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Unternehmerpreis steht

für Aufschwung Ost

Der Geschäftsführende Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes, Claus Friedrich Holtmann, ehrte am 25. November 2010 in Potsdam je einen Preisträger aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt in den Kategorien „Unternehmer des Jahres“, „Kommune des Jahres“ und „Verein des Jahres“

D

er Unternehmer-Konvent hat sich in den vergangenen Jahren zum größten Mittelstandstreffen in den neuen Bundesländern entwickelt. Höhepunkt der Veranstaltung ist die Verleihung des Unternehmer-Preises, der sich inzwischen als renommierte Auszeichnung etabliert hat. Der Ostdeutsche Sparkassenverband verleiht den Unternehmerpreis seit 1997. Damals war die Ehrung zum „Unternehmen des Jahres“ als Anerkennung für erfolgreiche unternehmerische Leistungen gedacht. Weil aber zur Schaffung zukunftssicherer Unternehmensstandorte immer auch das Engagement der Kommunalpolitik gehört, verleiht der Ostdeutsche Sparkassenverband seit 2003 den Unternehmerpreis auch in der Kategorie „Kommune des Jahres“.

Als besonderen Gast konnte der 14. Unternehmer-Konvent den Herausgeber der FAZ, Herrn Dr. Frank Schirrmacher begrüßen, der in seinem Vortrag „Das Methusalem-Komplott“ das Altern der Bevölkerung und seine wirtschaftlichen Folgen für die Gesellschaft näher beleuchtete.

Die Bürgermeister der als „Kommune des Jahres 2010“ ausgezeichneten Kommunen: (v.l.n.r.) Dirk-Michael Meisel (Weddersleben/Sachsen-Anhalt), Thomas Zenker (Großräschen/Brandenburg), Michael Heckel/Sachsen), Ernst Heinemann (Putgarten/Mecklenburg-Vorpommern)

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Wirtschaftsstandort gelten. Dazu gehört auch die erfolgreiche Vernetzung von Wirtschaft, Bildung, Familie, Kultur und Umwelt.

Holtmann würdigte die Preisträger: „Der Unternehmer-Preis repräsentiert in jedem Jahr die ungeheure Kraft und den Einsatz der Men-schen in den neuen Bundesländern. Fast 300 Bewerber zeugen von der Innovationskraft der Menschen in den neuen Ländern. Der Preis ist ein Mutmacher für alle, die etwas wagen und ihre Region voranbringen wollen.“

Diesen Anspruch – so die Jury aus Vertre-tern von Sparkassen, Kammern, Kommunen undMedien – zur Erlangung des Unternehmer-Preises als „Kommune des Jahres 2010“erfüllten Großräschen (Brandenburg), Putgarten (Meck-lenburg-Vorpommern), Bockelwitz (Sachsen) und Weddersleben (Sachsen-Anhalt).

Wirtschaft ist nicht alles – aber ohne Wirtschaft ist eben alles nichts

Thomas Zenker, Bürgermeister Großräschen:

Die Stadt Großräschen (10.500 Einwohner) fiel Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre in ein „tiefes Loch“. Zunächst fiel dem Tagebau Meuro ein Drittel des Stadtgebietes mit ehemals 4000 Bewohnern zum Opfer. Nach der Wende verschwanden nach und nach alle ehemals strukturbestimmenden Industrieunternehmen (Klinker, Glas, Kohle) von der Bildfläche.

Auf der Suche nach einer neuen Zukunft entstanden Mitte der 1990er Jahre die Ideen einer Internationalen Bauausstellung „Fürst-Pückler-Land“ und einer Seestadt.

Die Revitalisierung des Wirtschaftsstandortes Großräschen vor allem mit mittelständischen Firmen ist seither das erklärte Oberziel der Stadt-entwicklung. „Wirtschaft ist nicht alles – aber

ohne Wirtschaft ist eben alles nichts“. Nach die-sem Credo ist Wirtschaftsförderung Chefsache!

Flankierend dazu hat die Stadt als Schul-träger der Oberschule Friedrich Hoffmann und zweier Grundschulen seit ca. 10 Jahren das praxisnahe Lernen und die Berufsfrüho-rientierung in den Focus gerückt. Fachkräfte-sicherung, Zusammenarbeit mit Partnern in Schule, Berufsschule und Wirtschaft werden als Querschnittsthemen der Wirtschaftsförderung behandelt. Beispielgebend sei der Innovations-preis der Stadt Großräschen genannt, der in die-sem Jahr zum 10. Mal ausgelobt wurde und mit einem Preisgeld von 5.000 Euro dotiert ist.

Das Thema Stadtumbau wurde gemeinsam mit den örtlichen Wohnungsunternehmen voran getrieben. Großräschen platziert sich als Seestadt und Tor zum entstehenden Lausitzer Seenland. Die Auszeichnung als „Kommune des Jahres 2010“ hilft, das Engagement der Stadt für Unternehmen, für Medien und enga-gierte Menschen sichtbar zu machen. Es hilft bei der Entwicklung des Wirtschaftsstandortes, um Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaf-fen. Großräschen ist attraktiv und interessant, das neu erschlossene Wohngebiet „Alma“ am zukünftigen Ilse-See und das Lausitzer Seen-land mit seinen Potenzialen für Tourismus und Lebensqualität ermöglichen eine neue Identität als Seestadt.

Ich betrachte die Auszeichnung vor allem als Wertschätzung und Ermutigung für die Menschen, die sich für die Entwicklung von Großräschen auch in schwierigen Zeiten enga-giert haben.

Darüber hinaus werden wir die Auszeichnung in das Marketing für den Regionalen Wachs-tumskern Westlausitz einbinden, um die Ent-wicklung der Wirtschaftsregion gemeinsam mit den Partnerstädten Finsterwalde, Lauchham-mer, Schwarzheide und Senftenberg erfolgreich voranzutreiben.“

Gemeinschaftssinn im Dorf gefördert

Dirk-Michael Meisel, Bürgermeister Weddersleben:

„Die Gemeinde Weddersleben pflegt öffent-lichkeitswirksam ihre regionalen Traditionen.

So hat die kleine Gemeinde (1.017 Einwoh-ner) den überregionalen Teufelsmauerstieg als attraktiven Wanderweg mitinitiiert. Die Teufelsmauer ist das älteste Landschafts-schutzgebiet der neuen Bundesländer. Einer Sage nach soll ein Hirte einst eine alte Kir-chenglocke an der Teufelsmauer gefunden haben, die heute noch im Kirchturm von Weddersleben hängt. Mit dem Teufelsmau-erstieg hat die Gemeinde in diesem und im vergangenen Jahr einen Umweltpreis gewon-nen. Die Gemeinde pflegt das Brauchtum, wie Maibäume oder Kartoffelfeuer aber auch sich selbst. Dafür wurde sie in diesem Jahr bereits als „Schönstes Dorf in Sachsen-Anhalt“ ausgezeichnet.

Aber auch die Integration behinderter Men-schen im Zusammenarbeit mit der Lebens-hilfe Weddersleben und mit den vielfältigsten Aktivitäten der 19 Vereine, wie 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr, 200 Jahre Schützen-gesellschaft, 60 Jahre Kleintierzucht und das Konzept der Betreuung vom Kindergarten bis zur Grundschule haben aus meiner Sicht Sparkassen-Finanzgruppe

Claus Friedrich Holtmann

Dirk-Michael Meisel Thomas Zenker

mit zu dieser Auszeichnung als „Kommune des Jahres 2010“ beigetragen. Weddersleben setzt jedoch auch auf moderne Technik. Zur Verhinderung „weißer Flecken“ wurde früh-zeitig die Breitbandversorgung durch ein Joint Venture mit der Deutschen Telekom geschlossen.

Die Auszeichnung bedeutet den Bürgern und Einrichtungen unserer Gemeinde sehr viel, da damit ihr Engagement für den Ort die verdiente Wertschätzung erhielt. Die Auszeichnung stärkt die Zusammenarbeit

und den Zusammenhalt in unserem Ort, da alle Vereine und Institutionen auf das Erreichte stolz sind. Für unsere zukünftigen Projekte – den Erhalt der Friedensbrücke und die Schaffung von altersgerechten Woh-nungen sowie den Erhalt der Grundschule gibt uns die Auszeichnung Motivation und Kraft.“

Antwort auf den demografischen Wandel

Michael Heckel, Bürgermeister Bockelwitz:

„Mit Bockelwitz hat sich eine „junge“ Gemein-de im Freistaat Sachsen durchgesetzt. JeGemein-der achte der rund 2.700 Einwohner von Bockel-witz ist jünger als 16 Jahre, die Einwohnerzahl ist konstant.

Schwerpunkt der Arbeit der Gemeinde war in den zurückliegenden Jahren die nachhalti-ge Entwicklung der ökologischen und sozialen Infrastruktur. Die Grundschule im Dorf mit Essensversorgung aus der eigenen Schulküche ist so selbstverständlich wie die fünf neuen bzw. modernisierten Kindereinrichtungen. Der Zuzug junger Familien zeigt uns, dass der einge-schlagene Weg richtig ist.

Mit dem Projekt „Jugend in Arbeit“ stellt sich die Gemeinde bereits im dritten Jahr erfolgreich der regional sehr hohen Jugendarbeitslosigkeit entgegen. Junge Menschen erhalten eine fach-praktische Ausbildung. Das ist unsere Antwort auf den demografischen Wandel.

Bockelwitz setzt auf den Erhalt des gewach-senen historischen Ortskerns und eine fami-lienfreundliche Infrastruktur. Für die beiden Jugendclubs steht ein Sozialarbeiter zur Ver-fügung. Die Gemeinde erschließt konse-quent Gewerbeflächen und bietet attraktive Naherholungsgebiete.

Über die Auszeichnung „Kommune des Jah-res 2010“ freue ich mich sehr. Sie ist der Lohn für die Arbeit der letzten 20 Jahre, die in Bockel-witz mit den Bürgern und dem Gemeinderat geleistet wurde. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Grundzüge der gewürdigten Arbeit in der neuen Kommune, der Stadt Leisnig“ fes-ter Bestandteil weifes-terhin fesfes-ter Bestandteil des kommunalen Lebens sein können.“

Vom militärischen Sperrgebiet zum Erlebnisdorf am Nordkap Ernst Heinemann, Bürgermeister Putgarten:

„Putgarten ist mit seinen 270 Einwohnern die nördlichste Gemeinde auf der Insel Rügen und

auch eine der Schönsten: Steilküste, Sandstrand, sanierte Fischerkaten, historische Denkmäler.

Putgarten hat seine Chancen nach der Wende genutzt. Lebten in den ersten Jahren nach der Wende die Putgartener noch von Land- und Fischwirtschaft, überzeugen sie heute als hervor-ragende Gastgeber. Bei der Vermarktung ziehen Tourismus-GmbH und eine Reihe von Förder-vereinen an einem Strang.

Putgarten gehörte in der DDR zum militäri-schen Sperrgebiet. So konnte die Gemeinde als Urlaubsziel nach der Wende von der unver-bauten, ursprünglichen Natur profitieren. Kap Arkona, wie der Ort ebenfalls heißt, wurde Flächendenkmal und wichtige Grundstücke Gemeindeeigentum. Es entstand der „Rügen-hof“ mit Ferienwohnungen und Schauwerkstät-ten. 80 neue Arbeitsplätze wurden geschaffen.

So glänzt Putgarten mit einer sagenhaften Arbeitslosenquote von 0 Prozent. Heute pflegen wir unser Image als Erlebnisdorf. Touristisches Highlight ist der Schinkel-Leuchtturm. Er wurde zum Standesamt ausgebaut, 400 Hoch-zeitspaare jährlich geben sich in luftiger Höhe das Ja-Wort.

Die Auszeichnung als „Kommune des Jahres 2010“ ist uns Ansporn, auf diesem Wege weiter zu machen und noch viele gute Ideen für unsere Bürger und Gäste in die Tat umzusetzen.“

www.osv-online.de WEITERE PREISTRÄGER

„Unternehmer des Jahres“

Landessieger Brandenburg

„Green Way Systems GmbH“ aus Frankfurt/

Oder hat mobile Verkehrsleitsysteme und Verkehrsbeeinflussungsanlagen entwickelt.

Landessieger Mecklenburg-Vorpommern

„Ostsee-Schmuck GmbH“ aus Riebnitz-Dam-garten bietet mehr als nur schönen Schmuck.

Landessieger Sachsen

Landskron Brauerei Görlitz GmbH blickt auf eine lange und erfolgreiche Geschichte zurück.

Landessieger Sachsen-Anhalt

„Kiebitzberg Gruppe“ in Havelberg ist im holz- und metallverarbeitenden Gewerbe tätig.

„Verein des Jahres“

Landessieger Brandenburg

„Verein zur Förderung des Cottbusser Kinder-musicals e.V.“; will das traditionsreiche Cott-buser Kindermusical erhalten und fördern.

Landessieger Mecklenburg-Vorpommern

„Förderverein Schloss Stolpe e.V.“; will den Wiederaufbau des Schlosses fördern und es kultureller Nutzung zuführen.

Landessieger Sachsen

„Kulturfabrik Hoyerswerda e.V.“; will junge Menschen an ihre Heimatstadt binden.

Landessieger Sachsen-Anhalt

„Förderverein Technikmuseum Hugo Jun-kers“ in Dessau unterstützt den Auf- und Ausbau des Museums als Begegnungsstät-te für Begegnungsstät-technisch inBegegnungsstät-teressierBegegnungsstät-te Menschen.

Ernst Heinemann Michael Heckel

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„Ich persönlich bin nachhaltig der Auffassung, dass die Unternehmen, die Aufgaben der munalen Daseinsvorsorge erfüllen, in kom-munale Hand gehören. Das heißt, dass die Kommunen mindestens 51 Prozent der Anteile halten müssen“, sagt Thomas Lenz, Geschäfts-führer der Kommunalen Dienstleistungs-Gesell-schaft Thüringen und gleichzeitig Vorstand der Kommunalen Energie Beteiligungsgesellschaft Thüringen Aktiengesellschaft. Er sieht in der Gesellschaft, der er vorsteht, einen „kommuna-len Energiepool“. 850 Thüringer Kommunen sind ihr beigetreten. Bei der Gasversorgung hielten sie Ende der 90iger Jahre 10 Prozent, bei der Stromversorgung 27 Prozent. Heute sind die

Kommunen in Thüringen mit 47 Prozent am regionalen Energieversorger, der E.ON Thürin-ger Energie AG, beteiligt. Für Lenz liegen die Vorteile starker Kommunen im Energiebereich klar auf der Hand: „4 Milliarden Euro wurden bis jetzt in Thüringen investiert. Damit sichern wir Arbeitsplätze, denn die Mehrzahl der Auf-träge – mehr als 80 Prozent – bleibt im Land“, führt er aus.

„Thüringen hat eine große Anzahl von Stadtwerken mit unterschiedlichen Strukturen.

Sie sind gut aufgestellt“, meint Dr. Jens Horn, Sprecher von Forum Erdgas. Hinzu kämen – anders als in den anderen neuen Bundesländern – eine ganze Reihe von kleinen regionalen

Gas-versorgern. „Die Thüringer Energiewirtschaft ist vom Wandel geprägt“, stellt Simone Wien-hold-Engelhardt, Geschäftsführerin der Stadt-werke Ilmenau GmbH, fest. „Der kommunale Energiebereich, funktioniert bestens“, bestätigt auch sie. Allerdings stehe man durch die Ver-werfungen auf dem Gasmarkt vor schwierigen Zeiten.

Insofern könne sie sich auf technischer Ebene durchaus eine Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen vorstellen. Dr. Jens Horn vom Forum Erdgas sieht das auch so. „Die Stadtwer-ke arbeiten bereits sehr effizient und kommen hier schon an ihre Grenzen. Da liegen Koope-rationen auf der Hand. Das setzt natürlich eine partnerschaftliche Beziehung voraus.“

Erdgas als einziger Energieträger beliebig mit „Erneuerbaren“

kombinierbar

„Sind die aktuellen Strukturen bei der Erdgas-versorgung auch schon die der Zukunft?“ fragt Prof. Michael Schäfer die Runde. Und zweitens:

„Muss man neue Strukturüberlegungen für den gesamten Energiebereich oder doch eher isoliert nach Gas, Strom und Wärme anstellen?“

Simone Wienhold-Engelhardt ist sich sicher:

„Isolierte Überlegungen sind nicht möglich“.

Die Zukunft werde schwerwiegende Verände-rungen bringen. „Erdgas wird in zehn, 15 Jahren den Einfluss auf dem Wärmemarkt verlieren“, prophezeit die Stadtwerke-Geschäftsführerin.

Jens Horn stimmt ihr zu. „Der derzeitige Erdgas-Anteil an der Wärmeversorgung von Forum Erdgas

BIOERDGAS WIRD BEI DEN „ERNEUERBAREN“ STIEFMÜTTERLICH BEHANDELT

„Das zentrale Kriterium

ist die Nachhaltigkeit“

Forum-Erdgas-Diskussion in Thüringen

I

m Frühjahr 1990 wurden durch die erste und einzige frei gewählte Volkskammer die rechtlichen Grundlagen für die kommunalwirtschaftliche Betätigung gelegt. Ohne die Weichenstellungen von Kommunalwahlgesetz, Kommunalverfassung und Kommunalvermögensgesetz wäre kommunale Energieversorgung nicht vorstellbar. Heute ist die kommunale Wirtschaft aus Ostdeutschland nicht mehr wegzudenken. Die kommunalen Unternehmen der Versorgungswirtschaft lernten schnell, in wirtschaftlichen Kategorien zu denken, vergaßen darüber aber nicht ihre soziale Verantwortung. Im Fokus stand und steht immer der gesellschaftliche Mehrwert. Aktuell erleben wir mit dem Auslaufen vieler Konzessionsverträge, dass immer mehr Kommunen ihre Versorgung selbst stemmen wollen. In dieser Situation kann es großen Nutzen stiften, von den Erfahrungen der Kollegen zu lernen und offen zu den komplexen technologischen, wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Aspekten der Versorgungswirtschaft zu diskutieren.

Das Forum Erdgas ist die erste freiwillige Initiative, die diesen Austausch in Bezug auf den Energieträger Erdgas moderieren will. Es versteht sich als Interessenvertretung der ostdeutschen Gasversorger mit ihren überwiegend kommunalen Unternehmen und als Kommunikationsplattform für aktuelle Entwicklungen und zukünftige Herausforderungen in der ostdeutschen Erdgaswirtschaft. Am 8.

Dezember trafen sich in Erfurt zwei Geschäftsführer kommunaler Unternehmen und die Vertreter des Forum Erdgas zu einem Round-Table-Gespräch über die Zukunft kommunaler Lösungen in der ostdeutschen Erdgaswirtschaft. Moderiert wurde die Runde von Prof. Dr.

Michael Schäfer, Herausgeber und Chefredakteur von UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER.

Die Teilnehmer am Gespräch des Forum Ergas (v.l.n.r.): Prof. Dr. Michael Schäfer, Andrej Krocker, Simone Wienhold-Engelhardt, Dr. Jens Horn und Thomas Lenz

58 Prozent wird sinken“, sagt auch er. Den-noch werde Erdgas zunehmend an Bedeutung gewinnen – bei der Stromerzeugung und im Verkehrsbereich. „Erdgas ist das einzige Medi-um, das beliebig mit regenerativen Energiearten kombinierbar ist“, nennt er die Vorteile.

„Neue Herausforderungen – bringen auch neue Chancen“, ist sich Thomas Lenz sicher.

„Neue Marktpositionen werden zu Strukturände-rungen in den Unternehmen führen. Ich vermute, auch zu einer verstärkten Kooperation. Manche werden Nischen suchen und finden.“ Thomas Lenz ist überzeugt: „Die Stadtwerke haben einen entscheidenden Vorteil: die Nähe zum Bürger und zum Kunden und den werden sie nutzen.“

Lenz verweist auf die demografische Ent-wicklung in Thüringen. Innerhalb von 20 Jahren ist die Zahl der Landeseinwohner um 350 000 gesunken. Im selben Zeitraum seien 200 Gemeinden neu an das Gasversorgungs-netz angeschlossen worden. „Doch jetzt gibt es nicht mehr viele neue Wohnviertel, die neu angeschlossen werden. Das bedeutet: Auch die Energiemenge wird sinken. Wir sind an einem Markt tätig, der schrumpfen wird. Weniger Kunden sind an das gleiche Netz angeschlossen.

Das führt dazu, dass sich die Fixkosten stärker im Preis des Einzelkunden widerspiegeln.“

„Der Druck auf den Einzelnen, etwas zu tun, wird groß. Und hier müssen wir intelligente Lösungen anbieten“, ist der Geschäftsführer der Kommunalen Dienstleistungs-Gesellschaft Thüringen überzeugt.

„Bis 2050 soll laut dem Energiekonzept der Bundesregierung der Gesamtwärmebedarf auf 20 Prozent reduziert werden. Das halte ich nicht für realistisch, allein, wenn ich an die Gebäude denke, die unter Denkmalschutz stehen“, sagt Jens Horn.

„Vor zweieinhalb Jahren ist in Weimar eine Schule saniert worden. Dadurch hat sich der Energieverbrauch um 80 Prozent reduziert.

Es geht also, es ist machbar“, sagt Simone

Wienhold-Engelhardt, räumt aber ein, dass es sich hier um ein Einzelbeispiel handelt. Die Gesprächsteilnehmer stimmten überein, dass bei der energetischen Sanierung von Gebäuden unbedingt auf Kosten-Nutzen-Relation geachtet werden muss.

Erdgas-Ideen zur Energieeinsparung

„Wenn es darum geht, neue Geschäftsfelder außerhalb der Wärmeversorgung für Erdgas zu erschließen, haben wir Ideen: z.B. Erdgasmobi-lität“, wirft Andrej Krocker, Leiter von Forum Erdgas ein. „Wer uns hier hängen gelassen hat, war die Automobilwirtschaft“, ergänzt Jens Horn und kritisiert, dass nach wie vor zu wenige Erdgasmodelle angeboten werden.

„Welche Konzepte entwickelt die Erdgas-versorgungswirtschaft zum effizienten Ener-gieverbrauch?“, fragt Prof. Schäfer die Runde.

Forum Erdgas-Sprecher Horn gibt zunächst eine grundsätzliche Antwort. „Dafür neue Konzepte zu entwickeln sei absolut notwendig. Wenn wir

es nicht tun, erledigen das andere“, ist er sich sicher. Im Bereich der Wohnungswirtschaft und des Gewerbes könne man beispielsweise durch den Austausch von Anlagen Einsparungen für die Mieter erreichen. „Das führt zu einer hervor-ragenden Kundenanbindung an den Versorger“, so Horn. Auch Erdgastankstellen seien gut für die Autofahrer und die Umwelt.

In den Stadtwerken in Ilmenau arbeitet man bereits an neuen Dienstleistungen: „Wir bera-ten, wir planen, wir bauen Anlagen, wir bieten Wartungsservice an“, nennt Geschäftsführerin Wienhold-Engelhardt die Ziele. „Doch das heißt auch, in den Wettbewerb zum Handwerk zu gehen“, macht sie das Problem deutlich.

Dennoch: „Ein solcher Service ist ganz ent-scheidend“, glaubt Thomas Lenz. Das schaffe Vertrauen beim Kunden, mit dem die Stadtwerke werben könnten. „Die Kunden sind sich bewusst,

BIOGAS / BIOERDGAS Biogas

Biogas ist ein brennbares Gas, das durch Vergärung von Biomasse jeder Art herge-stellt wird. In Biogasanlagen können dem-nach sowohl organische Abfälle als auch speziell dafür produzierte Energiepflanzen vergoren werden. Das Gas kann zur Erzeu-gung von elektrischer Energie oder zum Be-trieb von Fahrzeugen eingesetzt werden. Für die Verwertung von Biogas ist der Methan-anteil am wichtigsten, da seine Verbrennung Energie freisetzt.

Bioerdgas

Erdgas ist vor ungefähr 600 Millionen Jah-ren entstanden. Durch abgestorbene Klein-organismen, Plankton und Algen, die sich auf dem Grund der Ozeane ablagerten und die von Gesteins- und Erdschichten über-deckt wurden, begann unter Luftabschluss und hohem Druck ein chemischer Prozess, der über Jahrmillionen die organischen Substanzen in gasförmige Kohlenwasser-stoffe, also das jetzige Erdgas, umwandelte.

Biogas lässt sich mit entsprechender Auf-bereitung auf Erdgasqualität (Bioerd-gas/Biomethan genannt) veredeln und in vorhandene Erdgasnetze einspeisen.

Das ist eine besonders rationelle Mög-lichkeit, regenerative Energien zu nutzen.

Im Gegensatz zu verschiedenen anderen er-neuerbaren Energien lässt sich Bioerdgas gut speichern, dem Bedarf entsprechend einset-zen und umweltschonend über das beste-hende Erdgasnetz zum Nutzer transportieren.

Bei der Verbrennung von Bioerdgas wird nur so viel Kohlendioxid freigesetzt, wie die zu ih-rer Herstellung genutzte Biomasse zuvor der Atmosphäre entzogen hat.

Thomas Lenz Simone Wienhold-Engelhardt

FORUM ERDGAS

Forum Erdgas ist eine Initiative ostdeutscher Erdgas-Unternehmen, die sich dem Dialog und der Information über den Energieträger Erdgas verpflichtet fühlen. Seit seiner Grün-dung im Jahr 2005 organisiert der Kreis einen offenen Meinungsaustausch, auf des-sen Basis das Forum Erdgas an der öffent-lichen Diskussion über aktuelle Fragen der Energiepolitik teilnimmt.

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dass die Stadtwerke für das allgemeine Leben viel leisten.“ Und außerdem könne man so einen Vor-sprung gegenüber den Mitbewerbern herausarbei-ten. „Die Mehrzahl der Anbieter von Strom und Gas kommt nicht aus Thüringen“.

„Unsere Stärke ist die regionale Anbindung“, stimmt Simone Wienhold-Engelhardt ihm zu.

„Unseren Kunden sage ich immer: Wenn Sie mit uns Ärger haben, stehen Sie in meinem Büro und können mich beschimpfen. Versuchen Sie das mal woanders…“

„Welche konkreten Beispiele gibt es zum Thema Energieeinsparung?“, möchte Michael Schäfer von den Energie-Experten wissen.

Ein kleines Blockheizkraftwerk im Keller des Einfamilienhauses – „das ist ein Geschäftsfeld von uns. Das werden wir aktiv angehen“, kün-digt Stadtwerke-Chefin Wienhold-Engelhardt an. Die Schulung der Mitarbeiter habe bereits begonnen. Das Ziel sei klar: „Wir wollen solche Anlagen aufbauen und betreuen“, sagt sie.

Bauern als Bioerdgas-Partner wirtschaftlich einbinden

„Und wie steht es um den Einsatz von Biogas?“, fragt Prof. Schäfer nach. Simone Wienhold-Engelhardt ist skeptisch. „Ich bin mit dieser Technologie noch nicht im reinen“, sagt sie.

„Wenn wir dafür Flächen, die zur Erzeugung von Lebensmitteln dienen, belegen, haben wir ein neues Problem.“

„Bis zu einem gewissen Umfang ist es durch-aus sinnvoll, Biogas zu produzieren“, wendet Thomas Lenz ein. „Wir brauchen einen Ener-giemix, denn wir können nicht auf jedes Dach eine Solaranlage setzen und auf jedes Feld ein Forum Erdgas

UNSERE GESPRÄCHSTEILNEHMER

ˆ Thomas Lenz, Geschäftsführer Kommunale Dienstleistungs-Gesellschaft Thüringen

ˆ Simone Wienhold-Engelhardt, Geschäftsführerin Stadtwerke Ilmenau GmbH

ˆ Dr. Jens Horn, Sprecher Forum Erdgas, Erdgasversorgungsgesellschaft Thüringen-Sachsen

ˆ Andrej Krocker, Leiter Forum Erdgas

FÖRDERMÖGLICHKEITEN VON BIOGASANLAGEN

Auf Bundesebene werden Anlagen zur Gewinnung und Nutzung von Biogas aus Biomas-se zur Stromerzeugung oder zur kombinierten Strom- und Wärmerzeugung (Kraft-Wärme-Kopplung) nach dem Marktanreizprogramm „zur Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien“ gefördert.

Ansprechpartner:

Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Frankfurter Straße 29-35 oder Postfach 51 60 65760 Eschborn 65726 Eschborn Internet: http://www.bafa.de Tel.: (06196) 908 625 Biogas-Anlagen können im Rahmen des Programms zur Förderung erneuerbarer Energien durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) über zinsgünstige Darlehen gefördert werden.

Bis zu einer installierten elektrischen Nennleistung von bis zu 70 kW kann neben dem zinsgüns-tigen Darlehen auch ein Teilschuldenerlass aus Bundesmitteln in Höhe von 15.000 € beantragt werden. Anlagen mit einer installierten elektrischen Leistung von über 70 kW werden ausschließ-lich durch Darlehen aus Mitteln der KfW gefördert. Der Finanzierungsanteil kann bis zu 100%

betragen, der maximale Kreditbetrag liegt bei 5 Mio. €. Die Darlehen werden von der KfW über Kreditinstitute zur Verfügung gestellt. Von der Förderung ausgeschlossen sind Eigenbauanlagen und Prototypen. Um ein Darlehen von der KfW bewilligt zu bekommen, darf vor Antragstellung nicht mit dem Bauvorhaben begonnen werden (ausgenommen Planungen).

Ansprechpartner:

Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Palmengartenstraße 5-9, 60325 Frankfurt am Main, Tel. (069) 74 31-0, Fax, (069) 74 31-29 44, Internet: www.kfw.de E-mail: iz@kfw.de

Andrej Krocker Dr. Jens Horn

Windrad stellen“, begründet der Chef der Kom-munalen Dienstleistungs-Gesellschaft seine Auffassung. Auch Jens Horn ist überzeugt: „Ich glaube, dass es da noch eine ganze Menge Poten-zial gibt. Wir brauchen Biogas unbedingt, weil es die einzige regenerative Energieart ist, die speicherbar ist“, sagt der Forum-Sprecher. „Wir haben im Moment ein ganz anderes Problem“, ist er überzeugt. „Biogas wird nicht in gleichem

Maße unterstützt wie andere regenerative Ener-gien“, erklärt Horn. Das Erneuerbare Energien unterschiedlich gefördert würden, führe zu Ver-werfungen im Markt. „Kleine Biogasanlagen und KWK-Anlagen werden stärker gefördert als große so Horn. Insgesamt gibt es mehr als 1700 Tarife in der Energiegesetz-Förderung“, fügt Simone Wienhold-Engelhardt hinzu.

Weiterhin bleibt Sie skeptisch: „Einige Biogas-anlagen sind große Anlagen. Da wird auf Maximie-rung gefahren – auf Kosten der Umwelt“, wendet sie ein. Um dies zu verhindern, sei es für Planung und Bau einer solchen Anlage wichtig, „dass man die Rohstoffe umweltverträglich erzeugt und bereit stellt“. Das sei am besten dadurch zu garantieren, dass die Landwirte in eine Betrei-bergesellschaft einbezogen würden. Die haben das allergrößte Interesse daran, ihre Äcker nicht auszulaugen und die richtige Fruchtfolge einzuhalten.

Teilte Forum-Sprecher Horn die Skepsis der Stadtwerke-Chefin aus Ilmenau bis dahin nur bedingt, so stimmte er ihr jetzt ausdrücklich zu.

„Das zentrale Kriterium beim Bau und beim Betrieb von Biogasanlagen muss die Nachhaltig-keit sein – sowohl, was die Einsatzstoffe, als auch, was den Einsatz des Endproduktes betrifft. Das gebietet der gesunde Menschenverstand.“

www.forum-erdgas.de