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4 . Reaktionen auf den CF vor und nach 1984

Bereits während der Diskussionen zwischen1963 und1981 über die verschiedenen Entwürfe zu einemneuen Familienrecht hattensich zwei Frontengebildet:religiös -traditionalistische Kräfte und die Frauenbewegung mit emanzipatorischem Anspruch,der sich auchintellektuelle Kreise anschlössen . Dazwischen standen die Regierungsvertreter ,diejeweils dereinen oder anderen Gruppierung mehr oder wenigerzuneigten. Sowohl die religiösen als auch die erwähnten Kreise des liberalen Bürgertums zeigten keinerlei Kompromißbereitschaft undhatten so zwei Jahrzehnte lang die Verabschiedung des Gesetzes verhindert.Beide konnten sich bei der Formulierungihrer Position auf die Verfassung berufen :die einen auf die Festschreibung des Islam als Staatsreligion,die anderenauf diein ihr verankerte Gleichstellung von Mannund

Frau. Die Regierung sah sich inihrem Bemühen , beidenSeiten gerecht zuwerden , einer unlösbaren Situation gegenüber,dies umsomehr , als die genannten Fronten auch innerhalbder FLN verliefen.

Nach derVerabschiedung des Gesetzes imJahre 1984 waren dieReaktionen zunächst sehr zurückhaltend,denn derSpielraum,den die Einheitspartei FLN fürProteste einräumte, war mehr alseng .Erstnach den Unruhen von1988 , die zunächst von der Polizei , dann von den Militärstreitkräften brutal niedergeschlagenwurden ,451 leitete die FLN eine politische Liberalisierung ein . Art .40der neuen Verfassung vom Februar 1989ermöglichte die Gründung politischer, sozialerund kultureller Organisationen ,die nun ihreMeinung öffentlich äußern durften.452Im Juli desselben Jahreswurde ein Gesetz verabschiedet, das Parteienpluralismus

zuließ.NachArt . 5dieses Gesetzes sind einerseits keine Parteienerlaubt ,dieauf ausschließlich religiöser Basis agierenwollen ,andererseits aber bekommt der Islam einen höheren Stellenwert, denn lautArt.2der neuen Verfassung gilt nunauch:

Les institutions s'interdisent:. .. Lespratiquescontraires ä la morale islamique etaux valeurs denovembre .

Wedersozialistische Prinzipien noch dieNationalcharta, die bisherigenGrundlagen für die Ausrichtung der algerischen Politik ,werden in dieser Verfassung berücksichtigt. Hinsichtlich der Stellung derFrau wird aber weiterhin Gleichberechtigung vor dem Gesetz garantiert und

431 Vgl . Faath , Algerien , S.290-96 . Eine Chronik der Ereignisse mil zahlreichen Augenzeugenberichten bieten : Oclobre ä Alger, Paris 1988 lind Dominique Sigaud, La fracture algcnenne , 1991.

431 Zu den politischen Veränderungen und Demokratisierungsbemühen in Algerien nach 1989 vgl . Faath , Militär , S. l 1-77.

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die staatlichen Institutionen werden zu deren Verwirklichung angehalten ( Art .28 und30 ) .'

Die Liberalisierungder algerischenInnenpolitik ermöglichte eszunächst, daß verschiedene Bevölkerungsgruppen , darunter Islamisten, Berber , Frauen, Linksliberale oder Menschenrechtsvertreter , Vereine und Parteien zu ihrer Interessenvertretunggründeten. Zugleich flammte die Debatte über die Frauenfrage mit sich verhärtenden Fronten wieder auf . Sowohl Frauenorganisationen alsauch islamistische Gruppierungen,allen voran dieFIS ,setzen

sich,jede auf ihreWeise ,für eine Neudefinition der Rolle der Frau inGesellschaft undFamilie

ein. Im folgenden werden dieEinstellungen dieser beidengegensätzlichen Strömungen zur

(rechtlichen)Stellung der Frau erörtert.

4 . 1 .DiePosition der Islamisten

Die ursprüngliche Absicht der algerischenRegierung, nach der Unabhängigkeit einen laizistischen Staat zu errichten , war nicht durchsetzbar , da der Islam als Mobilisierungs-und Distanzierungsfaktor gegendie europäische Kolonialmacht einen festen PlatzimBewußtseinder algerischen Bevölkerung einnahm .Der Staat trug dem Rechnung,indemerder Religion inder Charta von Algier1964 einen Platz einräumte und die Religionsausübung in dasStaatswesen einband:

L'lslam est la reßrence del'Etat pour assurer sa Ifgitimation:l'Islam est un des facteursdel'idiologieofflcielle qui doit cimenteretdiflnirl 'unitiquelenationalisme

algirienentend priserver .454

Obwohl der algerische Reformislamdirekt vom Staat kontrolliertwurde , bewahrte er sich seinen Einfluß auch im unabhängigenAlgerien. So wurden zwar religiöseInstitutionen455 verstaatlicht,aberauf Intervention des1966gegründeten Conseil Superieur Islamique scheiterte beispielsweiseein Plan zur Geburtenkontrolle.456Parallel zum Staatsislam entwickelte sich eine unabhängige islamische Bewegung, diebiszumAusbruch der UnruhenimJahre 1988

*ss Die Bedeutung der Verfassung von 1989 als Richlungsweiser für die neue politische Tendenz der algerischen Regierung mit besonderer Berücksichtigung der Stellung von Frau und Familie ist nachzulesen bei Denncrlcin , Familiengesetz , S .77ff .

454 Angelet , Isiamisme , S.7 .

4U Dazu gehören beispielsweise die Enteignung von Stiflungsländercien oder die Einrichtung eines Conseil Superieur Islamique . Vgl . Sanson , Statut, S. 102- 107 u . Angelet , Isiamisme, S.6 .

Vgl . Vatin , Resistance , S. 131- 136.

wegen des allumfassenden Anspruches des Staates auf Politik und Religion überwiegend im Untergrund agierte .

Erst Anfang der 80er Jahre formierten sich die ersten ernstzunehmenden radikalen Gruppierungen ,diebegannen, gezielt auf eine politische Machtübernahme hinzuarbeiten. In einem sich ständigverschlechternden wirtschaftlichen Klima mit hohen Arbeitslosenzahlen besonders unter den Jugendlichen und unter der Kontrolle eines autoritären Staates, der keine offene Kritikerlaubte , wurden die Moscheen zum einzigen Rückzugsort , an dem Bürger ihre Unzufriedenheitmit dem Staat und ihrenLebensbedingungen unbehelligt äußernkonnten. Darankonnten auch verbaleund praktische Zugeständnisse Ben Djedids an das wachsende Interesse an islamischen Werten nichts ändern. Hierzu gehörte z . B. eine umfassende Arabisierungskampagne inder Verwaltung ,imForschungsbereich und auf demökonomischen

Sektor , nachdem bereits 1976der Freitag wieder zum offiziellen Feiertag erklärt worden

war. 457Der Bau vonwilden , das heißt nicht unter staatlicher Kontrolle stehenden Moscheen, wurdeforciert:sie dienten als Agitationsort . Vonhieraus wurde ein weit verzweigtes Netz aufgebaut, das soziale , kulturelle und Bildungsangebote offeriert. Auch wenn sich die verschiedenen islamistischen Bewegungen über denWeg zum Aufbau eines islamischenStaates uneinssind, stimmen sie dochin ihren Zielen weitgehend überein:

pour rtgintrer lespeuples musulmans,ilfaut leur appliquer laloimusulmane:pas de

vin ,pas deluxe ,pasde plaisirsillicites oufutiles,pasd'influence feminine . . .interdire lafornication, l'homosexualiU,lesjeuxdehasard. . .45S

DerCF von 1984 ,der sich weit näherammälikitischen Recht orientiert als die vorhergehenden Entwürfe, kann bereits als Konzession an den wachsenden Einfluß islamistischer Kräfte gewertet werden .459Bei der Ausarbeitung der zahlreichen Entwürfe waren regelmäßig islamische Juristen miteinbezogen worden .Sie traten vorwiegend für ein Familiengesetz ein, das sich vollständig am klassisch mälikitischen Recht orientieren sollte .Dabei stützten siesich sur la rialiti de la sociiti algirienne, surlaplace del'Islam durant la guerre de libirationnationale en tantquefacteurde mobilisaüon delapopulation eten tantque facteurde preservation du"quam äsoi algärien" . . .De plus , l'Islam estexpressement

consacripar laConstitution algMennede 1976 en tant que"religion d'Etat".460

Vgl . die Beispiele bei Lamchichi, Elals, S. 140 u . S. 157f.

So ein Vertreter der Vereinigung AI Qiyäm ( 1966 verboten); zit . nach Rondot , Algerie , S. 123.

Vgl . Lamchichi , Etats, S. 140.

Babadj, Droit , S.4 .

m

Der Zuspruch, den sie fanden , läßt sich nur vor dem Hintergrund der gewaltigen Veränderungenverstehen, die in der algerischen Gesellschaft nach der Unabhängigkeit stattgefunden haben . Einewichtige Rollespielt dabei die rapideansteigende Landflucht als Reaktion auf eine forcierte Industrialisierung bei gleichzeitiger Vernachlässigung des landwirtschaftlichen Sektors.Der algerische Schriftsteller Kaddour Zouilai sieht einendirekten Zusammenhang zwischen dieser Wanderungsbewegung und der Entwicklung aufjuristischem

Gebiet :

. .. cettepopulationarchaique s'installeen ville ,eile seretrouve dansune Situationde promiscuitiinconnue .On cötoiel'autre sexe äl'icole , dans larue .Riaction:lapeur

deperdrelecontröle desfemmes -etdonc l'honneur -donne naissance auCode dela famillequifait de lafemme unemineur ,totalement dipendante desespere , mari et freres. 46'

Hinzukommen die Auswirkungen der schlechten bis hoffnungslosen wirtschaftlichen Lage . Ohne Aussicht auf Ausbildung,Arbeit und Wohnung mußdiejüngere Generation langewarten ,

bis sie eine Familie gründen kann.Da das islamische Verbot vorehelichenGeschlechtsverkehres in diesen zumeist sehr traditionell-konservativen Kreisen weitestgehend respektiert wird, sind Frustrationenunvermeidbar. Eine Beschränkung der Frauen auf den häuslichen Bereich beziehungsweise eine strikte Kleiderordnungkönnen zumindest die täglichen Versuchungen minimieren.Ein von Männern abhängiges Recht auf Berufstätigkeit hat zudem denEffekt , daß die wenigen Arbeitsplätze in erster Linie Männern zur Verfügung stehen und Frauen lediglich vorhandene Lücken des Arbeitsmarktes ausfüllen.

Die islamistischen Gruppierungenliefern für dieseDenkweise die passendeRechtfertigung, indem sie entsprechende Regelungen auf ein islamisch legitimiertes Fundament stellen . AliBelhadj , einer der führenden Vertreter der 1988legalisiertenFIS , 463macht kein Hehl

daraus , welche Rolle die Islamisten der Frau in einer von ihnen regierten Gesellschaft zugedacht haben :

LeHeunaturel delafemme estle foyer . .. dansune sociitt islamique veritable, la femme n'estpas destinieätravailler. ..La femme estune productriced'hommes ,eile neproduit pas debiens matiriels ,ilestadmis qu'ilestimpossible ä unefemme de concilier sontravailetses obligations familiales ,etde nombreux cas de divorces sont lerisultatde ceconstat . **3

Den ., zit . in: L' Expre«« Internationale (2223) , Februar 1994, S.22f.

" 2 Zu Zusammensetzung und Programmen der algerischen islamistischen Bewegung vgl . Ahmed Rouadjia , Diealgerischen Islami«en , S. 101- 122.

Ali Benhadj in Horizons vom 23 .2 . 1989; zit. nach Tilmatine , Mouvements , S.43.

Iii

Die programmatischen Aussagen dieser Gruppierungen zur rechtlichen Stellung der Frau lassen sich aus Interviews ihrer führendenMitglieder, aus dem Programm der FIS 464sowie aus kritischen Anmerkungen islamischer Juristen zum CFablesen .465

Das anvisierte Ziel istdie Errichtung eines idealen , islamisch geprägten und sozialen Staates . Dies soll durch einen CF erreichtwerden , der auf der strikten Anwendung der iari 'a

basiert .466Zum tragendenElement dieserneuen Gesellschaft wird dieharmonische Familie als Keimzelle des Staateserklärt .467Als unbedingte Voraussetzung für deren Stabilität giltdie Wiederherstellung der (religiösen ) Moral.Im Mittelpunkt dieser Bestrebungen steht dieFrau, deren Moral esaufrecht zuerhalten gilt , dasie alsEhefrau undMutter dieKeimzelle der Familieist. Um dies zuerreichen, sollen verschiedene Maßnahmen, juristischabgesichert, ergriffenwerden : Geschlechtertrennung in allen außerhäuslichen Bereichen;468Beschränkung der Frau auf den häuslichen Bereich , wo allein sie ihre Würde wahren könne; Kleidervorschriften "zum Schutze der Moral derFrau. "Außerhäusliche Aktivitäten oder gardie Ausübung eines Berufes sollen nur mit Erlaubnis des Mannes erlaubt sein, da diese dieFrau von ihrer eigentlichen Bestimmung abhalten .Worin diese gesehen wird,daran läßtAli Belhadj keine Zweifel:

Unefemme apour fonction lareproduction de musulmans. Si eile renonce äceröle, eile subvertlt l'ordre de Dieuettarit la source del'Islam.*"

Diese Definition läßt keinen Spielraum für Frauen , die ihren Platz in der algerischen Gesellschaft außerhalb dieses engen Rahmens selbst bestimmen wollen und dafür auch öffentlich eintreten . So bezeichnete Madani , führender Kopf derFIS , in einem Interview die Frauen, die am 14 . 12 .89 für ihrRecht auf Arbeitund Sicherheitauf die Straße gegangen

waren, als "Fangstricke des Neokolonialismus und die Avantgarde der kulturellen

" Eine prägnante Zusammenfassung des kompletten vorläufigen politischen Programms der FIS findet sich bei Dennerlein , Familiengesetz , S.84-90 .

KS Da die FIS ein Zusammenschluß mehrerer islamistischer Gruppierungen ist, gibt es ein breites Meinungsspektrum innerhalb der Partei - von liberalen bis sehr restriktiven Vorstellungen . Vgl . auch Olivicr Roy , Le neofundamentalismc : des freres musulmans au FIS algenen , in: Esprit (3-4) 1992, S.78-89.

" * Vgl . Kutschern, Mouvement , S. I46 .

*" Dafür gibt es eine plausible Erklärung : "Les institutions familiales sont Celles qui, dans le passe , ont le micux resistd aux changementssociaux , peut-etre parce qu' elles touchentde pres l' intimile de l' homme algenen qui se reconnait dans son groupement domestique ." Kerrou /Kharoufi , Familles, S.30 .

"Laisser une femme et un homme travailler dans un seul bureau est en contradiction avec nolre morale . " Ali Belhadj, zit . nach Angelet , Islamismc, S. 18.

In: Horizons vom 23 .2 . 1989; zit. nach Nourcdine , Femme, S. 17.

112 Aggression."

4 . 1 . 1.Die islamistische Frauenbewegung

Die islamistische Bewegung Algeriens wird jedoch nicht nur von Männern getragen. Zuihren Mitgliedern gehört auch eine beträchtliche Anzahl von Frauen.Diese engagierten Musliminnen setzenin die Errichtung einesanislamischen Prinzipien orientierten Staates die Hoffnung, ihren Status alsFrauenzu verbessern . Inderalgerischen Gesellschaft , die größtenteils traditionell geblieben ist, eröffnet die von Islamisten propagierte Gesellschaft ihrerAnsicht nach Frauen weitaus mehr Möglichkeiten,am öffentlichen Lebenzupartizipieren,als dieRolle derHausfrau und Mutter . 471Die Pflicht , sich alsMuslimin zu bilden und dieses Wissenweiterzugeben, impliziert soziale Aktivitäten,auchauf beruflicher oder politischer Ebene .Der Schleier (higäb ) wird dabei als äußerer Schutz betrachtet,der ihre religiöse Überzeugung zum Ausdruck bringt und sie davorbewahrt, nur als Sexualobjektbetrachtet zu werden . Durch weitestgehende Eliminierung des sexuellen Reizes,so ihre Meinung , müßten die Männer sie als vollwertige, denkende Mitglieder der muslimischen Gemeinde akzeptieren und ihre Fähigkeiten anerkennen. Auch die Familie kann der Frau nicht verbieten,den häuslichen Bereichzu verlassen,wennsie erkennbar im Dienste der Religion unterwegs ist. Verschleierung genauso wie Geschlechtertrennung bedeuten also keine Beschränkung, sondern im Gegenteil eine Ausweitung ihres Freiraumes und damitdie Chance ,Tätigkeiten zuübernehmen undPositionen

zu erreichen,die zuvor unerreichbar erschienen.So ist es nur allzu verständlich,daßeshäufig die Frauen sind, die für die Einhaltung einer strikten "islamischen" Moral eintreten. Entsprechende Präventivmaßnahmen schützensievor männlichen Angriffen aufihre Würdeund ermöglichen ihnenso ,ihrRecht auf soziale Aktivitäten oder auch Berufstätigkeit einzufordern. Hinzu kommt ,daß islamistische Organisationen mit Hilfe von Zuschüssen ausSpendengeldern zu Lehrmaterialien ,Fahrtkosten und dergleichen die Ausbildung nicht nur auf dem Gebiet der Religion forcieren.

Unter Berücksichtigungdieser Hintergründe scheint es verständlich, daß die weiblichen Mitglieder islamistischer Organisationen für die Beibehaltung des CF eintreten oder gar fürein vollständig am islamischen Recht orientiertes Familiengesetz.472Sie plädieren für die zusätzliche Aufnahme besonderer Regelungen zum Schutz derFrau,der Mutter und derKinder

470 Zit . nach Sabine Kebir , Fundamentalisten machen mobil, in : laz vom 8. 1.90 .

471 Die Beweggründe von Frauen für ein Engagement in der islamistischen Bewegung sind anschaulich dargestellt bei Laetitia Bucaille, L' engagement islamiste des femmes en Algeric , in : Maghreb Machrek 144 (April-Juni 1994) , S. 105- 118. Desweiteren stütze ich mich aufSouad Khodja . A comme algcnennes , Algier 1991, S. 177- 185.

412 Nähcrc Informationen zu den Frauenorganisationen innerhalb islamislischcr Vereinigungen finden sich bei Abida Allouache , Dames de coeur , in: Algcnc -Aclualitc' ( 1294) vom 2 .8 .91, S. II .

m

sowie für absolute Geschlechtertrennung.473

Diese Frauen definieren sich über die erzieherische Funktion,die ihnen als Mutter undEhefrau beim Aufbau eines wahrhaftigen und von Mißinterpretationen gereinigten islamischen Staates zukommt.Der higäb kann dabei durchaus eine emanzipatorische Funktionerfüllen ,wieselbst Vertreterinnen der Frauenbewegung zugeben , denn "ä traverslehijab ,lafemme affirmeque sasoumission äDieu primesursasoumission äl'komme. "m DerIdealismus dieser Frauen und die Hoffnungen , die sich für siemit einem islamisch regierten Staat verbinden, müssen zwangsläufig zu Konfrontationen mit den militanten Vertretern der Bewegung führen .Soläßt beispielsweise die Förderung vonFrauenbildung bei gleichzeitiger rhetorischer Ablehnung vermuten , daß die Frauen nur als Mobilisierungspotential ausgenutzt werden , bis das Ziel der Islamisten erreicht ist .Denn Madaniist z . B .der Überzeugung,daß die hohe Anzahlweiblicher Universitätsabsolventen zwangsläufig große Probleme für Algerienmit sichbringe ;AliBelhadj

glaubt , daß die hoheArbeitslosenzahl nur reduziert werdenkönne, wenn alle arbeitenden Frauen wieder zu Heim und Herd zurückkehren.475Die Vorstellung der Islamistinnen,welche Rolle Frauen in der Gesellschaft zuübernehmen haben, kollidiert also mit derjenigen der meistenmännlichen Mitglieder, die Frauen nureine untergeordnete, vomMann abhängige Stellung zuerkennen:476

Enfait ,lapositiondesfemmes äl'intMeurdumouvement islamiste apparattprecaire . Elles semblent(tre tenuesicarttes duprocessus dtcisionnel et lesdiffirentes tendances politiquesne leur accordent pastoutes le mime röle, les mimes droitsetdevoirs ., .. Leurconceptionpureet idealiste du mouvement islamique risque de seheurter ä une Strategie politicienne itablieausommet.471

4 .2.DiePosition der nichtislamistischen Frauenbewegung

Für die Frauenbewegung in Algerien hatte die Ausarbeitung eines Familienrechts große Bedeutung.Die erstenProteste regten sich, als publik wurde ,daß einGesetz, das in erster

4" Diese Meinungen wurden auf Zusammenkünften von weiblichen Mitgliedern der islamislischcn Bewegung geäußert . Sic sind abgedruckt in Association pour l' Egalitc (Hg .), Luttes, S.22 .

Hakiki-Talahitc , Voile, S. 139.

4,5 Beide zitiert in Kaida, Algerie : la democralic ä l' cpreuve des islamistes, in: Jeune Afnque ( 1517) vom 29 . 1. 1990.

47< So haben sich Vertreter der FIS beispielsweise dagegen ausgesprochen , daß Frauen (mit higäb ) bei Versammlungen ihre Stimme erheben , weil dies einer Muslimin verboten sei. Vgl. die Aufzählung von Ausschreitungen in diesem Zusammenhang bei Hakiki-Talahitc . Voile , S. 128 u . 140.

Bucaille, Engagement , S. 106.

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Linie die Frauen betreffen würde ,ohne deren Mitwirkung ausgearbeitet werden sollte.Darauf folgten regelmäßige Demonstrationen gegen die Gesetzentwürfe, diebis1981 immer wieder ausgearbeitet wurden;daraus entstand ein gemeinsames Bewußtsein von der Bedeutung dieses Gesetzes für das Leben derFrauen .So formierte sich eine Bewegung,die den Rahmen kleiner politischer Zirkel sprengte;dieFrauen , die aktiv am sozialen Leben teilnahmen ,überwiegend ausder Mittelschicht und dergebildeten Oberschicht stammend, warennun bereit , für ihre Rechte zu kämpfen . Die unteren sozialen Schichten konnten allerdings nicht aktiviert werden , da sie keinen Zugang zu europäischen Emanzipationsgedanken hatten und zum Uberwiegenden Teil Analphabetinnen waren . DieGeschichte deralgerischen Frauenbewegung ist somit sehr eng mit demKampf gegen einenungerechten CFverbunden.478Hakiki -Talahite bezeichnet die Frauenbewegung als

lapremiereexpression dela sociiti civileenAlgirie. Parceque ,Wut en sedressant contrelapuissance etl'arbitrairedel'Etat , ilen reconnaissait cependant lefondement

-Etat lai'que moderne-etlelangage -ledroit positif - ,brandissantcontre le Codede la Familie lesprincipesconstitutionnels del'igaliti devant la Loi entre les hommeset

lesfemmes ;cela,alors quelerestede la socUti demeurait sourdetindifferentälafois auCode. . . '19

Anfang der 70er Jahresetzte sich die Union Nationale des Femmes Algeriennes (UNFA )als der FLN angegliedertes politisches Organ für gleiche Rechte und Pflichten der Ehepartner ein:

La femme , eileaussi , s'est imposie etaaquis ses droits dans lasociite'.Nousdevons consolider cette Situationpardeslois .Nousnepouvons pasparierde socialisme etde rtvolution sansque les lois soient socialistes etrivolutionnaires . Or, uncodede la famille. ..sedoitd'etre imprtgne de cesgrandsprincipes.480

Die UNFA argumentierte stets auf zweiEbenen .Sie akzeptierte somit offiziell das islamische Recht als Grundlage eines neuen algerischen Familiengesetzes.Diejenigen ihrer Forderungen, die imWiderspruch zurtraditionellen Rechtsauffassung standen , wurden durch eine andere Interpretation des Koransgerechtfertigt.481 So setzte sich die UNFA für ein Verbot der Polygynie ein mit der Begründung , daß die geforderte Gleichbehandlung aller Frauen bereits

im Koran als unmöglich bezeichnet worden war.Zudem sei die Mehrehe unvereinbar mitdem

471 Zur teils parallelen Entwicklung der algerischen Frauenbewegung einerseits und dem Widerstand gegen den CF andererseits vgl . Tilmatine , Mouvement , S.37f .

m Dies ., Voile , S. 127.

*" F . Saidani , La vie de l' organisation : le Codede la famille Position U .N .F .A., in : AIDja /äiria , (31) 1973, S.20 . 4, 1 Vgl . Allag , La famille et le droit en Algeric dans le contexte maghrebin : communication de l' UNFA ä propos du Code de la Famille , in : RASJEP XI. (3) 1974, S. 157- 160.

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Sozialismus und demIdeal einer gesunden Familie . DieMitgift jedoch sollte als koranisch tradierte Pflicht bestehen bleiben ;um aber negative Folgenwie unnötige Schulden desMannes unddie Degradierung der FrauzueinemHandels -und Spekulationsobjektzuvermeiden,wollte die UNFA eine gesetzlich festgelegte Obergrenze durchsetzen.Ein weiteres wichtiges Zielwar die Gleichbehandlungder Geschlechter im Erbrecht. Da dieses im Koran geregeltist, argumentierten die Vertreterinnen der UNFAdamit,daß sich die Verhältnisse geändert hätten:

Sozialismus und demIdeal einer gesunden Familie . DieMitgift jedoch sollte als koranisch tradierte Pflicht bestehen bleiben ;um aber negative Folgenwie unnötige Schulden desMannes unddie Degradierung der FrauzueinemHandels -und Spekulationsobjektzuvermeiden,wollte die UNFA eine gesetzlich festgelegte Obergrenze durchsetzen.Ein weiteres wichtiges Zielwar die Gleichbehandlungder Geschlechter im Erbrecht. Da dieses im Koran geregeltist, argumentierten die Vertreterinnen der UNFAdamit,daß sich die Verhältnisse geändert hätten: