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4. Sport, Bewegung und Wohlbefinden – Erklärungsansätze

4.8 Unspezifische Effekte

Der folgende Erklärungsansatz geht davon aus, dass die körperliche Bewegung auch durch andere Tätigkeiten ersetzt werden könnte, solange sie die Erwartungen der han-delnden Personen erfüllen, d.h. positive psychische Veränderungen ließen sich über viele verschiedene Aktivitäten erreichen, nicht nur über Sport und Bewegung. Ein er-füllendes Hobby, ein Theaterbesuch oder das Lesen eines guten Buches könnten eben-solche Wohlbefindenssteigerungen erreichen, wie körperliche Aktivität und Bewegung es vermögen.

So konnte BREHM (1990) in einer Befragung von Jungen und Mädchen im Alter von 13 bis 16 Jahren zur Beziehung von Gesundheit und Wohlbefinden mit Sport und Schulsport zwei unterschiedliche subjektive Theorien ausmachen. In den erhobenen Daten erkannte er zwei verschiedene Muster, die er als ‚Sport-Typ’ und ‚Verzichts-Typ’ bezeichnete. Für den ersten gehört Sport und Bewegung unverzichtbar zu einem gesundheitsorientierten Lebensstil. Dieser ‚Sport-Typ’ sucht bewusst sportliche Situationen auf, da sie für ihn besonders geeignet erscheinen, Wohlbefinden und Gesundheit zu beeinflussen. SCHLICHT (1994b) vermutet in diesem Zusammenhang eine Selektion von Personen des ‚Sport-Typs’ bei Untersuchungen, die eine Wohlbefindenssteigerung nachweisen können. Gerade Personen, die in ihren Erwar-tungen von einer gesundheitlichen Wirkung des Sports ausgehen, ließen sich eventuell eher für solche Programme gewinnen als andere.

5. Zusammenfassung

In Kapitel 4 Teil A sollte die Frage geklärt werden, ob und wie Sport und Bewegung das menschliche Wohlbefinden beeinflussen. Damit ist zunächst ein zentrales Element des Friluftsliv einer näheren Betrachtung unterzogen worden. Es konnte dabei aufge-zeigt werden, dass Sport und Bewegung gleich mehrere Aspekte des Wohlbefindens beeinflussen können. Viele Effekte wurden schon in den Zusammenfassungen zu den einzelnen Unterkapiteln wiedergegeben, so dass hier eher allgemein der Bezug zu Fri-luftsliv und seinen Aktivitäten hergestellt werden soll.

Positive Effekte auf die kurzfristigen Komponenten Stimmung und Befindlichkeit kön-nen auf Grund der großen Datenlage quasi als gesichert angesehen werden, wenn auch noch nicht abschließend geklärt werden konnte, auf welchen Vorgängen die beobachteten Effekte beruhen. Das von ABELE und BREHM (1994) entwickelte Modell des Stimmungsmanagements mittels Äquilibration und Disäquilibration wurde in mehreren Untersuchungen empirisch bestätigt und erweitert (vgl. Alfermann & Stoll 1996b; Birrer 1999; Bässler 1995). Es gibt einige Hinweise darauf, dass Natursportar-ten die Effekte von Äquilibration und Disäquilibration in sich vereinen zu scheinen (vgl. Brehm 1998a; Wabel 1998). Natursportarten könnten dementsprechend sowohl für die Regulation von Stimmungsparametern genutzt werden als auch die Möglichkeit des Durchlebens von Spannungsbögen bieten. Doch auch ohne diese Hinweise spricht

einiges dafür, dass Friluftsliv mit seinem hohen Anteil an moderaten Ausdaueraktivitä-ten Befindlichkeitsverbesserungen bewirken kann, da diese in einem konkurrenzfreien Umfeld die größten Effekte bewirken (vgl. Alfermann & Stoll 1996b). Dazu kommt die Möglichkeit, aus einer großen Palette von Aktivitäten ein auf die Person abge-stimmtes und ihren Bedürfnissen entsprechendes Programm zusammenzustellen. Die feste Integration von Bewegung in das alltägliche Leben der Menschen entspricht der Forderung einer lebenslangen Bindung an Bewegungsaktivitäten (vgl. Adler 2003).

Betrachtet man einige stabilere Parameter des Wohlbefindens wie z.B. Selbst- und Körperkonzepte, so konnte die von EPSTEIN (1979) und SONSTROEM und MORGAN (1989) angenommene positive Beeinflussung von Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen besonders für Kinder und Jugendliche nachgewiesen werden (vgl.

Späth & Schlicht 2000; Endrikat 2001; Burrmann et al. 2002). Eine zentrale Rolle spielt dabei die wahrgenommene körperliche Leistungsfähigkeit, die sich wiederum auf die Akzeptanz des Körpers auswirkt, der in Kindheit und Jugend eine zentrale selbstwertrelevante Stellung einzunehmen scheint. Wenn man annimmt, dass beson-ders die Bewältigung von Anforderungen diese Effekte hervorruft, indem nämlich bei deren Bewältigung der Körper als leistungsfähig wahrgenommen werden kann, dann scheint Friluftsliv in seiner Struktur dieser Bedingung entgegenzukommen. Das Meis-tern von Aufgaben ist nämlich bei einer mehrtägigen Tour von vornherein gegeben.

Selbst spannungs- und angstreiche Situationen können - im Gegensatz zu vielen Sport-arten - nicht vermieden werden, sondern müssen fast zwangsläufig bewältigt werden (vgl. Buschmann & Lagerstrøm 1999).

Bei der angenommenen Pufferwirkung von Sport und Bewegung gegenüber Stress zeigten sich besonders zwei entscheidende Effekte. Bewegungsaktivität kann sowohl physiologische Parameter beeinflussen (vgl. Crews & Landers 1987; Alfermann &

Stoll 1996a, 1997) als auch eine Schutzwirkung gegenüber länger anhaltendem Le-bensstress und in kritischen Lebenssituationen bieten (vgl. Brown 1991; Kleine &

Fuchs 1994). Eine Übertragung dieser Ergebnisse auf Friluftsliv lässt dementsprechend zwei Deutungsebenen zu. Erstens kann Friluftsliv mit seinem hohen Anteil an Ausdau-eraktivitäten, die zudem noch ins tägliche Leben integriert werden, eine sehr effektive Beeinflussung der Ausdauerleistungsfähigkeit ermöglichen. BROWN (1991) konnte die körperliche Fitness als wichtige Variable bei der Schutzwirkung vor Stress

ausma-chen. Diese lässt sich über die vielseitigen Bewegungsangebote des Friluftsliv sehr umfassend verbessern (vgl. auch Adler 2003). Zweitens spricht die Tatsache, dass Fri-luftsliv von Kindesbeinen an in das Leben der Menschen integriert wird (vgl. Voigt 2002), dafür, dass eine sehr feste Bindung an diese Aktivitäten erreicht wird. So kann man annehmen, dass eine Person, die Bewegung in freier Natur schon früh als Quelle von Freude und Wohlbefinden erfahren hat, auch in kritischen Lebenssituationen und bei andauerndem Stress von diesen Aktivitäten Gebrauch machen wird, um damit be-wusst oder unbebe-wusst ihr Wohlbefinden auf hohem Niveau zu stabilisieren.

Die Bewegungsaktivitäten des Friluftsliv scheinen damit sehr umfassend zum mensch-lichen Wohlbefinden beizutragen. Diese Effekte werden vermutlich noch durch die nicht von der Bewegung zu trennenden Naturerlebnisse verstärkt, die durch die Aus-übung in natürlichen Umgebungen eintreten. Diese sollen im anschließenden Kapitel näher betrachtet und in ihrer Wirkung auf das menschliche Wohlbefinden analysiert werden. In der sich daran anschließenden Diskussion wird der Versuch einer Synthese der Ergebnisse aus beiden Teilbereichen gemacht werden.

Teil B: Naturerlebnis und Wohlbefinden

1. Einleitung

In diesem Kapitel wird nach der Bewegung das zweite Hauptelement des Friluftsliv auf seine Wirkung für das menschliche Wohlbefinden analysiert. Wie man Kapitel 2 entnehmen kann, gehört der Aufenthalt in der Natur, aber auch eine geistige Grundhal-tung, die vom Einklang mit der Natur geprägt ist, unverzichtbar zum Friluftsliv. Dies unterscheidet Friluftsliv von Sportarten, die Natur und Landschaft nur als reinen Raum für die Sportausübung betrachten. Der Genuss, das Erlebnis der Natur ist ein Teil des Friluftsliv, der nicht wegzudenken ist. Es liegt also nahe, diesen Bereich, ebenso wie Bewegung und Aktivität, dahingehend zu untersuchen, ob er einen Beitrag leisten kann, das Wohlbefinden zu verbessern und damit nachhaltig zur Gesundheit der Men-schen beizutragen. Einleitend werden einige grundlegende Überlegungen zum Natur-begriff und zum menschlichen Naturverständnis gemacht, um aufbauend darauf die Wirkung von Naturerlebnissen auf das Wohlbefinden aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.