. Histologische Aufarbeitung (Seite 177-180)