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Medaillenschmiede am Rennsteig

Oberhof ist der erfolgreichste Wintersportstandort in Deutschland / Von Falk Schäfer

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as kleine Städtchen Oberhof hoch auf den welligen Hängen des Thüringer Waldes avancierte nach der Wende zum medaillenträchtigsten Sportstandort Deutschlands. Berechnet man das Verhältnis zwischen den knapp anderthalbtausend Einwohnern und den Medaillengewinnen bei sportlichen Großereignissen stellt Oberhof die erfolgreichste Gemeinde der Welt.

Im Wintersportzirkus besteht der Ort seit Jahren im Wettbewerb mit pittoresken Skigebieten in den Hochgebirgen Asiens, Nordamerikas und Europas. Bis auf die Alpinen und die Schlittschuhläufer werden Sportler aller klassischen Wintersportarten in der kleinen Stadt am Rennsteig ausgebildet. Wie kein zweiter Sportstandort in den Neuen Ländern hat es Oberhof geschafft, sein erfolgreiches Fördersystem auch in die neue Zeit zu transferieren. Der sechste und letzte Teil unserer Serie über die Sportförderung öffentlicher Unternehmen in Ostdeutschland versucht das Geheimnis hinter den anhaltenden Erfolgen Oberhofer Sportler zu ergründen.

Andrea Henkel bejubelt in „ihrem“ Stadion den Sieg im Massenstart – Biathlon-Weltcup Oberhof 2010

75 UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER • DEZEMBER 2010

F O R UM NEUE LÄNDER

Öffentliche oder private Initiative entschei-den neben dem individuellen Talent und dem Biss eines jeden Sportlers über die zukünftige Karriere. Das gilt insbesondere für die sehr material- und damit kostenintensiven Sport-arten des Winters. Neben der öffentlichen Sportförderung engagieren sich hier vor allem die Sparkassen. Sie legen weniger Wert auf die mediale Präsenz, die durch hoch dotierte Spon-sorenverträge mit Spitzensportlern erkauft wird.

Und dennoch investieren sie mehr Geld in den Sport, als jede andere Unternehmensgruppe.

An der Rhön-Rennsteig-Sparkasse lässt sich diese Tatsache exemplarisch nachvollziehen.

Von dort wird kein einziger der erfolgreichen A-Kader-Athleten am Olympiastützpunkt direkt gefördert. Das Geld aus dem Sponsoring-Topf wird vielmehr in eine fast flächendeckende För-derung der kleinen lokalen Vereine im Vertriebs-gebiet investiert. Im zu Ende gehenden Jahr wird es fast eine halbe Million Euro für die fünf För-derthemen  Sport, Kultur, Umwelt, Wissenschaft Bildung und Soziales gewesen sein – eine stolze Summe für ein kleines Finanzinstitut in einer sehr ländlich geprägten Region.

Auch während der Wirtschafts- und Finanz-krise wurden weder das Volumen und erst recht nicht das Ob einer Förderung jemals in Frage gestellt. Die Sparkassen sind auch dann noch dabei, wenn die jungen Sportler an eine der Eliteschulen des Sports wechseln. Nun ist die Sparkassen-Finanzgruppe als Ganzes der wich-tigste Förderer dieses, im System der DDR-Kinder- und Jugendsportschulen fußenden, Ausbildungskonzepts für den Spitzensport.

Voraussetzung für diese Initiative war eine ganz-heitliche Ausrichtung der Schulen auf höchste Qualität sowohl in der sportlichen als auch in der schulischen Ausbildung. Schließlich müs-sen junge Menschen – ob Sportler oder nicht

– möglichst gut auf ihre berufliche Zukunft vor-bereitet werden. Am Sportgymnasium Oberhof lernen etwa 230 Schüler. Internats- und Schul-gebäude wurden erst kürzlich modernisiert. Die Ballung der Trainingsstätten am Ort ermöglicht kurze Wege mit wenig Zeitverlust. Gerade im Wintersport sind die Standorte der Eliteschulen des Sports oft auch jene der Sportfördergruppe der Bundeswehr. Das Verteidigungsministerium ist bei den meisten A-Kader-Athleten des Win-ters der oberste Dienstherr. Im Zenit ihrer sport-lichen Karriere wird es ihnen so ermöglicht, sich weitgehend auf den Sport zu konzentrieren und unter Profi-Bedingungen zu trainieren.

Moderne Arenen und Trainingsmöglichkeiten

In Oberhof vereinigen und ergänzen sich die Teile dieses ganzheitlichen Sportförderkonzepts auf optimale Weise. Vor allem in Hinblick auf die Sportstätten macht es auch ökonomisch Sinn, die Förderung an einem Standort zu konzentrieren. Schließlich ist der Betrieb der winterlichen Wettkampf- und Trainingsstätten enorm kostenintensiv. Eine Infrastruktur wie in Oberhof lässt sich nur an zentralen Punkten vorhalten. Die Stadt hatte das Glück, schon in den 80er Jahren eine Fülle von Sportstätten zu Sparkassen-Finanzgruppe

OLyMPIASTÜTzPUNKT OBERHOF

Sportarten: Biathlon, Bobsport, Langlauf, Nordische Kombination, Rodeln, Skeleton, Skispringen Sportler: 116 Kaderathleten in der Saison 2009/2010, davon 21 im A-Kader

Sportstätten:

DKB-Ski-Arena: 2003 komplett modernisiert

- Platz für insgesamt 25.000 Zuschauer (13.000 Stadion, 12.000 Strecke) - Highlight war die Biathlon-Weltmeisterschaft 2004

- Saison 2010/11: Biathlon-Weltcup 5. bis 9. Januar, Tour de Ski 31. Dezember bis 1. Januar Schanzen im Kanzlersgrund: eingeweiht 1962, Hans-Renner-Schanze (Rekord 147 Meter), K90 Schanze (Rekord 100 Meter)

- Highlights: Weltcup-Springen 1995

- jährlich: Weltcup Nordische Kombination und Sommer Grand Prix Nordische Kombination Rennrodelbahn Oberhof: als Kunsteisbahn eingeweiht: 1971

- Länge: 1.354,5 Meter – Kurven: 15 - Höchstgeschwindigkeit: 120 km/h

- Highlights: WM 1973, 1985, 2008 EM 1979, 1998, 2004 - Saison 2010/2011: Rennrodel-Weltcup 11. bis 16. Januar

Skisporthalle Oberhof: eingeweiht am 24. August 2009, ab 2011 mit direkt anschließen-dem überdachtem Biathlon-Schießstand

- Länge Rundkurs: 2 km

- getrennte Nutzungszeiten für Leistungs- und Breitensport Kontakt:

Thüringer Wintersportzentrum Oberhof, Jägerstraße 10, 98559 Oberhof, Fon 036842 - 525-0, Fax 036842 - 525-119, Internet: www.twz-oberhof.de, e-mail: twz@osp-thueringen.de

2009 in Oberhof eröffnet – die einzige Halle für Nordischen Skisport in Mittelleuropa

besitzen und bildete so einen Wachstumskern, der nach der Wende gezielt ausgebaut wurde.

Die Schanzen im Kanzlersgrund waren die ers-ten Oberhofer Wettkampfstäters-ten auf Weltni-veau und auch die ersten, die nach der Wende modernisiert wurden. Hier trainierten alle Oberhofer Olympiasieger – von Helmut Reck-nagel über Hans-Georg Aschenbach bis hin zu Stephan Hocke. In den 90er Jahren wurden die Anlagen nochmals modernisiert, sodass sie den immer strenger werdenden Normen des Internationalen Ski-Verbandes entsprechen.

Der letzte Weltcup bei den Spezialspringern liegt zwar schon 15 Jahre zurück, doch der Weltcup der Nordisch Kombinierten springt noch regelmäßig in den Kanzlersgrund. Für die Sinnhaftigkeit der Investitionen stehen auch die aktiven, mit Olympiamedaillen dekorierten, Oberhofer Schanzensportler Andreas Wank, Ronny Ackermann und Tino Edelmann. Sie trainieren im Thüringer Wald nach wie vor unter besten Bedingungen.

Die Rennrodelbahn in Oberhof wurde Anfang der 70er Jahre eingeweiht und gilt mit ihren 15 Kurven als eine der anspruchsvollsten weltweit. Nach Olympia- und WM-Medaillen gerechnet, ist dies noch immer die erfolgreichs-te der Oberhofer Sportstäterfolgreichs-ten. Die Bobpilo-ten Meinhard Nehmer, Wolfgang Hoppe und

Andre Lange, die legendären Oberhofer Rodel-Doppel von Hahn/Rinn bis Krauße/Behrendt, Margit Schumann und Silke Kraushaar sind nur einige der Namen, die sich im Oberhofer Eis-kanal für olympisches Gold in Form brachten.

In der noch jungen Sportart Skeleton kamen die ersten beiden deutschen Einzel-Weltmeis-ter ebenfalls vom Rennsteig. Ähnlich wie die Schanzenanlagen wurde auch die Rodelbahn immer wieder ertüchtigt, um höchsten

inter-nationalen Kriterien gerecht zu werden. Zuletzt fanden hier im Jahre 2008 die Rodel-Weltmeis-terschaften statt. Für die begeisterten Zuschauer wurde im Zielbereich eigens eine neue Tribüne errichtet. Zumindest zu Trainingszwecken kann die Rennrodelbahn auch von Bobteams genutzt werden. Schaut man sich die lange Liste erfolg-reicher Oberhofer Zweier- und Viererbobs an, kann es nicht allzu sehr geschadet haben, dass die Strecke nicht für internationale Bob-Wett-kämpfe zertifiziert ist. Auch mutige Touristen können sich im Sommer- oder Gäste-Bob die Bahn hinunterstürzen. Dieses Highlight stärkt die Anziehungskraft der Region und bringt nebenbei ein finanzielles Zubrot für die hohen Betriebskosten einer Kunsteisbahn.

Es waren die ersten Oberhofer Biathlon-Erfolge um Frank Ullrich, die die DDR-Armee-führung in den 80er Jahren dazu veranlassten, ein Biathlon-Stadion an den Rennsteig zu bauen. Nach der Wende wurde die Arena am Grenzadler schließlich zur Basis eines gesamt-deutschen Rausches. Mark Kirchner, Frank Luck, Sven Fischer, Peter Sendel, Kati Wilhelm, Andrea Henkel, Antje Misersky und Katrin Apel holten insgesamt zwölf Olympiasiege und 31 Weltmeistertitel an den Rennsteig. Der Biathlon-Sport erlangte im Sog dieser Erfolge einen enormen Popularitätsschub, der bis heute

anhält. In Oberhof entlädt sich die Begeiste-rung alljährlich beim Biathlon-Weltcup Anfang Januar mit zehntausenden Besuchern. Für die Biathlon-Weltmeisterschaft 2004 wurde das Stadion am Grenzadler komplett umgebaut und ist heute eine der modernsten Ski-Arenen weltweit. Hier tragen auch die Langläufer und Nordisch Kombinierten ihre Wettkämpfe aus.

Bei den Männern ist nahezu die komplet-te deutsche Elikomplet-te dieser beiden Sportarkomplet-ten am

Standort Oberhof versammelt. Die Trainings-bedingungen für die Ski-Athleten haben sich sukzessive verbessert. Es gibt eine moderne Ski-Roller-Bahn für das Sommertraining, mehrere Schießstände und moderne Krafträume. Im vergangenen Jahr wurde schließlich die einzige Skihalle für den Nordischen Skisport in ganz Mitteleuropa in Betrieb genommen. Hier kön-nen die Spitzensportler wetterunabhängig auf Schnee trainieren. Im kommenden Jahr wird ein moderner überdachter Schießstand hinzu-kommen. Die Skihalle zieht mittlerweile auch Freizeitsportler aus ganz Europa an. Abseits der Trainingszeiten steht sie offen für jedermann.

Die Gemeinschaft funktioniert In Oberhof gab es in den 80er Jahren noch 4.500 Gäste-Betten für Urlauber. Als die Rei-seziele in der ehemaligen DDR dann wen-debedingt ihre touristische Monopolstellung verloren, ist diese Zahl recht schnell auf 2.000 gesunken. Mittlerweile wurde die Schallmau-er von 4.000 wiedSchallmau-er durchbrochen. Dazu hat sicherlich beigetragen, dass sich die Infrastruk-tur in Oberhof beständig weiterentwickelt hat.

Nach dem Bau der A 71 durch den Thüringer Wald ist die Stadt für Touristen und Besucher sehr schnell zu erreichen. Auch die Bahn hat sich mittlerweile zu einer echten Alternative entwickelt. Doch das Oberhof hinsichtlich der Gästezahlen in einer Liga spielt, die eigentlich nur alpinen Skiorten vorbehalten ist, läge vor allem am Image des Spitzensports, meint Maik Lipsius von der Oberhofer Tourismus GmbH.

Die Kontinuität sportlicher Erfolge bil-det seit den 80er Jahren die Voraussetzung für die vielfältigen Investitionen in der Stadt. Die einzigartige Infrastruktur an modernsten Trai-nings- und Wettkampfstätten zieht nicht nur Weltklasseathleten, sondern auch Fans, Tou-risten und Freizeitsportler an. Regelmäßige Veranstaltungen auf höchstem Niveau sorgen dafür, dass der Ort auch in Zukunft in aller Munde bleibt. „Schon jetzt können die Sport-fans im Ausland manchmal mehr mit dem Namen Oberhof, als mit dem des Freistaats Thüringen anfangen“, ist Wolfgang Filbrich stolz. Grundlage all dessen war und ist aber immer, dass der Nachwuchs nach vorne rückt und den Staffelstab von den älteren Gene-rationen übernimmt. „Das hat bislang noch immer geklappt“, meint der 60jährige. Den-noch können die Mannigfaltigkeit möglicher Freizeitinteressen, für die man nicht mehr das Haus verlassen muss, aber vor allem die auch in Thüringen extrem niedrige Geburtenrate mittelfristig zum Problem werden. Gerade hier bemüht sich die Rhön-Rennsteig-Sparkasse mit ihrem flächendeckenden Engagement in den

Die Oberhofer Rodelbahn war und ist die Heimstatt unzähliger Weltmeister und Olympiasieger

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lokalen Vereinen dabei zu helfen, dass weiter erfolgreich gegen den demographischen Strom geschwommen werden kann. Eines der Rezepte für den anhaltenden Erfolg ist dabei sicherlich, dass entlang des Rennsteigs alle Institutionen

ineinander greifen und ein enger Kontakt zwi-schen jungen Sportlern, Eltern, Trainern und Lehrern gepflegt wird. Das neudeutsche Wort Netzwerke kann hier in den meisten Fällen mit Freundschaft und Vertrauen übersetzt werden.

Die Gemeinschaft im Thüringer Wald funkti-oniert. Zusammen hat man den Sportstandort ganz nach vorn an die Weltspitze gebracht und Strukturen geschaffen, die auch für die Zukunft Einiges erwarten lassen.

Sparkassen-Finanzgruppe