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Typ Ordnung der Tätigkeit Maßnahmenziel

Im Dokument Gesellschaft der Unterschiede (Seite 176-180)

Ziele, Genese und Funktionen

5.5.2 Typen der Aktivierung: Soziale Funktionen

5.5.2.1 Typ Ordnung der Tätigkeit Maßnahmenziel

Dieser Typ der Maßnahmen Sozialer Aktivierung ist durch seinen Fokus auf die Tätigkeit den klassischen Instrumenten der Arbeitsmarktdienstleistungen am nächsten. Der Typ Tätigkeit ist primär dadurch charakterisiert, dass in den nor-mativen Strukturen des Praxisfeldes Tugenden der Arbeit gefördert werden sol-len. Unter diesen Arbeitstugenden wird hauptsächlich Folgendes (in nicht hierar-chischer Reihenfolge) verstanden: Pünktlichkeit, Sauberkeit, Verlässlichkeit, Geduld, Sorgfalt, Mitdenken während des Arbeitsprozesses, geistige, körperliche und räumliche Mobilität und die Interaktion im Kontext einer arbeitsähnlichen Umgebung, wie situationsangemessenes Verhalten in hierarchischen Struktu-ren.66 Dabei wird auch der Aufbau eines geregelten Tagesablaufs als Vorausset-zung angesehen, um eine Ausbildung oder Erwerbstätigkeit durchführen zu kön-nen. Über die Tätigkeit in der Maßnahme selbst sollen die Wirkungen der Inter-vention erreicht werden. Durchgeführt werden hier jedoch überwiegend nicht ar-beitsmarktnahe oder ausbildungsinadäquate Tätigkeiten. Insgesamt zeichnet sich der Typ durch das Lernen über körperliche Erfahrungen aus: Hier »muss man viel, viel mit [physischer; CF] Arbeit machen. Oder heute habe ich das fertig ge-kriegt, ich hab einen Erfolg.« (Teamleiterin, Interview04Regio02) So ist bei

66 In einem Maßnahmenträger der Regio03 wird berichtet, dass es zum Lehrinhalt ge-hört, vor dem Eintreten zu klopfen, zu grüßen und respektvoll miteinander umzugehen (Interview03Regio10).

sem Typus eine häufig auftretende Rechtsform des Maßnahmeneinsatzes die Ar-beitsgelegenheit nach § 16d SGB II.

Sicht der Akteurinnen und Akteure

Die Klientel wird auf Basis fehlender Arbeitstugenden und -strukturen als weit vom Arbeitsmarkt entfernt beschrieben. In der Altersstruktur dominieren Ju-gendliche und über 50-Jährige. Dargestellt werden Individuen mit einer Ferne zu Theorie und schulischen Lernformen, schlechten Schulabschlüssen, niedriger Frustrationstoleranz und fehlenden Arbeitsstrukturen aufgrund (langjährig) feh-lender Arbeitserfahrung. Bei über 50-Jährigen müssten insbesondere Frustratio-nen auf Basis zahlreicher erfolgloser Bewerbungen abgebaut werden. Die unter 25-Jährigen werden als die »ganz ganz komplizierten Jugendlichen« (Bereichs-leiter, Interview01Regio04) beschrieben, bei denen es auch darum gehe, sie aus der peer-group herauszunehmen: »Einfach hier mal raus zu reißen aus der Cli-que, was ja gerade in solchen Ballungsgebieten ein großes Problem ist. Das ist nicht der einzige [im Sinne von: Es sind nicht die einzelnen; CF] Personen, son-dern die Gruppendynamik.« (Bereichsleiter, Interview01Regio04). Denn in ei-nem entsprechenden Umfeld würden die Individuen ihre fehlenden Arbeitstu-genden legitimieren und damit perpetuieren. Daneben zeichne die Jugendlichen eine unrealistische Berufsorientierung aus. Genauer, es gibt auf dem Arbeits-markt keine Nachfrage nach ihren Wunschberufen oder die Jugendlichen verfü-gen laut Zuschreibung nicht über die notwendiverfü-gen Fähigkeiten. Zudem belaste eine gänzlich fehlende oder über lange Jahre zurückliegende Arbeitserfahrung (insbesondere bei unter 25-Jährigen) die Tauglichkeit für den Arbeitsmarkt.

»Die [unter 25-Jährigen; CF] haben ja ganz oft schon vom Elternhaus her einfach über-haupt nicht gehört oder miterlebt, wie es ist, wenn man früh aufsteht und es geht jemand in die Arbeit und da versuchen wir, diese Formen aufzubrechen. Also mit ganz nieder-schwelligen Angeboten aber auch Arbeitsgelegenheit, weil der Jugendliche häufig die Schule satt hat, der war 8,9,10 Jahre in der Schule und der hat keinen Bock mehr sich in eine Maßnahme zu setzen, wo er wieder 5,6,7,8 Stunden nur bespaßt wird, sondern da ist unser Erfolg eigentlich der, dass die auch was arbeiten. Das sie also praktisch, auch mit den Händen etwas tun.« (Teamleiterin, Interview04Regio02)

In den Maßnahmen soll die Notwendigkeit der häufig im Feld genannten Ar-beitstugenden vermittelt und erprobt werden.

Elemente des Förderns und Forderns

Im Funktionstyp der Tätigkeit wird insofern eine Förderung vorgenommen, als Arbeitstugenden und –strukturen über die Tätigkeit (wieder-)erlernt werden sol-len. Hier sollen Stärken durch die ausgeübte Tätigkeit sichtbar gemacht und die Maßnahmenteilnehmenden dazu motiviert werden, eine qualifizierende oder be-rufsvorbereitende Maßnahme anzuschließen sowie neue Berufs- oder Ausbil-dungsziele zu formulieren. Insbesondere die Erfahrung der körperlichen Tätig-keit soll zu einer Einheit von Geist und Körper führen. Das arbeitende Tätigsein wecke die jeweilige Motivation für eine arbeitsmarktliche Integration. Die Kehr-seite der Medaille im Element des Forderns ist, dass die Arbeitstugenden und – strukturen auch eingehalten werden müssen oder Sanktionen erfolgen. Denn die Erkenntnis der persönlichen Stärken und Interessen soll demnach zu einer Ziel-fokussierung führen, die die Richtung der weiteren Betreuung seitens der Ar-beitsverwaltung auf einen spezifischen beruflichen Bereich konkretisiert. Ferner dient die Maßnahme der Arbeitserprobung und soll die Erreichbarkeit und Ar-beitswilligkeit testen. Sanktionen erfolgen, wenn die Arbeitstugenden und – strukturen fehlen beziehungsweise deren Bereitschaft zur Aneignung nicht ge-zeigt wird. Teilweise entstand bei der Erhebung und Analyse der Eindruck, als wenn Arbeitstugenden, die als Maßnahmenziel formuliert waren, bereits mit Be-ginn der Maßnahme vorausgesetzt wurden.

Integrationsform

Über weitgehend voraussetzungslose Arbeitstätigkeiten in den Bereichen wie Fahrradreparatur, Näharbeiten, Möbelaufbereitung, aber auch unterstützende Tä-tigkeiten in Holz- und Metallwerkstätten, HausmeistertäTä-tigkeiten, Malerarbeit, Grünflächenarbeit, helfende Tätigkeiten auf einem Kinderbauernhof und Tier-heim oder die Arbeit in Maßnahmen Sozialer Aktivierung soll soziale Teilhabe ermöglicht werden.67 Gegebenenfalls vollzieht sich in den Maßnahmen auch eine Berufsausbildung in den Branchen Küche und Hauswirtschaft. Die in den Werk-stätten gefertigten Produkte (zum Beispiel Untersetzer, Regale, Dekorationen) können meist für den Eigenbedarf mit nach Hause genommen werden. Näh-werkstätten werden in den Maßnahmen dazu genutzt, zu lernen, wie die eigene Kleidung ausgebessert werden kann oder Spielzeuge für die Kinder der Teil-nehmenden hergestellt werden können. Der Subsistenz-Gedanke findet sich auch im häuslichen Bereich: hier sollen kleinere handwerkliche Verrichtungen (zum

67 Vergleiche Interview01Regio04, Interview03Regio04, Interview04Regio04, Inter-view04Regio07, Interview07Regio13, Interview08Regio13.

Beispiel Wandmontagen) erlernt werden.68 Die Tätigkeiten können auch Hilfe-bedürftigen, die nicht an der jeweiligen Maßnahme teilnehmen, zur Verfügung gestellt werden, wie etwa Fahrradreparaturen69 für andere SGB-II-Leistungsbe-ziehende. Auch die Produkte der sozial aktivierenden Küche können die Maß-nahmenteilnehmenden meist selbst verzehren.70

Aktivierungsform

In diesem Typ liegt der Schwerpunkt der Ausgestaltung des Aktivierungsdisku-ses bei Tätigkeiten für die Subsistenz, da die Produkte sowie die Erkenntnisse aus der Arbeit meist für den individuellen Gebrauch der Teilnehmenden von Be-deutung sind und nur in einer langfristigen Perspektive die hier vermittelten Fä-higkeiten (nach einer weiteren Ausbildung, Schulung oder Arbeitserfahrung über Praktika) einen Erwerbseinstieg ermöglichen. Wenn in der Maßnahme bereits eine Ausbildung für helfende Tätigkeiten im Bereich der Hauswirtschaft oder der Küche stattfindet, lässt sich dies als außergewöhnlich starke Fokussierung auf den Arbeitsmarkt deuten.71

Zusammengefasst wird die Integration in die Ordnung der Tätigkeit über eine Teilnahme an unterstützenden und einfachen Aufgabenbereichen ermöglicht, die Dinge und Dienstleistungen für den Eigenbedarf erstellen. Aktiviert wird dem-nach zu einer Tätigkeit für die Subsistenz, um Tugenden der Arbeit zu erlernen und zu prüfen.

68 Vergleiche Interview04Regio04, Interview05Regio06, Interview04Regio10, Inter-view02Regio11.

69 Vergleiche Interview04Regio10.

70 Bei einigen Maßnahmenträgern versorgen die Küchen das gesamte Publikum eines Maßnahmenträgers zum Beispiel Mütter, die freiwillig und teilweise gegen Bezahlung Kurse im Familienorientierten Maßnahmenträger besuchen oder Personen, die hand-werkliche Kurse im Sozialbetrieblichen Maßnahmenträger belegen.

71 Allerdings ist dieses Vorgehen nur in Regio04 und Regio07 zu finden.

Tabelle 5: Typ Ordnung der Tätigkeit

Kategorien/Typen Ordnung der Tätigkeit

Im Dokument Gesellschaft der Unterschiede (Seite 176-180)

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