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1 Einleitung

2.2 Gewinnung von Antikörpern

2.2.3 Immunisierung

Allgemeiner Ablauf

Die Immunisierung von Vertebraten, zumeist Säugetieren, darf nur im Rahmen des Tierschutzgesetzes erfolgen [184]. Die Gabe des möglichst reinen Antigens bzw. Immunogens (z. B. einem Hapten-Protein-Konjugat) dazu erfolgt in aller Regel durch Injektion. Vor allem bei der Erstimmunisierung erfolgt dies gemein-sam mit einem Adjuvans, das die Immunogenität erhöhen und dadurch die Im-munantwort verstärken soll, indem das beispielsweise enthaltene Mineralöl eine Entzündungsreaktion forciert [164]. Im Rahmen der primären Immunantwort nach dem ersten Kontakt mit dem Immunogen wird zunächst überwiegend IgM gebil-det [47, 175, 177]. Erst später und vor allem nach wiederholter Applikation des

Immunogens steigt nach einem Klassenwechsel der Titer der gewünschten IgG an, welche bis zu 10% der Antikörperpopulation im Serum ausmachen können [164]. Bei den Nachimmunisierungen, auch Boosts genannt, kommt es durch die bei der Erstimmunisierung gebildeten Gedächtniszellen auch schneller zur Bil-dung der IgG (sekundäre Immunantwort). Dabei steigt neben der Menge auch die Qualität der Antikörper, da hauptsächlich somatische Hypermutationen (Punktmutationen) der Gene des hypervaribalen Bereichs der Antikörper eine Affinitätsreifung ermöglichen [175, 185].

Sowohl für die Herstellung polyklonaler als auch monoklonaler Antikörper sind diese Vorgänge entscheidend. Die polyklonalen Antikörper können direkt als Se-rum oder nach Isolierung der IgG daraus verwendet werden [164]. Die Boosts dienen nach Abschluss der Affinitätsreifung dem Erhalt des Antikkörpertiters im Blut, wo IgG eine Halbwertszeit von drei Wochen aufweisen [175]. Bei der Ge-winnung monoklonaler Antikörper spielen die Antikörper im Blut nur eine unter-geordnete Rolle und werden lediglich zur Verfolgung des Immunisierungsverlaufs verwendet. Wichtig ist hier die Stimulation der Zellen, welche die gewünschten Antikörper produzieren. Da die Proliferation der B-Lymphozyten in den Organen des lymphatischen Systems erfolgt, wird zur Isolierung der Zellen zumeist die Milz entnommen, seltener die Lymphknoten [47, 186]. Die gewonnenen B-Lymphozyten werden mit Myelomzellen zu Hybridomzellen fusioniert und an-schließend vereinzelt – ein Verfahren, dass sich seit der Entwicklung durch Köh-ler und Milstein [187] 1975 nur wenig verändert hat.

Bei der klassischen, chemischen Fusionsmethode wird Polyethylenglykol zur Destabilisierung der Zellmembranen verwendet. Neuere Verfahren setzen auch elektrische Pulse oder eine Kombination aus chemischer und Elektrofusion ein, selten wird auch eine durch Viren vermittelte Fusion angewandt [164]. Die Fusion erfolgt ungerichtet. Die Fusionswahrscheinlichkeit ist mit 0.001-0.4% (je nach Methode) [188-190] sehr gering und Hybridomzellen sind aufgrund der erhöhten Chromosomenzahl zudem oftmals nicht stabil, so dass die wenigen Antikörper-sezernierenden und zugleich immortalisierten Hybridomzellen durch z. B. eine HAT-Selektion identifiziert werden müssen. Üblicherweise werden Myelomzell-linien verwendet, die einen Mangel an Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyl-transferase (HGPRT) aufweisen. In einem HAT-Medium mit Hypoxanthin, Ami-nopterin und Thymidin können Myelomzellen oder reine Myelomzell-Hybride auf-grund von Einschränkungen im DNA-Stoffwechsel nicht überleben, da Aminopte-rin die De-novo-Biosynthese von Guanosintriphosphat und Thymidintriphosphat inhibiert. Der alternative Syntheseweg (salvage pathway), um Guanosintriphos-phat aus Hypoxanthin zu synthetisieren, entfällt durch das Fehlen der HGPRT-Aktivität. Thymidintriphosphat wird durch das zugesetzte Thymidin weiterhin ge-bildet. Die B-Lymphozyten besitzen zwar HGPRT, sind aber nicht kultivierbar, so dass nicht-fusionierte B-Lymphozyten oder Hybride aus diesen in vitro innerhalb von 14 Tagen sterben. Nur Hybridomzellen, die die Eigenschaften sowohl der Myelomzellen als auch der B-Lymphozyten tragen, wachsen schließlich in der Kultur und werden durch limitierende Verdünnung streng vereinzelt. Die Zell-kulturüberstände der reklonierten Hybridomzellen werden im Allgemeinen mittels

ELISA, inzwischen auch durch Durchflusszytometrie, untersucht, um diejenigen Klone zu identifizieren und zu kultivieren, die die gewünschten monoklonalen Antikörper produziert [47, 164, 175].

Besonderheiten von Mäusen und Kaninchen

Bei der Herstellung von Antikörpern ist auch die Wahl der zu immunisierenden Spezies zu beachten, wobei ein Einfluss auf das komplexe biologische System Tier sehr begrenzt ist. So kann es Spezies-spezifisch (wie z. B. bei Ziege und Kaninchen [191] oder bei Maus und Kaninchen [192]) oder bei einem einzelnen Individuum zu einer unzureichenden Antikörperbildung bis hin zum Ausbleiben der Immunantwort kommen. Die Ursachen dafür können zum einen Immuntole-ranzen sein [164], die vor allem bei zu jungen Tieren auftreten, und zum anderen der Schutzmechanismus vor Autoantikörpern, wenn das Immunogen körpereige-nen Strukturen zu ähnlich ist [175, 193]. Aus (u. a.) Schaf, Ziegen, Pferd, Kameli-den und Hühnerei lassen sich größere Vorräte polyklonaler Antikörper gewinnen.

Steht hingegen nur eine geringe Menge Immunogen zur Verfügung, sind Maus, Ratte, Meerschweinchen und Kaninchen geeignetere Kandidaten. Bei der Her-stellung monoklonaler Antikörper sind die Möglichkeiten deutlich eingeschränkter, da nur wenige fusionsfähige Myelomzelllinien zur Verfügung stehen, wobei häu-fig nicht nur auf die gemeine Herkunft mit den B-Lymphozyten aus einer Spezies, sondern oft auch desselben Stammes geachtet werden muss [47, 164]. Die Hybridomtechnik wird daher seit langem fast ausschließlich mit etablierten Nage-tier-Myelomzelllinien von Mäusen [187, 194-196] und Ratten [197-199] ange-wandt. Wegen der therapeutischen Relevanz [200] wurden auch schon recht früh humane, monoklonale Antikörper auf diese Weise hergestellt [201]. Neuer hinge-gen sind monoklonale Antikörper aus Kaninchen, da die einzig stabile Kanin-chen-Myelomzelllinie von Knight und ihren Kollegen unter Patentschutz steht [202] und erst seit Mitte/Ende der 2000er von Epitomics [203] kommerziell einge-setzt wird.

Am häufigsten werden Mäuse zur Herstellung monoklonaler Antikörper heran-gezogen und Kaninchen, um polyklonale Seren zu gewinnen. Direkte Vergleiche beider, vor allem bezüglich ihrer Affinität, sind in der Literatur kaum zu finden, da dazu die Immunisierungen mit identischen oder zumindest sehr ähnlichen Immu-nogenen erfolgt sein sollten. Jedoch wird mit der nun zunehmenden Zahl mono-klonaler Antikörper aus Kaninchen deutlich, dass die Antikörper aus Kaninchen denen aus Mäusen oft überlegen sind. Zumindest zeigten in der Immunhisto-chemie monoklonale Antikörper aus Kaninchen höhere Empfindlichkeit bei gleichbleibender Selektivität, erwiesen sich als robuster und ermöglichen höhere Verdünnungen (positiv für den Kostenfaktor) als die gegen die gleichen Antigene erzeugten, monoklonalen Antikörper aus Mäusen [204-206]. Saito et al. [205]

bezogen in ihre Untersuchungen an einem Tumormarker auch entsprechende polyklonale Antikörper aus Kaninchen ein. Sie konnten trotz ihrer anfänglichen und allgemeinen Vermutung, dass polyklonale Seren zwar empfindlicher, aber dafür weniger spezifisch als monoklonale Antikörper aus Mäusen sind, keinen Nachteil gegenüber den monoklonalen Antikörpern aus Kaninchen finden. Erklärt

wird der Unterschied zwischen den Antikörpern aus Kaninchen und Mäusen durch die Besonderheiten des Immunsystems der Kaninchen [185]. Im Gegen-satz zu z. B. Maus und Mensch besitzen Kaninchen kein IgD und ihr IgG hat im Bereich der Amino-Termini der variablen Domänen weniger Aminosäuren und mehr Disulfidbrücken und weist außerdem keine Subklassen auf. Auch der zu 90-95% in Kaninchen auftretende -Typ der leichten Polypeptidketten bildet eine weitere Disulfidbrücke aus. Es wird vermutet, dass diese zusätzlichen Disulfid-brücken mit verantwortlich für die besserer Stabilität und Haltbarkeit der Antikör-per aus Kaninchen sind. Entscheidend für die erhöhte Affinität ist jedoch die Ent-stehung der größeren Antikörpervielfalt. Sie setzen dabei weniger auf die Re-kombination der Antikörpergene, sondern mehr auf Genkonversion durch Inserti-on und DeletiInserti-on vInserti-on CodInserti-ons sowie Clusterverschiebung vInserti-on Nukleotiden. Diese Vorgänge laufen in den ersten Lebenswochen vorwiegend im Darm-assoziierten lymphatischen Gewebe ab und bauen das primäre Antikörper-Repertoire auf, weswegen sehr junge Tiere noch immuninkompetent sind. In adulten Kaninchen erfolgen Genkonversion und somatische Hypermutation auch in den sekundären lymphatischen Organen wie Milz und Lymphknoten, wo die abschließende Anti-körperreifung während der sekundären Immunantwort erfolgt [185, 207]. Antikör-per aus Kaninchen sollen so Affinitäten bis KD = 10-12 M erreichen können, wäh-rend monoklonale Antikörper aus Mäusen meist Affinitäten im nano- bis subna-nomolaren Bereich (KD = 10-9 bis 10-10 M) aufweisen. Nicht zuletzt erhöht die hö-here Zahl an verschiedenen Antikörpern auch die Wahrscheinlichkeit einer (bes-seren) Erkennung von Epitopen, die dem Immunsystem der Mäuse verborgen bleiben oder eine nur schwache Immunantwort auslösen. Daneben enthält die Kaninchenmilz auch 50-mal mehr Lymphozyten als die einer Maus, was die Er-folgsquote bei der Herstellung von Hybridomzellen merklich steigert [185].