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A BSCHIED VON EINEM BALD VERGESSENEN K OLLEGEN

Im Dokument Ulrich Hübner - Stadt, Land, See (Seite 174-200)

4 VATERLAND, AMT UND WÜRDEN

4.4 A BSCHIED VON EINEM BALD VERGESSENEN K OLLEGEN

Hübner als Person zu erfassen bleibt in Ermangelung persönlicher Schriftstücke oder ande-rer Zeugnisse schwierig. Die wenigen erhaltenen Briefe beziehen sich immer auf sein Wir-ken als Maler und selten auf seine Tätigkeit an der Akademie. Den gleichen Bezugspunkt lassen auch die Selbstbildnisse erkennen, in denen er sich ausschließlich im Malkittel be-ziehungsweise mit der Malpalette zeigt. Im Verhältnis zu anderen Künstlern präsentiert er sich also bewusst als Künstler und nicht als Bürger oder Privatmann.657 Interessant ist der Vergleich mit den Selbstbildnissen Max Liebermanns. Hübners älterer Kollege hat sein Bild-nis seit 1902 immer wieder unter verschiedenen Gesichtspunkten festgehalten. 658 Wäh-rend bei Liebermann zwar immer auch sein Künstlertum im Mittelpunkt steht, gibt es auch Ausnahmen, in denen er sich ganz bürgerlich und selbstbewusst darstellt.659 Übereinstim-mungen mit Hübners Selbstbildnissen sind jedoch in den späteren Werken Liebermanns zu finden, über die Martin Faass schreibt, „[d]ie selbstbewusste fast angriffslustige Spannkraft der früheren Bildnisse ist einer leichten Melancholie gewichen. Die Haltung ist deutlich we-niger Pose als früher, sodass der Eindruck entsteht, als ließe der Maler hier den Blick auf den Menschen Liebermann zu.“660 Dieser Bick auf den Menschen und vor allem auf seinen Zweifel ist es, der auch in Hübners Selbstbildnissen zu finden ist. (Abb. 120) Frontal tritt der Künstler dem Betrachter als Halbfigur entgegen. Hübner füllt den Bildraum fast komplett

656 Zu der Symbolik dieser Bilder vergleiche Bongardt, Eva-Maria: Auf zu neuen Ufern! Auswandern per Schiff, in: Hans A.

Cordes (Hg.): Wohin? Flucht und Migration in drei Jahrhunderten, Lilienthal 2017, S. 21–38. Die Entstehungsumstände des Gemäldes legen nahe, dass dieses wie auch das auffindbare Arbeit Vulkanwerft von 1917 oder früher, wohl als Auftrag-sarbeit entstanden, da Hübners künstlerisches wie privates Interesse ihn sonst nicht nach Bremen und Bremerhaven leitete und diese Motive singulär im Werk stehen. Das Gemälde Vulkanwerft wurde ausgestellt im Salon Cassirer. Cassirer, Paul (Hg.): Ulrich Hübner und Viktor Hugo Zwinz. Ausst.-Kat. Dez. 1917- Januar 1918, Nr. 36.

657 Vgl. WVZ-Nr. 216; 255; 274; 300; 304.

658 Vgl. Faass, Martin: Mit Weste und Einstecktuch. Liebermanns Selbstbildnisse, in: ders. (Hg.): Ein öffentlicher Kopf. Max Liebermann in Bildnissen, Fotografien und Karikaturen. Ausst.-Kat. Berlin 2010, S. 15–41.

659 Faass 2010b, S. 16. Abb. 2 zeigt als Beispiel hierfür Max Liebermann: Selbstbildnis nach rechts, 1902, Privatbesitz, Eberle 1902/28.

660 Faass 2010b, S. 24.

aus. Lediglich über seinen Schultern ist etwas von dem monochromen Hintergrund zu se-hen, sein Kopf berührt beinahe den oberen Bildrand. In den Händen hält er links den Pinsel und rechts etwas tiefer die Palette, die deshalb nur noch teilweise zu sehen ist. In der glei-chen Haltung aber im Dreiviertelprofil hat Liebermann sich 1925 dargestellt. (Abb. 121) Ein weiterer Unterschied ist die Kleidung, die wie erläutert Liebermanns Bürgerlichkeit betont.

Zudem sind in seinem Selbstbildnis der Stuhl, auf dem er sitzt und die Leinwand ,an der er arbeitet zu sehen. Beide Bilder eint der intensive Blick eines Selbstbildnisses, der aber auch Selbstbewusstsein und -befragung ausdrückt. Hübner definierte sich voll und ganz mit sei-nem Beruf. Daraus folgte für den Maler jedoch auch eine ständige Selbstkritik, die auch in dem konzentrierten aber auch kritischen Blick seiner Selbstporträts zum Ausdruck kommt.

Die Schilderungen seines Neffen Reinhard Hübner fassen diesen Eindruck, zusammen:

„Die finanzielle Sicherheit, zu der noch die staatliche Anstellung als Professor kam, korrespondierte wenig mit Hübners Künstlerideal eines genialischen Bo-hemiens, Diesem Typus hätte er gerne selbst entsprochen. Aber seine dahin-gehenden Bemühungen blieben äußerlich: Er trug immer einen besonders farbbeklecksten Malerkittel und pflegte morgens zu unregelmäßiger Zeit und oft erst um 11 Uhr aufzustehen. […] Seiner eigenen Kunst stand der Maler zusehends skeptisch gegenüber. […] Sarkastisch habe er den Kaffee, den Irma gekocht hatte, als das eigentlich gute Kunstwerk gelobt.“661

661 Blühm 1988, S. 20.

Abb. 120: Ulrich Hübner: Selbstbildnis, um 1930, , Öl auf Leinwand, 71 x 52,5cm, Museen für Kunst und Kulturge-schichte der Hansestadt Lübeck, WVZ-Nr. 303

Abb. 121: Max Liebermann: Selbstbildnis, 1925, Öl auf Leinwand, 112 x 89 cm, SMBPK Nationalgalerie, Eberle 1925/13

Vielleicht sind es diese im Wesen sehr gro-ßen Unterschiede zwischen Hübner und dem für seine bürgerlich-preußischen Tu-genden bekannten Frühsaufsteher Lieber-mann, die Karl Scheffler veranlassten, über die beiden Kollegen trotz jahrelanger Zu-sammenarbeit zu schreiben, dass sie nicht freundschaftlich verbunden waren: „Sich Max Liebermann zu nähern war leicht, ihm menschlich sehr nahezukommen war unmöglich. [...] Der Maler Ulrich Hübner hat seinem Kollegen wie ein dienender Bruder zur Seite gestanden, beim Malen im Freien und auch bei der Veranstaltung von Sezessions- und Akademieausstellungen; zu einer engen Freund-schaft ist es dennoch nicht gekommen.“662 Dieser Beschreibung widersprechen zwei Tatsa-chen. Einerseits hielt Hübner, seine Zusammenarbeit mit Liebermann auch künstlerisch fest, was die intensive Zusammenarbeit betont. (Abb. 122) Andererseits, sind es die Worte Liebermanns, die eine Einordnung Hübners zum Abschuss seines Lebens und dieser Arbeit festhalten. Die Grabrede, die der Akademiepräsident von Philipp Franck zu der Beisetzung Hübners in der Kapelle in Klein Glienicke am 3. Mai 1932 verlesen ließ, in der er Hübner auch einen Freund nannte, sprach drei wesentliche Punkte für Hübners Wesen und Wirken an: Sein künstlerisches Interesse, sein ausgleichendes Wesen und seine Lehrtätigkeit663:

"Er war und wollte einfach Maler sein, der malte, was ihn erregte [sic] und entzückte: das einzige und höchste Problem aller Kunst. […] Das Talent des Künstlers, das ihm von einem gütigen Geschick in die Wiege gelegte Pfund mit dem er ehrlich wuchern soll! Und wenn einer ehrlich mit dem ihm verliehen Pfunde gewuchert hat, so unser dahingeschiedene[r] Freund und Kollege!"664 Diese Wertschätzung war in den Jahren der Weimarer Republik nicht mehr selbstverständ-lich für Hübner gewesen. In dem Stilpluralismus, der mittlerweile in der Berliner Kunstwelt herrschte, gingen die leisen bewährten Töne vielfach unter. Schon die geringe Zahl an

662 Scheffler, Karl: Die fetten und die mageren Jahre. Ein Arbeits- und Lebensbericht, Leipzig/ München 1946, S. 70–71.

663 Philipp Franck leitete die Rede wie folgt ein: „Der Präsident der Akademie der Künste, Herr Professor Max Liebermann, ist leider infolge seines hohen Alters nicht in der Lage, bei der heutigen Trauerfeier persönlich zu erscheinen, obwohl es sein sehnlicher Wunsch wäre, dem ihm seit vielen Jahren eng befreundeten Kollegen Ulrich Hübner die letzte Ehre zu er-weisen. Auf seine Bitte habe ich es übernommen, Ihnen die Worte zu verlesen, die er Ulrich Hübner nachzurufen gedachte.“ Liebermann, Max: Ansprache des Präsidenten Max Liebermann bei der Beisetzung von Professor Ulrich Hübner am 3. Mai 1932 in der Kapelle in Klein Glienicke. (Verlesen von Professor Philipp Franck) 1932. Archiv der Akademie der Kün-ste zu Berlin, PrAdK 0745, Bl. 157. Die gesamte Grabrede ist abgedruckt im Anhang, S. 185.

664 Liebermann: Ansprache des Präsidenten Max Liebermann bei der Beisetzung von Professor Ulrich Hübner am 3. Mai 1932 in der Kapelle in Klein Glienicke. (Verlesen von Professor Philipp Franck) 1932. Archiv der Akademie der Künste zu Ber-lin, Nr. PrAdK 0745.

Abb. 122 : Ulrich Hübner: Max Liebermann die Allee bei Dreilinden malend, 1930, Verbleib unbekannt, WVZ-Nr.306

Nachrufen, die für Hübner erschien, war im negativen Sinne bemerkenswert.665

Positiv beurteilt wurde Hübners Schaffen retrospektiv in den Lübeckischen Blättern von H.

Mahn und seiner Bedeutung für Lübeck dargestellt: „Lübeck hat dem Maler Ulrich Hübner, der in diesem Jahre das 60. Lebensjahr erreicht hätte, viel zu danken.“666 Auch die Berliner Akademie, der Hübner sich in den letzten Lebensjahren so intensiv widmete, würdigte sei-nem Gedenken mit einer Gedächtnisausstellung im Rahmen der Herbst-Ausstellung der Akademie der Künste 1932. Dort wird neben einer recht sachlichen Lebensbeschreibung Hübners unter der Nummer 301 auch sein letztes Werk ausgestellt und hervorgehoben, das Schloss Berlin. Zum Lebensende hat Hübner also doch einen Weg gefunden, den einst durch die Secession eher abgelehnten preußischen Staat durch dieses heute leider ver-schollene Architekturporträt still ins Bild zu setzen und zu repräsentieren. Diese stille Zu-rückhaltung Hübners wird auch in dem durchaus kritischen Nachruf Karl Schefflers hervor-gehoben:

„Obwohl er einer der Träger vom Geiste der Berliner Sezession war, Senator der Akademie, Leiter eines Meisterateliers für Landschaftsmalerei und einer der zuverlässigsten Helfer bei allen Veranstaltungen der Akademie, hat sich der ruhige Mann mit dem beschwichtigenden Temperament immer still im Hintergrund gehalten und von dort aus das Gute zu wirken versucht. Er scheute den Lärm, im Leben und in der Kunst.“667

Zum Abschluss seines Nachrufes zitiert Scheffler Julius Elias: „In der reichen Generation der Begabungen aber und haltungsvollen Künstlermenschen, die eine gesegnete Epoche deut-scher Malerei, die Periode des natürlichen Stils, rund, geschlossen und nachdrücklich zum Ablauf brachten, wird er einst unter den Thätigsten und Besten genannt werden"668, Doch mit dieser Beurteilung von 1918 sollten Elias wie auch Scheffler falsch liegen. Durch man-gelnde Kontinuität in der Kunstrezeption bedingt durch den Nationalsozialismus, den zer-störten Nachlass und eine zu sehr linear entworfene Kunstgeschichtsschreibung ist der stille Ulrich Hübner wie eine Vielzahl anderer Künstler in die berüchtigte zweite Reihe der Kunstgeschichte abgerutscht. Irma Hübner war bereits am 10. März 1936 verstorben und am 4. Juni 1945 musste Marita Hübner das Haus der Eltern in Neubabelsberg innerhalb

665 Neben den lokalen Zeitungen konnten lediglich in den Lübeckischen Blättern und Kunst und Künstler Nachrufe auf Hüb-ner ermittelt werden: A.D.: Ulrich HübHüb-ner. Der Maler Berlin und Potsdams, in: BerliHüb-ner Tageblatt, 30.4.1932 – N.N.: Der Maler von Potsdam. Zum Tode von Ulrich Hübner, in: Der Tag, 1.5.1932b – N.N.: Ulrich Hübner, in: Berliner Börsenzeitung, 30.4.1932a – Fechner: Zum Tode Ulrich Hübners, in: Deutsche Allgemeine Zeitung, 1.5.1932 – Mahn 1932 – Scheffler, Karl:

Ulrich Hübner, in: Kunst und Künstler, 31.1932, Heft 6, S. 220–222.

666 Mahn 1932, S. 294.

667 Scheffler 1932, S. 220.

668 Elias 1918, S. 236–239.

kürzester Zeit für Teilnehmer der Potsdamer Konferenz räumen. Eine Rückkehr war nie möglich. Der gesamte künstlerische wie persönliche Nachlass wurde so zerstört.669

669 Blühm 1988, S. 20.

S

CHLUSS

Ulrich Hübner hatte das Talent zum Maler schon in die Wiege gelegt bekommen, wie Max Liebermann in seiner für Hübner verfassten Grabrede formulierte.670 Dem von ihm einge-schlagenen Weg stand dann als junger Mann aufgrund der familiären Wertschätzung künstlerischer Tätigkeit nichts im Wege. Schließlich waren der Großvater und der ältere Bruder ebenfalls Maler. Sein Talent konnte er in Karlsruhe an der Akademie bei Gustav Schönleber und Carlos Grethe ausbilden und in Berlin an der privaten Malschule Konrad Fehrs verfeinern.

Erst die Rückkehr nach dem Studium in seine Heimatstadt Berlin bringt Hübner in die Situ-ation, sich durchsetzen und letztlich auch für einen Weg der künstlerischen Repräsentation entscheiden zu müssen. Seine Mitgliedschaft in der Berliner Secession geht auf seine per-sönliche Stellung, sein Selbstbewusstsein als Bürger und auf wirtschaftliche Erfolgsaussich-ten zurück, wie auch auf seine künstlerische Entscheidung für naturalistisch-impressionis-tische Landschaftsdarstellungen. Er ordnete sich der „Dachmarke“ der Berliner Secession unter und die dadurch entstehende institutionelle wie persönliche Verbindung mit dem Kunstsalon Cassirer festigte seine Angehörigkeit zu dieser bürgerlich und privatwirtschaft-lich geprägten Kunstwelt in Berlin. Nach einer Findungsphase eroberte Hübner sich mit seinen entwickelten maritimen und lokalen Motiven als Maler einer moderat modernen Kunst sein Marktsegment und erfuhr in dieser Rolle positive wie negative Kritik. Sein Schaf-fen geriet so in den Kern des Kunstdiskurses um die Eigenartigkeit der deutschen Kunst.

Die liberale Kunstmarktwirtschaft, der dargelegte Kunstdiskurs um die deutsche Kunst und die Internationalisierung der Kunstwelt hatten großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Hübners Werk. Sein gesamtes Werk, bis in das Spätwerk hinein, weist Einflüsse aus ver-schiedenen künstlerischen Stilen auf. Immer wieder zeigen sich französische, aber auch niederländische und deutsche Vorbilder, was von den Kritikern ganz unterschiedlich wahr-genommen und beurteilt wurde. Auch mit zunehmendem Alter hielt er die Stellung der moderaten Moderne. Die Einflüsse von expressiver und sachlicher Malerei, die sein Spät-werk betreffen, blieben stets moderat. Somit konnte er auch das Publikum erreichen, das der Kunst der Avantgarde kritisch gegenüber stand. Damit vermittelte er auch in den poli-tisch unruhigen Zeiten des Ersten Weltkrieges und der Weimarer Republik stets künstleri-sche wie gesellschaftliche Kontinuität.

670 Siehe dazu die abgedruckte Grarede im Anhang S. 185

Hübner gehört zu denjenigen Künstlern, die nicht die Speerspitze der Avantgarde waren, sich aber für ihre Kunst engagierten und sich eine Nische auf dem umkämpften Kunstmarkt erarbeiteten. Er steht dabei exemplarisch für den allgemein herrschenden, in der Literatur aber wenig thematisierten Stilpluralismus und eine Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, die die Kunst bis heute prägt. Man mag noch Hübner in die Aufzählung einfügen, wenn Heinrich Klotz über Liebermann und Corinth urteilt, sie „gehörten mehr noch dem 19. als dem 20. Jahrhundert an. Doch war es ihnen gelungen, zwischen Menzel und Leibl, zwischen Historienmalerei und Impressionismus eine selbstständige Position zu behaupten, die […]

von der Tradition gespeist und zugleich von der Moderne belebt war. Gerade ihre Zwi-schenstellung zeichnet diese Maler aus.“671 Diese Zwischenstellung macht sie für das Pub-likum so wichtig. Keine Gesellschaft kann per Manifest oder Kunstwerk in ‚die Moderne‘

katapultiert werden, es sind politisch wie auch gesellschaftlich und kulturell stets Über-gänge nötig. Hübner steht für einen solchen Übergang, für eine solche Zwischenzeit, sogar im doppelten Sinne. Zunächst engagierte er sich in der Berliner Secession, die zur Zeit ihrer Gründung und in den Jahren danach den Übergang von der streng akademisch bewerteten Kunst zu einem pluralistischen Kunstgeschehen in Berlin verkörperte. Nach etlichen Ausei-nandersetzungen, Abspaltungen und Neugründungen innerhalb der Secession steht Hüb-ner mit seiHüb-ner Berufung als Meisterschulvorsteher an der Hochschule der BerliHüb-ner Akade-mie für den Übergang der ehemals „revolutionären“ Kunst in den klassischen Kanon. Nach einer ersten Kriegsbegeisterung, die in einem Gemälde sowie in den Beiträgen für Paul Cassirers Kriegszeit zum Ausdruck kam, zog Hübner sich in die Idylle der Kleinstädte Pots-dam und Travemünde zurück. Je nach Motiv zeigte er sich zwar von anderen Einflüssen geprägt, entwickelt sich schließlich sachlicher und fast schon expressiver in Farbigkeit und Duktus weiter, doch blieb er immer seinem Motiv, der Stimmung der Landschaft, und da-mit auch seinem Publikum treu. Sicherlich auch bedingt durch sein Alter und seine gesell-schaftliche Position behielt er seinen moderaten impressionistischen Stil insbesondere in den Ansichten von der Küste bei. Die Einflüsse expressiver und sachlicher Malerei im Spät-werk wendet Hübner nur auf Ansichten aus Berlin und Hamburg an. Er passt seine Malerei dem Sense of Place an – expressive Darstellungen aus Travemünde entsprächen weder den Erwartungen des dort ansässigen Publikums noch konnte er mit der flächigeren Malweise das Verhältnis von Wasser, Licht und Luft so gut festhalten wie mit der impressionistischen.

Zwar ist sein Schaffen wie das vieler Kollegen durch internationale Einflüsse geprägt, sein

671 Klotz 2000, S. 218–219.

Publikum bleibt jedoch weitestgehend national auf Deutschland beschränkt und durchaus sehr bürgerlich, wie durch die Verbreitung in privaten Ausstellungen, der Secession und der Galerie Cassirer oder der Auftrag der Kaufmannschaft zu Lübeck deutlich wurde. Seine Ausstellungserfolge in den USA bleiben Einzelfälle. Weitere internationale Ausstellungsbe-teiligungen, wie sie etwa für Max Liebermann in Paris nachgewiesen sind, sind für Hübner nicht bekannt. Die moderate Haltung Hübners kam damit nicht nur seinem künstlerischen Interesse, sondern auch seinem wirtschaftlichen Erfolg auf nationaler Ebene entgegen.

Trotz seiner von staatlichen Seite zunächst weniger geschätzten Kunst in den Jahren vor 1913 aber auch in der gesellschaftlich anerkannten Position danach politisierte Hübner nicht, weder in seinem Werk noch wurde er kunstpolitisch tätig, sieht man von seiner Stel-lungnahme etwa im Vinnen-Streit ab. Selbst seine Werke für Paul Cassirers Kriegszeit zeig-ten lediglich eine verbreitete Kriegsbegeisterung, die sich jedoch im Wesentlichen auf sein Sujet der Seelandschaft bezogen. Er wendete sich ganz der Gesellschaftsschicht als Publi-kum zu, der er selbst entstammte und die sich für seine Malerei begeistern ließ und blieb damit den öffentlichen Auseinandersetzungen fern, soweit es ihm möglich war. Auch die an ihn und andere von der Kunstkritik herangetragene Frage nach ‚der deutschen Kunst‘

ließ Hübner unbeantwortet – er ließ stets sein Werk für sich sprechen. Wesentlich in dieser Betrachtung war deshalb auch die zeitgenössische Rezeption seines Werkes und die Ver-schränkung der subjektiven Wahrnehmung von Heimat, Landschaft und Nation. Dabei trifft auf Hübners Publikum zu, was Werner Hofmann über die Kunstrezeption von Nationen schrieb: „Nationen können nicht malen; sie können sich nur in Kunstwerken erkennen.“672 Einige der Nationsangehörigen konnten dies in Hübners Werken, wie aus den Kritiken und auch aus Mahns Nachruf von 1932 hervorgeht.673

„Das nationale Moment ist eine Verbindungsmöglichkeit zwischen dem sub-jektiv Betrachteten des Künstlers, der deutsch ist und das auch wiedergibt, und dem Betrachter, der auch diese subjektiven Emotionen in sich beherbergt und das Dargestellte auf dieser Weise nachvollziehen bzw. emotional-intuitiv begreifen und verstehen kann. Nur so sind die Besprechungen der Sezessions-kunst aus deutsch-nationaler Sicht verständlich. Die nationale Begriffsbestim-mung und -diskussion erfährt hierdurch eine Erweiterung und wird mehr auf das privat-subjektiv Erfahrbare in der ganz persönlichen kommunikativen Ver-bindung zwischen dem Künstler und seinem Kunstwerk und dem Betrachter verschoben.“674

672 Hofmann, Werner: Wie deutsch ist die deutsche Kunst? Eine Streitschrift, Leipzig 1999, S. 47.

673 Mahn 1932, S. 294.

674 Rogers 1998, S. 264–265.

Ein bürgerlicher Impressionismus

Hübners Landschaften standen bei seinem Publikum und den Kritikern für die Heimat und die Kontinuität regionaler Identität. Sie waren und sind für das Publikum eine gegenwärtige und zukünftige Versicherung der Herkunft und Umgebung, die durch die subjektiv deut-bare Stimmung der (menschlich gestalteten) Landschaft einen Sense of Place erzeugt und Kontinuität herstellt ohne etwa einen nationalen Mythos zu bilden.675 Hübners Kunst ist deutsch, weil er Deutscher ist, weil er deutsche Landschaft, Städte und Häfen und eben Impressionen davon zeigt und weil das Publikum genau dies in seinem Werk erfassen konnte. Welche Technik dabei angewendet wurde, war den Anhängern einer moderaten Moderne dabei zweitrangig. „Die verschiedenen Methoden der Zerlegung und der Skizzie-rung erzeugen im Grunde eine ähnliche Wirkung, und zwar den Eindruck des unmittelbar Geschauten, der ‚Impression‘.“676 Somit handelt es sich bei der Malerei Hübners und der vieler Kollegen durchaus um deutschen Impressionismus. Inwiefern dieser im Vergleich zum französischen Impressionismus andere Wege fand, verspätet einsetzte und anders zu Erfolg kam ist nicht das entscheidende Bewertungskriterium. Die künstlerische Auffassung ist entscheidend und diese war impressionistisch, im weitesten Sinne, und wurde von vie-len Künstlern, auch außerhalb Berlins vertreten, wie nicht zuletzt die Sammlungsbewegung des Deutschen Künstlerbundes zum Ausdruck brachte.677

Die lokale wie nationale bürgerliche Verbundenheit machte schließlich auch den Erfolg Hübners aus. Dies hatten auch die Rezensenten zum Ende seines Lebens begriffen und so schreibt Bruno Weber in seiner Besprechung der Gedächtnisausstellung für Hübner in der Preußischen Akademie der Künste:

„Die heiter strahlende Landschaftswelt mit viel Laub und viel Wasser, die Ost-seeküste, die Havelseen, Berlin, Potsdam, Travemünde leuchten hier in sym-pathischer atmosphärischer Wiedergabe, in einer optimistischen großbürger-lichen Malerei im besten Sinne des Wortes, wie sie vielleicht nicht so schnell wiederkehrt.“678

Damit sollte Werner leider Recht behalten. Hübner ist ein Beispiel für diejenige Generation,

Damit sollte Werner leider Recht behalten. Hübner ist ein Beispiel für diejenige Generation,

Im Dokument Ulrich Hübner - Stadt, Land, See (Seite 174-200)