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Tatsächlicher und hypothetischer Fremdvergleich

Im Dokument Verrechnung von Marken im Konzern (Seite 71-76)

Steuerliche Anforderung an die Verrechnung von Marken im Konzern

3.3 Der Fremdvergleichsgrundsatz als Maßstab für die Festle- Festle-gung angemessener Verrechnungspreise Festle-gung angemessener Verrechnungspreise

3.3.1 Begriff und Bedeutung

3.3.3.2 Tatsächlicher und hypothetischer Fremdvergleich

In Deutschland wird bei der Fremdvergleichsanalyse auch zwischen einem tatsächlichen und einem hypothetischen Fremdvergleich unterschieden.264 Beim tatsächlichen

257 Vgl. SCHEFFLER, W., Steuerlehre, 2009, S. 455 ff., BRÜGGELAMBERT,G., BFuP, 2005, S. 181.

258 Vgl. BORSTELL,T, in: Vögele, A., Handbuch der Verrechnungspreise, 2011a, Kap. C, Rn.7.

259 Zu den preisbestimmenden Faktoren gehören die in Kap. 3.2.2 genannten Einflussgrößen.

260 Vgl. KURZEWITZ,C., Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode, 2009, S. 29.

261 Vgl. JACOBS,H.-O., Unternehmensbesteuerung, 2011, S. 794–797.

262 Vgl. BORSTELL,T, in: Vögele, A. Handbuch der Verrechnungspreise, 2011a, Kap. C, Rn. 8, KURZEWITZ, C., Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode, 2009, S. 29, SCHOLZ,C./ACKERMANN,A./SCHMIDT, V., IWB, 2001, S. 1779 ff.

263 Vgl. KURZEWITZ,C., Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode, 2009, S. 29.

264 Vgl. JACOBS,H.-O., Unternehmensbesteuerung, 2011, S. 604, BRÜGGELAMBERT,G., BFuP, 2005, S. 181.

53 vergleich ist maßgebend, wie Fremde die Entgelte für gleichartige Lieferungen oder Leis-tungen angesetzt hätten oder welche Erträge oder Aufwendungen bei einem Verhalten wie unter Fremden angefallen wären. Um diese Fremdpreise zu ermitteln, sind Daten bzw. Vergleichskriterien heranzuziehen, die tatsächlich zwischen oder mit fremden Drit-ten stattgefunden haben.265 Ein solcher Vergleich ist möglich, wenn Börsen- oder Markt-preise vorliegen und als Vergleichsmaßstab herangezogen werden können.266 Bei der Durchführung des tatsächlichen Fremdvergleichs geht der Gesetzgeber davon aus, dass mehrere Fremdvergleichswerte identifiziert werden können und diese eine Bandbreite von möglichen Verrechnungspreisen bilden.267 Eine ähnliche Auffassung vertritt auch die OECD, die eine Reihe verschiedener Fremdvergleichswerte als möglich erachtet.268 Auch der BFH geht in seiner Entscheidung von 17. Oktober 2001 davon aus, dass Ver-rechnungspreise aus einer Bandbreite an Vergleichspreisen bestehen.269 Nach § 1 Abs.

1 AStG werden Korrekturen der Einkünfte vorgenommen, wenn die Bedingungen eines Geschäfts zwischen verbundenen Unternehmen von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten.270 Wenn der vom Steuerpflichtigen zugrunde gelegte Verrechnungspreis außerhalb der Bandbreite liegt, wird der Median der ermittelten Fremdpreise als maßgebliche Korrek-turgröße angenommen.

Aufgrund der Individualität der Marke und der Vertragsgestaltung der Markenlizenz wird in der Literatur271 die Anwendungsvoraussetzung für den tatsächlichen Fremdvergleich negiert und für die Durchführung eines hypothetischen Fremdvergleichs plädiert.272 Wird der Charakter der Marke genauer betrachtet, kann sie nicht ohne ein (physisches) Pro-dukt oder eine Leistung vermarktet werden, auch wenn ihr ein eigenständiger Wert zu-gerechnet wird. Würde man die Marke an sich betrachten, d. h. das „Waren“-Zeichen allein erschiene diese Aussage zutreffend. Die Marke lebt jedoch von den Produkten, auf denen sie platziert wird bzw. aus denen sie erwachsen ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich vielmehr die Frage, unter welchen Voraussetzungen, d. h. unter Einbeziehung

265 Vgl. OESTREICHER,A., StuW, 2002, S. 345, BORSTELL,T, in: Vögele, A., Handbuch der Verrechnungs-preise, 2011a, Kap. C, Rn 5.

266 In solchen Fällen kommt die Preisvergleichsmethode zur Anwendung, vgl. Kap. 3.5.3.1.1.

267 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Tz. 3.55.

268 Vgl. BAUMHOFF,H., Verrechnungspreise, 2010, S. 84.

269 Vgl. BFH v. 17.10.2001, IR 103/00, BStBl. II 2004, S. 171.

270 Vgl. OESTREICHER,A./HUNDESHAGEN,CH., DB, 2008, S.1637 f. u. 1641.

271 Vgl. DEBATIN,H./WASSERMEYER,F., DBA, 2009, Art. 9 MA, Rn. 125.

272 Vgl. OESTREICHER,A./VORMOOR,CH., IStR, 2004, S. 136, BRÄNDEL,K., Verrechnungspreise, 2010, S. 62.

54 welcher Einflussgrößen, ein tatsächlicher Fremdvergleich für den Geschäftsvorfall der Markenlizenzierung möglich ist.

Der hypothetische Fremdvergleich findet Anwendung, wenn derartige Vergleichsdaten nicht existieren und nicht beschafft werden können. Paragraf 1 Abs. 3 Satz 5 AStG emp-fiehlt, einen hypothetischen Fremdvergleich durchzuführen, wenn „mangels verwertba-rer Vergleichswerte keine andere Möglichkeit zur Bestimmung des Vergleichspreises besteht“. Bei dem hypothetischen Vergleich handelt es sich um einen fiktiven Preisver-gleich, der sich danach richtet, was fremde Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhält-nissen vereinbart hätten.273 Der hypothetische Fremdvergleich läuft im Ergebnis auf eine Simulation des Preisbildungsprozesses unabhängiger Unternehmen hinaus.274 Zu des-sen Durchführung wird auf den ergänzenden Hilfsmaßstab des ordentlichen und gewis-senhaften Geschäftsleiters (Kaufmanns) zurückgegriffen,275 der als Entscheidungsträger des Unternehmens in der Ausübung seiner Geschäfte mit der Zielfunktion der Gewinn-maximierung diese betriebswirtschaftlich beurteilen muss. Der ordentliche Geschäftslei-ter ist „als rational handelnder Entscheidungsträger zu verstehen, der unGeschäftslei-ter Beachtung des erwerbswirtschaftlichen Prinzips als oberste Maxime des unternehmerischen Han-dels nach Gewinnmaximierung als Zielgröße strebt, von welcher er nur kurzfristig zu Zwecken der Markteinführung, -erschließung und -sicherung von Leistungen abweichen würde, so dass er diejenige Handlungsalternative aus seinem Entscheidungsfeld wählen muss, die seine originäre und von der Konzernzugehörigkeit unbeeinflusste Zielvorstel-lung am besten erfüllen kann“276. Einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter kann es ebenso wenig geben wie den richtigen Fremdpreis.277

Des Weiteren war die einseitige Betrachtungsweise aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters insbesondere vor dem Hintergrund einer einheitlichen

273 Vgl. BORSTELL,T., in: Vögele, A., Handbuch der Verrechnungspreise, 2011, Kap. C, Rn. 5.

274 Vgl. SCHEFFLER,W., Steuerlehre, 2009, S. 462, KURZEWITZ,C., Wahl der geeigneten Verrechnungspreis-methode, 2009, S. 28, Wassermeyer, F., in: Schaumburg, H., Verrechnungspreise, 1994, S. 135.

275 Vgl. WASSERMEYER,F., in: Schaumburg, H., Verrechnungspreise,1994, S. 126 f und 133. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters wird in § 93 Abs. 1 S.1 AktG sowie in § 43 Abs.

1 GmbHG (auch wenn hier von einem ordentlichen Geschäftsmann gesprochen wird) thematisiert. Mit dem Urteil vom 13.03.1967, BStBl. III 1967 wurde bestätigt, dass die unterschiedlichen Begriffe inhaltlich deckungsgleiche Folgen haben. Mit einem Zusatz zu § 93 Abs. 1 S. 1 AktG und § 43 Abs. 1 GmbHG wurde deutlich, dass für das Handels- und Steuerrecht derselbe Bezug und Vergleichsmaßstab gelten.

Mit dem Urteil vom 19.02.1970, BFH 19.02.1970, BStBl. II 1970, wurde auch der Maßstab des ordentli-chen Kaufmanns in § 347 Abs. 1 HGB zum steuerlich anzuerkennenden Vergleichsmaßstab. Vgl. B OR-STELL,T., in: Vögele, A., Handbuch der Verrechnungspreise, 2011, Kap. C, Rn 33 f.

276 Vgl. BRÄNDEL,K., Verrechnungspreise, 2010, S. 50, vgl. BAUMHOFF,H., Verrechnungspreise für Dienst-leistungen, 1986, S. 114 ff.

277 Vgl. BORSTELL,T., in: Vögele, A., Handbuch der Verrechnungspreise, 2011, Kap. C, Rn 23 f.

55 Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes für die Angemessenheit der Verrechnungs-preise ungenügend.278 Dies bestätigte der BFH mit seinem Urteil vom 17. Mai 1995, in dem er festlegte, dass die Sichtweise des objektiven Dritten als Vergleichspartner in den Fremdvergleich mit einzubeziehen ist. Nach dem vom BFH in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsatz des Fremdvergleichs sind folgende Prüfungsparameter zu be-rücksichtigen: der formelle Fremdvergleich, der nur für beherrschende Unternehmer An-wendung findet, der materielle Fremdvergleich, der auf die Beurteilung der Angemes-senheit für den ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter abstellt sowie hinsicht-lich der Beurteilung der Übhinsicht-lichkeit auf den Vertragspartner abzielt.279

Aus dieser Rechtsprechung resultiert die Referenzfigur des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Die „Verdoppelung“ der Rechtsfigur stellt einen objek-tiven Maßstab für die Gewinnberichtigungsnormen dar, weil die Regelungen des § 1 AStG280 und die des Art. 9 OECD-MA explizit die Vertragspartner in ihre Betrachtung einbeziehen.281 Aber auch den OECD-Leitlinien 2010 ist der doppelte ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer bekannt. Insbesondere in Bezug auf die Verrechnungs-preisbestimmung immaterieller Wirtschaftsgüter enthält die OECD-Leitlinie 2010 fol-genden Satz: „Arm’s length pricing for intangible properties must take into account for the purposes of comparability the perspective of both the transfer of the property and the transferee.“ 282 Demzufolge stellt auch die OECD bei der Preisermittlung immaterieller Wirtschaftsgüter auf zwei handelnde Akteure ab, sowohl auf die Perspektive der über-tragenen Vertragspartei (Lizenzgeber) als auch auf die Perspektive der aufnehmenden Vertragspartei (Lizenznehmer), die ihre Interessen bestmöglich durchsetzen wollen.

Die Anwendung eines hypothetischen Fremdvergleichs im Rahmen der Beurteilung ei-nes Markenlizenzierungsgeschäfts erweist sich aus diversen Gründen als sehr schwierig und ist mit vielen Unsicherheiten behaftet. Im Gegensatz zum tatsächlichen Fremdver-gleich ist hier keine Bandbreite, sondern ein theoretischer Eignungsbereich zu ermitteln.

Dazu sollte der Steuerpflichtige gemäß § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG eine Funktionsanalyse

278 Vgl. BRÄNDEL,K., Verrechnungspreise, 2010, S. 52.

279 Diese Merkmale sind die „vGA-Fremdvergleichs-Bestandteile“, vgl. GOSCH,D., DStZ, 1997, S. 3, B RÄN-DEL,K., Verrechnungspreise, 2010, S. 52.

280 Hier wurde erkannt, dass der BFH das Prinzip des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters nur im Rah-men des hypothetischen Fremdvergleichs heranzieht. DeRah-mentsprechend sollte dieser Grundsatz nicht im ersten, sondern im dritten Absatz des AStG geregelt werden. Vgl. REICHL,A., Verrechnung immate-rieller Wirtschaftsgüter, 2013, S. 54.

281 Vgl. dazu u.a. BAUMHOFF, H., in: Klein, F./Stihl, H. P./Wassermeyer, F., Festschrift Hans Flick, 1997, S.

643 f., WASSERMEYER,F., Fremdvergleichsmaßstäbe, 1998/99, S. 168, WASSERMEYER,F., GmbHR 1998, S. 157.

282 OECD-Leitlinien, 2010, Tz. 6.14.

56 durchführen. Aus dieser Funktionsanalyse sollen die Grenzpreise (der Mindestpreis des Leistenden und der Höchstpreis des Leistungsempfängers) aus den Gewinnpotenzialen der involvierten Parteien abgeleitet werden. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG ist einer Transaktion der Preis innerhalb des Eignungsbereichs zugrunde zu legen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht. Infolge feh-lender Fremdvergleichswerte wird es dem Steuerpflichtigen nur im Ausnahmefall gelin-gen, diesen Wert innerhalb des Eignungsbereichs zu bestimmen.283 Da bei einer Mar-kenlizenz der markenbezogene Gewinn im Vordergrund stehen soll, d. h. der Gewinn, der unter der Berücksichtigung der vertraglichen Bedingungen mit dem Unterschei-dungssymbol verbunden ist, stellt darüber hinaus die Abgrenzung der leistungs- und markenspezifischen Einnahmen ein erhebliches Problem dar.

Trotz der Relevanz des hypothetischen Fremdvergleichs hat die deutsche Finanzverwal-tung bislang keine Stellungnahme abgegeben, wie der hypothetische Fremdvergleich bei immateriellen Wirtschaftsgütern durchzuführen ist.284 Detaillierte Regelungen für die Bewertung von Transferpaketen wurden im Rahmen von Funktionsverlagerungen erlas-sen – in den FverlV und den VWG-FVerl 2010.

In Bezug auf den hypothetischen Fremdvergleich stellt sich die Frage, inwiefern dieser bei der Verrechnungspreisermittlung für immaterielle Wirtschaftsgüter von den Leitlinien berücksichtigt ist und somit auch internationale Akzeptanz erfährt. Die OECD-Leitlinien führen aus, dass der Fremdvergleichsgrundsatz auch ohne Vorliegen von Fremddaten erfüllt werden kann. Dieser Fremdvergleichsgrundsatz findet seine Anwen-dung, wenn bspw. verbundene Unternehmen Transaktionen durchführen, die fremde Dritte nicht durchführen würden.285 In den derzeitig geltenden OECD-Leitlinien steht ei-nem hypothetischen Fremdvergleichs nichts entgegen. 286 Allerdings besteht ein unter-schiedlicher Umgang in der Anwendung bzw. Ausnutzung der Preisbandbreiten in der deutschen Gesetzgebung und den OECD-Leitlinien. Näheres dazu s. Kapitel 3.5.3.5.

283 Hier wird ein Wert glaubhaft gemacht, der auf den Mittelwert abstellt. Vgl. KROPPEN,H-K/RASCH,S./E I-GELSHOVEN,A., IWB 2007, S. 317.

284 Vgl. REICHL,A., Verrechnung immaterieller Wirtschaftsgüter, 2013, S. 136.

285 Vgl. OECD-Leitlinien, 2010, Tz. 1.11.

286 Beim Fehlen von Vergleichsdaten wird auf die Anwendung anderer Methoden verwiesen. So wird bei der Beschreibung der transaktionsbezogenen Gewinnaufteilungsmethode darauf hingewiesen, dass das Discounted-Cashflow-Verfahren im Rahmen der Residualgewinnaufteilungsmethode oder als ein eigen-ständiges Bewertungsverfahren angewendet werden kann. Vgl. OECD-Leitlinien, 2010, Tz. 2.123. Ein weiteres Beispiel für die sogenannte Mehrgewinnmethode findet Eingang in die OECD-Leitlinien, vgl.

OECD-Leitlinien, 2010, Tz. 6.25. Diese Punkte unter anderen erkennt WITTENDORFF in den OECD-Aus-führungen als Hinweise auf eine mögliche Anwendung kapitalwertorientierter Verfahren. Vgl. W ITTEN-DORFF,J, ITPJ, 2010, S. 389.

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3.4 Anerkennung des Entgelts für die Überlassung von Marken

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