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AUSLÄNDISCHE ERFAHRUNGEN/PRAXISBEISPIELE

6. POLITISCHE HANDLUNGSFELDER

6.3. AUSLÄNDISCHE ERFAHRUNGEN/PRAXISBEISPIELE

Wie in Kapitel 3 dargestellt, ist der demografische Wandel in vielen europäischen Ländern weiter fortgeschritten als in der Schweiz. Deshalb interessiert wie diese Länder mit dem demografischen Wandel umgehen und welche (regional-)politischen Instrumente eingesetzt werden. Im Anhang befindet sich eine Übersicht über einige ausgewählte regionale Politi-ken und Projekte, nachfolgend fassen wir zusammen, welche Lehren daraus für die Schweiz gezogen werden können.

Bei diesen Lehren aus dem Ausland ist es oft nicht möglich, zwischen generellen Prob-lemen der Peripherie und spezifischen ProbProb-lemen des demografischen Wandels zu unter-scheiden. Die Projekte versuchen oft Probleme der Peripherie wie die regional disparate wirtschaftliche Entwicklung zu lindern, welche durch den demografischen Wandel wohl verschärft werden, aber auch ohne ihn bestünden. Die enge Verflechtung des demografi-schen Wandels mit weiteren Einflussfaktoren wird auch von Huning et al. (2009) betont.

Zum Stichwort „demografischer Wandel“ werden zum Teil mehr Mittel für den regionalen Ausgleich gefordert, wie in der Demografiestrategie des Landkreises Holzminden (2008).

Diese Anliegen sind in der Schweiz allerdings nicht Teil der Regionalpolitik, sondern Teil des neuen Finanzausgleichs.

Die Option „Gegensteuern“ hat in den untersuchten ausländischen Erfahrungen eher wenig Gewicht. Lambalgen (2007) postuliert allerdings, dass die demografische Entwicklung einer Region durch gezielte Stimulierungsmassnahmen (regionaler) Behörden beeinfluss- und steuerbar ist. Auf regionaler Ebene besteht ein gewisses Potenzial zum Gegensteuern, wenn durch Massnahmen der öffentlichen Hand eine Region für Familien attraktiver ge-macht werden kann, z.B. über Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese Strategie ist jedoch nur möglich, wenn innerhalb derselben Region oder in der Nähe genü-gend Arbeitsplätze verfügbar sind. Unter anderem versucht der Landkreis Holzminden (2008), so seine Attraktivität für Familien zu steigern. In vielen Regionen ist die Erhöhung der Arbeitsbeteiligung Teil einer Strategie zur Reaktion auf den demografischen Wandel (Coenen et al. 2009). Für die Schweiz dürfte diese Strategie von geringerer Bedeutung sein, da die Erwerbsbeteiligung bereits auf einem relativ hohen Niveau liegt.

Das Strategiebündel „Anpassen“ geht über die simple Redimensionierung oder Neuorga-nisation von öffentlichen Infrastrukturen hinaus. Sie umfasst auch die Sensibilisierung wirtschaftlicher und allgemein regionaler Akteure für die Anforderungen, aber auch Chan-cen gealterter Arbeits- und Absatzmärkte und eine breite Bewusstseinsbildung in der Gesell-schaft, wie dies regionale Demografiestrategien wie bspw. die Strategie Demografie Osna-brück (Heuwinkel 2006) vorsehen. Die Bewusstseinsbildung kann auch über ein mehrstufi-ges Vorgehen erzielt werden, wenn die öffentliche Hand Privatpersonen ausbildet, welche das ihnen vermittelte Wissen z.B. an Unternehmer weitertragen, wie im Projekt „rebequa“

(regionale Beratung und Qualifizierung) vorgesehen (Schädler 2008). In den Modellregionen für den demografischen Wandel des deutschen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung werden unter anderem auch Projekte unterstützt, die eine Neuorganisati-on öffentlicher und privater (z.B. Detailhandel) Infrastrukturen anstreben, die durch die Kombination von bisher getrennt erbrachten Leistungen auch in Zukunft eine Versorgung ohne Qualitätseinbussen zu adäquaten Kosten sicherstellen sollen (BMVBS 2009).

In Regionen, die durch den demografischen Wandel unter Fachkräftemangel leiden und für Zuzüger zu wenig attraktiv sind, kann die gezielte Schliessung von Qualifikationslücken bei Arbeitslosen z.B. im Gesundheitswesen einen Beitrag zur regionalen Wirtschaftsentwick-lung leisten (DC NOISE 2009a).

Die durch den demografischen Wandel veränderten Anforderungen der Bevölkerung an öffentliche Infrastrukturen und privatwirtschaftliche Angebote können durch von der öf-fentlichen Hand geförderte Fokusgruppen erfasst werden (Proudfoot 2009, Bland 2005).

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INFRAS | 22. Dezember 2009 | DEMOGRAFISCHER WANDEL UND REGIONALENTWICKLUNG | POLITISCHE HANDLUNGSFELDER

Chancen der von Abwanderung und Schrumpfung betroffenen Regionen werden in ähn-lichen Handlungsfeldern identifiziert, wie sie die Neue Regionalpolitik in der Schweiz vor-gibt. Die Modellregionen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung werden gefördert mit Projekten in den Bereichen Tourismus, (Bio-)Landwirtschaft, erneuer-bare Energien und innovative KMU, z.B. in den Branchen Maschinenbau und Elektroindust-rie. Explizit erwähnt wird nicht nur die Stärkung der Exportwirtschaft dieser Regionen, sondern auch die Stärkung der lokalen Wirtschaft durch Importsubstitution (bspw. durch die lokale Produktion erneuerbarer Energien) (BMVBS 2009). Auch die Empfehlungen des INTERREG-Projekts „Hinterland“ (Weith 2009) entsprechen weitgehend den Leitlinien der neuen Regionalpolitik in der Schweiz.

Aus den ausländischen Erfahrungen unter anderem mit INTERREG-Projekten lässt sich folgern, dass die Probleme in unterschiedlichen Regionen zwar oftmals ähnlich gelagert sind, die vorteilhaften Lösungsansätze sich jedoch stark unterscheiden können (Coenen et al. 2009). Genügend Freiraum für die Kantone oder andere umsetzende Gebietseinheiten ist also wichtig, um optimal auf den demografischen Wandel reagieren zu können.

Schliesslich zeigen ausländische Studien wie diejenige des Berlin-Instituts (2009), dass Regionen nicht in jedem Fall gefördert werden können und sollen, sondern nur, wenn ent-sprechende Anknüpfungspunkte vorhanden sind. In diesem Sinn wird auch der Ansatz be-grüsst, dass sich Regionen vermehrt mit eigenen Vorstellungen und Konzepten um Förde-rung bemühen müssen, wie z.B. die Modellregionen für den demografischen Wandel des deutschen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Die Wichtigkeit von individuellen Förderkonzepten, welche auf die Besonderheiten der Regionen eingehen, wird betont. Eine Stärkung der Regionen kann gemäss der Studie des Berlin-Instituts (2009) nicht nur über die Ansiedlung von Unternehmen und das Generieren von Wertschöpfung erfolgen, sondern auch über die Konzentration auf die Funktion als Komplementärraum.

7. FOLGERUNGEN FÜR DIE REGIONAL- UND