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1 Einleitung

2.1 Triacetontriperoxid

2.1.2 TATP-Analytik

Die Identifizierung und Quantifizierung von Explosivstoffen kann über jede nur denkbare Methode erfolgen, von klassischen chromatographischen und massen-spektrometrischen über optische, elektrochemische sowie nanotechnologische zu bioanalytischen und weiteren Anwendungen. Übersichtsartikel und Bücher [107-114] darüber sind in großer Zahl erschienen und dennoch gibt es weiterhin Bedarf für Messsysteme, die insbesondere den Ansprüchen der Sicherheits-überwachung bezüglich Schnelligkeit, Zuverlässigkeit sowie der möglichst berüh-rungslosen Detektion von Explosivstoffen genügen [115] und die auch unkonven-tionelle Explosivstoffe mit einschließen [116]. Viele Entwicklungen beziehen sich zunächst auf TNT, das häufig auch als Vergleichsgröße für andere Explosivstoffe (Abschnitt 2.1.1) herangezogen und dementsprechend in späteren Kapiteln stets als Beispiel dienen wird.

Einleitend wurden bereits die Schwierigkeiten erwähnt, die die üblichen, z. B.

auf Nitrogruppen ausgerichteten, Detektionsverfahren für Explosivstoffe mit TATP haben [114]. In den letzten zehn Jahren hat jedoch die Anzahl der Metho-den zum Nachweis von TATP in erheblichem Maße zugenommen, wie die Über-sichtsartikel von Schulte-Ladbeck et al. [117] und Burks und Hage [118, 119]

zeigen. Auch das National Institute of Standards and Technology (NIST) brachte erst vor Kurzem ein Referenzmaterial SRM 2907 Trace Terrorist Explosives Si-mulants zur Prüfung von Methoden zur Spurenanalyse von TATP heraus [120].

Nachstehende Tabelle 2.2 ist in Anlehnung an die von Burks und Hage [118, 119] erstellte Auflistung von Nachweisverfahren für die Peroxid-basierten Explo-sivstoffe HMTD und TATP entstanden und soll als Erweiterung (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) für TATP angesehen werden.

Tabelle 2.2: Nachweisgrenzen von TATP.

Nachweisgrenze Methode Quelle

10 µg L-1 GC-MS, Elektronenstoßionisation/Ionenfalle, nur m/z 43

[121]

670 pg GC-MS, Multiphotonenionisation (Femtosekunden-laser)/Flugzeit, m/z 15, 43 und 222 [122]

Nachweisgrenze Methode Quelle

< 1 ng Headspace-GC-MS Elektronenstoßionisati-on/Ionenfalle, m/z 43, 59, 75 und 221

[123]

0.05 ng GC-MS, Elektronenstoßionisation/Quadrupol, m/z 43, 59, 75

[124]

6.4 ng GC-MS mit SPME, Elektronenstoßionisati-on/Ionenfalle, m/z 20-250

[125]

62.5 ng (12.5 mg L-1)

MS, ESI, positiver Modus mit Na+/Quadrupol, m/z 50-800,

222 mg L-1 HPLC mit Fourier-Transform-Infrarot-Detektor [129]

0.8 ng LC-MS/MS, APCI, positiver Modus mit NH4+/Quadrupol, m/z 240, 240/223, 240/74

[130]

100 µg L-1 LC-MS, APCI, positiver Modus mit NH4+/Quadrupol, m/z 89

[104]

wenige mg Headspace-IMS, positiver Modus, mit planarer SPME

[131]

wenigeµg L-1LuftgTragbares Aspirations-IMS, positiver und negativer Modus, Anreicherung: 3.5 min mit 4 L min-1

[132]

187 mg L-1 IMS, positiver Modus [133]

< 100 µgs Infrarot-Laser-photoakustische Spektroskopie, CO2-Laser, 9-11 µm

[134, 135]

0.5 mg L-1 Differentielle Absorption-Lidar-System, CO2-Laser,

online = 10.632 µm, offline = 10.220 µm

[136]

10 mgs Stand-off-Raman-Spektroskopie, Distanz: 7 m, Ar-Laser

[137]

~ 0.02 mg L-1g Oberflächenverstärkte Raman-Streuung, Diodenla-ser, (Signal bei 553 cm-1)

[138]

31 ppbg Quarzkristall-Mikrowaage, Beschichtung:

Dendri-mere aus Polyphenylenen [139]

ppb-Bereichg Chemiresistor,ZnO-beschichtete Silica-Nanofedern [140, 141]

(~105 ppbv,

<5 mg)g

Elektrochemischer Gassensor, Zn+ auf TiO2 -Nanoröhren

[142]

2.9 ppb (0.5 mg)g Elektrochemischer Gassensor, In2O3-Nanopartikel (bei 270 °C)

[143]

ppm-Bereichg Thermodynamischer Gassensor, Mikroheizung mit Nickeloberfläche beschichtet mit Metalloxiden

[144]

100 ppbg Elektrochemischer Gassensor, Halbleiter mit Mo-nolayer aus organischen Verbindungen

[145]

1.9 mg L-1 Chronoamperometrie mit Br - (bei 55 °C) [146]

Angaben, wenn möglich in g L-1 umgerechnet

g aus Gasphase

s Feststoff

Die Tabelle 2.2 zeigt viele interessante, klassische und neuere, Möglichkeiten zur TATP-Detektion, deren Nachweisgrenzen zum Teil erheblich variieren. Massen-spektrometrische Methoden sind mit Abstand am verbreitetsten. Mit ihnen wer-den auch die besten Nachweisgrenzen erreicht. Bei vielen anderen Verfahren, insbesondere jenen, die TATP über Metalloxidoberflächen erkennen, fehlen An-gaben über die Selektivität dieser Beschichtungen. Die Methoden mit den schlechtesten Nachweisgrenzen haben aber einen Vorteil gegenüber den Mas-senspektrometern: Sie sind mobil und teilweise sind sie außerdem schneller.

Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch Entwicklungen im Bereich der Sicherheitsüberwachung, die z. B. die hohe Empfindlichkeit der APCI-MS in einer Durchlaufschleuse mit Ansaugsystem zur Probenanreicherung und den hohen Dampfdruck von TATP ausnutzen [147, 148]. Ein Feldversuch zeigte, dass in 2 bis 3 s TATP auf Personen oder Gepäckstücken (1200 je Stunde) nachgewiesen werden kann. Allerdings gab es zum einen mit Aceton falsch-positive Signale und zum anderen eignet sich dieses Verfahren kaum für andere Explosivstoffe, also nicht für Substanzen mit (sehr) geringem Dampfdruck. Dane-ben gelang es Chen et al. [149] mittels neutraler Desorption unter Verwendung von Stickstoff als Trägergas zur Probenahme und angeschlossener extraktiver ESI-MS/MS die Analyten TNT, RDX, HMX, Nitroglycerin sowie TATP direkt von der Haut ohne weitere Probenaufbereitung im Bereich ab 0.5 bis 10 pg nachzu-weisen.

Nicht wenige beschriebene Verfahren weisen TATP indirekt über Wasserstoff-peroxid nach, wie die Beispiele im folgenden Absatz ausführlich zeigen. Diese Verfahren nutzten dabei aus, dass TATP durch Einwirkung von Säure und UV-Strahlung in seine Ausgangsstoffe zerfällt (Abschnitt 2.1.1). Obwohl diese Me-thoden zum Teil gute Empfindlichkeiten erzielen, so bleibt doch zu bedenken, dass sie letztendlich nicht zwischen TATP und Wasserstoffperoxid unterscheiden können und damit ein hohes Risiko für falsch-positive Signale gegeben ist, vor allem da Wasserstoffperoxid in viele Alltagsprodukten (Waschmitteln, Kosmetika, Desinfektionsmitteln) vorkommen kann.

Mit dem Einmal-Schnelltest ACRO-P.E.T. [24, 150] ließen sich geringe Mengen TATP (1 bis 2 mg, keine Nachweisgrenzen angegeben) in wenigen Minuten nachweisen, wobei nach dem Kontakt mit starken Säuren H2O2 entstand, wel-ches nach der Neutralisierung der Probenlösung eine enzymkatalysierte Farbre-aktion unter Verwendung des chromogenen Substrats 2,2′-Azino-di(3-ethylbenz-thiazolin)-6-sulfonat (ABTS) auslöste. Verwendet wurde dazu die aus immun-chemischen Methoden (wie ELISA, Abschnitt 2.3.1) bekannte und weitverbreitete Meerrettich-Peroxidase (HRP, horseradish peroxidase). Sehr ähnliche Prinzipien wurden von Schulte-Ladbeck et al. [98] und Girotti et al. [95] vorgestellt. Erstere benutzten ebenfalls ABTS und HRP um die Entstehung von H2O2 zu detektieren, jedoch nach UV-Bestrahlung des TATP, und konnten 8 µmol L-1 (2 mg L-1) TATP noch nachweisen. Mit dem Subtrat 3-(4-Hydroxyphenyl)propionsäure konnte durch fluorimetrische Messung die Nachweisgrenze auf 0.8 µmol L-1 (0.2 mg L-1) verbessert werden. Girotti et al. [95] verwendeten als Substrat Luminol und konn-ten durch die Detektion der eintrekonn-tenden Chemilumineszenz 40 µg L-1 TATP im

Mikrotiterplattenformat bzw. 50 µg L-1 TATP mit einem tragbaren Detektor nach-weisen. Ebenfalls nach der Behandlung einer TATP-Probe mit Säure wurde aus einem fluorogenen Substrat durch oxidative Wirkung des freigesetzten H2O2 ein Fluoreszenzsignal gemessen und eine Nachweisgrenze von unter 10 nmol L-1 (2 µg L-1) sowohl für H2O2 als auch für TATP angegeben [94]. Mit einer Zerset-zung des TATP durch UV-Licht gelang die Detektion der Fluoreszenz bis in den Bereich von 100 nmol L-1 (22 µg L-1) [100]. Die Oxidation eines Farbstoffs durch H2O2 nach dem Zerfall von TATP wurde auch von Lin und Suslick [151] ausge-nutzt. Ihr colorimetrischer Sensor detektierte TATP semiquantitativ im Bereich von 50 bis 10 000 ppb aus der Gasphase, wobei die untere Grenze etwa 0.02%

des Sättigungsdampfdrucks entspricht. Mit elektrochemischen Methoden, z. B.

über ein Redoxsystem aus Fe(II/III)-Ethylendiamintetraacetat und H2O2, konnte eine Nachweisgrenze von 0.89 µmol L-1 (0.2 mg L-1) TATP [152] oder mit Ei-sen(III)-hexacyanoferrat(II/III) (Preußisch oder Berliner Blau) eine Nachweisgren-ze von 55 nmol L-1 (12 µg L-1) TATP [153] erreicht werden. Fast identisch ist eine Methode, bei der TATP photochemisch zersetzt wurde [154], wobei unter Ver-wendung einer UV-Lampe für 5 min ein TATP-Nachweis bis 0.25 µmol L-1 (0.1 mg L-1) und mit der Bestrahlung durch einen Laser für 15 s bis 50 nmol L-1 (11 µg L-1) möglich war. Auch gekoppelt an eine HPLC kann die Behandlung von TATP mit UV-Strahlung zur anschließenden elektrochemischen Detektion ge-nutzt werden [101]. Mit diesem Verfahren, das später zum Nachweis von TATP aus der Luft diente, wurde eine Nachweisgrenze von 3 µmol L-1 (1 mg L-1) TATP erreicht. Damit konnten nach 20-minütiger Anreicherung von TATP aus der Gas-phase mittels Waschflaschen 550 ng TATP pro Liter Luft ermittelt werden, wobei jedoch durch den enzymatischen Nachweis des Degradationsprodukts H2O2 (mit HRP mit ABTS als Substrat) bis 190 ng TATP pro Liter Luft nachgewiesen wer-den konnten [99]. Eine ausgefallene, wenngleich nicht sehr empfindliche Detekti-onsmethode für TATP wurde von Chen et al. [155] beschrieben. Sie gaben TATP in ein Gemisch aus Cysteinmethylester und p-Toluolsulfonsäure, in dem das durch die Säure freiwerdende H2O2 als Oxidationsmittel die Ausbildung von Disulfidbrücken bewirkte. Das Signal für die Anwesenheit von 1.5 bis 20 mg TATP ist die Beobachtung des Gelierens des Gemischs (0.4 bis 4 mL) innerhalb von 2 bis 30 min.

Zur viel in den Medien diskutierten Terahertzspektroskopie als zerstörungsfreie und berührungslose Methode zur Detektion von Explosivstoffen [15, 16] ist keine Aussage zur Anwendbarkeit der nicht-spurenanalytischen Methode für TATP unter realen Bedingungen zu treffen. Es wurde nur ein einziges Spektrum von 0.3 bis 18 THz mit ersten Absorptionssignalen ab ca. 4 THz veröffentlicht [156], ohne jegliche Vergleichsspektren anderer Substanzen, die die TATP-Signale überdecken könnten. Der Vergleich mit Spektren anderer Explosivstoffe (TNT, RDX, HMX und PETN) ist kaum möglich, da deren Terahertzspektren nur von 0.2 bis maximal 6 THz gemessen wurden [157, 158]. Sie zeigten jedoch in diesem unteren Bereich jeweils typische Muster, was bei dem TATP-Spektrum in diesem Bereich durch die ungünstige Skalierung nicht erkennbar war.

Immunchemische Methoden zum Nachweis von TATP wurden bisher nicht be-schrieben, da keine entsprechenden Antikörper existierten [64]. Es gibt jedoch ein „biologisches System“, das TATP aus der Gasphase anzeigen kann: Honig-bienen, die mittels Anreiz durch Zuckerwasser auf mit TATP angereicherte Luft trainiert wurden [159]. Sicherlich (und hoffentlich) wird sich dieses Verfahren nicht durchsetzen, da die immobilisierten Tiere nach ca. 48 h sterben. Dennoch ist dies ein Beispiel für die enormen Fähigkeiten, die die Natur zu bieten hat. Ne-ben Antiköpern werden auch Enzyme (siehe vorheriger Absatz: HRP) und sogar ganze Organismen, die gentechnisch verändert wurden, wie Bakterien, Algen, Hefen sowie Pflanzen (Arabidopsis thaliana) zur Detektion von Explosivstoffen genutzt [160, 161]. Ratten und Schweine werden zum Aufspüren von Landminen eingesetzt, deren olfaktorisches System noch empfindlicher als das von Hunden ist [161]. Doch vor allem Spürhunde spielen bei Sicherheitskontrollen nach wie vor eine große Rolle. Wenngleich ihre Ausbildung zeit- und kostenintensiv und mit ihnen keine quantitative Aussage möglich ist, so fehlt es noch immer an bes-seren Gasphasen-Sensoren, die sie ablösen könnten [24, 108, 109, 161].