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2 Schrifttum

2.3 Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis

2.3.4 Tenazität und Inaktivierung

MAP besitzt aufgrund seiner speziellen Zellwandstruktur eine hohe Widerstandskraft gegenüber Umwelteinflüssen und bleibt außerhalb eines Tierkörpers lange vermehrungsfähig. Jedoch kann MAP sich ohne einen Wirt nicht direkt in der Umwelt vermehren. Das unterscheidet den Erreger von vielen anderen Mykobakterien wie M.

avium ssp. avium, welche die Fähigkeit besitzen, Mycobactin zu sezernieren und Eisen aus der Umwelt aufzunehmen (COLLINS, 2003). ROSENBERGER (1978) gibt die Überlebenszeit von MAP in Rinderkot mit elf Monaten an und JØRGENSEN (1977) fand vermehrungsfähige Erreger noch nach 252 Tagen in bei 5 °C gelagerter Gülle. LOVELL et al. (1944) wiesen überlebensfähige MAP nach 246 Tagen im Kot natürlich infizierter Rinder nach, wobei dieser den natürlichen Bedingungen wie Regen, Sonne und Frost auf einer Weide ausgesetzt war. Daraus ergibt sich, dass kontaminierte Weideflächen eine potentielle Infektionsquelle für mindestens ein Jahr darstellen (COLLINS, 2003) und empfängliche Tiere sich während der Frühlingsbeweidung anstecken könnten (CHIODINI u. VAN KRUNINGEN, 1983).

Ebenfalls empfiehlt JØRGENSEN (1977) aufgrund der langen Überlebensdauer in Gülle infizierter Tiere, diese nicht als Dünger für Futterpflanzen einzusetzen.

Rinderurin ist hingegen lebensfeindlich für MAP-Erreger, eine gesteigerte Rinderurinkonzentration führt zu einer verminderten Überlebensrate (COLLINS, 2003). In Rinderurin beträgt die Überlebensfähigkeit von MAP lediglich sieben Tage (VISHNEVSKII et al., 1940). Weitere Faktoren, die die Überlebenszeit von MAP verkürzen, sind Austrocknung, Aussetzen von Sonnenlicht, pH-Werte über 7 und ein geringer Eisengehalt. MAP-Bakterien, welche direktem Sonnenlicht ausgesetzt werden, bleiben keine 100 Stunden vermehrungsfähig (LARSEN et al., 1956).

In Wasser besitzt der Erreger ebenfalls eine ausgesprochen hohe Tenazität.

LOVELL et al. (1944) konnten den Keim noch nach neun Monaten bei Raumtemperatur aus Teich-, Leitungs- und destilliertem Wasser und nach 163 Tagen aus Flusswasser isolieren, welches mit Darmmaterial infizierter Rinder

versetzt wurde. LARSEN et al. (1956) geben die Überlebenszeit in Leitungs- und Salzwasser sogar mit 17-19 Monaten an.

Einige andere Mykobakterien wie M. smegmatis und M. tuberculosis überleben lange Zeiträume außerhalb eines Wirtes, weil sie in einen Ruhezustand übergehen (ROWE u. GRANT, 2006). Diese genetisch festgelegte Periode wird als Stadium des Überlebens nicht-sporenbildender Bakterien bezeichnet, in dem es zu keiner Replikation kommt. WHITTINGTON et al. (2004) vermuten bei MAP ebenfalls einen Ruhezustand, der es dem Bakterium ermöglicht, unwirtliche Umweltbedingungen über einen langen Zeitraum hinweg zu überleben. Grund für diese Annahme ist zum einen, dass die Arbeitsgruppe während ihrer Versuchsreihe im Probenmaterial einen großen Zeitraum mit keiner wesentlichen Veränderung der koloniebildenden Einheiten festgestellt hat. Zum anderen fanden sie zwei Gensequenzen im MAP-Genom, die bei anderen Mykobakterien für den Ruhezustand verantwortlich sind.

Diese beiden Ergebnisse wertet das Forscherteam als indirekten Beweis für die Existenz eines Ruhezustandes bei MAP.

Dem Erreger ist es außerdem möglich, eine Phagozytose durch ubiquitär vorkommende Protozoen wie Acanthamoeba für bis zu 24 Tage zu überleben und sich trotz Mycobactinabwesenheit in ihr zu vermehren. Durch diese Internalisierung konnte eine noch höhere Resistenz von MAP gegenüber chemischen Desinfektionsmitteln nachgewiesen werden (ROWE u. GRANT, 2006).

Der pH-Wert der Umwelt ist ein wichtiger Faktor für die Überlebensdauer von MAP außerhalb eines Wirtes. Bei niedrigen pH-Werten ist seine Tenazität deutlich erhöht (RICHARDS, 1988). Dies gilt auch für Erdböden, bei denen neben dem Milieu noch die Bodenbeschaffenheit eine entscheidende Rolle spielt (WARD u. PEREZ, 2004).

Demnach bilden Gebiete mit einem hohen Anteil an Lehm oder Sand und einem sauren pH-Wert optimale Überlebensbedingungen für MAP. Nach RICHARDS (1988) etabliert sich Paratuberkulose in Gebieten mit sauren Böden und einem niedrigen Calciumgehalt viel leichter als auf kalkhaltigen alkalischen Untergründen, wo die Erkrankung selbstlimitierend sein könnte. Es gibt zwar Berichte, die davon zeugen, dass in einer Region in England mit sauren, kalkarmen Böden die Erkrankung gehäuft und im benachbarten sandigen Gebiet mit einem hohen

Calciumcarbonatanteil nicht vorkommt, aber es fehlen experimentelle Beweise, die einen direkten Zusammenhang zwischen dem Boden-pH und der Prävalenz von Paratuberkulose belegen (JOHNSON-IFEARULUNDU u. KANEENE, 1997).

RICHARDS und THOEN (1977) konnten die außergewöhnlich hohe Thermostabilität bei niedrigen Temperaturen von MAP in ihren Untersuchungen belegen. Sie fanden vermehrungsfähige Bakterien noch nach 15 Wochen in Kot, der bei -70 °C gelagert wurde. CHIODINI und VAN KRUNINGEN (1983) geben die Überlebenszeit bei -14 °C sogar mit mindestens einem Jahr an.

Dass der Erreger auch eine besondere Resistenz gegenüber hohen Temperaturen besitzt, konnte in vielen Pasteurisierungsversuchen von Milch nachgewiesen werden, jedoch besteht Uneinigkeit darüber, ob diese nachgestellten Laborversuche mit einer Pasteurisierung unter Molkereibedingungen vergleichbar seien. Bereits Anfang der 90er-Jahre berichteten CHIODINI und HERMON-TAYLOR (1993) von 5-9 %igen Überlebensraten nach der Dauererhitzung bei 63 °C für 30 min und 3-5 % nach HTST (High Temperature Short Time, Kurzzeiterhitzung) bei 72 °C für 15 s. Zudem fanden sie heraus, dass die Stämme, die aus Menschen isoliert worden sind, eine höhere Thermoresistenz aufwiesen als bovine. In den folgenden Jahren bestätigten mehrere Forschungsgruppen, dass sowohl die HTST-Pasteurisierung als auch die Dauererhitzung zu einer starken Reduktion der Anzahl, aber nicht zu einem endgültigen Abtöten führt und vermehrungsfähige MAP-Keime nach einer Pasteurisierung im Labor isoliert werden konnten (GRANT et al., 1996, 1998;

SPAHR u. SCHAFROTH, 2001). Die verwendeten Inokulationsdosen lagen zwischen 102-105 Koloniniebildende Einheiten (KBE) pro Milliliter. Alle Autoren kamen zu dem Schluss, dass aufgrund der hohen Versuchskeimzahlen und der labortypischen Pasteurisierungsmethoden die Ergebnisse nicht übertragen werden können auf das Vorkommen an vermehrungsfähigen Erregern in kommerziell erhältlicher Milch. Ein paar Jahre später konnten in 1,6 % der in der Tschechischen Republik (AYELE et al., 2005) und in 1,8 % der in Großbritannien (GRANT et al., 2002) im Handel gekauften Proben HTST-pasteurisierter Milch kulturell und mit IS900 PCR Paratuberkulose-Erreger nachgewiesen werden, was den Rückschluss zulässt, dass in geringem

Maße der potentiell humanpathogene Keim in kommerziell pasteurisierter Milch vorkommt.

Neben der Sekretion über das Euter besteht die Möglichkeit der Keimeintragung in die Milch beim Melkvorgang durch kotverschmutzte Euter. Während im Kot eine Keimdichte von 108 KBE/g erreicht werden kann, ist diese in der Milch deutlich geringer. Die höchste Sekretion von MAP in das Euter und damit in die Milch kommt in den ersten Tagen nach einer Kalbung vor, wobei die ersten beiden Tage post partum mit 50 KBE/ml Kolostrum den Höchstwert markieren (STABEL u.

LAMBERTZ, 2004). Damit stellt Kolostrum für Kälber ein potentielles Infektionsrisiko dar. Selbst nach Dauererhitzung von 63 °C für 30 min konnten vermehrungsfähige Erreger trotz signifikantem Rückgang bezüglich der Ausgangsmenge auch aus Kolostrum isoliert werden (MEYLAN et al., 1996).

Des Weiteren stellte sich heraus, dass in 80 % der Milch, die für die Käseherstellung behandelt wurde, überlebensfähige Keime enthalten waren (STABEL u. LAMBERTZ, 2004) und die Anzahl sich nur langsam über einen Reifungsprozess von 120 Tagen verringert (SPAHR u. SCHAFROTH, 2001). Eine Homogenisierung der Milch führt durch die verringerte Klumpengröße zusammengelagerter Bakterien zu einer höheren Inaktivierungsrate (GRANT et al., 2005). Eine längere Einwirkzeit der Temperatur erreicht eine bessere Inaktivierung der Keime als eine Erhöhung der Pasteurisierungstemperatur (GRANT et al., 1999). Selbst bei 78 °C für 15 s erhitzte Milch wies noch eine geringe Zahl vermehrungsfähiger Erreger auf.

MAP ist gegenüber vielen handelsüblichen Desinfektionsmitteln resistent (CHIODINI et al., 1984). Als wirksam betrachtet werden solche auf Basis von Formaldehyd, Phenolen, Kresolen und solche, die als tuberkulozid bezeichnet werden (COLLINS, 2003). Selbst eine Chloridkonzentration von 2 µg/ml führt nach 30 min zu keiner vollständigen Abtötung von MAP in Wasser (WHAN et al., 2001).

2.4 Epidemiologie der Paratuberkulose