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Bodensee / 60 m Tiefe

8. Diskussion der Ergebnisse

8.4 Technische Weiterentwicklung der LIBD-Methode

In Europa sind derzeit fünf LIBD-Instrumentierungen bekannt, davon alleine vier im Forschungszentrum Karlsruhe GmbH, und eine im Forschungszentrum Rossen-dorf e.V. (Dresden). Im Rahmen dieser Arbeit wurde die am Institut für Technische Chemie, Wasser- und Geotechnologie (ITC-WGT) befindliche Instrumentierung im Laufe eines zweijährigen Projektes unter Berücksichtigung aller neuen methodischen Erkenntnisse weitestgehend automatisiert. Zu diesem Zwecke wurde eine komplett neue Steuerung entwickelt, bestehend aus einem Soft- und einem Hardwareteil.

Die Software auf LINUX-Basis ermöglicht eine weitgehend selbständige Anlagen-kalibrierung sowie einen vollautomatischen Meßbetrieb1. Eine zentrale Hardware-Steuerung (Nano-Modul) übernimmt die Einstellung und Regelung der Laserpuls-energie, die Zeitsteuerung (Puls-Delay für Kamera-Trigger), sowie die Kontrolle und Überwachung aller weiteren Peripherie-Geräte. Eine sichere Bedienung des Systems ist damit auch für ungeschultes, nicht mit den technischen Hintergründen der Methode vertrautes Personal möglich; auf diese Weise wird das System für einen breiten Anwenderkreis verfügbar. Im Vergleich zu bisherigen LIBD-Instrumentierun-gen arbeitet das System bei guter Reproduzierbarkeit um etwa einen Faktor 2 - 3 effizienter2, zudem ist die Benutzung deutlich komfortabler und steht in Einklang mit der Guten Labor- und Meßpraxis. Das neue System erhielt nicht zuletzt deshalb den Namen NPA/LIBD (Nano-Particle-Analyzer based on LIBD).

8.5 Anwendung des NPA/LIBD auf Fragestellungen der aquatischen Kolloidchemie

8.5.1 Optimierung der Trinkwasseraufbereitung bei der LWBW

Im Rahmen der Untersuchungen zur Flockungsfiltration von Donauwasser des Zweckverbandes Landeswasserversorgung Baden-Württemberg (LWBW) wurde die LIBD-Technik eingesetzt, um auch das kolloidale Größenspektrum an Partikeln zu erfassen. Generell zeigte sich bei den mittels NPA/LIBD und Laserlicht-Abschattung (für Partikel > 1 µm) gemessenen Daten eine Übereinstimmung insofern, als sich beide Methoden gut ergänzten und tendenziell die gleichen Ergebnisse lieferten. Im Bereich der Trinkwasseraufbereitung hat sich der NPA/LIBD aufgrund seiner hohen Empfindlichkeit besonders für Kolloide als wertvolle Analysenmethode zur Charakterisierung der Wasserqualität herausgestellt und war zur Gewinnung von

1 Das System ist echtzeitfähig und kommt ohne weitere Zusatzkomponenten aus. Sowohl bei Soft-ware, Hardware als auch dem Aufbau der Instrumentierung wurde großer Wert darauf gelegt, alles so einfach wie möglich zu gestalten. Dies erhöht nicht nur die Fehlersicherheit im Betrieb, sondern reduziert auch die Kosten.

2 Gemessen an der Anzahl der durchsetzbaren Proben pro Zeiteinheit.

Erkenntnissen hinsichtlich einer Optimierung der Wasseraufbereitung der LWBW hilfreich.

Die in Zusammenarbeit mit der LWBW durchgeführten Untersuchungen an einer parallel zur Großanlage betriebenen Pilotfiltrationsanlage ließen erkennen, daß bei der derzeitigen Filterschüttung und Fahrweise eine Reduzierung der Dosierung von FeCl3 als Filtrations-Flockungsmittel von bislang ßFe = 0,8 - 1,0 mg/L auf ßFe = 0,6 mg/L möglich ist, ohne die Qualität des Filtrats signifikant zu beeinträchti-gen. Bei einer exemplarischen Variation der Filtergeschwindigkeit wurde keine Verschlechterung des Partikelrückhaltes bei höheren Filtergeschwindigkeiten be-obachtet. Dies steht im Widerspruch zur gängigen Literatur (DVGW-Schriftenreihe, 1996), jedoch sind weitere Untersuchungen dieser Art erforderlich, um den Effekt zu bestätigen und die Ursache dafür zu ermitteln (Rausch, 2004).

8.5.2 Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Bodensee-Wasser

Eine Untersuchung des Partikelspektrums des Bodensees in Abhängigkeit der Wassertiefe und Jahreszeit hat gezeigt, daß Massenkonzentration wie auch Größe der Kolloide saisonal bedingt schwanken: Die höchsten Konzentrationen und größten Durchmesser (60 µg/L, 165 nm) traten während der Umschichtung des Sees und des Algenwachstums im Frühjahr auf. Vor und nach diesen natürlichen Prozessen war die Kolloid-Konzentration entsprechend geringer (35 µg/L). Für mittels Laserlicht-Abschattung gemessene Partikel > 1 µm zeigte sich ein ähnlicher Verlauf.

Darüber hinaus wurden vor allem während der thermischen Schichtung des Sees im Sommer 2002 in den oberen, lichtdurchfluteten Bereichen des Epilimnions (0 - 20 m) aufgrund stärkerer biologischer Aktivitäten erwartungsgemäß höhere Partikelkonzen-trationen gefunden als im Freiwasserbereich des Hypolimnions (tiefer als 40 m).

In Kombination mit einem vorgeschalteten Ozonungsschritt hat sich die Fe(III)-unterstützte Filtration als sehr effiziente Methode zur Rückhaltung von in Wasser suspendierten Partikeln erwiesen und wird vom Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung seit 1999 in großem Maßstab eingesetzt (Schick et al., 2002b).

Alle Untersuchungen zur Wirksamkeit des Verfahrens konnten bislang nur für Partikel mit Durchmessern > 1 µm durchgeführt werden, da die Teilchenkonzentrationen für konventionelle Analysentechniken zu gering waren. Um zu entscheiden, ob die Filtration für Partikel < 1 µm gleichermaßen effektiv ist, wurde die LIBD-Methode eingesetzt. Vor dem Hintergrund, daß kolloidale Teilchen Schadstoffe sowie Mikroorganismen sorbieren, Schadstoffe in einigen Fällen selbst Kolloide bilden und biologische Wasserinhaltsstoffe partikulärer Natur sein können, war dies von besonderem Interesse. Die monatlichen Untersuchungen im Zeitraum von Herbst 2001 bis Frühjahr 2003 belegten erstmals, daß der Partikeldurchmesser der Kolloide im Durchschnitt um einen Faktor 6 vermindert wurde, die entsprechende Massenkonzentration um einen Faktor 27. Letzterer entspricht einem Rückhaltegrad

von über 96%; bei Partikeln > 1 µm betrug er laut SCHICK et al. (2002b) über 99%.

Die gewonnenen Erkenntnisse stützen darüber hinaus das mechanistische Bild der Fe(III)-unterstützten Filtration. Bei der Verteilung des aufbereiteten Trinkwassers über ein Rohrleitungsnetz von insgesamt 1700 km Länge konnte keine signifikante Änderung der Partikelpopulation beobachtet werden. Für die Trinkwasser-aufbereitung der BWV sind dies sehr gute Erkenntnisse.

Eine Korrelation der Ergebnisse von Laserlicht-Abschattung und NPA/LIBD zeigt nicht nur eine gute Ergänzung der beiden Methoden, vielmehr stützen sich die Meßergebnisse gegenseitig. Dies bedeutet, daß die Methode der Laser-induzierten Breakdown-Detektion ein hohes Maß an Zuverlässigkeit erreicht hat. Gegenüber den sonst üblichen Trübungsmessungen können damit zusätzliche Aussagen über die Kolloid-/Partikelkonzentration, Größen-, Oberflächen- und Volumenverteilung im Rohwasser gewonnen, zeitnah Veränderungen erkannt und bei Bedarf entspre-chende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Generell läßt sich sagen, daß sich die Kombination der Methoden Laserlicht-Abschattung und LIBD gut eignet für:

• die Charakterisierung der in einem natürlichen Gewässer vorhandenen partiku-lären Inhaltsstoffe, besonders im Zusammenhang mit

• der Optimierung von technischen Prozeßabläufen bei der Wasseraufbereitung, sowie

• der Erfassung und Lokalisierung von nachteiligen Beeinträchtigungen der Was-serbeschaffenheit in einem Verteilsystem.

8.5.3 Kolloidrückhalt durch Feinfiltersysteme

Seit der Novellierung der Trinkwasserverordnung im Jahre 2001 reicht für etliche kleine Wasserversorgungsunternehmen mit Abgabemengen im Bereich von durchschnittlich nur 10 m3/h anders als bisher eine alleinige Desinfektion des Quellwassers nicht mehr aus. Es wird eine zusätzliche Partikelabtrennungsstufe erforderlich, allerdings steigen mit abnehmender Anlagengröße die spezifischen In-vestitionskosten für die in der Praxis etablierten, in großtechnischem Maßstab einge-setzten Verfahren der Flockungs- bzw. Schnellfiltration und zunehmend Mikro- und Ultrafiltration. MÜLLER et al. (2004) haben daher Versuche zur Einsetzbarkeit von Feinfiltersystemen für die Trinkwasseraufbereitung durchgeführt; letztere weisen auch bei kleineren Anlagen deutlich geringere spezifische Investitionskosten auf.

Bei Zusatz eines Modelltrübstoffes zum Rohwasser zeigte sich eine ausreichend gute Verminderung der Trübung (und damit Partikelrückhalt), jedoch wurden natürliche Trübstoffe in Abhängigkeit ihrer Eigenschaften teils deutlich schlechter zurückgehalten (geringe Verminderung der Trübung durch die Filtration). Eine Untersuchung unterschiedlicher Feinfiltersysteme verschiedener Hersteller mittels NPA/LIBD zeigte teils signifikante Unterschiede in der Abscheideleistung der Filter

bzw. Filterkombinationen. Der NPA/LIBD erwies sich hierbei als wesentlich empfindlicherer Indikator als die Turbidimetrie und die Partikelmessung mittels Laser-licht-Abschattung. Es konnte ferner gezeigt werden, daß der Partikelrückhalt um so schlechter wurde, je kleiner die Partikel waren. Dies stand in Einklang mit den nominalen Trenngrenzen, die bei den untersuchten Produkten zwischen 1 und 5 µm lagen. Der NPA/LIBD erweiterte im vorliegenden Falle das Spektrum der detektierbaren Partikel und lieferte wichtige Erkenntnisse zur Beurteilung der Filtersysteme.

8.5.4 Kolloidaler Schadstofftransport

Am teerölkontaminierten Standort "Stürmlinger Sandgrube" in Neureut (Landkreis Karlsruhe) wurde ein relativ weitreichender Transport von PAK durch den unter der Deponie verlaufenden Grundwasserleiter festgestellt. Im umgebenden Sediment war dagegen bereits in deutlich geringerer Entfernung zur Deponie kein PAK mehr nachweisbar. Es wurde daher die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß der Schadstoff sorptiv gebunden an Kolloide transportiert wird. Um dies möglichst ohne Beeinflussung der Wasserproben aus dem Aquifer zu überprüfen, wurde der NPA/LIBD eingesetzt. Die gefundene Partikelgröße lag im Bereich von 0,4 bis 4,5 µm, die Konzentration bewegte sich von 0,1 bis 45 mg/L. Elektronenmikro-skopische Aufnahmen stützen die mittels NPA/LIBD gewonnenen Erkenntnisse.

Modellrechnungen zeigten, daß die abgeschätzte Partikelpopulation um etwa einen Faktor 1000 zu gering ist, um für den beobachteten hohen PAK-Transport im Grundwasser verantwortlich zu zeichnen (Wege und Klaas, 2002; Wege et al., 2005).

Die Schadstofffahne muß daher überwiegend durch gelöste PAK hervorgerufen werden.