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U LRICH H ÜBNERS S PÄTWERK ZWISCHEN S PÄTIMPRESSIONISMUS UND A VANTGARDE

Im Dokument Ulrich Hübner - Stadt, Land, See (Seite 166-174)

4 VATERLAND, AMT UND WÜRDEN

4.3 U LRICH H ÜBNERS S PÄTWERK ZWISCHEN S PÄTIMPRESSIONISMUS UND A VANTGARDE

in seinem Spätwerk gut nachvollziehen. Hübner trat das erste Mal 1901 im Salon Cassirer mit einem nicht näher identifizierten Stillleben auf. Für 1903 ist das Japanische Stillleben mit Abbildung nachgewiesen. (Abb. 105) und für 1905 wird in der Besprechung der Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes ein Flieder-Stillleben erwähnt, für das bisher jedoch keine Abbildung aufgefunden werden konnte. Allein diese wenigen Hinweise genü-gen schon, um einzuordnen, dass Hübner Vorbilder wie etwa Edouard Manets Weißer Flie-der für sein Schaffen nutzte. (Abb. 107) Es befand sich in Flie-der Berliner Privatsammlung Fe-licie Bernsteins, war aber in Berliner Kunstkreisen wohl bekannt und fand 1909 als Nachlass seine neue Heimat in der Berliner Nationalgalerie. Auch bezog Hübner sich mit der Darstel-lung der japanischen Puppe in seinem Stillleben von 1903 eindeutig auf die Mode des Ja

ponismus (Abb. 105) und zeigte ein gewisses Interesse für das Exotische, das auch die Ex-pressionisten teilten, wenn daraus auch kein andauerndes Thema für seine Malerei wurde.641

Einen anderen Aspekt kann noch an zwei weiteren Stilleben aus den Jahren 1910 und 1918 beobachtet werden. Verhältnismäßig spät griff Hübner die Flächig- und Farbigkeit Paul Cézannes, die für die Expressionisten ebenfalls eine große Rolle spielten, für sein Werk auf.

Beispiele dafür konnte er, wie auch für Manet, ebenfalls aus Berliner Privatsammlungen oder Nationalgalerie kennen. Hugo von Tschudi erwarb bereits 1897 mit Unterstützung privater Geldgeber das Gemälde Die Mühle an der Couleuvre bei Pontoise von Cézanne für die Nationalgalerie Berlin (Abb. 113), dem 1904 und 1906 jeweils ein Stillleben folgte.642 (Abb. 106) Die stärksten Fürsprecher hatte Cézanne in Berlin im Kunstsalon Cassirer. Sie zeigte Ende 1900 zum ersten Mal Cézanne in einer Ausstellung gemeinsam mit Walter Lei-stikow, Lovis Corinth und anderen. Neben Corinth wurde vor allem Cézannes Werk darauf-hin in der Berliner Presse lebhaft und kontrovers besprochen.643 Dieser Ausstellung folgten weitere in den Galerieräumen, teils mit Gemälden, aber auch mit Aquarellen. So umstritten der Künstler auch war, fand er bei deutschen Kritikern auch Befürworter, wie etwa Julius Meier-Graefe, der ihm in seiner Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst 1904 einen großen Abschnitt widmete. Auch in Berliner Privatbesitz war Cézanne prominent vertreten:

641 Eine prägnante Zusammenfassung, wie wesentlich die Einflüsse Manets und Cézannes auf die deutschen Maler des Im- und Expressionismus sind bei: Freyberger, Regina: Stillleben. Äpfel und Masken, in: Angelika Wesenberg und Ingeborg Becker (Hg.): Impressionismus - Expressionismus. Kunstwende. Ausst.-Kat. Berlin, München 2015, S. 251–260.

642 Feilchenfeldt, Walter: Zur Rezeptionsgeschichte Cézannes in Deutschland, in: Cézanne - Gemälde. Ausst.-Kat. Tübingen, Köln 1993, S. 293–312, hier passim und S. 308.

643 Echte, Bernhard: „Dieser grundsätzliche Gegensatz in den Kunstanschauungen…“. Die Ausstellungen des 3. Jahrgangs, in: Bernhard Echte und Walter Feilchenfeldt (Hg.): „Das Beste aus aller Welt zeigen“. Kunstsalon Bruno & Paul Cassirer. Die Ausstellungen 1898-1901. Kunstsalon Cassirer. Die Ausstellungen. Wädenswil 2011a, S. 300–312, hier S. 303–305. Genau genommen war es die zweite Ausstellung, denn zuvor war schon eine kleine Anzahl ungenannter Werke Cézannes in der Sommerausstellung 1900 ebenda zu sehen. Echte 2011e, S. 174.

Abb. 105: Ulrich Hübner: Japanisches Stilleben, um 1903, , Öl auf Leinwand, 50,8 x 70,5cm, O’Gallerie Portland, WVZ-Nr. 35

Abb. 106: Paul Cézanne: Stillleben (Früchte und Geschirr), 1869/71, 64,5x81,5 cm, Öl auf Leinwand, SMBPK Natio-nalgalerie

Max Liebermann besaß beispielsweise zwei Gemälde des Franzosen. Zwar hatte Cézan-nes Malerei wenig mit seiner eigenen künstlerischen Auffassung gemein, aber 1909 und 1916 kaufte er dennoch je ein Ge-mälde von Cézanne für seine private Gale-rie an, und kokettierte gegenüber Gustav Pauli, dem Direktor der Bremer Kunsthalle, damit, als er ihm schreibt: „Sie sehen: ich suche meinen Geschmack zu bessern. […]

Das Bild ist vielleicht zu sehr Dekoration u etwas zu wenig Natur, fast venetianisch, aber es ist – charmant u – schlägt Alles andre todt.“644 Abseits von Liebermanns hartem Urteil, fand Hübner einen anderen Zugang zu Cézanne. Über Kunstwerke aus seinem Besitz ist leider nichts bekannt. Doch ist in seinem Werk deutlich zu erkennen, dass er nicht nur seinen Geschmack zu bessern suchte, sondern bei Cézanne auch für das eigene Schaffen fündig wurde. Im Vergleich seiner Stillleben von 1910 und 1918 (Abb. 108 und 109) sowie einem Stillleben Cézannes wird deutlich, dass Hübner von einem verhältnismäßig klassischem Bildaufbau und auch klassischer Malweise aus dem früheren Gemälde 1918 zwar einen traditionellen Bildaufbau beibehalten hat, aber die altmeisterliche Malweise, die im Bild

644 siehe Fotos vom 3.5.2018 Liebermann, Max: Briefe 1907 - 1910. Schriftenreihe der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V. / Max-Liebermann-Gesellschaft, Baden-Baden 12014, S. 251. Weiterführend dazu: Hedinger, Bärbel: Liebermann als Sammler, in: ders. (Hg.): Max Liebermann - die Kunstsammlung. Von Rembrandt bis Manet, München 2013, S. 17–28, hier S. 20.

Abb. 107: Edouard Manet: Weißer Flieder, 1882, 54 x 42 cm, Öl auf Leinwand, SMBPK Nationalgalerie

Abb. 108: Ulrich Hübner: Stillleben, 1910, 87 x 72cm, Ver-bleib unbekannt, WVZ-Nr. 106

Abb. 109: Ulrich Hübner: Stillleben mit Obstschale und Tasse, 1918, Öl auf Leinwand, 60 x 75 cm, Verbleib unbe-kannt, WVZ-Nr. 229

von 1910 im Glas und der filigranen Vase noch angedeutet ist, 1918 nicht mehr sein Anlie-gen war. Mit breitem Pinselstrich hält er das Arrangement sehr viel alltäglicherer GeAnlie-gen- Gegen-stände nun fest. Auffällig ist auch die tonige Farbwahl und die fast schon kubistische Auf-fassung der tiefen Kellerfalten des Vorhanges und der Tischwäsche. Inwiefern nun ausge-rechnet das Stillleben Cezannes aus der Nationalgalerie hier Pate stand lässt sich schwer fassen, dass Hübner aber durchaus Kontakt zu Cézannes Werken hatte, ist sichtbar. Auch wird im direkten Vergleich erkennbar, dass sich durchaus Einflüsse aus Cézannes späteren Stillleben in Hübners Werk bemerkbar machen, wie die Faltengebung zeigt.645 Diese Ein-flüsse in Farbigkeit und im Pinselduktus sind auch in anderen Gemälden, wie etwa dem der

645 Siehe zu Cézannes Stilleben allgemein auf deutsch: Boehm, Gottfried: Die Sprache der Dinge. Cézannes Stilleben, in:

Katharina Schmidt (Hg.): Cézanne, Picasso, Braque. Der Beginn des kubistischen Stillebens. Ausst.-Kat. Basel, Ostfildern-Ruit 1998, S. 35–53. Zur Unterscheidung zwischen frühen und späten Stilleben insbesodnere S. 48. Zu den Besonderheiten seiner Stilleben im Spätwerk insgesamt: Schmidt, Katharina: Cézannes letztes Stilleben, in: dies. (Hg.): Cézanne, Picasso, Braque. Der Beginn des kubistischen Stillebens. Ausst.-Kat. Basel, Ostfildern-Ruit 1998, S. 15–33.

Abb. 110: Ulrich Hübner: Kanal in Potsdam, um 1926, Öl auf Leinwand, Verbleib unbekannt, WVZ-Nr. 281

Abb. 111: Ulrich Hübner: Havel bei Potsdam, um 1926, Öl auf Leinwand, 70 x 91cm, Verbleib unbekannt, WVZ-Nr.

279

Abb. 112: Ulrich Hübner: Potsdamer Havelbrücke, um 1924, Verbleib unbekannt, WVZ-Nr. 267

Abb. 113: Paul Cézanne: Mühle an der Couleuvre bei Pon-toise, 1881, Öl auf Leinwand, 73,5 x 91,5 cm, SMBPK Nati-onalgalerie

Inselbrücke (Abb. 99) oder auch in Havelansichten (Abb. 111) oder in Potsdams Kanalstra-ßen (Abb. 110) zu erkennen, wenn man sie Cézannes Mühle an der Couleuvre bei Pontoise gegenüberstellt. (Abb. 113)

Die tonige Farbgebung und der breite Pinselauftrag führen zu einer erhöhten Expressivität, die Flächen sind geschlossener und in einer ruhigeren Malweise ausgeführt. Das Licht wird von Hübner nur noch indirekt aufgegriffen, weil die Stadt sich in der Havel spiegelt. An-sonsten sind die Reflexe und das Zusammenwirken von Licht, Wolken und Wasser in der Havellandschaft (Abb. 111) für Hübner kein Thema mehr. So zog in Hübners Schaffen eine veränderte, teils expressive Farbigkeit ein.

Hübner blieb in den Travemündeansichten seiner impressionistischen Art ganz treu. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es nach wie vor ein Publikum, das diese Bilder wünschte. Es ist gut vorstellbar, dass die Reeder und Lübecker Bürger sich durch die fortgesetzten Ankäufe von Hafenansichten im impressionistischen Stil eine Kontinuität zum Vorkriegswohlstand aufbauten und sich ihres eigenen Berufsstandes und ihrer gesellschaftlichen Stellung Be-deutung trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch die im Versaillervertrag festge-legten Handelsbestimmungen somit kulturell versicherten. 646 Dennoch ging für den Maler dieses Kapitel zu Ende. Im Spätwerk nach 1924 lässt sich kein Gemälde mit Travemünder Ansicht mehr nachweisen.647 Hübner fühlte sich mehr und mehr vom Ausstellungsbetrieb überfordert und begründete dem Lübecker Museumsdirektor Georg Heise gegenüber in einem Schreiben damit auch sein Fernbleiben von Lübecker Ausstellungen:

„Glauben Sie mir, es ist nicht böser Wille - wenn ich solange nich [sic] in Lübeck kollektiv ausgestellt habe - ich hätte es gern - schon aus alter Anhäng-lichkeit - getan! Jedoch nimmt die Ausstellungsseuche derart überhand, dass man trotz allem Streubens dagegen machtlos ist! Schon seit Jahren habe ich für ein dreijähriges Verbot großer Ausstellungen propagiert. Aber leider ohne allen Erfolg!“648

Dort bemerkte man sein Fehlen schmerzlich, so ist aus der Korrespondenz mit Heise durch-aus zu entnehmen, wie sehr dieser sich bemühte, Hübner als im Lübecker Künstler im Behnhaus würdig repräsentiert zu sehen:

„Lebhaft interessiert mich unter dem noch Vorhandenen Ihr Travemünde-Bild. das er uns anbietet zu einem Preis von 1.500 M, den ich angemessen finde. Ich habe dies Bild immer für eins der besten gehalten, das von Ihnen in

646 Büttner, Ursula: Weimar. Die überforderte Republik 1918 - 1933. Leistung und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Bonn 2008, S. 237.

647 Das letzte Gemälde mit eindeutigem Travemünder Motiv ist WVZ-Nr. 270 von 1924.

648 Hübner, Ulrich: Brief [um 1927]. Heise Korrespondenz.

Lübeck hängt und würde gern die Gelegenheit benutzen, unseren grossen Travemünde-Schinken fortzugeben, und dafür dies wesentlich schönere Stück zu erwerben. Ich brauche diesen harten Ausdruck für unser Museumsbild, weil ich weiss, dass Sie selbst unnachsichtlich darüber denken und es nicht gern als repräsentative Vertretung Ihrer Kunst in unserem Museum sehen. Sie haben mir auch einmal gestanden, dass es eine eilig gemachte Replik ist von einer ursprünglich frischeren und in jeder Beziehung besseren Fassung des-selben Motivs, und ich gestehe, dass ich mich unendlich oft darüber geärgert habe, dass alle guten Bilder ihrer Hand regelmäßig an Lübeck vorüberwan-dern, und wir mit Proben der sog. Verkaufsbilder vorlieb nehmen müssen.“649 Die aufgezeigten Einflüsse in seinem Werk weisen sehr deutlich auf einen andauernden Werdensprozess hin; denn auch wenn Hübner nicht die Themen der Expressionisten und anderer Kollegen aufgreift, ist er dieser Kunst gegenüber nicht völlig verschossen. Insbe-sondere die Farbigkeit und der Duktus der expressionistischen Künstler und der Neuen Sachlichkeit werden als Elemente in seinem Werk verarbeitet. Die Gleichzeitigkeit des Un-gleichzeitigen, die bei Schäfer beschrieben ist, gilt nach Ende des Ersten Weltkrieges wei-terhin, durch die liberalere Kunstförderung des Staates in der Weimarer Republik umso mehr.650 Diese Liberalität und besondere Mischung wird in Hübners Spätwerk sichtbar wird und er greift sie in den Gemälden aus Berlin und Hamburg auf. (Abb. 114 und 115) Deutlich erkennbar sind auf einem weiteren Bild aus dem Hamburger Hafen die „Verdichtung der Formen auf geschlossene Farbflächen“ in der Darstellung der Figuren und des Steges im Vordergrund, vor einem nach wie vor impressionistisch aufgefassten Hafenbecken im Hin-tergrund.651 (Abb. 114) Ein anderer Aspekt der eher sachlich orientierten Malerei, nämlich die architektonische Struktur eines „perspektivisch erfahrbaren Raumes“ greift Hübner in seiner Ansicht der Waisenstraße von 1927 auf.652 (Abb. 116)

Hübner entwickelte in seinem Spätwerk in wenigen Stilleben und Seelandschaften eine ei-gene neue Formensprache mit dem Vokabular der Neuen Sachlichkeit und des Expressio-nismus. Die Havellandschaft aus der Zeit von etwa 1926 und die Ansicht von St. Pauli von 1928 zeigen dies in der reinsten Form. (WVZ-Nr. 279 und Abb. 117) Hübner setzt aber die-ses Vokabular auch in seinen spätimpressionistischen Ansichten Berlin, Alte Jannowitzbrü-cke (Abb. 115) und Im Hafen von Hamburg (Abb. 114) ein. Seine Entwicklung bleibt auch in dieser Hinsicht moderat.

649 Heise, Georg: Brief. Heise Korrespondenz.

650 Schaefer 2015.

651 Buderer, Hans-Jürgen: Die Malerei der Neuen Sachlichkeit, in: Hans-Jürgen Buderer und Manfred Fath (Hg.): Neue Sachlichkeit. Bilder auf der Suche nach der Wirklichkeit. Figurative Malerei der zwanziger Jahre. Ausst.-Kat. Mannheim, München 1994, S. 67–75, hier S. 72.

652 Buderer 1994, S. 72.

Abb. 114: Ulrich Hübner: Im Hafen von Hamburg, um 1924, Verbleib unbekannt, WVZ-Nr. 269

Abb. 115 : Ulrich Hübner: Berlin, Alte Jannowitzbrücke, 1931, Öl auf Leinwand, 72 x 100cm, Verbleib unbekannt, WVZ-Nr. 304

Abb. 116: Ulrich Hübner: Blick auf die Waisenstraße, 1927, Öl auf Leinwand, 80,5 x 60cm, Stiftung Stadtmu-seum Berlin, WVZ-Nr. 286

Abb. 117 Ulrich Hübner: Sankt Pauli Landungsbrücken, 1928, Öl auf Leinwand, 67,2 x 92,5cm, Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Landesgalerie, WVZ-Nr. 294

Die relative finanzielle Sicherheit, die Hübner durch seine Erfolge, die Anstellung als Pro-fessor und durch das Vermögen seiner Frau Irma hatte, war mit dem Börsenkrach 1929 ins Wanken geraten. Als Folge davon musste Familie Hübner das Haus in Travemünde verkau-fen. „Wir denken noch oft an die schönen Jahre in Travemünde und Lübeck zurück. Schade - - Wir haben unser Haus sehr ungern aufgegeben und hätten es gern als Sommersitz be-halten. Aber -Aber - Die Zeiten verbieten es!“653, schreibt er an Georg Heise am 30. Oktober 1929. Hübner musste wie andere Künstler auch zudem um jeden erfolgreichen Kauf eines Bildes ringen. Im gleichen Schreiben an Heise heißt es dazu:

653 Hübner, Ulrich: Brief 1929. Heise Korrespondenz, Blatt 2.

„In dieser für uns Künstler schwierigen Zeit ist es sehr optimistisch anzuneh-men, dass wir Künstler günstiger verkaufen als Neutrale oder Kunsthändler.

Im Gegenteil; das Publikum kauft nur dann gerne vom Künstler direkt, wenn es dabei billiger zum Kauf kommt. Es ist sehr schade, dass das Museum zu

Zeiten meines dortseins nicht in meinem Atelier Motive aus Tra-vemünde/Lübeck ausgesucht hat! […] Ich selbst verkaufe ungern meine eige-nen Bilder. Es ist eigentlich ein Beruf für sich und kollidiert oft mit der eigeeige-nen Überzeugung! Wenn ich Ihnen raten soll, so kaufen Sie ruhig das Bild von I.

Meyer. Es ist so nicht teuer und warten Sie bessere Zeit mit dem Verkauf der anderen Bilder ab. Es ist sehr bedauerlich, dass I. Meyer solches Missgeschick getroffen hat. Jedoch man hört ja überall von wirtschaftlichen Zusammenbrü-chen mit anschließenden Auktionen und was auf jeden Fall verkauft werden muss, fallen alle Wertobjekte unter den Preis. Für uns Künstler kein erfreuli-cher Zustand!“654

Inwiefern seine Arbeit von diesen Gegebenheiten beeinflusst wurde, lässt sich nicht doku-mentieren. Auffallend ist, dass Hübner sich jedoch im Spätwerk noch einmal auf ein ganz klassisches Motiv besinnt, das wiederum der Marinemalerei sehr nahe steht. In seinem Gemälde Die Bremen und die Europa in Bremerhaven handelt es sich einerseits um eine Form des Schiffsporträts und andererseits in einem Bild auch um das Auffassen der Stim-mung und des historischen Momentes, also zugleich mit Bezug auf Alltag und Historie. In seiner renommierten impressionistischen Malweise hält er so, vermutlich nach einer Foto-grafie, wie der Postkarte, die das Zusammentreffen der Schiffe im Februar 1930 zeigt, diese Schiffsbegegnung fest und nimmt damit im Spätwerk Bezug auf eine Maltradition, das Schiffsporträt, das er im Frühwerk längst hinter sich gelassen hatte.655 (Abb. 118 und 119)

654 Hübner: Brief 1929. Heise Korrespondenz, Blatt 1-2.

655 Zum Motiv siehe Scholl, Lars U.: Bremen und Europa an der Columbuskaje. Ein Gemälde des Berliner Künstlers Ulrich Hübner, in: Deutsche Schiffahrt.2010, Heft 1, S. 20–21.

Abb. 118: Ulrich Hübner: Die „Bremen“ und „Europa“

am Columbuskai, 1930-1932, Öl auf Leinwand, 60 x 80 cm, Deutsches Schifffahrtsmuseum Bremerhaven, WVZ-Nr. 306

Abb. 119 : Columbuskai mit „Bremen“ und „Europa“, histori-sche Postkarte, gelaufen; Deuthistori-sches Schifffahrtsmuseum Bremerhaven

Inwiefern bei der Sujetwahl ein Auftrag vorlag oder schlicht und ergreifend die Hoffnung Hübners bestand, zahlungsfähige Kundschaft seitens der Reederei für das Gemälde zu fin-den, bleibt leider unklar. Das Gemälde dieser Begegnung, indem auch technische Neue-rungen und gesellschaftliche Umwälzungen wie die anwachsenden Auswanderer-Zahlen und eine neue Qualität wie auch Quantität transatlantischen Passagierverkehrs mitschwin-gen, bleibt jedenfalls singulär in Hübners Schaffen.656

Im Dokument Ulrich Hübner - Stadt, Land, See (Seite 166-174)