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2.1 Intestinaler Transport von Calcium

2.1.3 Transcaltachia

Als Transcaltachia bezeichnet man eine nach wenigen Minuten einsetzende Zunahme der intestinalen Calciumabsorption bei Vitamin-D-repletierten Tieren nach Zugabe von Calcitriol.

In einem Versuchsansatz mit normalen Küken beobachteten NEMERE und Mitarbeiter (1984) einen zeitlich relativ schnell eintretenden Effekt von Calcitriol auf den Darm. In diesen Versuchen wurde das isolierte Duodenum gesunder Küken entweder isoliert oder in vivo vasculär perfundiert. Die Zugabe von Calcitriol zum Perfusat (130 bis 650 pM) stimulierte bereits nach 6 Minuten konzentrationsabhängig signifikant die Calciumabsorption, die sich bei Zugabe höherer Calcitriolkonzentrationen mehr als verdoppelte. Bereits 30 Minuten nach Zugabe des Hormons war der Effekt maximal.

Zugabe von Colchicin, einer mit den Mikrotubuli der Zellen interagierenden Substanz, unterdrückte den Effekt. Auffällig war auch, dass er nur bei normalen, nicht aber auch bei Vitamin-D-defizienten Küken auslösbar war.

Weitere Versuche dieser Art unter ähnlichen, aber besser definierten experimentellen Bedingungen schlossen sich an, in denen der Effekt genauer charakterisiert wurde (NEMERE und NORMAN 1986). Diese Versuche ergaben, dass der stimulierende Effekt von Calcitriol auf die Calciumabsorption bereits 2 Minuten nach Zugabe des Hormons nachweisbar war, und dass ein ähnlicher, gegenüber Calcitriol zeitlich etwas verzögerter Effekt auch durch Zugabe des synthetisch gewonnenen, bovinen PTH-Fragments (bPTH (1-34)) zum Perfusat auslösbar war. Anschließende weitere Untersuchungen zur Aufklärung dieses Phänomens wurden mit vasculär und teilweise

auch zusätzlich mit luminal perfundierten Duodenalsegmenten normaler Küken durchgeführt. Aus diesen Versuchen ergab sich , dass eine Zugabe von Calciumionophoren zum Perfusat, wie Ionomycin (DE BOLAND und NORMAN 1990) und K 8644 (DE BOLAND et al. 1990), den gleichen Effekt auslöste wie eine Zugabe von Calcitriol. Nifedipin (1 µM), ein Calciumkanalblocker, hemmte dagegen den Effekt (DE BOLAND et al. 1990).

Die ausschließliche Depolarisation der basolateralen Membran der Enterocyten, wie sie durch Erhöhung der Kaliumkonzentration im Perfusat von etwa 5 auf 70 mM erreicht werden kann, löste auch bereits den Effekt aus (DE BOLAND und NORMAN 1990), der, wie auch bei Zugabe der Calciumionophoren, mit einem Anstieg der intracellulären freien Calciumkonzentration [Ca2+]i (von 168 auf 363 nM) einherging. Aus der Beobachtung, dass dieser Anstieg der [Ca2+]i , wie auch die Transcaltachia, nach Zugabe von EGTA zum Perfusat ausblieb, schlossen die Autoren, dass der [Ca2+]i -Anstieg auf einem Ca-Einstrom von basolateral beruhte (DE BORLAND und NORMAN 1990, NEMERE und NORMAN 1990). Diese Beobachtungen führten zu der Vermutung, dass der transcaltachische Effekt durch einen Anstieg der [Ca2+]i vermittelt wurde.

Die Frage war jetzt, ob und auf welchem Signalweg es bei der Calcitriol induzierten Transcaltachia zu einem [Ca2+]i-Anstieg kam. Versuche zu diesem Problem mit dem gleichen Modell wie oben zeigten, dass auch bei Zugabe eines Phorbolesters (Tetradeconyl-Phorbol-Acetat), einem Aktivator der Proteinkinase C, und bei Zugabe des Adenylatcyclase-Aktivators Forskolin zum Perfusat Transcaltachia eintrat. Jede Erhöhung der [Ca2+]i , unabhängig davon, ob sie über die Proteinkinase C oder die Proteinkinase A (Forskolin) induziert wird, scheint daher einen transcaltachischen Effekt hervorzurufen. Ob diese Signalwege zur Aktivierung der [Ca2+]i auch der durch Calcitriol induzierten Transcaltachia zugrunde liegen, ist bisher jedoch noch offen.

In 1994 identifizierten NEMERE und Mitarbeiter einen mit basolateralen Membranen von Küken Enterocyten-assoziierten Vitamin-D-Rezeptor (BLM-VDR), der Calcitriol und 24,25(OH)2D3, vermutlich an verschiedenen Domänen, spezifisch bindet. Die

Befunde dieser Autoren geben Hinweise darauf, dass die Bindungseigenschaften und/oder die Konzentration dieses Rezeptors mit dem transcaltachischen Effekt korrelierten.

Welche Rolle der Transcaltachia bei der Vitamin D gesteuerten Kontrolle des Calciumhaushaltes zukommt, ist bisher noch nicht klar. Allgemein ist festzustellen, dass bisher in zahlreichen Versuchen zur Charakterisierung und Entschlüsselung des aktiven Vitamin-D-abhängigen intestinalen Calciumtransports mit isolierten Darmschleimhäuten von verschiedenen Tierarten gezeigt wurde, dass in all diesen Versuchen ein aktiver Calciumtransport durch die Darmschleimhaut von mucosal nach serosal stattfindet.

Dieser Calciumtransport setzt eine ausreichende Versorgung der Versuchstiere mit Vitamin D voraus und ist in soweit Vitamin D abhängig. Die unter diesen Bedingungen in vitro verwendeten Inkubationslösungen enthielten in der Regel kein Calcitriol. Für die Frage, welche Bedeutung der Transcaltachia für die intestinale Calciumabsorption insgesamt und damit für den Calciumhaushalt, zukommt, lässt sich vielleicht dadurch abschätzen, ob die Transcaltachia auch unter den in vitro Bedingungen isolierter Darmschleimhäute in der Ussingkammern auslösbar ist und wie groß der Effekt im Vergleich zum aktiven Ca-Transport insgesamt ist. Solche Versuche wurden von KAUNE (1992) mit isolierten Darmschleimhäuten von Absatzferkeln in Ussingkammern durchgeführt. Die serosal zugegebene Menge Calcitriol lag mit 370 pM etwa zwei- bis dreifach oberhalb der physiologischen Calcitriolkonzentration des Blutplasmas. Unter diesen Bedingungen erhöhte sich die Nettocalciumabsorption der Darmschleimhäute gegenüber Calcitriol freien Kontrollen spontan um gut 25 %. Dieser Befund spricht dafür, dass der transcaltachische Effekt auch in vivo eine Rolle spielt.

Die Arbeitsgruppe von NORMAN, die diesen Effekt als erste näher untersucht hat, betrachtet ihn wegen seiner spontanen Auslösbarkeit als einen typischen nicht-genomischen Effekt. Es sollte bei dieser Betrachtungsweise jedoch nicht außer acht gelassen werden, dass der Effekt nur bei Tieren mit normalem Vitamin-D-Status, nicht aber bei Vitamin-D-defizienten Tieren nachweisbar ist. Auch wenn man annimmt, dass der BLM-VDR nicht durch Calcitriol neu gebildet, sondern bereits vorhanden ist und

durch Calcitriol nur aktiviert wird, kann diese Aktivierung offenbar nicht spontan erfolgen, denn sonst müssten Vitamin-D-defiziente Tiere auch nach Zugabe von Calcitriol Transcaltachia zeigen. Für die Auslösung der Transcaltachia reicht die spontane Anwesenheit von Calcitriol allein also nicht aus. Das Hormon muss offenbar auch bereits vorher über längere Zeit vorhanden sein und in der Darmschleimhaut die für den Effekt notwendigen Voraussetzungen schaffen. Diese könnten darin bestehen, dass die BLM-VDR erst unter dem zeitlich vorangehenden Einfluss von Calcitriol gebildet oder aktiviert werden.