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2 Literaturübersicht

2.2 Tuberkulose bei Tieren

2.2.1 Tuberkulose beim Rind

Die anzeigepflichtige Tierseuche wird von M. bovis verursacht. Für die so genannte Reaktionstuberkulose des Rindes mit Auftreten einer positiven Hautreaktion beim Rind nach einer Tuberkulisierung kommen jedoch auch M. tuberculosis,

M. africanum und M. avium in Betracht (ASSMUS et al. 1995).

Tierseuchenrechtlich gilt nur die M. bovis- Infektion als Rindertuberkulose (SELBITZ 2002). Die Tuberkulose des Rindes ist eine der wichtigsten Zoonosen;

M. bovis kann sowohl vom Rind auf den Menschen als auch umgekehrt übertragen werden. Für den Erreger sind neben Rindern auch viele andere Säugetierarten empfänglich, vor allem Wiederkäuer und Schweine (SELBITZ 2002). In Afrika ist eine Infektion mit M. bovis neben einer hohen Infektionsrate mit M. tuberculosis, bzw.

M. africanum häufig; neben den als Haustieren gehaltenen Rindern, Ziegen und Schafen sind dort auch die wild lebenden Wiederkäuer, wie z.B. Büffel als Erregerreservoir von Bedeutung (AYELE et al. 2004).

Erregerreservoir können auch frei lebende Dachse, Rotwild und Opossums sein (SELBITZ 2002). Weitere Ansteckungsquellen für den Menschen sind Zootiere, Pferde, Hunde und Katzen.

Beim Rind erfolgt die Ansteckung gewöhnlich durch Inhalation tuberkelbakterien-haltigen, ausgehusteten Lungenschleims oder Stallstaubes, eventuell auch von mit M. bovis infizierten Menschen. Kälber können sich bereits intrauterin durch den infizierten Blutkreislauf der Mutter oder durch infizierte Milch anstecken (ASSMUS et al. 1995).

Pathogenese:

Die Pathogenese der Rindertuberkulose lässt sich in verschiedene Stadien untergliedern: Infektion, Primärkomplex, chronische Organtuberkulose,

Frühgeneralisation als akute Miliartuberkulose oder protrahierte Generalisation, Abkapslung, gefolgt von der Spätgeneralisation (Niederbruchphase) oder Ausheilung der Tuberkulose (SELBITZ 2002; SCHULZE u. TRAUTWEIN 1990).

Bei der Infektion entsteht dabei zunächst ein Primärherd, dessen Lokalisation vom Infektionsherd abhängig ist. Nach aerogenen Infektionen vermehren sich die Erreger zunächst in den Alveolen der Lunge, wo sie zwar von den Alveolarmakrophagen phagozytiert werden, in diesen jedoch vermehrungsfähig bleiben. Aus zerstörten Makrophagen werden die Erreger wieder freigesetzt und können neu ins

Entzündungsgebiet eingewanderte Makrophagen infizieren. In diesen erreichen sie mit dem Lymphstrom den regionären Lymphknoten, welcher zusammen mit dem Primärherd den Primärkomplex bildet (SCHULZE u. TRAUTWEIN 1990).

Primärherde bzw. -komplexe können einerseits ausheilen oder in abgekapseltem Zustand längere Zeit bestehen bleiben oder andererseits zum Ausgangspunkt der Frühgeneralisation werden. Die Frühgeneralisation kann als akute

Miliartuberkulose mit Bildung von hirsekorn- großen granulomatösen Herden an Absiedlungsorten oder als prothrahierte Generalisation verlaufen (SELBITZ 2002).

Aus einer ruhenden Tuberkulose der Erstinfektionsperide kann sich durch Wiederaufflackern eine neue Tuberkulose entwickeln, die sich in ihrer

Ausbreitungstendenz anders verhält als bei der Erstinfektionsperiode. Man spricht dabei von postprimären Prozessen oder chronischer Organtuberkulose (SCHULZ u. TRAUTWEIN 1990). Bei dieser Form der Tuberkulose breiten sich die Erreger nicht wie in der Erstinfektionsperiode hämatogen und/oder lymphogen, sondern intrakanalikulär aus; ein Beispiel ist die Ausbreitung in der Lunge über die Bronchen und Bronchioli. Da in dieser Phase nur der kanalikuläre Weg beschritten wird, bleibt die Tuberkulose in der Regel auf ein Organ beschränkt. Als Folge von

Einschmelzungsprozessen treten Einbrüche in nach außen führende Hohlräume auf, es kommt zur „offenen“ Tuberkulose, bei der die Tuberkulosebakterien jederzeit mit Sekret in die Außenwelt gelangen können (SCHULZ u. TRAUTWEIN 1990).

Zu einer Spätgeneralisation kommt es bei einem nicht vollständig leistungsfähigem Immunsystem. Sie ist durch ausgeprägt exsudative Prozesse und hämatogene Erregerstreuung charakterisiert. Aufgrund der mangelhaften Aktivität der

zellvermittelten Abwehrmechanismen kann die Tuberkulinreaktion in diesem Stadium negativ ausfallen (SELBITZ 2002; SCHULZ u. TRAUTWEIN 1990)

Die bei der Tuberkulose ablaufenden entzündlichen Abwehrreaktionen lassen sich in zwei Stadien einteilen: der exsudativen Frühphase und der

proliverativ-produktiven Phase. Die exsudative Reaktion ist geprägt von einer

überschießenden, eiweißreichen, lymphozyten- und makrophagenhaltigen

Extravasation, die das Gewebe durchtränkt und gerinnt. Das Gewebe wird in eine strukturlose, trübe, gelbbraune Masse verwandelt, was als primäre Verkäsung bezeichnet wird. Nach etwa einem Monat reagiert das spezifische Immunsystem in der proliverativ-produktiven Phase mit Vermehrung von inflammatorischen T-Zellen.

Die T- Zellen sezernieren Interleukine, welche einerseits Makrophagen zum Infektionsort locken und andererseits die bakterizide Aktivität der Makrophagen steigern. Die Ansammlung von T-Zellen und Makrophagen um die

Tuberkulosebakterien bewirkt die Entstehung eines knötchenförmigen

Entzündungsherdes, des tuberkulösen Granuloms oder Tuberkels. Ein typisches Granulom besteht in seinem Inneren aus einem Exsudatkern mit Gewebenekrose und abgetöteten Erregern sowie Makrophagen. Um dieses Zentrum herum

gruppieren sich Epitheloid- und Langerhans-Riesenzellen. Weiter peripher

schließlich finden sich Blutmonozyten und Lymphozyten (SCHULZ u. TRAUTWEIN 1990)

Klinik:

Klinisch manifestierte Rindertuberkulose tritt nur noch selten auf. Bis zum Auftreten erster Anzeichen können Monate vergehen. Die häufigste Organmanifestation bei Rindern betrifft die Lunge (ASSMUS et al. 1995). Bei den Tiere kann Husten, Rasselgeräusche, Atembeschleunigung und sich verschlechterndes

Allgemeinbefinden beobachtet werden. Die Patienten magern ab und zeigen eine

deutliche Entkräftung. Die Früh- und Spätgeneralisation ist durch Fieberschübe, Störung des Allgemeinbefindens und dem Verenden der betroffenen Tiere

gekennzeichnet. Eine Darmtuberkulose äußert sich in chronischem Durchfall und Verstopfung; bei Gebärmuttertuberkulose kann eitriger Scheidenausfluß mit Knoten und Verhärtungen der Wände der Geburtswege beobachtet werden; bei

Eutertuberkulose tritt in der Regel eine allmähliche Vergrößerung und höckrige Verhärtung eines oder mehrerer Euterviertel oder harte Knotenbildung im Inneren ohne Veränderung des Sekrets auf (ASSMUS et al. 1995).

Nach Infektion mit M. tuberculosis oder M. africanum entwickeln sich beim Rind normalerweise keine klinisch relevanten Veränderungen, es bildet sich lediglich der Primärkomplex. Es entwickelt sich aber eine mehrmonatige Tuberkulinsensitivität, die ebenso wie der bei der Schlachtung nachzuweisende Primärkomplex diagnostische Abklärungen erfordern (SELBITZ 2002).

Bekämpfung:

Die anzeigepflichtige Tuberkulose des Rindes ist in Deutschland seit vielen Jahren getilgt. Gegenwärtig ist nur noch mit sporadischen Vorkommen der Erkrankung zu rechnen. Therapieversuche und Schutzimpfungen sind durch die Verordnung zum Schutz gegen die Tuberkulose der Rinder, Neufassung vom 13.03.1997, verboten (SELBITZ 2002).

Bei Feststellung einer Tuberkulose durch den Tuberkulintest (eine Hautfaltendicken-zunahme von mehr als 4 mm gilt beim Rind als positiver Befund) oder anhand des Schlachtkörpers müssen alle nachgewiesenermaßen infizierten Tiere getötet werden;

verdächtige Tiere können getötet werden. Milch von infizierten Tieren ist unschädlich zu beseitigen. Die eingeleitete Bestandsperre ist erst nach Desinfektion des

Betriebes, Beseitigung aller infizierten/erkrankten Tiere und der zweimaligen negativ ausgefallenen Nachkontrolle aller verbliebenen Tiere per Tuberkulintest aufzuheben.

Treten Erregerreservoire unter anderen Haus- oder Wildtieren (Dachse in England, Opposums in Neuseeland) auf, müssen diese in die Bekämpfung einbezogen werden (SELBITZ 2002).