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URSACHEN FÜR AKTUELLE DEMOGRAFISCHE TRENDS

Zentrale Bedeutung der Migration

Ausmass und Geschwindigkeit des demografischen Wandels hängen v.a. von den beiden Parametern Migration und Fertilität ab, der Anstieg der Lebenserwartung scheint gemäss den Einschätzungen der befragten Experten eher im Rahmen eines verlässlich prognostizier-baren Bandes zu verlaufen. Besonders in der Schweiz wird die Bevölkerungsentwicklung weit mehr durch die Migration als durch die Fertilität beeinflusst. Besonders auch die regi-onalen Disparitäten entstehen v.a. durch Migrationsbewegungen, sowohl der Binnen- als auch v.a. der internationalen Migration. Die internationale Migration als prägender Faktor der Bevölkerungsentwicklung wurde im BFS-Szenario 2005-2050 unterschätzt (BFS 2009).

Zwar war gleichzeitig bei der Fertilität ein unerwarteter leichter Gegentrend gegenüber den Prognosen festzustellen, dieser hatte aber weniger Auswirkungen auf die festzustellende Abweichung von den berechneten Szenarien. Für die Bevölkerungsszenarien 2010 wird des-halb vom BFS erwogen, ein zusätzliches Szenario mit anhaltend hoher Einwanderung zu berechnen.

Ökonomische Wanderungsbewegungen vs. Wanderungen im Lebenszyklus

Grundsätzlich sind Wanderungen gemäss einigen befragten Experten umso eher ökonomisch bedingt, über je grössere Distanz sie stattfinden. Internationale Migration kann daneben auch kriegerische Ereignisse zum Grund haben. Diese Aussagen gelten allgemein und treffen auch auf die Schweiz zu. Treibender Faktor der Abwanderung aus der Peripherie ist in der Schweiz die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen. Die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen in der Peripherie sinkt wegen des Trends zu hochqualifizierten Dienstleistungen, die v.a. in den

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INFRAS | 22. Dezember 2009 | DEMOGRAFISCHER WANDEL UND REGIONALENTWICKLUNG | GRUNDLAGEN

Zentren erbracht werden. Soziale Gründe (Partnerschaft, Familiengründung, Suche nach mehr individueller Freiheit/gesellschaftlichen Möglichkeiten) für die Abwanderung aus der Peripherie spielen in der Einschätzung der befragten Experten in der Schweiz eine im Ver-gleich eher untergeordnete Rolle.

Die Wanderungen zwischen periurbanen Gebieten und Zentren sind gemäss der Mehrheit der befragten Experten hingegen nicht primär wirtschaftlich, sondern durch den Lebenszyk-lus und andere soziale Gründe bedingt. Zwar ist zu erwarten, dass die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen in periurbanen Gebieten in Zukunft sinkt, durch die verhältnismässig gute Erreichbarkeit der Zentren und ihrer Gürtel (siehe Anhang) sind jedoch die ökonomischen Anreize zur Wanderung eher klein, auch da die Lebenskosten mit zunehmender Zentralität zunehmen und das frei verfügbare Einkommen sinkt (siehe Anhang).

Verstärkung der regionalen Disparitäten durch die neue Zuwanderung

Das Ungleichgewicht zwischen den Regionen wird durch die neue Art der Zuwanderung ten-denziell verstärkt. Viele der befragten Experten weisen darauf hin, dass früher Zuwanderer v.a. in gering qualifizierten Berufen benötigt wurden. Diese Arbeitsplätze sind oft eher pe-ripher angesiedelt, sei es in der Landwirtschaft oder im Tourismus. Die frühere Zuwande-rung bot damit ein gewisses Gegengewicht zur Binnenmigration der höher qualifizierten Einheimischen in die Zentren.

Dieses Bild hat sich aus verschiedenen Gründen geändert. Zum einen werden in gewis-sen Branchen der Peripherie (v.a. Landwirtschaft) aufgrund des allgemeinen Strukturwan-dels weniger Arbeitskräfte als früher benötigt. V.a. aber ist zum anderen durch die Perso-nenfreizügigkeit die Einwanderung von Hochqualifizierten viel geringeren Restriktionen ausgesetzt als früher. Diese „neuen Zuwanderer“ sind v.a. in den Zentren beschäftigt und nehmen auch dort Wohnsitz. Ausländische Hochqualifizierte haben gemäss Einschätzung der meisten Befragten eine stärkere Präferenz für die Zentren als Wohnort als Einheimische, weil sie dort eher für sie günstige soziale Strukturen und Kontakte vorfinden.

Mit steigender Präsenz dieser Gruppe von Arbeitskräften am Arbeitsmarkt kann es auch für die Unternehmen wichtiger werden, in den Zentren oder nahe davon angesiedelt zu sein, was die regionalen Arbeitsplatzdisparitäten verstärken würde.

Etwas relativieren lässt sich diese Aussage mit den in Tabelle 2 dargestellten Zahlen.

Diese beziehen sich nicht direkt auf die Zuwanderung, weisen aber darauf hin, dass die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf die Zuwanderung in den verschiedenen Regio-nen nicht eindeutig sind.

3.5. ZUSAMMENFASSUNG

Die Schweizer Bevölkerung wird im Zeitraum bis 2030 altern. Der stärkste Jahrgang war im Jahr 2000 knapp 40 Jahre alt und wird auch im Jahr 2030 gemäss mittlerem Szenario 2005–

2050 des BFS (2006) als dann zumal knapp 70-jährig von grosser Bedeutung sein. Als stärkster Jahrgang wird er aber bereits zu diesem Zeitpunkt abgelöst werden von den dann zumal knapp 40-Jährigen. Diese Jahrgänge werden durch die momentan intensive Zuwande-rung verstärkt. Sie werden den Trend zur AlteZuwande-rung insgesamt etwas abschwächen, aber nicht umkehren. Die Alterspyramide zeigt die Form einer Urne oder auch, bildlich gespro-chen, einer Schlange, die im Begriff ist, ihre Beute zu verdauen. Bis 2050 wird der grosse Anteil der älteren Bevölkerung vermutlich etwas zurückgegangen sein. Die Unsicherheit bei den Prognosen des BFS (2006) betrifft v.a. das zukünftige Ausmass der Zuwanderung. Ver-mutlich wird die Bevölkerung weiter wachsen, getragen v.a. von der Zuwanderung, bis 2030 je nach Szenario auch von einem leichten Geburtenüberschuss.

Die regionale Entwicklung wird v.a. von der Binnenmigration und der regional unter-schiedlichen Zuwanderung aus dem Ausland getragen. Abwanderung und fehlende Zuwan-derung ist v.a. in peripher gelegenen Regionen zu erwarten, die ZuwanZuwan-derung aus dem Aus-land erfolgt v.a. in die Zentren. Durch die Einführung der Personenfreizügigkeit und die Zuwanderung höher qualifizierter Arbeitskräfte ist zu erwarten, dass sich die regionalen Ungleichgewichte weiter verstärken, der Zusammenhang kann jedoch hier nicht quantitativ erhärtet werden. Wanderungen zwischen Regionen haben zwei hauptsächliche Gründe, sie sind einerseits wirtschaftlich bedingt und andererseits von veränderten Bedürfnissen im Lebenszyklus. Für weite Teile der Schweiz, für die Zentren, suburbanen und periurbanen Gemeinden und auch für ländliche Pendlergemeinden sind v.a. letztere massgebend. In ag-rarisch-peripheren Gemeinden spielen auch wirtschaftliche Gründe für den Entscheid zur Wanderung eine Rolle. Die Zuwanderung aus dem Ausland ist v.a. wirtschaftlich bedingt.