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2 Schrifttum

2.5 Erkrankungsbild

2.5.2 Klinisches Bild und Differentialdiagnose

Paratuberkulose ist eine Einzeltiererkrankung mit einer sehr langen Inkubationszeit.

Rinder infizieren sich meist fäkal-oral als Kälber (STABEL, 1998) und der weitere Verlauf ist abhängig von folgenden Faktoren: Alter zum Infektionszeitpunkt, Konstitution, genetische Faktoren und aufgenommene Infektionsdosis (OLSEN et al., 2002). Eine Einteilung und Beschreibung infizierter Rinder in vier Stadien erfolgt durch WHITLOCK und BUERGELT (1996) anhand Schweregrad der klinischen Symptome, Grad der Erregerausscheidung und der Möglichkeit, das Bakterium mit herkömmlichen Testsystemen nachzuweisen. Diese Klassifizierung ist im Folgenden erläutert.

Das erste Stadium umfasst die stille Infektion von Kälbern, Färsen und Jungtieren bis zu einem Alter von zwei Jahren. Das zweite Stadium beschreibt die subklinische Infektion adulter Carrier. Diese beiden Zeiträume stellen die lange symptomfreie Inkubationszeit von sechs Monaten bis 15 Jahren dar. Der Durchschnittswert beträgt drei bis fünf Jahre (CHIODINI et al., 1984). Tiere innerhalb dieses Zeitraums scheiden den Erreger bereits intermittierend mit dem Kot aus, stellen daher ein Infektionsrisiko für ihre Umwelt dar und sind mit herkömmlichen Testsystemen schwer zu erfassen. Stadium drei und vier umfassen die klinische Erkrankung und terminale Phase einer MAP-Infektion. Klinische Erscheinungen findet man meist bei Adulten ab einem Alter von zwei Jahren (OLSEN et al., 2002). Sie können jedoch auch in seltenen Fällen jüngere Individuen betreffen bei Herden mit hohen Durchseuchungsraten, sehr frühem Erstkontakt und hoher Infektionsdosis sowie schlechtem Herdenmanagement (CHIODINI et al., 1984). Stressoren wie Abkalbung, schlechte Nährstoffversorgung, Hochlaktation oder Parasitenbefall werden unter anderem als auslösende Faktoren für einen Wechsel aus dem subklinischen Stadium zur klinischen Erkrankung angesehen (CHIODINI et al., 1984).

Stadium I (stille Infektion von Kälbern, Färsen und Jungtieren):

Infiziertes Jungvieh zeigt in dieser Periode keinerlei Anzeichen einer Infektion und erscheint identisch zu nichtinfizierten gleichaltrigen Tieren bezüglich Wachstum, Gewichtszunahme und äußerem Erscheinungsbild. Diese Tiere scheiden den Erreger unterhalb der Nachweisgrenze für Kultur und PCR mit dem Kot aus. Es kann

keine humorale Immunreaktion durch herkömmliche serologische Testsysteme gefunden werden. Auch bei einer postmortalen Untersuchung ist der Erreger im Gewebe nicht mikroskopisch nachweisbar (FECTEAU u. WHITLOCK, 2010). Eine Möglichkeit, den Erreger nachzuweisen, ist die postmortale Demonstration in Mikrogranulomen aus Darm oder Lymphknoten histologisch oder per Kultur. Andere diagnostische Nachweise mittels Gamma-Interferon- oder Johnin-Hauttest, welche die bereits vorhandene zellvermittelte Immunreaktion bestimmen, können in diesem Stadium ebenfalls eingesetzt werden (TIWARI et al., 2006).

Stadium II (subklinische Infektion adulter Carrier):

Die betroffenen adulten Tiere zeigen in diesem Zeitraum keinerlei typische sichtbare Anzeichen einer Paratuberkulose-Infektion. Jedoch können diese Individuen durch einen Anstieg unspezifischer Erkrankungen wie Metritis, Mastitis, Labmagenverlagerungen und Lahmheiten im Vergleich zu nichtinfizierten Herdentieren auffallen (STEVENSON, 2006; FECTEAU u. WHITLOCK, 2010). Die Störung der Energiebilanz aufgrund der bereits beeinträchtigten Verdauungsfunktion und Nährstoffabsorption des Darms resultiert in einer reduzierten Fertilität. Ebenfalls können subklinisch infizierte Tiere bereits zu diesem Zeitpunkt eine gesunkene Milchleistung zeigen bzw. Mastrinder schlechtere Zunahmeraten aufweisen, was zu finanziellen Einbußen führt (OLSEN et al., 2002). Eine Konsequenz dieser negativen Effekte der subklinischen Paratuberkulose-Infektion ist eine erhöhte Abgangsrate unter den betroffenen Tieren (STEVENSON, 2006). Die Tiere scheiden intermittierend MAP mit dem Kot in nachweisbaren Mengen aus, was dazu führt, dass bereits ein Anteil von 15-25 % mittels kultureller Untersuchung erkannt werden kann. Die meisten infizierten Individuen scheiden den Erreger allerdings unterhalb der Nachweisgrenze aus und stellen somit unbemerkt neue Infektionsquellen für andere Tiere dar (FECTEAU u. WHITLOCK, 2010). Es kann außerdem wie in Stadium I eine modifizierte zelluläre Immunantwort mit erhöhten IFN-γ-Werten nachgewiesen werden. Kurz vor Übergang ins dritte klinische Stadium finden sich nachweisbare Gehalte an Antikörpern gegen MAP im Serum (TIWARI et al., 2006).

Die Dauer dieser gesamten Periode ist sehr variabel und wird von einer Reihe von Faktoren beeinflusst. Dazu zählen das Alter zum Infektionszeitpunkt, die

Infektionsdosis, die Häufigkeit erneuten Erregerkontaktes, genetische Faktoren von Wirt und Bakterium sowie Umweltbedingungen, Ernährung, Produktionseffekte und anderen Stressoren (FECTEAU u. WHITLOCK, 2010). Meist gehen die Tiere langsam in das dritte klinische Stadium über oder werden vorher aufgrund schlechter Produktionsleistungen sowie der Anfälligkeit gegenüber unspezifischen Erkrankungen ausgemerzt.

Stadium III (klinische Erkrankung von Tieren über zwei Jahren):

Initiale klinische Symptome, die auf die ausgedehnte Inkubationszeit folgen, sind rascher Gewichtsverlust trotz normalem oder sogar gesteigertem Appetit sowie eine veränderte Kotkonsistenz. Während einer Periode von mehreren Wochen wird die Kotbeschaffenheit flüssiger und Durchfall tritt zuerst intermittierend mit Perioden unveränderten Fäzes auf. Der Durchfallkot ist wässrig, enthält keine sichtbaren Blut- oder Mukusbeimengungen und wird im Strahl („pipestream“ oder „waterhose“) ohne Tenesmus abgesetzt (SWEENEY, 2011), was auf einen Sitz der Infektion im vorderen Gastrointestinaltrakt hindeutet. Der Durchfall ist unbehandelbar und bei einer Therapie kann lediglich ein Gelingen durch eine Periode normaler Kotkonsistenz vorgetäuscht werden (CHIODINI et al., 1984). Den Flüssigkeitsverlust können die Tiere noch durch eine gesteigerte Flüssigkeitsaufnahme ausgleichen. Bei einer körperlichen Untersuchung sind keine Veränderungen der Vitalzeichen wie Herz- und Atemfrequenz sowie Körpertemperatur zu finden. Die normale Absorptionskapazität des Darms ist außer Kraft gesetzt, was neben der reduzierten Nährstoffaufnahme (Malabsorptionssyndrom), dem folgenden Gewichtsverlust und dem Durchfall mit einer Proteinverlust-Enteropathie assoziiert ist (FECTEAU u.

WHITLOCK, 2010; SWEENEY, 2011). In deren Folge können sich in diesem Stadium gelegentlich leichte subkutane Ödeme am Triel und Unterkiefer bilden („bottle jaw“). Mit fortschreitender Auszehrung kommt es zu einem drastischen Rückgang der Milchleistung um 20 % und mehr (SWEENEY, 2011). Besteht keine Herdenhistorie sind diese aufgeführten klinischen Anzeichen aufgrund der Ähnlichkeit zu anderen Krankheitsbildern schwer einer Paratuberkulose-Erkrankung zuzuordnen und werden häufig nicht als solche diagnostiziert (RIDEOUT et al., 2003).

Der Großteil der infizierten Tiere ist mittels Kotkultur nachweisbar, da der Erreger nun massenhaft ausgeschieden wird. Dabei kann eine Kontamination der Umwelt von 1010 KBE/g Kot erreicht werden (STABEL, 1998). Serum- und Plasmaveränderungen sind außerdem charakteristisch für dieses Stadium der Paratuberkulose, jedoch nicht spezifisch genug für eine genaue Diagnosestellung.

Es kommt zu einem Abfall von Totalprotein, Albumin, Triglyzeriden und Cholesterin im Plasma, wohingegen die Konzentration von Muskelenzymen wie Kreatinkinase und Aldolase aufgrund des Muskelabbaus zunimmt. Zudem fällt eine gesteigerte humorale Immunantwort aufgrund erhöhter Antikörper-Spiegel auf (FECTEAU u.

WHITLOCK, 2010).

Aufgrund der Verbreitung des Erregers in extraintestinale Teile des Körpers ist der Erreger aus vielen Organen wie Niere, Leber, Uterus und Milchdrüse isolierbar sowie in Milch und Kolostrum nachzuweisen (FECTEAU u. WHITLOCK, 2010). Es kann zur fetalen Erregerübertragung kommen, wobei die Wahrscheinlichkeit infizierter Kälber bis zu 40 % betragen kann (SWEENEY, 2011).

Selten verbleiben Tiere in diesem Stadium länger als ein paar Wochen in der Herde.

Sie werden aufgrund von Gewichtsverlust, sinkender Milchleistung und untherapierbarem Durchfall in der Regel geschlachtet (FECTEAU u. WHITLOCK, 2010). Ansonsten gehen die Tiere nach wenigen Wochen über in das vierte Stadium der fortgeschrittenen klinischen Infektion. In seltenen Fällen können sich infizierte Tiere erholen und für eine unbestimmte Zeit in das zweite Stadium zurückgehen.

Stadium IV (fortgeschrittenes klinisches Stadium):

Diese Periode umfasst das terminale Stadium einer Paratuberkulose-Infektion und kann innerhalb von wenigen Wochen nach Beginn der klinischen Phase erreicht werden. Jedoch ist ein langsam fortschreitender Verlauf charakteristischer (FECTEAU u. WHITLOCK, 2010). Mit dem Voranschreiten der Infektion werden die Tiere zunehmend lethargisch, schwach und kachektisch. In der folgenden Abbildung 3 ist zur Verdeutlichung ein ausgezehrtes Rind mit klinischer Paratuberkulose zu sehen.

Abbildung 3: Kachektisches Tier mit klinischer Paratuberkulose, Quelle: MC GAVIN u. ZACHARY, 2007, S. 373

Der chronische Durchfall ist jetzt dauerhaft wässrig, profus sowie von Blasen durchsetzt. Die charakteristische Blasenbildung des Kots einer Kuh mit klinischer Paratuberkulose zeigt die folgende Abbildung 4.

Abbildung 4: Charakteristische Blasenbildung im Kot einer Kuh mit klinischer Paratuberkulose, Quelle:

KLEE, 2006, S.588

Aufgrund der schweren Hypoproteinämie bilden sich starke subkutane Ödeme am Kehlgang und Unterkiefer (Flaschenhals, bottle jaw), die beim Tier in der folgenden Abbildung 5 zu sehen sind. Jedoch können die Ödeme bei fortschreitender Exsikkose wieder verschwinden.

Abbildung 5: Kuh mit Kehlgangsödem,

Quelle: NORTHEAST ORGANIC DAIRY PRODUCERS ALLIANCE, 2014

Die Milchproduktion kann im finalen Stadium versiegen (SWEENEY, 2011). Zudem können betroffene Tiere anämisch sein (OLSEN et al., 2002). Das Haarkleid ist rau und struppig, die Haut trocken und die Haarfarbe kann aufgrund des kompensatorischen Ausgleichens eines Mangels an Carotinoiden, der Vorstufe für Vitamin A, ausbleichen (CHIODINI et al., 1984). Besonders betroffen sind hiervon rothaarige Rassen. Der Zustand der infizierten Tiere verschlechtert sich meist innerhalb weniger Tage rapide, sobald profuser Durchfall und starke Ödembildung auftreten. Sollte es nicht zu einem vorherigen Abgang aus der Herde zur Verwertung gekommen sein, verläuft die MAP-Infektion ohne Chance auf Heilung bis zum Tod durch Kachexie und Dehydratation (SWEENEY, 2011).

Die Anzahl der Tiere mit einer klinisch-manifesten Paratuberkulose-Infektion geben keinen Einblick in die wahre Prävalenz einer Herde (RIDEOUT et al., 2003). Auf

jeden fortgeschrittenen klinischen Infektionsfall einer Herde kommen bis zu 25 unerkannt infizierte Tiere (WHITLOCK u. BUERGELT, 1996). Damit stellen klinisch erkrankte Individuen nur die Spitze eines Eisbergs dar, was in der folgenden Abbildung 6 verdeutlicht wird.

Abbildung 6: Klinisch erkrankte Tiere als Spitze des Eisbergs, Quelle: in Anlehnung an WHITLOCK u.

BUERGELT, 1996

Differentialdiagnostisch sollten beim Vorliegen einer Einzeltiererkrankung bei adulten Rindern mit profusem, therapieresistentem Durchfall sowie Gewichtsverlust trotz erhaltener Fresslust und Rückgang der Produktionsleistung folgende Erkrankungen in Betracht gezogen werden: Chronische Fasziolose und andere Endoparasitosen, Peritonitis, Amyloidnephrose, Lymphosarkom, chronischer Kupfermangel, Bovine Virusdiarrhoe bzw. Mucosal Disease, chronische Salmonellose und andere infektiöse Erkrankungen sowie Hungerdystrophie (RIDEOUT et al., 2003).

Das klinische Erscheinungsbild bei kleinen Wiederkäuern wie Schaf und Ziege ähnelt prinzipiell der oben angeführten Darstellung beim Rind (RIDEOUT et al., 2003). Es kann ebenfalls eine grobe Einteilung in vier Stadien erfolgen, wobei der gesamte Krankheitsverlauf deutlich schneller voranschreitet. Jedoch zeigen diese Spezies vorherrschend unspezifische Anzeichen einer chronischen Infektionskrankheit wie Gewichtsverlust, reduzierte Produktionsleistung und Wollfehler bzw. eine schlechte Fellqualität (BEARD, 2000).

Bei Schafen beschränken sich die klinischen Anzeichen meist auf chronischen Gewichtsverlust, welcher ab einem Alter von zwei Jahren auftreten kann (BEGG u.

WHITTINGTON, 2010). Jedoch ist dieser aufgrund der dichten Wollstruktur leicht zu übersehen (MANNING u. COLLINS, 2001). Die Hälfte der infizierten Schafe zeigen normal geformte Kotpellets, 30 % besitzen eine etwas weichere Konsistenz und lediglich bei 20 % ist schwerer Durchfall zu erkennen (BEGG u. WHITTINGTON, 2010). Gelegentlich treten Ödeme auf und in fortgeschrittenen Fällen kann es zu einer Hypoalbuminämie und Hypokalzämie kommen (BEGG u. WHITTINGTON, 2010). Des Weiteren wird eine erhöhte Empfänglichkeit gegenüber parasitärer Gastroenteritis beobachtet (STEVENSON, 2006). Die meisten Tiere erliegen der Krankheit in einem Alter von drei bis fünf Jahren und sterben an Kachexie.

Paratuberkulose-Erscheinungen bei Ziegen ergänzen die genannten Symptome der Schafe lediglich um eine schuppige Haut und eine häufig auftretende schwere Anämie (DJØNNE, 2010).

Differentialdiagnostisch sollten bei kleinen Wiederkäuern Wurmerkrankungen, Abzesse verursacht durch Corynebacterium pseudotuberculosis, chronische Lebererkrankungen und Unterernährung sowie Zahnprobleme in Betracht gezogen werden (RIDEOUT et al., 2003).

Das klinische Erscheinungsbild bei Cerviden unterscheidet sich von dem der anderen Wiederkäuer (MACKINTOSH u. GRIFFIN, 2010). Wildwiederkäuer scheinen hochempfänglich für eine MAP-Infektion zu sein und können schwere klinische Symptome bereits bei Jährlingen und Kitzen zeigen. Diese schwere Form bei Jungtieren führt innerhalb kürzester Zeit zum Tod der Tiere (BEARD, 2000).

Trotzdem weist nur ein geringer Anteil exponierter Tiere klinische Erscheinungen auf

und bei Adulten wurde eine eher chronisch verlaufende Form mit Gewichtsverlust, Durchfall und schlechter Fellqualität beobachtet. Daher können zwei Syndrome unterschieden werden. MACKINTOSH und GRIFFIN (2010) berichten bei unter zwei Prozent der adulten Tiere einer untersuchten Herde im Jahr von sporadischen Fällen. Des Weiteren waren fünf Prozent der acht bis 27 Monate alten Tiere betroffen. Der chronische Verlauf bei älteren Tieren ähnelt in Klinik und Fortschreiten dem der kleinen Wiederkäuer und Rinder. Bei Jungtieren kommt es zu einem akuten Krankheitsbild mit einem schnellen Verlust an Körpergewicht und Muskelmasse. Die Erkrankung äußert sich in einem rauen, wie von Motten zerfressenen Haarkleid und fäkalen Verschmutzungen an Schwanz und Hinterbeinen als Resultat des weichen bis flüssigen Kotabgangs (MACKINTOSH u. GRIFFIN, 2010). Die transplazentare Übertragungsrate bei Hirschen beträgt 90 % und ist damit deutlich höher als bei Rindern und kleinen Wiederkäuern (SWEENEY, 2011). Blutproben weisen typischerweise niedrige Gehalte an Totalprotein und Albumin sowie ein erhöhtes Vorkommen an akuten Entzündungsproteinen wie Fibrinogen auf (MACKINTOSH u.

GRIFFIN, 2010).