• Keine Ergebnisse gefunden

3 . Vergleich des Code de la Familie 193 mit den entsprechenden Passagen des mälikitischen Rechts 194

Die Basis für den Vergleich zwischen dem algerischen Familienrecht von 1984 und dem klassischen mälikitischen bilden einerseits derarabische Textdes CF 195undandererseits die Risäla des Ibn al -QairawänT sowie der Muljtasar des HalTlb. Ishäq. Ein Großteil der Sekundärliteratur entstand Anfang bis Mitte dieses Jahrhunderts, da das französische Justizwesen in AlgerienGesetzeskommentare in französischer Sprache als Handwerkszeug brauchte. Ausdemselben Grundstammen vieleÜbersetzungen vonklassischen juristischen Texten aus der Kolonialzeit."6 Die Kolonialherren maßen der Religion auf juristischem Gebiet große Bedeutung bei ,denn sie waren der Überzeugung,in"Muhammadan countries,it

isthelaw,that has mouldedthepeople,and notthepeople thelaw " .m

Der CF wurdenach über20JahrenUnabhängigkeit undSozialismus verabschiedet, die, so möchte manmeinen , nicht ohne Einfluß auf die Gestaltung des Familienrechts geblieben sind. Andererseits wurde er zu einer Zeit verabschiedet , als auchinAlgerien zunehmend Teile der Bevölkerung für eine Reislamisierung eintraten. Vor diesem Hintergrund ist es besonders interessant,zu untersuchen,welche Tendenz der CFaufzeigt .Die Frage drängt sich auf, obim Spannungsverhältnis zwischen einem stärkerwerdenden Einfluß des Islam auf daspolitische und soziale Leben und der Forderung gebildeter Kreise nach Fortschritt und Emanzipation der Geschlechter dieses Gesetz sich verstärkt an islamischen Prinzipien orientiert oder den Schritt

wagt, sich davon zu distanzieren. Ein Wagnis wäre es deshalb , weil der Bereich der Familiengesetzgebung imKoran umfassend behandeltwird.Eine Kodifizierung bedeutetimmer eine wichtige Neuerung,gehtes doch um die präzise Auslegung derSarl' a.

193 Im folgenden der Einfachheit halber mit CF abgekürzt .

194 Ich beziehe mich auf das islamische Recht in Fällen , wo bei den verschiedenen Rechtsschulen einheitliche Regetungen auf koranischer Grundlage bestehen . Spreche ich im folgenden vom mälikitischen Recht , so stütze ich mich dabei auf die bereits erwähnten Schrillen Ibn Qairawärus und lbn Ishäqs. An Stellen, bei denen diese beiden nicht übereinstimmen , verweise ich namentlich auf den Autor .

Die französische Übersetzung ist in vielen Punkten nicht nur unpräziser , sondern weicht offensichtlich leicht vom arabischen Original ab , weshalb ich es vorziehe , mich auf den Originaltext zu stützen . Die deutsche Teilübersetzung in Bergrnann/Ferid , Eherecht 1990, S. 15-24 ist ebenfalls mit Vorsicht zu genießen , da sie auf der französischen Übersetzung basiert und die Übersetzung ins Deutsche noch zusätzliche Ungenauigkeitcn beinhaltet .

196 Ein entsprechendes Beispiel aus dem deutschen Sprachraum stellt die deutsche Kodifizierung des hanafttischen Familienrechts in Österreich -Ungarn für die bosnischen Untertanen dar , erschienen unter dem Titel : ' Eherecht , Familienrecht und Erbrecht der Mohamedaner nach dem hanafttischen Ritus' , Wien 1883.

Ruxton , Law, S.V.

Besondere Bedeutung kommt diesem Gesetz auch deshalb zu, weil es das erste Familienrecht

ist ,das ohne Einschränkung füralle algerischen Bürgergilt .Bis zudiesem Zeitpunkt existierten janoch vierverschiedene Rechtssprechungen bezüglich des Personenstandes gleichberechtigt nebeneinander: die iart' a, der Code Civil Francais, das ibäditische Recht und das Gewohnheitsrecht der Kabylen . Die beiden letztgenannten waren zwarin diesem Jahrhundert einigen Reformen unterzogen worden , um sie dem geltenden islamischen oder dem französischen Recht anzunähern,aberdiejuristische Uneinheitlichkeit blieb bestehen undstellte die Rechtsprechenden immer wieder vor neue Probleme,vor allem bei gemischten Ehen. "8 In vielen islamischen Ländern wird in der Verfassung die Sart'a als Hauptquelle für die Gesetzgebung festgeschrieben."9Im Gegensatz dazu erklärt Art .6der algerischen Verfassung die Nationalcharta zurGrundlage von Politik und Gesetzgebung des Landes.Die Charta legt großen Wert auf die Gleichberechtigung der Geschlechterund die Förderung der Frauen,

Werte ,die zumindest imislamischen Familienrecht nicht verankert sind.Da der CF langenach der tunesischen Magalla ( 1956 )und der marokkanischen Mudawwana ( 1957 - 58 )verabschiedet

wurde , konnte der algerische Gesetzgeber auf die Erfahrungen seiner Nachbarländer zurückgreifen . In diesem Kontext istes von besonderem Interesse , ob er sich dabei näher an der restriktiven Mudawwana oderander sehr liberalen Magalla orientiert hat .200

Das Algerische Familienrecht besteht aus 223 Artikeln,dieinvier Bücher aufgeteiltsind.Das erste handelt von Ehe undEheauflösung, das zweite von derRechtsvertretung , das dritte behandelt Erbfragenund im letzten sind Bestimmungen zum Testament,zu Schenkungen und religiösen Stiftungen(auqaf/ahbäs ; Sg. waqf/hubs) niedergelegt. Im folgenden werden die Artikel1-57 des ersten Buches untersucht,die sich mit der Eheschließung,den Auswirkungen des Ehevertrages auf die Ehepartner und der Eheauflösungbeschäftigen. Besonderes Augenmerk muß dabeiauf die mit dem CF nicht abgedeckten Fragestellungen gerichtet werden , denn hierbei tritt stetsArt .222in Kraft:

In allenFällen,zu denen dasvorliegende Gesetzschweigt ,berufe mansich auf die Bestimmungen des islamischen Rechts.

191 Zu den verschiedenen Rechtsstatuten und den realisierten sowie den nie umgesetzten Reformen mit dem Ziel einer Vereinheitlichung s. Borrmans , Lignes , S.65ff .

199 So z .B. in Bahrain , Ägypten , den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Libyen . Hamdan , Difficultes , S. 1005.

200 Vgl . dazu Jahel , La famille musulmane dans ies codesarabes , 1992, und Borrmans , Le nouveau codealgc' rien de la famille dans l' ensemble des Codes musulmans de Statut personne !, principalement dans Ies pays arabes , 1986. Für einen umfassenden Vergleich s. den Rechtskommentar zum CF von ' Abd al-' AzTzSa ' d , Az-zawäg . Er stellt seinen Kommentaren zu den einzelnen Artikeln des CF jeweils die entsprechende Rechtslage in Marokko , Tunesien und Syrien voran .

51

Dieser Artikelistdas wichtigste Indizdafür,daß sich der22Jahre nach der Unabhängigkeit des sozialistischen Algerien verabschiedete CF imKern am islamischen Recht301und nichtan

Art .39-41 der Verfassung Algeriens orientiert.202

Da in Nordafrika diemälikitische Rechtsschule vorherrscht, istdavonauszugehen, daß die Juristenin Zweifelsfällen zuerst aufderenrechtliche Regelungen zurückgreifen.Aus diesem Grund sind im folgenden Text die Passagen des mälikitischen Rechts den entsprechenden des

CF vorangestellt.WoimCF nichts Gegenteiliges erwähnt wird,giltinder Regel dasklassische Recht mälikitischerAusprägung, auch wenn diesnicht ausdrücklich erwähntwird .203Doch auchArt.222 läßt vielesim Dunkeln ,daer den Rückgriff allgemein auf das islamische-nicht also speziell das mälikitische -Recht vorschreibt.Dadurch bleibt der Judikative theoretisch die Möglichkeit,das liberalere hanafitische Recht anzuwenden,auf das die algerische Legislative selbst anmanchen Stellen zurückgreift.Sehr oft sind es die nach europäischem Verständnis misogynen Bestimmungen derfarfa,wie z . B .Beschränkungen der Bewegungsfreiheit derFrau oder das Züchtigungsrecht desMannes , dieimCF nicht erwähnt werden , ohne dadurchjedoch außer Kraft gesetzt worden zu sein. Will man die durch den CF tatsächlich geschaffene Rechtssituation der algerischen Frauen beurteilen, ist es deshalb unabdingbar, Rechtskommentare zum CF zu Ratezu ziehen .204

3 . 1 .Juristische Definition der Ehe

Nach klassisch islamischem Verständnis ist die Ehe ein zweiseitiger zivilrechtlicher Vertrag. Als Gegenleistung fürMitgift und Unterhalt an seineFrauerhält derMann das Recht , eine intimeBeziehung mit ihr zuunterhalten. Die Ehe erfüllt denZweck , in legalem Rahmen sexuelle Bedürfnisse zubefriedigen,Kinder zuzeugen und deren Abstammung sicherzustellen.

*" Eine Entsprechung findet sich auch im Zivilgesetz . In Art. 2 heißt es : Wenn keine Gesetzesverordnung (disposilion legale) existiert , urteilt der Richter nach den Prinzipien des muslimischen Rechts und in Ermangelung dessen nach dem Gewohnheitsrecht . 1(0 Art . 2 erklärt zwar : "Der Islam ist Staatsreligion ". Dies bildet jedoch meines Erachtens keine ausreichende Basis, um die Verfassung dort außer Kraft zu setzen , wo sie in Widerspruch zur mälikitischen Interpretation des Familicnrechts steht . Zumal kein Gesetzgeber verpflichtet ist, sich slringent an eine Rechtsschule zu halten, wie auch die oben erwähnte Aufnahme hanafitischer Elemente in den algerischen CF belegt .

*" Ich stütze mich für die Darstellung des mälikitischen Rechts in Einzclfragcn auf Bousquet , PnScis 1950; Charnay , Vie 1965; Milliot , Introduction 1953; Santillana , Istituzioni 1925; Shukri , Law 1917; Zeys , Traile 1885. Neuere Untersuchungen sind Bellefonds, Trailf 1973; Benmelha , Elements 1985; Borrmans , Statut 1977; Bousquet , Ethique 1990; Forstner , Ehe- und Kindschaftsrecht 1985.

204 Ich habe mich bei meiner Untersuchung hauptsächlich auf folgende , in Algerien erschienene Werke gestutzt ; FadTlSa' d , Sarh qänün al-usra l-gazä' iri fTz-zawäg wa' t-taläq , Algier 1986; ' Abd al-' AzTzSa' d (Präsident des Gerichtshofes von Annaba), Az-zawäg wa 't-taläq ITqänün al-usra l-gazä ' iri, Constantine 1986. Beide berücksichtigen in großem Maße auch die islamrechtliche Seite. Kritische Kommentare von islamischer Seite sind; Muhammad Muhadda , ahkäm al-asäsiyya fT'l-ahwäl as-sahsiyya : AlH'lba wa ' zzawäg, Batna o .J . sowie Mihri alMaulüd b . ' Ammär al' AtawT, Taqrirät wamulähazät ' alä mudawwanat alahwäl ai

-«"bsiyya l-gazä' iriyya wa-ta' liqät haula milaff al-usra , Constantine 1985 (2 . Aufl.) .

52

Deshalb sollte einMann ,der nichtin der Lageist ,eine Frau zuunterhalten oder denehelichen Pflichten nachzukommen , nicht heiraten.

Der CF hat sich von dieser Definition zumindest vordergründig weit entfernt . Das Ziel einer Eheschließung(zawäg)m liegt ihm zufolge im Schutz der Familie als "Keimzelle der Gesellschaft"(haliyya asäsiyyaWl-mugtama ';Art .2 ). DasFamilienleben soll gründen auf engen Zusammenhalt,gegenseitige Verantwortlichkeit ,gute Gemeinschaft,gute Erziehung,eine gesunde Moral und der Beseitigung sozialer Mißstände (ta'tamidu l -usratufl haydtihä 'alät -taräbuti wa -takäfuliwa -husnil -mu 'äSaratiwa't -tarbiyyatil -hasanati wa -husnil-huluqiwa -nabdi l -äfäti l -igtimä' iyya ; Art . 3 ) .306 Direkt ist weder die Legalisierung sexueller Beziehungen noch dasZiel,Kinder zubekommen, Bestandteil dieserDefinition.207Indirekt allerdings ergibt sich dies aus der Verwendung des Begriffes 'Familie ' und nicht 'Ehe' sowie

aus dem Umstand,daßim CF z .B .Unfruchtbarkeit alsScheidungsgrund gilt. "Der Gesetzgeber definiert die Heirat auf der Grundlage seines Zieles und übergeht stillschweigend ihren

Zweck. "701

Obwohl die Rolle derFamilie mit neuen Inhalten wie Partnerschaft und gemeinsame soziale Verantwortung gefüllt wurde , dieden Bestimmungen des Familienrechtsals Folie zugrunde

liegen, gibt dasGesamtwerk diesesGesetzes doch ein anderesBildab, wie sich vor allem anhand des Scheidungsrechtes zeigen wird :Die Basis der Familie bilden nicht dieEhepartner mit Kindern,sondern der Mann und seine Kinder , die Frau bleibt zumindest juristisch gesehen ohne größere Probleme austauschbar.

3 . 2.Verlobungftiitha )

Indermälikitischen Rechtsschule ist die Verlobung ein Heiratsversprechen ohne Rechte und Pflichten für die Verlobten.309Bei einem Vertragsbruch seitens der Frau muß diese alle

201 Anstelle des Terminus zawag kann auch nikäh verwendet werden . Ursprünglich hatte nikäh die Bedeutung von Beischlaf , wird aber schon im Koran im Sinne von Ehevertrag verwendet . 'Urs dagegen bezeichnet die Hochzeitszeremonie . Vgl . EI2, Artikel Nikäh, El Alami , Marriage , S. lOf. sowie EI1, Artikel ' Urs .

206 Zur sozialen Realität vgl . Forstner , Eherecht , S.200 .

297 Zum nach westlichem Verständnis hohen Stellenwert der Liebe als Motiv für eine Eheschließung im Vergleich zur Bedeutung , die Muslime der Liebe als Voraussetzung für eine eheliche Verbindung beimessen , vgl . Charnay , Vie, S .27-31 .

101 Dennouni , Disposition , S.712 .

209 Es bestehen große Divergenzen darüber , ob sich mit der Verlobung bereits dieselben rechtlichen Verpflichtungen wie bei einer Eheschließung verbinden oder nicht . Eine Zusammenfassung beider Standpunkte findet sich bei Mahgüz , Ahkäm, S.22f .

Geschenke zurückgeben,es sei denn,siewaren eindeutigals Geschenk und nicht schonalsTeil der Mitgift gedacht . Löst der Mann denVertrag , darf sie alles behalten . DiesesVersprechen wird durch dasRezitieren derEröffnungssure des Korans(al-Fätihaf '° vor Zeugen bereits zu einer vorgezogenen Eheschließung.211

Auch nachArt . 4des CFist die Verlobung nurein Versprechen zwischen Mann und Frauohne vertragliche Bindung.212Allerdings können hier beide Seiten jederzeit von ihremVersprechen zurücktreten, auch wenn die Verlobung von der Fätiha begleitet wurde oder ihr eine unbestimmte Zeitvorausging. Damit trennt der CF klar zwischen Heiratsversprechenund

Heirat . Den finanziellen Schaden trägt der oder die Zurücktretende:DerMann muß auf alle Geschenke der Frau verzichten,die Frau nicht verbrauchte Geschenke zurückgeben.

Das Rezitieren der Fätihabei oder nachderVerlobung ohne eine zwingend daraus folgende Eheschließung widerspricht somit der Bedeutung dieses Aktes in der mälikitischen Rechtsschule:Waresfrüher noch ein nach allgemeinem Verständnis bedeutendes Element der hitba und besiegelte den Heiratsvertrag, so ist es nach neuem Recht nur noch mit einer Verlobung gleichzusetzen.

Fätiha-Ehen gelten somitnach juristischen Maßstäben alsnichtig ,werden aber meistweiterhin von den beiden Parteien als legal angesehen.Der algerische Gesetzgeber trägt dieser Tatsache insofern Rechnung,alserdie nachträgliche Legalisierung vonFd / fTia -Ehen durch richterlichen Beschluß oder die Eintragung ins Zivilstandsregisteroffiziellzuläßt .213 Sa 'd sieht dafür folgenden Grund :

Die algerischenGesetzgeber konnten oderwollten das Abschließen vonEheverträgen per Fätiha nichtverbieten . Siewollten die Gefühle der religiös gesinnten Bürger schützen und ihreVerbundenheitzuden islamischen Traditionen undBräuchen™

Vgl . auch EP , Art . Fätiha .

311 Forstner , Eherecht , S.201 . Bousquet vertritt dagegen die Meinung , daß die beiden Parteien im Prinzip bereits nach dem Austausch ihres Einverständnisses als verheiratet gelten , ohne daß sich allerdings daraus rechtliche Ansprüche ableiten ließen . Dem ., Precis , S.lllf .

" ' Sa' d , Az-zawäg, S.65f .

3" Glaubwürdiger und effektiver wäre z .B. eine Übergangslösung gewesen , die nach Ablauf einer bestimmten Frist eine nachträgliche Registrierung von Fätiha-Ehen untersagt hätte .

114 "Käna 1-muSarri 'laui l-gaza 'inyyuna la yuMOna an la yastatl 'ttna an yamna 'a ibrtma 'uqiläi z-zawBgi bi 'l-fanha . wa k&nüyurrdüna l-muhöfazata 'alamaSü 'iri l-muwälinlhad -dfhryyati wa- 'alala 'alluqthim bi 't-taqalrdi wa 'l-a 'räfi l-islamiyya." Ders ., Az-zawäg, S.60 .

3 .3.Voraussetzungen und Grundelemente der Heirat

3 .3 . 1.Heiratsalter

Wie die meisten Gesetzbücher unterscheidet auch das islamische Recht zwischen der Volljährigkeit (ruSd),mit derdie volle Geschäftsfähigkeit eines Individuums eintritt und die elterliche Gewalt oder eine Vormundschaft endet ,und der Ehemündigkeit (ahliyya zaugiyya ). Kriterium für beidesistentweder eine festgelegte Altersgrenze oder aberdie Entlassungaus der Vormundschaft durch den Vormund, wenn dieser seinem Mündel die genügende Reife attestiert. Die Volljährigkeit für Algerier und Algerierinnen beginnt im Alter von 19 Jahren.2'5

Dasislamische Recht setzt keinMindestalter fest , um einen Ehevertrag zu schließen. Der Vollzug der Ehe sollte aber erst nach Eintritt der Geschlechtsreife (bulag) stattfinden. Sie beginnt bei Mädchen mit der ersten Menstruation216 und bei Jungen mit deren erstem nächtlichen Samenerguß. 217Jungen dürfen zwar vor der Pubertät eine Ehe eingehen , abererst nach ihrer ersten Ejakulation haben sie auchdie juristischen Konsequenzen zutragen , z . B .die Erfüllung der Unterhaltspflicht (nafaqa )gegenüber der Ehefrau.

In Algerien galt schon vor Verabschiedung des FamilienrechtseinMindestheiratsalter : Die

1963 verabschiedete Lex Stefani legte das Heiratsalter auf 15 bzw. 18 Jahre fest.218 Im CF nun wurde dasMindestalter für Männerauf 21 Jahre und für Frauen auf 18Jahre festgelegt.219Damit hat Algerien das höchste Mindestheiratsalter derislamischen Länder.Der Mannist somit- imGegensatz zur Frau -bei der Hochzeit volljährig.220

211 Die in Art . 86 des CF erwähnte zivilrechtliche Volljährigkeit beruht auf Art . 40 des Zivilgesetzes .

116 Das islamische Recht unterscheidet zwei Arten von Ehefrauen vor der Pubertät : diejenigen , die auf Grund ihres Alters nicht den Geschlechtsakt vollziehen können und diejenigen , welche man trotz ihrer geschlechtlichen Unreife als fähig erachtet , ihrem Mann beizuwohnen . Bousquet, Precis , S. 100 u . ders ., Age , S.32f .

117 Borrmans , Statut, S. I6 .

111 Danach waren Ehen zwischen Minderjährigen vor ihrem Vollzug ungültig , nach Vollzug annullierbar , bei Nichteinhaltung waren Sanktionen vorgesehen . Gref , Frauen , S. 18.

1,9 Der CF spricht nicht vom Heiratsmindestalter , sondern vom ErTeichen der Ehefähigkeit ( taklamilu ahliyyatu rra $ullal -mar 'a Jf z-zawäg ; Art . 7) .

Zum Vergleich : Marokko ( 18/ 15) , Tunesien (20/ 17) , Ägypten ( 18/ 16) , Syrien (18/ 17), Jordanien ( 16/ 15), Irak ( 18/ 18) und Kuwait ( 17/ 15) . Borrmans , Code , S. 134.

Theoretischbedeutet dieFestlegung undHeraufsetzung desMindestheiratsalters eine große Einschränkung: Das verbreitete und auch von der Mälikiyya propagierte Ideal der frühestmöglichen Verheiratung zur VermeidungvonUnzucht(also vorehelichem Verkehr )kann nicht mehr verwirklicht werden .Eine strikte Durchsetzung dieses Gesetzes könnteKinder ,vor allem aber Mädchen , davor schützen , durch eine Ehe im Kindesalter psychischen und physischen Schaden zu nehmen . Die algerische Regierunghoffte, mit dem Verbot von Frühehen eine Senkung der Geburtenrate zu erreichen.221

In der Praxis aber zeigt dieses Gesetz zumindest in den ländlichen und daher schwer kontrollierbaren Gebieten nicht die erhoffte Wirkung.Auch heute noch handeln dieEltern in frühen Jahren Heiraten zwischen ihren Kindern aus, wenn auch in weit geringerem Maße als

früher .222Zudem hat der Gesetzgeber hier eine Hintertüreingebaut: Art . 7 -2 erlaubt die Herabsetzung des Heiratsalters per richterlichenBeschluß , falls dies angebrachterscheint. Unklarbleibt, wer den Antragstellen muß und welche Gründe als triftig genug angesehen

werden .225

Juristisch gesehen ist dieNichteinhaltung des Mindestheiratsalters für die Gültigkeit der Ehe unbedeutend:Weder gehört das Alterzu den unabdingbaren Elementen der Eheschließung, die Ehen sind also trotzdem gültig ,noch drohen Sanktionen.

DemVersuch des algerischen Gesetzgebers, durch einMindestalter und dieAbwertung der Fätihafrühzeitig geschlossene Ehen mitKindern ,ohne deren Mitspracherecht,zu verhindern, steht dieungebrochene Praxisderselben vorallem inländlichen Gebieten gegenüber. Nicht zuletzt deshalb hat derGesetzgeber in Art. 22 die Möglichkeit eingeräumt,Ehen auchJahre nach ihrer Schließung noch registrieren und damit legalisieren zulassen.

Bl Algerien hat neben Libyen das höchste Bevölkerungswachstum der sechs nordafrikanischen Länder . Vgl . Fischer Wellalmanach 1993, Frankfurt a .M . 1992.

m M .Gadant kam bei einer Untersuchung zu dem Ergebnis , daß 61 % der Frauenzwischen 15 und 19 Jahren ihr erstes Kind bekommen , woraus sich auf eine ähnlich hohe Heiratsquote schließen läßt. (Dies ., Familie , S.39) Dies steht auf den ersten Blick in krassem Widerspruch zu einer Statistik der algerischen Regierung , wonach 1983 nur noch 12% der Frauen zwischen 15 und 19 Jahren verheiratet waren . (Annuairc statistique de l' Algenc 1983- 1984, Nr . 12. S. II ) Da allerdings die Statistik auf den Eintragungen im Zivilstandsregister beruht , werden Fätiha-Ehen überhaupt nicht mitberücksichtigt .

m Sa'd fuhrt als Beispiel eine vorausgegangene Vergewaltigung einer Minderjährigen an , deren Vergewaltiger sie danach heiraten mochte . Er kritisiert , daß in diesem Fall eine Ausnahme vom Mindestheiratsalter gemacht werden kann : Einerseits zweifelt er an der Reue des Täters , da dieser nach der Ehe mit seinem Opfer mit einer geringeren Strafe rechnen kann , andererseits fürchtet er , daß eine Ehe auf dieser Basis nicht glücklich werden kann und somit nicht die an sie gestellten Erwartungen erfüllen wird . Den ., Az-zawäjj, S.82f .

&

3 .3 .2.Die konstitutiven Elemente der Trauung (arkänaz -zawäg)

In Übereinstimmung mit dem mälikitischen Recht gehören zurEheschließung

-die Zustimmung beider Ehepartner oder ihrerVertreter

-die Anwesenheit des Vormundes (der Frau)

-zweiZeugen

-dieMitgift

IJalllb .Ishäq ergänzt diese Bedingungen noch um die Ehefähigkeit der Ehepartner sowie eine öffentlich verkündeteVerlobung.224Sind diese beiden Bedingungen erfüllt und liegt die Zustimmung des Vormundes sowie eine Vereinbarung über die Mitgiftvor ,so ist ihmzufolge der Ehevertrag bereits für beide Parteienbindend, auch wenn sie ihre Meinung ändern

sollten . 225Letzteres steht eindeutig imWiderspruch zum CF,wo das Fehlen zweier Elemente zur Annullierung des Ehevertrags führt .

Die genannten vier wesentlichenElemente der Eheschließungsind Voraussetzung für die Gültigkeit der Ehe. Auch bei einer späteren Registrierung von Ehen - es kann sich umJahre

handeln 226 -muß nachgewiesen werden ,daß sie bei der Eheschließung erfüllt wurden.

3 .3 .2 . 1.Zustimmung der Ehepartner

In Übereinstimmung mit dem islamischen Recht wird die Ehe durch einen Konsensualvertrag geschlossen.Die Ehepartner oderihre Vertretermüssen dabei ihre gegenseitige Zustimmung

(ridä O221bekunden. Die Zustimmung erfolgt durch dasAngebot ( Cgäb) der einen und der Annahme (qabül) durch die andere Seite, entsprechend den Prinzipien des klassischen

Rechts .228Differenzen bestehen aber darüber, wie und von wem diese Zustimmung erfolgen

soll.

224 fjalil , Mufotasar, S .90 . Als öffentlich verkündet gilt eine Verlobung z .B. durch das Ausrichten eines Festessens (waliina);

ebd ., S.99 .

Mi Ebd ., S .83 . Vgl . auch Ruxton , Law , S.92 .

Mi Ebd ., S .83 . Vgl . auch Ruxton , Law , S.92 .