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Grundsätzlich sind verschiedene Herangehensweisen denkbar, um das Ausmaß des interpersonellen Vertrauens einer Person und differentialpsychologische Unterschiede zwischen Personen zu erklären. So wird zum einen argumentiert, dass spezifische oder generalisierte Erfahrungen mit anderen Menschen in der Vergangenheit das Ausmaß interpersonellen Vertrauens determinieren. Es ist zudem denkbar, dass Mechanismen der Persönlichkeitsentwicklung für die Entstehung interpersonellen Vertrauens verantwortlich sind. So fassen eine Reihe von Autoren (Rotter, 1967; Hochreich, 1973; Imber, 1973;

Wrightsman, 1974) Vertrauen in der Tat als Persönlichkeitsdisposition auf. Es ist aber andererseits ebenso plausibel, dass es die Qualität der aktuellen zwischenmenschlichen Beziehungen ist, die Einfluss auf die Entwicklung von Vertrauen in andere Menschen nimmt.

Vertrauen als Entwicklungsaufgabe

Erikson (1963) verfolgt einen Ansatz, der die Wurzeln generellen Vertrauens aufzudecken versucht. So sieht Erikson die grundlegende, von insgesamt acht postulierten Entwicklungsaufgaben des Individuums darin, Vertrauen zu denjenigen Menschen zu entwickeln, die für Betreuung und Fürsorge verantwortlich sind (i.d.R. die Eltern). Nach Eriksons Theorie baut jedes Individuum in den ersten zwei Lebensjahren ein (Ur-)Vertrauen oder (Ur-)Misstrauen auf. Dieses Vertrauen entspricht dem Grundgefühl des Kindes, dass das Umfeld Sicherheit und Befriedigung seiner Bedürfnisse gewährleistet.

Das Kleinkind wird dabei stark beeinflusst durch die Ansprechbarkeit und Ansprech-empfindlichkeit der Eltern für seine Bedürfnisse und bildet sich einen Eindruck von der Vorhersagbarkeit und Zuverlässigkeit der elterlichen Fürsorge. Entscheidend ist hierbei letztlich die Intensität der Zuwendung der Eltern und nicht deren Dauer.

Das entstehende Vertrauen in die Eltern führt offensichtlich zu einer sicheren Bindung. So können die Ergebnisse der Attachment-Forschung (Ainsworth, Blehar, Waters & Wall, 1978;

Ainsworth & Eichberg, 1991; Bowlby, 1975, 1976, 1983, 1988; Grossmann, 1988;

Grossmann et al., 1989) sinnvoll mit dem Ansatz Eriksons verbunden werden. Ainsworth et al. konnten zeigen, dass die Feinfühligkeit und Aufmerksamkeit der Bezugspersonen Einfluss auf das Bindungsverhalten des Kindes nehmen. Eine sichere Bindung ging mit einem größeren Einfühlungsvermögen auf Seiten der frühen Bezugspersonen einher. So lässt sich die Entstehung einer sicheren Bindung und das damit einhergehende Verhalten des Kindes so erklären, dass das Verhalten der Bezugsperson Urvertrauen im Sinne Eriksons fördert und ihm die Sicherheit gibt, dass jederzeit Hilfe zur Verfügung steht (Neubauer, 1991).

Eine Reihe weiterer Befunde der Bindungsforschung belegt Zusammenhänge zwischen Bindungsstil und Vertrauen.

Mikulincer (1998) beispielsweise fand für eine Stichprobe Erwachsener Probanden, dass bindungssichere Personen gegenüber bindungsunsicheren Personen mehr Vertrauen zu ihren Partnern hatten sowie eine höhere Zugänglichkeit von vertrauensförderlichen Gedächtnisinhalten zeigten und konstruktivere Bewältigungsstrategien bei Vertrauens-schädigungen verwendeten.

Das gelernte Vertrauen in die frühen Bezugspersonen ist also nicht nur wichtig für die Entstehung einer sicheren Bindung, sondern auch für die allgemeine weitere Entwicklung des Kindes und die Entstehung generellen Vertrauens.

Tatsächlich zeigt sich weiterhin, dass Menschen, die eine psychosozial traumatisierende Kindheit durchleben mussten (z.B. mit der Erfahrung sexuellen Missbrauchs oder familiärer Gewalt), als Erwachsene ihren Mitmenschen misstrauischer begegnen als normal aufgewachsene Kinder (Macias, Young & Barreira, 2000). Kinder, von denen sich ein Elternteil im Strafvollzug befindet, haben größere Schwierigkeiten, ihren Mitmenschen zu vertrauen (Fritsch & Burkhead, 1981). Da schwierige soziale Umstände, verbunden mit häufigen Wohnungs- und Schulwechseln, Armut, wechselnden Erziehungspersonen etc., viele Kinder betreffen, wurde von freiwilligen Organisationen in den USA ein Programm entwickelt, das Betroffenen ermöglichen soll, neues Vertrauen aufzubauen (Weissman &

LaRue, 1998). Laucken (2000) weist darauf hin, dass es sich hierbei um einen langwierigen und schwierigen Prozess handelt.

Erikson (1963) selbst betont durch die Annahme eines steten Wechsels zwischen Vertrauen und Misstrauen in die frühen Bezugspersonen die Dynamik und Situationsabhängigkeit des interpersonellen Vertrauens, die auch im weiteren Verlauf der Entwicklung bestehen bleibt.

Er geht aber andererseits davon aus, dass im Verlauf der Persönlichkeitsentwicklung eine feste Grundlage geschaffen wird, die beim Individuum eine eher vertrauende oder eher misstrauende Haltung gegenüber den Mitmenschen bewirkt.

Die Theorie von Erikson wird unter anderem zur Erklärung von interpersonalen Störungen bei Kindern und Jugendlichen herangezogen. Der Mangel an Vertrauen, der sich häufig im Zusammenhang mit jeder Art von interpersonalen Problemen beobachten lässt, wird hierbei als Folge eines bestehenden Urmisstrauens in das soziale Umfeld gedeutet. So geht Hobbs (1966) beispielsweise davon aus, dass solches Misstrauen die Wirkung sozialer Verstärker abschwächt und somit die Interaktion mit den Erziehungspersonen erschwert.

Als problematisch wird von Laucken (2000) eingeschätzt, dass Erikson schon im frühen Säuglingsalter das Vorhandensein von Vertrauen postuliert. Nach Scheuerer-Englisch und Zimmermann (1997) muss ein Kind vermutlich zunächst ein (wenn auch rudimentäres) Selbstbewusstsein entwickelt haben, um davon sprechen zu können, dass es anderen Personen vertraut oder misstraut.

Früheste Säuglingserfahrungen mögen, so Laucken (2000), in eine spätere Vertrauens-entwicklung eingehen, sind jedoch selbst noch keine Vertrauenserfahrungen.

Ein weiterer Nachteil der in weiten Teilen tiefenpsychologischen Theorie Eriksons besteht darin, dass sie sich, wie auch Graeff (1998) feststellt, einer empirischen Überprüfbarkeit weitgehend entzieht. Dasselbe Problem besteht allerdings auch für andere Theorien zur Entstehung des Vertrauens, wie beispielsweise das folgende, auf Selman et al. (1977, 1980) zurückgehende Modell. Selman et al. sehen wie Erikson die Entstehung interpersonellen Vertrauens als eine Abfolge von Entwicklungsschritten. Dabei werden fünf Stufen der Vertrauensentwicklung angenommen:

Auf der ersten Stufe (etwa zwischen 3. und 5. Lebensjahr) erscheint ein Interaktionspartner aufgrund seiner wahrgenommenen physischen Fähigkeiten als vertrauenswürdig.

Auf der zweiten Stufe (etwa zwischen 5. und 11. Lebensjahr) bilden die wahrgenommenen Absichten des Interaktionspartners die Basis des Vertrauens.

Auf der dritten Stufe (etwa zwischen 7. und 14. Lebensjahr) ist Gegenseitigkeit die Grundlage des Vertrauens zu einem Interaktionspartner.

Auf der vierten Stufe (etwa ab 12. Lebensjahr) ist der Glaube an die Beständigkeit der Beziehung der Ursprung des Vertrauens.

Auf der fünften Stufe (ab dem Jugendalter) ist die Offenheit für Veränderung und Wachstum der Beziehung, verbunden mit dem Glauben an deren Dauerhaftigkeit, Basis des Vertrauens.

Ein Ansatz für eine Bestätigung dieses Modells stammt von Rotenberg (1980). Er stellte u.a.

fest, dass Kinder im Vorschulalter ihr Urteil über die Vertrauenswürdigkeit eines Interaktionspartners aufgrund des beobachteten Verhaltens fällen, während Kinder im Grundschulalter die Konsistenz zwischen Versprechen und Verhalten des Interaktions-partners als Basis für das Vertrauen sahen. Die jüngsten der untersuchten Kinder schienen ihr Vertrauensurteil weiterhin lediglich von der Höhe eines Versprechens und nicht von der tatsächlich erfahrenen Unterstützung abhängig zu machen. Sie stützen sich damit lediglich auf die wahrgenommene Absicht des Interaktionspartners und nicht auf dessen tatsächliches Verhalten.

Auf Gabarro (1978) geht eine Theorie zurück, in der ebenfalls der Entwicklungsprozess des Vertrauens als Abfolge von Stufen beschrieben wird. Hierbei handelt es sich allerdings weniger um entwicklungspsychologische Stufen als um die allgemeine Entwicklung jeder beliebigen vertrauensvollen Beziehung. Auf der ersten von vier Stufen versuchen die Interaktionspartner sich zu orientieren und einen Eindruck voneinander zu gewinnen. Auf der zweiten Stufe bemüht sich jeder der beiden zu einer genaueren Einschätzung des anderen zu kommen – die Erfahrungen miteinander werden vertieft.

Kennzeichnend für die dritte Stufe ist die Überprüfung der Belastbarkeit der Beziehung, die Grenzen des Einflussvermögens und Vertrauens werden ausgetestet. Auf der vierten Stufe schließlich wird eine Art „interpersoneller Vertrag“ ausgehandelt, mit dem das Ausmaß des gegenseitigen Einflusses und Vertrauens geregelt wird.

In explorativen Interviews fand Gabarro (1978) einige Einflussfaktoren, die im Rahmen der Stufenabfolge die Entstehung von Vertrauen beeinflussen. Auch Jennings (1967, 1971) hatte bereits in Interviews solche Vertrauensfaktoren ermittelt. Den Einfluss von fünf der in solchen Interviews gefundenen Vertrauensfaktoren überprüften Butler & Cantrell (1984) empirisch und ermittelten eine Rangreihenfolge ihrer Bedeutung für die Entstehung von Vertrauen:

Kompetenz, Integrität und Konsistenz waren in dieser Abfolge am wichtigsten, danach Loyalität und Offenheit. Schindler und Thomas (1993) konnten später zeigen, dass alle diese Faktoren signifikanten Einfluss auf die Entstehung von Vertrauen nahmen. Sie fanden allerdings eine abweichende Reihenfolge, in der wiederum Kompetenz und Integrität am bedeutsamsten waren und die Einschätzung der Offenheit den geringsten Einfluss hatte.

Ebenfalls mit Hilfe von Interviews untersuchte Butler (1991) die Entstehung von Vertrauen und fand dabei Einflussfaktoren, die denjenigen der Untersuchung von Gabarro sehr ähnlich sind. Nach Butler sind allerdings auch die Verfügbarkeit und Anwesenheit des Interaktionspartners, seine Diskretion bei vertraulichen Informationen, seine Fairness, das Einhalten von Versprechungen und die Aufgeschlossenheit und Ansprechbarkeit für neue Ideen und Vorstellungen von Bedeutung für die Entstehung von Vertrauen. Diese Untersuchungsergebnisse zeigen vor allem, mit welchen Erwartungen dem Interaktions-partner begegnet wird und inwieweit sein Verhalten und seine Persönlichkeit Einfluss auf die Entstehung einer vertrauensvollen Beziehung nehmen.

Empirische Bestätigung für Stufenmodelle zur Entstehung des Vertrauens gibt es leider zu wenig. Einige interessante Studien für die Gültigkeit von entwicklungspsychologischen Modellen stammen von Rotenberg (1980, 1986, 1991) und Rotenberg und Pilipenko (1984).

Ebenfalls von Rotenberg (1995) stammt eine nicht an ein Stufenmodell gebundene Untersuchung zur Sozialisation des Vertrauens. Der Autor untersucht, ähnlich wie Erikson, das Entstehen der Disposition, Vertrauen zu haben oder Misstrauen zu hegen, in der Eltern-Kind-Beziehung.

Dass dabei auch von den Eltern Vertrauen in ihre heranwachsenden Kinder gefordert ist, darauf weisen u.a. Kerr, Stattin und Trost (1999) hin. Die Autoren stellen fest, dass es nicht nur für die Eltern angenehmer ist, ihren Kindern zu vertrauen, sondern dass es auch für die Kinder und ihr Selbstverständnis wichtig ist, zu wissen, dass ihre Eltern ihnen vertrauen.

Einen umfassenderen Überblick über die Vertrauensentwicklung in Kindheit und Jugendalter bieten Scheuerer-Englisch und Zimmermann (1997), wobei die Autoren zwischen der Bedeutung von Eltern-Kind- und Freundschaftsbeziehungen differenzieren und auch auf die Entstehung von Selbstwert, Selbstvertrauen und Identität eingehen.

Insgesamt ist die Befundlage zu den dargestellten Stufenmodellen eher unbefriedigend.

Empirisch besser überprüfbar und überprüft sind dagegen die folgenden Theorien – sie erklären die Entstehung von Vertrauen eher lerntheoretisch.

Vertrauen als generalisierte Erwartung

Nach Deutsch (1976, 1960a, 1960b) entsteht die Urteilsbasis für den Einschätzungsprozess, der in seiner Theorie der Entscheidung für ein vertrauensvolles Verhalten vorausgeht, durch Erfahrungen mit anderen Menschen in ähnlichen oder identischen Situationen. Damit sieht Deutsch die Vertrauensbildung als Lernprozess, in dem positive Erfahrungen Vertrauen verstärken. Faktoren, die in dieser Theorie ebenfalls Einfluss auf die Entstehung von Vertrauen in eine andere Person nehmen, sind die Anwesenheit Dritter und eine wechselseitige Kommunikation.

Ein Verdienst von Deutsch (1958, 1976) ist, so Graeff (1998), dass detaillierte Grundlagen für empirisch prüfbare Aussagen über Vertrauen geschaffen wurden. Damit zählt Deutsch neben Rotter (1967, 1971, 1980) zu den einflussreichsten Vertrauensforschern.

Rotter betrachtet Vertrauen ebenfalls als generalisierte Erwartung und sieht es damit sowohl im Zusammenhang stehend mit spezifischen Erfahrungen als auch sich ableitend aus Generalisierungen von früheren Erfahrungen in Situationen, die vom Individuum als der augenblicklichen Situation ähnlich wahrgenommen werden. Das Konzept unterscheidet also zwischen spezifischen, auf konkreten Erfahrungen in bestimmten Situationen basierenden, und generalisierten Erwartungen, die sich auf Erfahrungen in einer Vielzahl ähnlicher Situationen beziehen. Nach Rotter (1980) werden generalisierte Erwartungen sogar nicht nur durch unmittelbare Erfahrungen gelernt, sondern vielmehr auch durch die Übernahme von Urteilen anderer oder durch Bewertungen in den Massenmedien. Als Beleg für eine solche Übernahme von Urteilen nennen Katz und Rotter (1969) positive Zusammenhänge zwischen dem Ausmaß des Vertrauens bei Eltern und ihren Kindern.

Prinzipiell können sowohl die spezifischen als auch die generalisierten Erwartungen in einer Situation bedeutsam werden. In bekannten Situationen bestimmen spezifische Erwartungen das Verhalten. Je weniger vertraut allerdings eine bestimmte Situation ist, desto stärker ist der Einfluss der generalisierten Erwartungen, die sich zu einem stabilen Persönlichkeits-merkmal verfestigen (Rotter, 1954; Rotter, Chance & Phares, 1972).

Das gezeigte eher vertrauende oder eher misstrauende Verhalten wird in der Theorie Rotters zudem betrachtet als in Abhängigkeit stehend vom Wert, den das Ziel des Verhaltens für das Individuum hat.

Die Soziale Lerntheorie Rotters hat ihren Schwerpunkt damit vor allem in zwei Aspekten, 1. dem Bekräftigungswert, den eine Klasse von Stimuli für ein Individuum aufweist und 2. der subjektiven Erwartung, mit Hilfe bestimmter Klassen von Verhaltensweisen die

angestrebten Bekräftigungen auch zu erreichen.

Nur bei Einblick in die individuelle Anlage dieser beiden Komponenten ist nach Rotter eine Aufklärung oder Vorhersage von Unterschieden im Verhalten möglich bzw. eine Verhaltensänderung wirksam. Dabei wird davon ausgegangen, dass generalisierte Erwartungen als abstrahierte Lernerfahrungen des Individuums (Mielke, 1991) sehr änderungsresistent sind, weshalb sie als stabiles und damit messbares Persönlichkeits-merkmal angesehen werden können.

Rotter nimmt ein Vertrauenskontinuum an, dessen Pole Vertrauen und Misstrauen darstellen. Dabei unterscheidet sich eine vertrauensvolle Person von einer eher misstrauischen dadurch, dass sie ihre Mitmenschen im Allgemeinen als zuverlässig, ehrlich und aufrichtig einschätzt. Misstrauische Individuen gelten dagegen als zynisch und selbstbezogen, mit der Tendenz anderen Unzuverlässigkeit, Egoismus oder bösartige Absichten zu unterstellen. Abzugrenzen ist der Begriff des Vertrauens nach Rotter von der Leichtgläubigkeit (s.o.).

Ein weiterer bedeutsamer Aspekt der sozialen Lerntheorie Rotters ist die Verknüpfung von Vertrauen und Kontrollüberzeugung. Rotter vermutete, dass vertrauensvolle Menschen von der Annahme ausgehen, dass andere auf ihre Bedürfnisse reagieren. Bei vertrauensvollen Menschen könnte somit eher der Eindruck entstehen, die persönliche Umwelt zu kontrollieren, so Rotters Theorie. Tatsächlich fanden sich konsistente Zusammenhänge zwischen generellem Vertrauen und einer internen Kontrollüberzeugung (Hochreich, 1978).

Erlernt ist auch das Vertrauen durch Nachahmung, das Strasser und Voswinkel (1997) in anderem Zusammenhang beschreiben: Ich vertraue, weil andere vertrauen. Ich stelle mich in einer Schlange an, weil ich den Wartenden vertraue, dass sie einen (ebenso) guten Grund dafür haben, dort zu stehen. Ich lache, wenn andere lachen, weil ich ihnen vertraue, dass es ein guter Witz war, den wir gehört haben. Ich besuche einen Film mit regem Zuschauerzuspruch, weil ich mir vorstelle, dass eine große Zahl nicht irrt, und ich meide ein leeres Restaurant, weil die Menschen, die woanders hin essen gehen, schon wissen werden warum. Hierbei handelt es sich allerdings um eine Ausweitung des Vertrauensbegriffs, die über die Grenzen der Definition, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt, hinausgeht.

Die Ansätze von Erikson, Selman et al. und Gabarro sowie Deutsch und Rotter sollen als Beispiel dafür dienen, wie sich die Entwicklung von generellem Vertrauen erklären lässt.

Eine andere Forschungsrichtung beschäftigt sich mit der Entstehung von Vertrauen in spezifischen zwischenmenschlichen Beziehungen.

Stufenweise Entwicklung von Vertrauen in partnerschaftlichen Beziehungen

Die theoretischen Betrachtungen zum Vertrauen in partnerschaftlichen Beziehungen weisen verschiedene Wege zur Annäherung an das Konstrukt. Einerseits entstanden Theorien zur Entstehung und Veränderung von Vertrauen in zwischenmenschlichen Beziehungen (Holmes & Rempel, 1989; Larzelere & Huston, 1980), andererseits Stufenmodelle zur Entwicklung des Partnervertrauens (Rempel et al., 1985) mit den Stadien Vorhersagbarkeit, Zuverlässigkeit und Treue (predictability, dependability, faith). Dabei steht Treue hier für das Vertrauen darauf, dass der Partner in einer liebenden und sorgenden Art und Weise handeln wird, gleich was die Zukunft bringt. Dieses Vertrauen ist damit letztlich die Folge einer Generalisierung der Zuverlässigkeit des Partners und der Vorhersagbarkeit seines Verhaltens. Es bewirkt trotz ungewisser Zukunft das Erleben einer emotionalen Sicherheit.

Letztlich entwickelte Holmes (1991) ein Modell, das auf verschiedenen Ebenen des Vertrauens unterschiedliche Konsequenzen für Wahrnehmung und Kognition annimmt.

Auch Baumgärtel (1994) geht von einer stufenweisen Entwicklung von Vertrauen aus. So steht auf der untersten Stufe das emotionale Erleben im Vordergrund, während auf der höchsten Stufe der Vertrauensentwicklung eine komplexe Wechselwirkung zwischen Kognition und emotionaler Selektion zum Tragen kommt, welche durch aktionale Aspekte modifiziert wird.

Damit nimmt Baumgärtel auch die von Narowski (1974) vorgeschlagene Dimensionalität des Konstrukts wieder auf. Weiterhin geht Baumgärtel davon aus, dass im Laufe der Vertrauensentwicklung in einer Beziehung das beobachtbare Verhalten an Bedeutung verliert, während vermutete internale Motive des Partners zunehmend wichtiger werden. Einen ähnlichen Zusammenhang des Vertrauens mit den vermuteten Motiven des Partners zur Aufrechterhaltung der Beziehung beschreiben auch Rempel et al. (1985). Dabei beziehen sich die Autoren auf eine Untersuchung von Seligman, Fazio und Zanna (1980) und unterscheiden folgende drei Arten von Motiven:

1. Extrinsische Motivation Die Beziehung wird aufrecht erhalten, um positive Konsequenzen, die außerhalb der Beziehung liegen (z.B.

Status, Ansehen, Geld) zu erreichen.

2. Instrumentelle Motivation Die Beziehung wird aufrecht erhalten wegen positiver Konsequenzen, die nur innerhalb der Beziehung zu erlangen sind (z.B. Liebe, Lob, Unterstützung, Sexualität).

3. Intrinsische Motivation Die Beziehung wird aufrecht erhalten, weil sie wegen der Freude am gemeinsamen Erleben und der gegenseitigen Rücksichtnahme einen Wert an sich darstellt.

Die höchste Stufe des Vertrauens, die Treue und die damit zusammenhängende romantische Liebe, sind nach Rempel et al. nur zu erreichen, wenn für den Erhalt der Beziehung intrinsische Motive im Vordergrund stehen. Auch die Wahrnehmung einer instrumentellen Motivation des Partners scheint Gefühlen höchsten Vertrauens nicht im Wege zu stehen. Demgegenüber besteht allerdings ein negativer Zusammenhang zwischen der Liebe und dem Vertrauen zum Partner und wahrgenommenen extrinsischen Motiven. Erscheint der Partner extrinsisch am Erhalt der Beziehung motiviert, so wirkt sein Verhalten unbeständig, wenig zuverlässig und nicht vertrauenswürdig (Rempel et al., 1985). Ähnlich motivationstheoretisch nähern sich Wieselquist, Rusbult, Foster & Agnew (1999) dem Vertrauen in engen Beziehungen. Sie unterscheiden unter anderem danach, ob die Partner bestrebt sind, die eigenen Interessen, die des Partners oder die gemeinsamen bestmöglich zu befriedigen. Über Zusammenhänge zwischen Liebe und Vertrauen in der Partnerbeziehung berichten verschiedene Autoren (Hazan & Shaver, 1987; Bierhoff, Fink & Montag, 1988; Bierhoff & Klein, 1991; Bierhoff, 1997).

Einen Zusammenhang zwischen den drei Stufen des Vertrauens nach Rempel et al. (1985) und den von Hazan & Shaver (1987) vorgeschlagenen Bindungsstilen (sicher, ängstlich-ambivalent, vermeidend) konnte Simpson (1990) nachweisen. Dabei zeigten sich besonders bei Frauen negative Korrelationen zwischen allen drei Stufen des Vertrauens und einem ängstlichen Bindungsstil. Dies kann gewissermaßen als Hinweis auf die Validität des Modells angesehen werden. Eine ausführliche Darstellung der Untersuchung findet sich bei Schmidt-Rathjens und Amelang (1997).

Nach Koller (1992) behält die Unterscheidung zwischen den drei Stufen des Vertrauens nach Rempel et al. (1985) dennoch den Anschein einer gewissen Willkürlichkeit, was vor allem darin begründet ist, dass die Autoren keine variablenorientierte Definition vorgenommen haben, sondern ihr Konzept auf der Basis qualitativ-inhaltlicher Aspekte entwickelten.

Weiterhin kritisiert Koller an solchen und ähnlichen Stufenmodellen, dass der Eindruck entsteht, der Faktor Zeit bzw. Erfahrung mit dem Partner sei entscheidendes oder sogar einziges Kriterium für die Entwicklung des Vertrauens von einer Stufe zur nächsten. Eine stärkere Berücksichtigung unabhängiger Variablen bei der Konzeption der Vertrauensstufen würde u.U. eine differenziertere Darstellungsweise ermöglichen.

Mit wenigen Ausnahmen wurden solche Stufenmodelle für jegliche Form zwischen-menschlicher Beziehungen entwickelt, allerdings ausschließlich für die Betrachtung des Partnervertrauens angewandt. Couch und Jones (1997) kommen zu eben dieser Bewertung und schließen hier an, dass es ein Fortschritt für die Vertrauensforschung wäre, wenn sowohl die Ansätze zum Vertrauen in bestimmten zwischenmenschlichen Beziehungen als auch die Überlegungen zum allgemeinen zwischenmenschlichen Vertrauen genutzt werden, um die komplexe Natur des Phänomens zu ergründen.

Weiterhin sollte nach Ansicht der Autoren bedacht werden, dass es sich um eine Reduktion der alltäglichen Erfahrung interpersonellen Vertrauens handelt, wenn einerseits lediglich das Vertrauen in einen einzelnen Beziehungspartner oder andererseits ausschließlich das allgemeine Vertrauen in andere Menschen betrachtet wird. Beide Formen des Vertrauens seien Merkmale für ein effektives interpersonales und soziales Funktionieren.

Couch und Jones beklagen zudem das Fehlen von Untersuchungen zum Vertrauen in das soziale Netzwerk eines Menschen (Freundes- und Bekanntenkreis, Familie) und weisen darauf hin, dass eine Reihe unterschiedlicher Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Ebenen zwischenmenschlichen Vertrauens denkbar sind.

So könnten die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Vertrauensebenen sowohl positiv ausfallen als auch im Bereich von Nullkorrelationen liegen, da es denkbar wäre, dass jemand dem eigenen Partner und seinem sozialen Umfeld viel Vertrauen entgegenbringt, Menschen im Allgemeinen aber sonst eher misstrauisch begegnet.

Insgesamt erscheint es wahrscheinlich, dass das Vertrauen innerhalb einer spezifischen zwischenmenschlichen Beziehung stärker mit der wahrgenommenen Qualität, der Verbindlichkeit und dem Engagement in dieser speziellen Beziehung zusammenhängt, während generalisiertes interpersonelles Vertrauen eher Zusammenhänge aufweist mit der Entwicklungsgeschichte und den Persönlichkeitseigenschaften der vertrauenden Person.

Funktionalistische Vertrauenstheorien

Eine Reihe weiterer Theorien sieht die Entstehung von Vertrauen als Folge seiner Konsequenzen an. So kann Vertrauen als Möglichkeit, die Komplexität der sozialen Umwelt zu reduzieren, oder auch als Risikomanagement betrachtet werden. Thomae (1976, 1997) beispielsweise sieht Vertrauen als eine instrumentelle Verhaltensweise unter vielen anderen, die dazu dient, mit lebenspraktischen Problemen fertig zu werden.

Da es eine absolute Sicherheit in zwischenmenschlichen Beziehungen nicht geben kann, sondern lediglich Zukunftserwartungen, die mit einer erheblichen Ungewissheit behaftet sind, entsteht nach Auffassung einer Reihe von Autoren (s. Buck & Bierhoff, 1986) das Bedürfnis, den bestehenden hohen Komplexitätsgrad der sozialen Umwelt zu reduzieren, um ein erfolgreiches Handeln zu ermöglichen. Auch Luhmann (1973, 1989) betrachtet Vertrauen als einen Mechanismus, mit dessen Hilfe sich die hohe Komplexität der sozialen Umwelt reduzieren lässt und der so eine Strategie darstellt, die eigene Handlungsfähigkeit auch in unüberschaubaren Situationen aufrecht zu erhalten. Dabei stützt sich das Individuum laut Luhmann auf Erfahrungen aus der Vergangenheit, die in die Zukunft übertragen und in positive Erwartungen umgewandelt werden.

Solche positiven vertrauensvollen Erwartungen vermitteln dem Individuum ein Gefühl relativer Sicherheit und sind die Grundlage für neue Interaktionen und Erfahrungen.

In weiteren Überlegungen zur Funktion von Vertrauen steht eindeutig der Umgang mit Gefahr und Risiko und die Bewältigung fehlender Kontrolle oder Kontrollüberzeugung in einer Situation im Vordergrund. Koller (1988) kommt durch Einbeziehen kontrolltheoretischer Überlegungen in einem Überblick über theoretische Ansätze zur Sozialpsychologie des Vertrauens zu dem Schluss, dass sich Vertrauen in Abhängigkeit vom Risikogehalt einer Situation entwickelt. Je höher das Risiko und je größer der Bedeutungsgehalt der Situation sind, desto nötiger und folglich auch größer ist das Vertrauen.

Koller (1992) schlägt daher eine These der Vertrauensentwicklung vor, die auf McGregors wishful-thinking Hypothese und auf kontrolltheoretischen Überlegungen aufbaut. Nach Koller (1997) basiert Vertrauen auf zwei unterschiedlichen Prozessen: Vertrauen ist einerseits das Produkt von Erfahrung – ein rationaler Prozess – und andererseits Wunschdenken – ein irrationaler Prozess. Eine positive vertrauensvolle Erwartung vermittelt dem Individuum ein Gefühl von relativer Sicherheit und ist damit die Grundlage neuer Interaktionen und Erfahrungen (Koller, 1992; McGregor, 1938). Diesem Ansatz zufolge ist Vertrauen um so größer, je größer das Risiko in einer gegebenen Situation ist, was in Studien von Koller (1988) bestätigt werden konnte und mit Hilfe der Dissonanztheorie von Festinger (1957) und der Selbstwahrnehmungstheorie von Bem (1972) erklärt wird.

Betrachtet man Vertrauen als eine Vorhersage des Individuums für soziale Ereignisse, so ließe sich in der Tat mit McGregor (1938) feststellen, dass Vertrauen in diesem Falle keineswegs immer ein rationales Urteil auf der Basis der vorliegenden Tatsachen ist, sondern bis zu einem gewissen Grad auch dem Wunschdenken unterliegt.

In neueren Überlegungen bezieht Koller (1997) die Variablen Ambiguität und Wichtigkeit mit ein. Dabei bedeutet Ambiguität in Vertrauenssituationen nicht nur mangelnde Kontrolle und Vorhersagbarkeit negativer Konsequenzen, sondern auch eine Zunahme des Risikos. Die Variable Wichtigkeit ist nach Koller gleichzusetzen mit der Attraktivität eines Interaktionsziels.

Die Variablen, die damit Einfluss auf das Wunschdenken nehmen, sind die (1) Ambiguität der Situation als Mangel an objektiver Information und die (2) persönliche Bedeutsamkeit des Sachverhalts. Je größer der Mangel an objektiver Information und je größer die persönliche Bedeutung des Sachverhalts, desto größer der Einfluss des Wunschdenkens, desto größer also das Vertrauen. Mit Hilfe dieses Ansatzes lassen sich rationale Befunde (Deutsch, 1973) und irrationale Befunde (Koller, 1988) integrieren, da hier die Ambiguität der Situation und die persönliche Bedeutsamkeit des Sachverhalts deutlich variierten.

Nach Koller (1997) stellen sich die Beziehungen zwischen Risiko, Wichtigkeit und Vertrauen wie folgt dar:

Bei hoher Wichtigkeit steigt mit zunehmendem Risiko das Vertrauen bis zu einem Punkt, an welchem das Risiko zu groß wird und ein Vertrauensaufbau nicht mehr möglich ist. Bei niedriger Wichtigkeit verläuft der Vertrauensanstieg deutlich flacher. Auch ist der kritische Schwellenwert des Risikos, ab dem Vertrauen nicht mehr aufgebaut wird, nach vorne verlagert.

Vertrauen

Wichtigkeit hoch

niedrig

Risiko niedrig hoch

Abbildung 1: Vertrauen als Funktion von Risiko und Wichtigkeit (Koller, 1997)

Die Funktion von Vertrauen als Wunschdenken liegt also ebenfalls in der Kompensation mangelnder Kontrolle über die Umwelt. Kontrolltheoretischen Überlegungen folgend ist der Mensch bestrebt, Kontrolle über seine Umwelt ausüben zu können, um möglichst positive Ereignisse zu bewirken und negative Ereignisse abzuwenden (Osnabrügge, Stahlberg und Frey, 1985). Dabei ist die Konsequenz der Wahrnehmung, Kontrolle ausüben zu können, ein positiver Effekt auf die psychische Befindlichkeit, während mangelnde Kontrolle zu Motivationsverlust, depressiver Stimmung und Lerndefiziten führt (Seligman, 1975).

Koller (1992) stellt zusammenfassend fest: Situationen, in denen Vertrauen eine Rolle spielt, sind demnach dadurch gekennzeichnet, dass das Individuum mangelnde Kontrolle über die Umwelt hat…In der Diktion von Rothbaum, Weisz und Snyder (1982) kann Vertrauen als Prozess der sekundären Kontrolle bezeichnet werden. Das vertrauende Individuum übt nicht direkte Kontrolle aus, indem es die Umwelt mit seinen Wünschen in Einklang bringt (primäre Kontrolle), sondern gibt sich mit indirekter Kontrolle zufrieden, indem es sich mit den Umweltgegebenheiten arrangiert (sekundäre Kontrolle).

Es ließe sich zusammenfassen: Vertrauen ist der Begriff für einen psychischen Mechanismus, der, wie andere auch, die Komplexität der Umwelt reduziert und damit eine Strategie darstellt, die Handlungsfähigkeit des Individuums auch dann aufrecht zu erhalten, wenn nicht genug Information für sicheres Handeln gegeben ist.

Eine andere Betrachtungs- und Herangehensweise ist die von Mayer, Davis und Schoorman (1995), die das Risiko als abhängige Variable des Vertrauens betrachten, indem sie es als Maß für das gezeigte Vertrauen definieren. Je mehr jemand vertraut, umso größer wird das Risiko sein, dass er in einer bestimmten Situation einzugehen bereit ist.