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Von allen Kapiteln wurde Kapitel sechs am detailliertesten gegliedert, da in ihm die Erkrankungen des Pferdes beschrieben werden

B) Gesundheitspflege - Stallordnung

5.3 Transkription des Gesamttextes Seite 1

Einleitung.

Der Werth und die Nützlichkeit des Pferdes, welches im bürgerlichen Ge- schäftsbetrieb und beim Ackerbau, so wichtige Dienste leißtet, muß um so

mehr von dem Soldaten anerkannt werden, da durch die Leistungen desselben sei- ne eignen bedingt werden, weshalb die Kenntniß desselben, namentlich in Be- zug auf seine Leistungsfähigkeit für jeden Militärr vom höchsten Interesse ist.

Die pracktische Pferdekenntniß giebt uns hierzu die nöthigen Mittel an die Hand, schützt uns beim Ankauf gegen Betrug und giebt uns die Beurtheilungs-

fähigkeit, wie viel wir von einem Thiere verlangen können, welches sich häufig selbst verläugnet, um desto sclavischer die Wünsche seines Besitzers zu befriedigen, und welches oft seinen Eifer so weit über die Grenzen hinaus körperlichen Vermögens treibt, daß es nicht selten seine Gesundheit und selbst das Leben dem Gehorsam opfert.

In naturgeschichtlicher Beziehung gehört das Pferd zur Klasse der Säugethiere und zwar ebenso wie der Esel zu den Einhufern. Das Pferd hat einen besondern Hang zur Geselligkeit, der sowohl bei der Arbeit, als auch wenn es sich selbst überlassen ist sichtbar wird, besonders aber merkt man bei den Pferden die- sen Hang wenn sie in völliger Freiheit sind.

Das Pferd findet sich in ganz Europa, nördlich bis zum Polarkreis, in Asiens bis zum 64° der Breite und südlich hält es unter dem Aequator aus; es gedeiht jedoch in den mäßig warmen Ländern, am besten, und findet sich daselbst in der

größten Vollkommenheit. In den sehr kalten Gegenden verkleinert es sich, ver- liert seine Munterkeit, und überhaupt seinen edlen Character, in den sehr heißen Gegenden wird es in seinem Temperament verändert und mehr träge.

Es lebt von Pflanzen, sowohl von grünen wie auch getrockneten und von

Pflanzensaamen, doch gewöhnt es sich auch an Hülsenfrüchte, an Wurzeln und Knollengewächse und zuweilen sogar an thierischen Nahrungsmittel. (Island Fische) In völlig freien oder wilden Zustande findet man das Pferd jetzt nur noch auf

der Hochebene Asiens in der Wüste Gobi, in verwilderten Zustande aber findet man es im südöstlichen Russland, auf der Insel Sardinien und in America.

Diese Pferde haben bei weitem nicht das schöne Ansehen, und den kräftigen Körperbau wie die zahmen gut gehaltenen Hauspferde.

Als Race bezeichnet man in naturhistorischer Hinsicht den Inbegriff der

Eigenschaften eines Pferdes, welche sich durch die Paarung auf die Nachkommen übertragen und dabei sich für künftige Zeiten anstandt erhalten, selbst

gegen die Einwirkungen des Klimas und der Nahrungsmittel.

Im Allgemeinen unterscheidet man als Hauptracen:

1. die orientalische (Asien, Afrika, Arabien u. Persien) 2. die oxientalische.37

Ein männliches Pferd nennt man Hengst, ein weibliches eine Stute, und

ein verschnittenes Wallach. Ist der Hengst nicht vollkommen verschnitten worden so nennt man ihn Klopphengst.38 Unter Beschäler versteht man jeden zur

37 Gemeint ist wahrscheinlich „okzidentalisch“, eine veraltete Bezeichnung für abendländisch (http://www.duden.de/rechtschreibung/okzidentalisch).

38 Eine andere Bezeichnung für den Klopphengst ist Kryptorchide (vgl. Gille 2008, 389-403).

Zucht verwendeten Hengst. Aus der Begattung einer Pferdestute und eines Eselhengstes wird das Maulthier und aus der, eines Pferdehengstes und einer Seite 2

Eselstute der Maulesel erzeugt. Die Belegezeit tritt im Frühjahr ein und

die Stuten geben die Neigung zum Begatten durch das Rossig sein zu erkennen.

Es giebt Stuten, die so lange rossig sind, bis sie vom Hengst befriedigt werden und es kommt nicht selten vor, daß bei einer Nichtbefriedigung des Geschlechts- triebes dieselben in Krankheiten verfallen.

Ist die Stute tragend, so schlägt sie gewöhnlich den Beschäler ab. Einige Zeit nach dem Belegen nimmt der Bauch der Stute an Ausdehnung zu, der Euter wird größer und in der letzten Zeit so straff, daß aus ihm einige Tropfen Milch

entfallen. Gewöhnlich trägt eine Stute 11 ½ Monat doch kommen auch Abweichungen vor.

Man unterscheidet die Gestütszucht und die landwirtschaftliche Pferdezucht (Landgestüte) Die Remontepferde39 werden werden [sic!] zum Theil schon im Alter von 3 Jahren gekauft und dann auf Domainen des Staats bis zum 5 [.] Jahre zweckmäßig gepflegt. (Remonte Depots).40

In Preußen werden auf Kosten des Staates 1000 Hengste gehalten, welche in den Provinzen unter besondere Landstallmeister stattioniert sind und besondere Landgestüte bilden. Das für Ostpreußen und Litthauen befindet sich in

Trakehnen

41 und die von diesen Hengsten abstammente Fohlen erhalten als Zeichen eine Krone auf der rechten Hinterbacke gebrannt.

Das Westpreußische Landgestüt in

Marienwarder

42 (Sign WP in einen länglichen Viereck)

Für Polen und einem Theile von Pommern in

Lirke

(sig P.43)

Für Brandenburg, Sachsen und einem Theile Pommerns in

Lindeman,

bei

Neustadt

a/ D.44 (sig in der Mark und Brandenburg mit B. und einer Krone dabei und in Sachsen mit Sund einer Krone)

Das

schlesische

Landgestüte in

Lebus

45 (sig Le nebst Krone) Für Westpfalen und Reihnland in

Wahrendorf

(sig. W. und eine Krone) Am blühensten ist die Pferdezucht in

Ostpreussen, Westpreussen

und

Litthauen

. In Pommern zieht man stärkere Pferde. Das märkische

Pferd wächst schneller aus als das ostpreußische, ist gutmütiger aber auch viel weichlicher. In der Provinz Sachsen zieht man zum Theil starke Arbeits- pferde,

in Westphalen

starke aber gemeine Race. In der Reihnprovinz ist die Pferdezucht unbedeutent.

Der preußische Staat hat 3 berühmte Gestüte:

39 Unter „Remonte“ versteht man „die regelmäßige Auffrischung des Pferdebestandes berittener Truppen durch junge Pferde (Remontepferde, Remonten, fälschlich Romonten), die in der Regel zu Beginn des Dienstjahres (Herbst) stattfindet“ (Meyer 1908, 794).

40 Das „t“ in „Depots“ ist undeutlich geschrieben worden.

41 Trakehnen war neben Neustadt und Graditz ein Hauptgestüt Preußens (vgl. Lehndorff 1982, I-II).

42 Marienwarder ist eine Stadt südöstlich von Kiel.

43 Über dem „P“ ist eine Krone abgebildet.

44 Neustadt an der Donau ist eine Stadt an der Westgrenze des niederbayerischen Landkreises Kelheim.

45 Lebus ist eine Kleinstadt im Südosten des Landkreises Märkisch-Oderland in Brandenburg.

1. Trakehne bei Gummbinen

, hier werden hauptsächlich Wagenpferde gezogen. Das Brandzeichen ist ein Elenngeweihe an der rechten Hinter- backe.

2. Neustadt

a/D in der Mark Brandenburg, hier werden hauptsächlich Reitpferde gezogen. (arabisch Blut) Das Brandzeichen ist ein senkrecht auf seiner Spitze stehender Pfeil, mit einer Schlange)

3. Graditz

bei Torgau, hier werden Pferde für beiderlei Dienst gezogen.

Das Brandzeichen besteht aus 2 Theilen, in Form eines

Andreas

Kreuzes mit einer Schlange.

Man unterscheidet: zahme, halbwilde und wilde Gestüte.

In den zahmen Gestüten findet die Paarung lediglich nach der für die einzelnen Stuten bestimmter Auswahl eines passenden Hengstes statt, und bei den so genannten Beschäler aus der Hand mit menschlicher Un- terstützung; die Pferde gehen nur in der günstigen Jahreszeit auf

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die Weide und werden in der übrigen Zeit in den Ställen gepflegt. Durch die- se Einrichtung wird das Gestüt bedeutent theurer, als die wilden und

halbwilden, aber die Pferde selbst gewöhnen sich früher an den menschli- chen Umgang und sind daher leichter zur Arbeit zu benutzen.

In den halbwilden Gestüten befinden sich die Stuten, nebst den Füllen wäh- rend des ganzen Jahres im Freien, zur Zeit der Brunst aber läßt man

zu den rossigen Stuten; nachdem dieselben in besondere Gehege getrieben sind, die für sie bestimmten Hengste.

In den wilden Gestüten überläßt man die Pferde in jeder Beziehung

der Freiheit, so daß dieselben sich gegenseitig paaren, ohne daß von Seiten des Menschen hierbei eine Auswahl der Stuten und Hengste zu einander geschieht. Diese Pferde sind zwar sehr dauerhaft und abgehärtet, leiden aber in dürren Sommer sehr an gleichmäßige Entwickelung46 von Gebrechen und diese Fehler vererben an Generation zu Generation.

Will man denselben Pferdeschlag fortzüchten, so müssen wenigstens Pferde von gleicher Körperform und gleichen Eigenschaften genommen werden, beabsichtigt man bessere Nachkommen zu erzeugen, so sind zur Zucht auch Thiere nöthig, die edlere Körperformen und Eigenschaften besitzen. Soll die Zucht von der Güte des Vaters, mit dem man begonnen hat, sein, so ist auch nöthig, daß man mit ihm, oder gleichen Hengsten durch wenigstens 8 Generationen, den Landesschlag in derselben Familie

fortzüchtet. Sind dann die Nachkommen dem Stammvater gleich geworden so hat man das eigentliche Vollblut erreicht, vorausgesetzt daß der

Vater Vollblut war.

Um sich nun einen richtigen Begriff, von der Güte und Brauchbarkeit des Pferdes zu bilden, ist es durchaus nothwendig, das Scelett desselben wenigstens in so weit in Betracht zu ziehen als die Kenntniß desselben zur Beurhteilung des lebenden Thieres erforderlich ist.

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46 Das „c“ ist nur angedeutet.

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A. Der Kopf a. Vorderkiefer b. Hinterkiefer c. Genick

d. Oberhauptbein e. Vorkopf oder Schädel f. Stirnbein

g. Nasenbein h. Vorderkinnbacke B. Der Rumpf.

i Halswirbelbeine47

k Nackenband l Rückenwirbelsäule

m Kreutzbein

n Schweifwirbelbeine o Rippen

p Becken C. Gliedmassen q Schulterblätter r Arm oder Querbein s Vorarm

t Ellenbogenbein u Knie

v Scheinbein w Fesselbein x Kronenbein y Hufbein z Beckenbein aa Schenkelbein bb Sprunggelenk Seite 7

I. Capitel.

Allgemeine Betrachtung des Pferde-Sceletts, die Zusammenfügung seiner Theile im lebenden Zustande, des Pferdes, die Füllung und Bewegung desselben durch Muskeln und vom Einflüsse der Blutgefäße und Nerven auf die Bewegung. Zur Betrachtung der einzelnen Theile des Pferde- körpers, resp: des Sceletts, theilt man denselben in A Kopf.,

B Rumpf, C Beine, während man in der Reitkunst die 3 Haupt- abtheilungen, Vor-, Mittel- und Hinterhand nennt.

47 Wie im Original wird ab hier kein Punkt hinter den Buchstaben gesetzt. Buchstabe „j“ wurde ausgelassen.

A. Kopf.

Der Kopf ist aus sehr vielen Knochen zusammen gesetzt, hauptsächlich wohl um die Geburt zu erleichtern, in dem die verschiedenen Knochen hierbei noch nicht fest miteinander vereint nachgeben, ja sich selbst mehr oder weniger übereinander schieben, und erst im spätern Alter

in der von der Natur vorgeschriebenen Lage fest miteinander verwach- sen, wie an den beim ausgewachsenen Schädel sich markierenden Näthen ersichtlich,48 Der Kopf besteht im Allgemeinen aus dem Vorder- und Hinterkiefer, der letztere stellt durch seine beiden Flügel den Kehl- gang und die Ganaschen dar, und enthält die Maulhöhle. Der Vorder- kiefer enthält die Gehirnhöhle, die Augenhöhlen, die Nasenhöhlen und die Stirn-, Joch- und Kieferhöhlen. Die Verbindung des Kopfes mit dem Halse findet im Genick durch ein sehr freies Gelenk statt, das Genick ist der höchste Theil des Kopfes, liegt unmittelbar hinter den Ohren und erhält seine Haltung durch das Nackenband, dessen weiter unten Erwehnung geschehen wird. Dem höchsten Theil des Kopfes dient das Oberhauptbein zur Grundlage. Der Vorkopf oder Schädel erstreckt sich zwischen den Oh- ren bis zur Stirn, also bis über die Augenbogen. Die Stirn fängt unter den Vorkopf an, und reicht bis unter die Augen, also bis zur Nase. Als Grundlage dienen ihr zwei Stirnbeine, welcher innen die Stirnhöhlen bilden. Die Augengruben sind Vertiefungen zur Seite der Stirn,

oberhalb der Augengrubenbogen bestimmt, den Kronenfortsätzen des Hinterkiefers Raum zur Bewegung zu geben und gestatten, daß das Auge tief in seine Höhlen zurückgezogen werden kann.

Die Nase fängt unter der Stirn an, und ihr dienen die beiden Nasen- beine zur Grundlage, die nach innen die Nasenhöhlen bilden. Die beiden Seitentheile des Pferdekiefers, heißen die Vorder-Kinnbackenknochen und haben zur Grundlage das Thränen-, Joch- und Kieferbein.

In den vordern Kinnbacken befinden sich die Backenzähne. Im innern des Maules sind noch die Zähne zu betrachten. Man unterscheidet zunächst Fohlen- u. Pferdezähne welche die Fohlenzähne bis zur Vollendung des fünften Lebensjahres vollständig verdrängt haben, sind größer u. gelber Nachdem Platz welchen die Zähne im Maule einnehmen unterscheidet man: 1. Schneidezähne, deren es 12 giebt, also in jeden Kiefer 6, wovon die beiden mittleren Zangen-, die danebenstehenden Mittel-

und die beiden äußersten Eckzähne genannt werden.

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2. Hakenzähne, welche ihren Platz zwischen Schneidezähne und Ba- ckenzähne haben, und es giebt deren 4, also in jedem Kiefer 2; sie kön- nen [sic!]49 vorzugsweise nur beim männlichen Pferden vor (bei Hengsten und Wallachen) und ausnahmsweise bei Stuten.

3. Backenzähne, (welche ihren Platz zwischen Schneidezähne) jedes Pferd hat 24 in jedem Kiefer 12, also auf jeder Seite sechs.

Anmerkung: Das Speciellere über die Zähne, namentlich die Erkennung des Alters des Pferdes aus den Zähnen erfolgt weiter unten.

48 Hier wurde fälschlicherweise ein Komma statt eines Punktes gesetzt.

49 Gemeint ist „kommen“.