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Unterscheidung zwischen interorganosationalen und inter-

Im Weiteren kann, darauf wurde oben bereits hingewiesen, unmöglich für jede einzelne Verbindung genau der damit verfolgte Zweck oder das ursächliche Motivbündel angegeben werden. Dadurch ist es auch unmöglich, die in Abschnitt 2 vorgestellten Modelle einzeln gegeneinander zu vergleichen, um zu entscheiden, wie groß die Erklärungskraft jedes Modells exakt ist.

Es besteht aber immerhin die Möglichkeit zwischen zwei großen Gruppen von Verbindungen unterscheiden zu können:

Dies sind einmal rein persönlich motivierte Verbindungen und zum anderen Verbindungen, die aus organisationalen Gründen bestehen.

Zu Letzteren rechnet man von den hier aufgeführten Motiven Information(sbeschaffung) Einfluss und Bestechung, Kooptation und Kontrolle [vgl.

Palmer 1983: 40, Stearns/ Mizruchi 1986: 537]. Ihnen allen ist ihr Fokus auf die durch ein Interlock verbundenen Organisationen gemeinsam: „According to the interorganizational approach, organizations are entities that possess interests. In pursuit of these interests, they establish relationships with other organizations. In this way, interlocking directorates are considered relationships between corporations or enterprises, and directors are considered the agents of these relationships, which may take several forms” [Palmer 1983: 40].

Davon abzugrenzen sind die beiden anderen hier vorgestellten Erklärungsmodelle, upper class cohesion und Prestige. Bei diesen beiden Modellen steht keine einzelne Organisation und kein bestimmtes Unternehmen im Vordergrund. Während die „upper class“-Theorie vereinfacht gesagt behauptet, dass nur die Verbindungen zwischen den herrschenden Eliten insgesamt relevant sind, nicht aber die zwischen zwei spezifischen Unternehmen oder Organisationen, geht das Prestige-Modell davon aus, dass sich Interlock-Verbindungen auf eine ganz bestimmte Person und ihre Eigenschaften, wie persönliche Leistungen, sozialen Status oder Berühmtheit beziehen.

Durch die Untersuchung von Interlock-Verbindungen, die unbeabsichtigterweise unterbrochen wurden, (sogenannte „broken tie“ Situation), kann man zwischen

beiden Klassen von Interlocking Directorates unterscheiden. Die Logik der Anwender dieser Analysemethode ist einfach: „These researchers argue that if interlocks reflect important links between corporations,57 they will be reconstituted if accidentally broken. Conversely, they argue that if interlocks reflect personal relationships among major [business] leaders, they will not be reconstituted”

[Stearns/ Mizruchi 1986: 522, eigene Hervorhebung].

In der hier vorliegenden Situation wird eine ungeplanterweise unterbrochene Verbindung also dann versucht zu erneuern, wenn sie dem Bundestag oder einem Teil von ihm, etwa einem Bundestagsausschuss oder einer Fraktion, zu Kontrollzwecken dient. Dies gilt auch, wenn ein Unternehmen versucht, das Parlament zu kooptieren, wenn das Interlocking Directorate als Instrument der Beeinflussung dient, oder wenn mindestens eine der beiden Seiten auf Informationen vom Interlockpartner angewiesen ist.

Eine Verbindung zwischen Parlament und Wirtschaft, entstanden durch die Verbindung eines Abgeordneten zu einem oder mehreren Unternehmen, kann ungeplant dann wegfallen, wenn der Abgeordnete durch den die Verbindung besteht entweder stirbt - der klassische Fall für eine „broken tie“ [vgl. Koenig/

Gogel/ Sonquist 1979] - oder aber in der folgenden Legislaturperiode nicht mehr im Parlament vertreten ist.58 Im zweiten Fall werden alle Verbindungen die der Abgeordnete zu diesem Zeitpunkt noch innehat unterbrochen.

Wenn die betroffene Verbindung von Seiten des Parlaments oder von Seiten des Unternehmens aus den genannten organisationalen Gründen Bestand hatte, so wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit erneuert werden. Stand bei der betroffenen Verbindung aber alleine die Person des Interlockers im Mittelpunkt, so wird sich die entsprechende Verbindung nur schwer ersetzen lassen.59

57 Weiter gefasst könnte man hier allgemein sprechen von: „organizations.“

58 Ist ein Abgeordneter nach wie vor Mitglied des Parlaments, besteht aber eine ehemalige Verbindung zu einem Unternehmen in einer neuen Wahlperiode nicht mehr, so kann dies freiwillig oder auf ausdrücklichen Wunsch einer der beiden Seiten geschehen sein. Dies kann am fehlenden Willen oder am fehlenden Interesse des Abgeordneten liegen, kann aber genauso gut durch das Unternehmen selbst motiviert sein, das auf die weitere Anwesenheit des oder der betreffenden Abgeordneten in seinen Firmengremien verzichtet. Hier liegt kein eindeutiger Fall einer ungeplant unterbrochenen Verbindung vor. Solange die Gründe aufgrund derer eine Verbindung zwischen Parlamentarier und Unternehmen aufgegeben wurde nicht bekannt sind, kann dies nicht als „broken tie“ gewertet werden.

59 Falls in diesem Fall überhaupt eine „unterbrochene“ Verbindung vorliegt! Über ein eventuelles Fortbestehen einzelner Verbindungen eines Abgeordneten nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag können hier keine Angaben gemacht werden, da gleichzeitig mit der Mitgliedschaft im Bundestag auch die Auskunfts- und Veröffentlichungspflichten des Abgeordneten erlöschen. Wenn eine Verbindung daher nur darauf abzielt, am Prestige eines hochrangigen Politikers, wie etwa eines ehemaligen Bundesministers,

Zwei plakative Beispiele hierzu:

Der letztere Fall wäre beispielsweise gegeben, wenn ein Unternehmen einen ehemaligen Bundesminister als „repräsentatives“ Mitglied in seinem Aufsichtsrat hat und dieser plötzlich stirbt. Das Reservoir an anderen ehemaligen Ministern, die gewillt, und durch ihr eigene Prestige in der Lage sind, diese Verbindung mit ihrer bisherigen Funktion weiter aufrechtzuerhalten ist natürlicherweise stark begrenzt.

Als Fall für organisationale Verbindungen denke man sich beispielsweise ein Unternehmen, das sich teilweise noch in Bundeshand befindet und das daher durch Vertreter des Parlaments im Aufsichtsrat des Unternehmens kontrolliert werden soll. Denkbar wäre umgekehrt etwa die Situation eines Unternehmens, das dringend auf direkte Informationen aus dem Parlament oder einer bestimmten Parlamentsfraktion angewiesen ist.

In diesen beiden Fällen ist zu erwarten, dass die Verbindung sobald als möglich durch einen anderen Abgeordneten des Parlaments fortgeführt wird. Da die Person des Abgeordneten hier keine große Rolle spielt ist die potenzielle Auswahl an geeigneten Personen hier sehr viel größer.

Von allen Verbindungen der Abgeordneten des 11. – 15. Deutschen Bundestages wurden insgesamt 452 durch den Tod oder den Nicht-Wiedereinzug des beteiligten Abgeordneten ins Parlament unterbrochen. 22 „[...] of the connections were inapplicable to this methodology, since there was more than one interconnection between the two firms so that the removal [by death] of one interlocker did not end the linkage whether the [dead] director was replaced by another interlocker or not” [Koenig/ Gogel/ Sonquist 1979: 179].

Somit verbleiben noch 430 „zerbrochene“ Interlock-Verbindungen zu untersuchen.

Von diesen wurden bis heute 66 durch andere Abgeordnete direkt fortgeführt oder später wieder angeknüpft. Dies entspricht 15,34% wiederhergestellter Verbindungen.60

teilzuhaben, so braucht eine weiter bestehende Verbindung nicht noch zusätzlich durch eine Verbindung mit einem Prestigeträger, der noch Mitglied des Bundestages ist ersetzt zu werden, da ja die immer noch durch ein Interlock verbundene Persönlichkeit ihr Prestige nicht durch ein Ausscheiden aus dem Parlament verliert.

60 Eine methodische Anmerkung: Die Wahrscheinlichkeit der Wiederherstellung der Verbindungen ist nicht über alle untersuchten Perioden hinweg identisch! Die Verbindungen, die später unterbrochen wurden haben eine geringere Wahrscheinlichkeit wiederhergestellt zu werden, als die Verbindungen, die schon länger unterbrochen sind. Dies liegt daran, dass eine wiederhergestellte Verbindung immer als solche gezählt wurde,

Dies entspricht also dem Anteil aller parliament-business ties, die als interorganisationale Verbindungen anzusehen sind.

Dieser Wert bewegt sich, verglichen mit andern „Wiederanknüpfungsquoten“, die bei Untersuchungen zu reinen Unternehmensnetzwerken gemessen wurden und die zwischen 7,5 Prozent, 15 Prozent und 40 Prozent61 liegen [Stearns/ Mizruchi 1986: 523 - 524] in der Mitte des erwarteten Bereichs. Dies spricht ebenfalls dafür, dass die Übertragung der für die Beziehungen zwischen Unternehmen entwickelten Interlocking Directorate-Theorien auf die Verbindungen zwischen Parlament und Wirtschaft zulässig ist.

Darüber hinaus bestätigt sich dadurch die Anwendbarkeit der Methodik der broken tie Analyse auf die Interlock-Verbindungen der Abgeordneten.

Leider muss darauf hingewiesen werden, dass die broken tie Methodik immer einige ihr inhärente Schwächen aufweist.

Zunächst ist es schwierig, Firmen über einen längeren Zeitraum einwandfrei zu identifizieren. Durch Namensänderungen von Firmen, Auflösungen, Zusammenschlüsse und Akquisitionen kann ein Unternehmen im Kern weiterbestehen, aber unter völlig neuem Namen firmieren. Es ist daher nicht auszuschließen, dass einige wiederhergestellte Verbindungen nicht als solche erkannt werden, da sie sich nun auf eine „neue“ Firma beziehen.

Außerdem kann es zur „funktionellen Wiederherstellung“ (funcional reconstitution) von Interlocking Directorates kommen. Dabei soll zwar weiterhin derselbe Zweck mit der wiederherzustellenden Verbindung verfolgt werden, allerdings nicht durch eine erneute Verbindung mit demselben Zielobjekt [vgl. Stearns/ Mizruchi 1986].

Auf den hier vorliegenden Kontext übertragen bedeutet dies, dass beispielsweise ein Interlock, das einem Unternehmen dazu gedient hat, generelle Informationen oder know-how aus der Bundespolitik - und nicht speziell aus dem Bundestag - zu

Die dadurch möglichen Verzerrungen werden bewusst in Kauf genommen. Die einzig mögliche Alternative, zeitliche Höchstgrenzen für die Möglichkeit zur Wiederherstellung einer Verbindung anzusetzen, wäre aus drei Gründen abzulehnen: Erstens wäre die Wahl der Zeitspanne willkürlich und theoretisch nicht schlüssig zu begründen. Zweitens müssten unnötig viele Daten aus der Analyse entfallen. Wählt man lange

Zeitspannen, können erst kürzlich unterbrochene Verbindungen nicht untersucht werden, weil die festgelegte Zeitspanne für ihre mögliche Wiederherstellung erst zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt abläuft.

Wählt man dagegen zu kurze Zeitspannen, so hat dies Drittens zur Folge, dass der gemessenen Anteil an wiederhergestellten Verbindungen unterschätzt wird, weil später erfolgte Wiederherstellungen nicht mehr erfasst werden.

61 Diese stark unterschiedlichen Werte erklären sich teilweise über leicht unterschiedliche Definitionen und

erlangen, auch durch Verbindungen zu anderen politischen Akteuren auf Bundesebene, wie etwa einem Ministerium oder einer Bundespartei, ersetzt werden könnte. Die Zahl der interorganisational motivierten Interlocks wird durch die „funktionell“ wiederhergestellten Verbindungen unterschätzt werden.

Ein weiteres methodisches Problem stellt die notwendige Nichteinbeziehung von mehrfachen Verbindungen in die Analyse dar. Mehrfache Verbindungen, also Interlocks zwischen zwei Organisationen durch mehr als einen Interlocker (= „multiple ties“), zeigen an, dass die damit angestrebte Beziehung für das beteiligte Unternehmen besonders wichtig ist, da andernfalls eine einfache Verbindung genügt hätte [Palmer/ Friedland/ Singh 1986: 787].

Die Wichtigkeit einer Verbindung aber wiederum ist nicht unabhängig von ihrem Zweck: „Several researchers have argued that a multiple interlock [...] is more likely than a single interlock [...] to indicate control or coordination between two firms [...]” [Stearns/ Mizruchi 1986: 527]. „This suggests that firms connected by many interlocks should reconstitute their ties more frequently than those connected by only one interlock, because their ties are more likely to facilitate a linkage or first-order bonds that persist after an interlock that composes the tie is broken” [Palmer/ Friedland/ Singh 1986: 787]. Auch dies kann dazu führen, dass der Anteil der wiederhergestellten Interlocks, und damit der Anteil der organisational motivierten Verbindungen unterschätzt wird.

Des Weiteren muss darauf hingewiesen werden, dass die broken-tie Methodik davon ausgeht, dass die Gründe, die zum Anknüpfen einer Verbindung zwischen zwei Organisationen geführt haben über einen längeren Zeitraum stabil sind und auch zur Wiederherstellung einer Verbindung führen sollten. Dies ist aber nicht immer der Fall, worauf bereits in Abschnitt 2.4 hingewiesen wurde.

Ändern sich die Absichten und Ziele eines Unternehmens, so kann eine Verbindung auch „absichtlich unterbrochen“ beziehungsweise absichtlich nicht weitergeführt werden: „[...] some ties, although not disrupted intentionally may be discontinued intentionally [Palmer 1983: 54].

Selbst wenn die Motivlage der beteiligten Interlockpartner die ganze Zeit über stabil bleibt, kann es darüber hinaus zu Fällen kommen, in denen Interlocks zwar wiederhergestellt werden sollen, dies aber aus anderen Gründen nicht

möglich ist. Die gewollte Wiederherstellung führt dann nicht zur tatsächlichen Wiederherstellung einer Verbindung. [Stearns/ Mizruchi 1986: 526]

Der Anteil an „reconstituted ties“ sollte daher vorrangig als Tendenzwert interpretiert werden. Als solcher zeigt er jedoch den ungefähren Teil (überwiegend) organisational motivierter Verbindungen an.62

Im vorliegenden Fall zeigt sich klar, dass der Anteil der Interlocks die inter-organisationale Beziehungen darstellen, und sich als reine Verbindungen zum Parlament verstehen lassen eher gering ist im Vergleich zu den Verbindungen, deren Ursache mehr in der Person und in den Motiven des Parlamentariers zu suchen ist63.

Der gemeinsame Erklärungsbeitrag der rein interorganisationalen Modelle

„Kontrolle“, „Kooptation“, und „Einfluss und Bestechung“ für Verbindungen von Parlament und Wirtschaft ist eher gering. Der Erklärungsbeitrag der rein interpersonellen Modelle „upper class cohesion“64 und „Prestige“, die Verbindungen von Parlament und Wirtschaft allein als Kontakte zwischen Personen interpretieren und der Erklärungsbeitrag des „Information Interlock“

Modells, das, je nachdem ob eher die individuelle Expertise und persönliche Erfahrungen oder der Zugang zu organisationalen Informationen im Vordergrund stehen, zu beiden Gruppen gezählt werden kann, sind deutlich höher.65

Hieraus folgt, zusammen mit den Ergebnissen der Prestigeanalyse, dass „[...] a model that emphasizes [...] a desire for prestige, and career objectives as

62 Exakte Werte für den Anteil interorganisationaler und interpersoneller Verbindungen können alleine schon deshalb niemals angegeben werden, weil viele Verbindungen gleichzeitig mehreren Zwecken dienen. Darauf wurde bereits in 2.4 hingewiesen.

63 Natürlich sind auch diese beiden Dimensionen untrennbar miteinander verknüpft weil der Parlamentarier seine Bedeutung erst über seine Position und seine Mitgliedschaft in der Organisation „Bundestag“ erhält.

Dennoch kann niemand den großen Unterschied zwischen persönlich motivierten und organisational motivierten Verbindungen wie hier dargestellt verkennen oder verleugnen.

64 Aus Sicht der empirischen Fakten gleichen sich beide Modelle. Beide erklären Interlocking Directorates als Verbindungen mit prominenten, einflussreichen Personen. Der Hauptunterschied ist, dass das „upper class“ Modell aus einer bestimmten normativ – ideologischen Sichtweise heraus durch diese Verbindungen die enge Verbindung von Staat und Wirtschaft insgesamt als gegeben ansieht und kritisiert, dass dies eine Durchsetzung des Staates mit Wirtschaftsinteressen zur Folge hätte. Dies ist nicht nur schwer nachzuweisen, sondern aus mehreren Gründen fragwürdig, wie in Abschnitt 7 kurz erläutert wird.

Daher wird das in seinen Annahmen weniger anspruchsvolle Prestigemodell dem upper class cohesion Modell vorgezogen und letzteres weitgehend ausgeblendet.

65 Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Grenze zwischen einigen dieser Modelle in ihrer Anwendung in der Praxis nicht immer ganz leicht zu ziehen ist.

motivating individual board members to hold multiple board memberships“ [Zajac 1988: 437] wohl das für den hier untersuchten Bereich zutreffendste ist.