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Tödliche Arbeitsunfälle in Sachsen-Anhalt

1 Zur Situation im Arbeitsschutz und technischen Verbraucherschutz

1.4 Tödliche Arbeitsunfälle in Sachsen-Anhalt

Dipl.-Ing. Joachim Lüderitz

Durch die Arbeitsschutzverwaltung Sachsen-Anhalts werden unmittelbar nach der Ereignisinformation vorrangig die tödlichen und schweren Arbeitsunfälle un-tersucht. Dies ist nach wie vor eine sehr wichtige Auf-gabe dieser Verwaltung.

Über das sonstige Arbeitsunfallgeschehen, z. B.

tödliche Unfälle im öffentlichen Straßenverkehr oder Wegeunfälle, führt der Fachbereich Arbeitsschutz des Landesamtes für Verbraucherschutz (LAV) keine ge-sonderte statistische Erhebung.

Durch das LAV wurden 2012 10 Ereignisse un-tersucht, bei denen 13 Beschäftigte während ihrer beruflichen Tätigkeit ums Leben kamen. Bei einem Er-eignis starben 2 Beschäftigte, bei einem anderen 3 Menschen. Im Vergleich zum Jahr 2011 blieb die Ge-samtzahl der bei Arbeitsunfällen tödlich Verletzten gleich, aber die Anzahl der tödlich Verletzten auf Bau-stellen sank von 6 auf einen ab. In der Abbildung 1 ist die Entwicklung des Unfallgeschehens in den Jahren 2003 bis 2012 dargestellt.

An dieser Stelle sei bemerkt, dass es für einige der untersuchten Unfälle keine Augenzeugen gab, wo-durch sich die Ermittlung der Unfallursache bzw. des Unfallhergangs sehr schwierig gestaltete. Bei einigen dieser Arbeitsunfälle kann derzeitig keine abschließen-de Bewertung erfolgen, da staatsanwaltschaftliche Er-mittlungen noch laufen bzw. eine juristische Aufarbei-tung aussteht.

Von den 13 tödlich verletzten Beschäftigten waren 2 Ausländer, ein polnischer und ein griechischer Staats-bürger. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren gab es im Bereich der Landwirtschaft kein Ereignis mit Todesfolge. Allerdings starben 2 Beschäftigte bei Baumfällarbeiten in der Forstwirtschaft. Ein weiterer Beschäftigter verunfallte bei Transportarbeiten auf ei-ner Baustelle.

Im Jahr 2012 untersuchte das LAV 3 tödliche Arbeitsunfälle, bei denen LKWs als Arbeitsmittel in irgendeiner Form beteiligt waren, z. B. verunglückte ein LKW-Fahrer beim Abkippen von Erde. Der ver-unfallte Fahrer stand, nachdem er die Kippbrücke geöffnet hatte, im Gefahrenbereich der Klappe der Kippbrücke. Diese schlug auf und das herausrutschen-de Erdreich verschüttete ihn. Ein weiterer Verunfallter war ein griechischer LKW-Fahrer, der nach Reparatur-arbeiten in einer Werkstatt tot aufgefunden wurde. Er war vermutlich beim Übersteigen der Reparaturgrube gestolpert und in diese gestürzt. Der dritte verunfallte LKW-Fahrer stürzte beim Lösen des Domdeckelver-schlusses vom Laufsteg seines Silofahrzeuges.

In der Lebensmittelindustrie wurde eine Beschäftigte an einer langsam laufenden Trommelmischmaschine (3 U/min) eingeklemmt. An dieser Trommelmischmaschine

befand sich ein gelegentlich genutzter zweistufiger Auf-tritt. Aus nicht erklärbaren Gründen wurde die Maschinen-bedienerin zwischen Maschinenständer und rotierender Trommel eingeklemmt. Ob der Auftritt benutzt wurde, oder was sie zum Unfallzeitpunkt gerade an dieser Stelle tat, war nicht mehr zu ermitteln.

Bei Baumfällarbeiten kam es zu 2 tödlichen Arbeits-unfällen. In einem Fall wurde eine ca. 23 m hohe Kiefer mit einer Doppelkrone gefällt. Beim Fallen des Baumes brach eine der Kronen ab, fiel senkrecht herab und er -schlug den Forstarbeiter. Fallkerb und Fällschnitt wa-ren ordnungsgemäß ausgeführt. Begünstigend für den Unfall könnte die Blendung der Beschäftigten durch den Stand der Sonne gewesen sein. Bei einem ande-ren Unfall im Wald kam ein polnischer Bürger zu Tode.

Beim Setzen des Fällschnittes drehte sich der Baum um die eigene Achse und riss auf. Durch das Aufschla-gen der Baumkrone federte der aufgerissene Stamm zurück und verletzte den Waldarbeiter tödlich.

Bei der Produktion von Leichtbetonplatten werden diese nach dem Trocknungsprozess in einer Entscha-lungsanlage aus den Formschalen gelöst und der End-fertigung zugeleitet. Diese Entschalungsanlage be-steht aus 3 verketteten Abschnitten. Zunächst werden die Schutzfolien manuell von den Platten gelöst, dann werden die Platten mit einem Saugwender aus der Schalungsform gehoben und senkrecht zur Qualitäts-kontrolle aufgerichtet. Danach erfolgt die Ausschleu-sung der Platten zur Endfertigung. Im dritten Schritt werden die leeren Schalungsformen mittels Kratzer au-tomatisch von Betonresten gereinigt und der Produktion wieder zugeführt. Alle 3 Abschnitte besitzen Zugangs-sicherungen, die aus Schutzzäunen mit elektrisch ver-riegelten Türen und/oder Lichtschranken bestehen.

Im Abschnitt der Formenreinigung wurde die elektri-sche Zugangsüberwachung mit Anlagenabschaltung

Tödliche Arbeitsunfälle in Sachsen-Anhalt

13

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

Ges amtz ahl dav on auf Baus tellen

Linear (Ges amtz ahl) Linear (dav on auf Baus tellen)

Anzahl

Abb. 1 Entwicklung der tödlichen Arbeitsunfälle ab 2003

nicht auf den Bereich des Saugwenders ausgedehnt.

Am Unfalltag sollten Justierarbeiten am Kratzerreini-ger vorgenommen werden. Dieser Anlagenteil ist durch ein verschiebbares Schutzgitter mit elektrischem Positi-onsschalter gesichert. Auf ein vereinbartes Zeichen hin wurde die Anlage mit zu reinigenden Formen beschickt.

Der verunfallte Schlosser schob das mit einem Positi-onsschalter gesicherte Schutzgitter hoch und stieg für die Justierarbeiten in den Anlagenbereich. Die Steue-rung der Reinigungsanlage konnte jetzt nur noch ma-nuell erfolgen, während der benachbarte Saugwender seinen Arbeitstakt noch automatisch beenden musste.

Nach dem Einstieg in die Reinigungsanlage hatte sich der Verunfallte der Saugwendeanlage soweit genährt, dass der Saugwender mit seiner letzten Arbeitsbewe-gung den Schlosser erfasste und auf den Kettenförde-rer niederdrückte. Dabei wurde er tödlich verletzt. Ursa-che für den Unfall war, dass die einzelnen Anlagenteile nicht in jeder Richtung untereinander gegen unzulässi-ges Betreten unzulässi-gesichert waren.

Ein weiterer Unfall ereignete sich bei der Herstellung eines pyrotechnischen Satzes. Nachdem die Stoffe in einen Raum gemischt wurden, musste der Misch-behälter vom Verunfallten in einen anderen Raum des gleichen Gebäudes gebracht werden. Auf dem Weg über einen Flur öffnete er aus unerklärlichen Gründen den Mischbehälter. Dabei kam es zur Zündung des Sat-zes. Der Verunfallte erlitt schwere Brandverletzungen, an deren Folgen er nach 8 Wochen verstarb. Ein an-derer auf dem Flur stehender Beschäftigter wurde ebenfalls verletzt. Im Flur und an verschiedenen Aus-blasöffnungen und -wänden des Gebäudes entstand Sachschaden. Bei der Unfalluntersuchung wurden ver-schiedene Ursachen für das Zünden des pyrotech-nischen Satzes diskutiert. Es könnten z. B. Abwei-chungen beim Einwiegen der Satzkomponenten, elektrostatische Aufladungen oder auch Reibung bzw.

Schlag zur Umsetzung des Gemisches geführt haben.

Eine abschließende und eindeutige Ursache für das Zünden des pyrotechnischen Satzes ist derzeit noch nicht ermittelt.

Zur Demontage eines Werbeträgers an einer ca. 15 m hohen Säule wurde eine fahrbare Teleskoparbeitsbüh-ne durch eiTeleskoparbeitsbüh-ne Montagefirma angemietet. 2 Beschäftigte fuhren im Arbeitskorb der Arbeitsbühne zur Demon-tagestelle. Der Arbeitskorb verhakte oder verklemmte sich am Werbeträger. Eine mögliche Ursache dafür kann eine Fehlbedienung sein. Dadurch kam es zu nem Kraftaufbau am Arbeitsbühnengeländer, der ei-nerseits eine Achse des Fahrzeuges aushebelte und andererseits zum Abriss des verklemmten Schutzge-länders des Arbeitskorbes führte. Die plötzliche Ent-lastung des Arbeitskorbes führte zu einer „Peitschen-bewegung“ bei der die beiden Beschäftigten aus dem Korb heraus geschleudert wurden. Sie verstarben bei-de an bei-der Unfallstelle. Die Verunfallten wurbei-den am Vor-tag über die Bedienung der verwendeten Arbeitsbühne eingewiesen, sollten aber nicht allein mit den Arbeiten beginnen. Sie begannen die Arbeiten vor dem im

Auf-trag erteilten Zeitpunkt. Die Teleskoparbeitsbühne war für die geplanten Arbeiten geeignet und auch in einem technisch einwandfreien Zustand. Der Hersteller der Ar-beitsbühne empfiehlt in der Betriebsanleitung das Tra -gen von persönlicher Schutzausrüstung ge-gen Absturz (Sicherheitsgurte), die am Unfallort nicht vorhanden waren. Eine schriftliche Beauftragung der Beschäftig-ten, einer davon war Leiharbeitnehmer, zur Bedienung der Arbeitsbühne lag nicht vor. Sie waren auch nicht nach den berufgenossenschaftlichen Grundsätzen ausgebildet.

Ein letztes zu nennendes Ereignis 2012 war ein Massenunfall mit 3 tödlich verletzten Beschäftigten bei Strahlarbeiten. In einem Chemieunternehmen sollten Korrosionsschutzarbeiten an einer Fackel ausgeführt werden. Die frei geschaltete Fackel war eingerüstet.

Zunächst sollten Strahlarbeiten von oben nach unten durchgeführt werden. Für die Erzeugung der Press-luft standen 2 Kompressoren zur Verfügung, an die die Pressluftaufbereitung (Kühler, Windkessel, Sicherheits-gruppe), ein Vierfachverteiler, 3 Strahlsand-Silos und Steuerkabel angeschlossen waren. Am Vierfachvertei-ler waren die 3 Atemschläuche angeschlossen, die zu den Arbeitsplätzen auf den oberen Gerüstetagen führ-ten. Die 3 Beschäftigten legten am Boden die Strah-leranzüge an, nahmen die Strahlerhauben und fuhren mit dem Bauaufzug zu den Gerüstetagen, auf denen die Stahlarbeiten ausgeführt werden sollten. In dieser Zeit schaltete ein anderer Beschäftigter die Kompres-soren ein und wartete, dass die Strahlarbeiten begin-nen. Da er keinen Sichtkontakt zu den Strahlern hatte, wäre für ihn der Beginn der Strahlarbeiten nur durch das typische Strahlgeräusch und die Lastwechsel des Kompressors zu erkennen gewesen. Diese blie-ben aber aus und der Kompressorfahrer entschloss sich, zu den Arbeitsplätzen zu gehen. D. h., er musste das Gerüst über die Leitern besteigen. An den Arbeits-plätzen angekommen, stellte er fest, dass alle 3 Strah-ler leblos auf den Gerüstetagen lagen. Sie hatten alle noch die Strahlerhauben auf.

Die gerichtsmedizinische Untersuchung ergab bei allen 3 tödlich Verunfallten, dass die Einwirkung von to-xischen Stoffen ausgeschlossen werden kann und sie auf Grund von Sauerstoffmangel in der Atemluft erstickt waren.

Da die Ursachenuntersuchung und Bewertung noch nicht abgeschlossen sind, die Ermittlungen der Staats-anwaltschaft noch laufen, kann im vorliegenden Bericht noch keine abschließende Darstellung erfolgen.

Bei der Untersuchung der Arbeitsunfälle steht grund-sätzlich die Gefährdungsbeurteilung im Mittelpunkt. Sie ist seit Einführung des Arbeitsschutzgesetzes (Arb-SchG) 1996 eine gesetzliche Pflicht eines jeden Unter-nehmens. Nach § 6 ArbSchG muss das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung und die daraus abgeleiteten Schutzmaßnahen dokumentiert werden. Lediglich Kleinunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten sind von dieser Dokumentationspflicht ausgenommen. Den -noch sollten sie sich um ein sicheres und unfallfreies

Arbeiten in ihren Unternehmen Gedanken machen und diese ggf. auch schriftlich fixieren.

Bei den beschriebenen 10 Ereignissen konnten von 4 Unternehmern keine Gefährungsbeurteilung vorge-wiesen werden. Dazu gehören auch die beiden auslän-dischen Unternehmen. Bei den übrigen 6 untersuchten Ereignissen lagen Gefährdungsbeurteilungen vor, aller-dings nur bei 3 Unternehmen waren sie auf dem aktu-ellen Stand, die Übrigen waren nicht vollständig bzw.

nicht an die auszuführende Arbeitsaufgabe angepasst.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass wie in den vergangenen Jahren die meisten der tödlichen Ar-beitsunfälle vermeidbar gewesen wären. Insbesondere dann, wenn auf eine sorgfältige Arbeitsvorbereitung samt vollständiger bzw. den Arbeitsaufgaben ange-passte Gefährdungsbeurteilung und deren Umsetzung mehr Wert gelegt worden wäre. Dazu gehört auch die Bereitstellung von Betriebs- und Arbeitsanweisungen.

Aber auch die Beschäftigten sollten sich an Arbeitsauf-träge und -anweisungen halten und nicht eigenmächti-ge, „gut gemeinte“ Eigeninitiativen zeigen.

Auf diese organisatorischen Defizite in der Aufbau- und Ablauforganisation des Arbeitsschutzes in den Un-ternehmen wird die Arbeitsschutzverwaltung Sachsen-Anhalt künftig weiterhin das Hauptaugenmerk legen. Im Rahmen der „Anwendung der Grundsätze des behörd-lichen Handelns bei Betriebsbesichtigungen - System-kontrolle“ wird die Ausgestaltung und das Funktionieren der organisatorischen Regelungen in den Unterneh-men überwacht. Werden hierbei Mängel festgestellt, wirkt die Arbeitsschutzverwaltung auf eine geeignete Betriebsorganisation hin. Eine geeignete Organisation muss sicherstellen, dass die Arbeitsschutzvorschriften eingehalten und festgestellte Mängel abgestellt wer-den, Schwachstellen in der Arbeitsschutzorganisation analysiert und behoben werden, die Arbeitsbedingun-gen der Beschäftigten verbessert werden und auch das sicherheits- und gesundheitsgerechte Verhalten geför-dert wird.

Allgemeines

Die Ausbildung von Anwärtern und Referendaren (Beamte auf Widerruf) sowie ggf. weiteren Beamten für Tätigkeiten in der Arbeitsschutzverwaltung des Lan-des Sachsen-Anhalt organisiert das LanLan-desamt für Verbraucherschutz (LAV). Dabei wird darauf geachtet, dass die praktische Ausbildung möglichst auf der theo-retischen Ausbildung aufbaut.

Bisher wurde die theoretische Ausbildung der Beamten im Wesentlichen

• vom Ausbildungsverbund der Arbeitsschutzverwal-tungen der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklen-burg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen oder

• von der Verwaltungsschule der Sozialverwaltung in Wasserburg am Inn

durchgeführt. Seminare des Aus- und Fortbildungsins-tituts des Landes Sachsen-Anhalt können die theoreti-sche Ausbildung erforderlichenfalls komplettieren.

Die praktische Ausbildung der Beamten obliegt den Dezernaten des LAV-Fachbereichs Arbeitsschutz. Zur praktischen Ausbildung gehören in der Regel auch In-formationsaufenthalte bei Institutionen außerhalb des LAV (z. B. bei Trägern der gesetzlichen Unfallversiche-rung).

Im Jahr 2012 wurde die Ausbildung von 6 Anwär-tern zu Ende geführt und von 4 anderen AnwärAnwär-tern gestartet. Außerdem wurde die im Vorjahr begonnene Ausbildung von 4 Referendaren fortgesetzt.

Zur Ausbildung der Anwärter

Jeder der 6 im Herbst 2010 in das LAV eingestellten Anwärter schloss im Mai 2012 seine Ausbildung mit einer Proberevision erfolgreich ab. Bis dahin wurden im Berichtsjahr zur Ausbildung dieser Anwärter unter anderem Themen aus den Lehrmodulen

• Verwaltungsrecht und Ahndungsrecht,

• Arbeitsschutz bei bestimmten Produktions- und Ar-beitsverfahren sowie

• Umweltrecht intensiv behandelt.

Alle im November 2012 in das LAV eingestellten 4 Anwärter lernten zunächst die Organisation und den Dienstbetrieb des LAV sowie ihren Arbeitsplatz kennen.

Sie erhielten in diesem Ausbildungsabschnitt vor allem

• eine ausführliche Arbeitsschutzunterweisung,

• Erläuterungen zur Informations- und Kommunikati-onstechnik,

• Darlegungen hinsichtlich der Dienstvereinbarung über die Arbeitszeit und der Dienstanweisung

„Ver-1 .5 Ausbildung von Anwärtern und Referendaren für Tätigkeiten in der