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Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Verlängerung der täglichen Arbeitszeit bei Errichtung der

2 Sozialer Arbeitsschutz

2.4 Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Verlängerung der täglichen Arbeitszeit bei Errichtung der

Dipl.-Ing. Dietmar Glöckner

Im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) hat die geplante Hochleistungs-Ausbau- und Neubaustrecke der Deutschen Bahn (DB) AG Mün-chen-Berlin eine besondere Bedeutung. Gleichzeitig ist diese Strecke ein wichtiger Bestandteil der europäi-schen Nord-Süd-Verbindung auf dem Schienenweg.

Nach Fertigstellung von 3 Eisenbahntunneln und der Saale-Elster-Tal-Brücke im Süden von Sachsen-Anhalt, für welche arbeitszeitrechtliche Ausnahmege-nehmigungen durch das Landesamt für Verbraucher-schutz Sachsen-Anhalt (LAV) erteilt wurden, mussten für die neue ICE-Trasse Erfurt-Halle (Saale)/Leipzig (VDE 8.2) auch auf dem Territorium von Sachsen-An-halt Betontragschichten errichtet und der Oberbau her-gestellt werden.

Auftraggeber ist die DB Netz AG als Tochter der Deutschen Bahn AG. Das Auftragsvolumen beträgt insgesamt ca. 200 Mio Euro. Für dieses Verkehrspro-jekt wurde eigens eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) gegründet, in der sich verschiedene Bauunterneh-men, weitere ARGEn, Nach- und Subunternehmer so-wie Zeitarbeitsfirmen zusammenschlossen. Die ARGE beantragte beim LAV und beim Thüringer Landesbe-trieb für Arbeitsschutz für die Baustelle (VDE 8.2 VP Bahnbau/Oberbautechnik) für insgesamt 425 Arbeit-nehmer die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen zur Errichtung der Betontragschichten und zur Herstel-lung des Oberbaus in einem kontinuierlichen 12-Stun-den-Schichtsystem. Im Antrag wurde dargelegt, dass auf dieser Baustelle aus technischen und logistischen Gründen sowie zur Sicherstellung der Qualität des Ar-beitserzeugnisses/Arbeitsfortschritts Sonn- und Feier-tagsarbeit zur Herstellung der Betontragschichten und des Oberbaus sowie eine Verlängerung der täglichen

Abb. 1 Feste Fahrbahn: Regelquerschnitt auf Erdkörper mit Oberbau und Oberleitungsanlage (Grafik: DB AG)

Arbeitszeit über 10 Stunden zur Herstellung des Ober-baus erforderlich seien. Der Oberbau ist der Fahrweg der Eisenbahn und sorgt für eine exakte Spurführung der Züge und eine sichere Aufnahme aller einwirkenden Kräfte. Der Schotteroberbau und die „Feste Fahrbahn“

haben die Aufgabe, die aus Zuggewicht, Beschleuni-gung, Fahrzeuggeschwindigkeit, Sinuslauf, Tempera-turbelastung und Witterung entstehenden Kräfte sicher aufzunehmen und an den Unterbau weiterzuleiten.

Eine neue Qualität hat die Fahrbahn bei modernen Hochgeschwindigkeitsstrecken. Bei dieser Bauart wer-den die Schwellen nicht in Schotter, sondern in Beton oder Asphalt gebettet. Vorteil der „Festen Fahrbahn“ ist eine stabile Gleislage über Jahrzehnte und damit wenig Instandhaltungsaufwand.1

Die Herstellung der hydraulisch gebundenen Trag-schichten und der BetontragTrag-schichten erfolgt durch das Betonieren mit einem Gleitschalungsfertiger und anschließender Nachbehandlung in einem kontinuier-lichen Arbeitszyklus auf einer zusammenhängenden Länge von 500 m. Das hierbei geltende Regelwerk (ZTV - Beton Stb07) gibt vor, dass Tragschichten mit

1 Quelle:www.vde8.2.de

Abb. 2 Prinzipdarstellung Feste Fahrbahn (Grafik DB AG)

Abb. 3 Die vorgefertigten Gleistragplatten werden vom Liefer-LKW an den Ort des Einbaus gehoben (Foto: Porr AG)

hydraulischen Bindemitteln auf die Dauer von mindes-tens 3 Tagen (gemäß Vertrag mit der DB Projekt Bau sogar 4 Tagen) ständig feucht zu halten sind. Das hat zur Folge, dass Tragschichten nach Einbau an einem Freitag kontinuierlich auch am Wochenende nachzube-handeln sind. Durch diese Normenvorgabe wird sicher-gestellt, dass sich das Bauwerk beim Abbindevorgang des Betons, welcher zu einer starken Wärmeentwick-lung führt, nicht über ein zulässiges Maß erhitzt. Nur so kann eine Schädigung des Bauwerkes verhindert und die geforderte Qualität gesichert werden.

Auch die Herstellung des Oberbaus muss auf einem 500 m langen Herstellungsabschnitt in einem kontinu-ierlichen Arbeitszyklus erfolgen.

Nach dem Abladen der Gleistrageplatten werden diese mittels Portalkran erst grob, dann fein justiert.

Dabei ist die Fahrschiene schon aufgezogen und der Vermesser misst das Gleis ein. Anschließend wird der gesamte Abschnitt eingeschalt und für das Betonieren vorbereitet. Da es im Laufe des Tages zu starken Tem-peraturschwankungen kommt, welche eine Verwerfung der Gleisanlagen zur Folge haben können, muss der Zeitraum zwischen Feinjustierung und Betonage so kurz wie möglich gehalten werden. Eine Unterbrechung des Arbeitszyklus hat (analog zum Gleitschalungsbau der Betontragschichten) zur Folge, dass beim Arbeits-ergebnis mit erheblichen, nicht hinnehmbaren Quali-tätsverlusten gerechnet werden muss.

Gemäß § 13 Abs. 4 ArbZG soll die Aufsichtsbehör-de die Beschäftigung von Arbeitnehmern, abweichend von § 9 ArbZG, an Sonn- und Feiertagen bewilligen, wenn Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen mit Arbei-ten beschäftigt werden, die u. a. aus technischen Grün-den einen ununterbrochenen Fortgang auch an Sonn- und Feiertagen erfordern.

Außerdem kann die Aufsichtsbehörde gemäß §15 Abs. 1 Nr. 1 b ArbZG für Bau- und Montagestellen eine von den §§ 3, 6 Abs. 2 und 11 Abs. 2 ArbZG abweichen-de längere Arbeitszeit bewilligen.

Nach Prüfung der eingereichten Antragsunterlagen ergab die Sach- und Rechtslage, dass die Vorausset-zungen für eine Ausnahme auf dieser Großbaustelle der DB AG nach § 13 Abs. 4 ArbZG und nach § 15 Abs.

Abb. 4 Gießarbeiten für Feste Fahrbahn System ÖBB-Porr in einem ein-gleisigen Eisenbahntunnel (Foto: PORR AG)

1 Nr. 1 b ArbZG vorlagen. Die Arbeiten konnten aus technischen Gründen an Sonn- und Feiertagen nicht unterbrochen werden. Außerdem waren zur Sicherstel-lung des vorgegebenen Produktionszyklusses tägliche Arbeitszeiten von bis zu 12 Stunden erforderlich.

Entsprechend einer Vereinbarung zwischen der thü-ringer und der sachsen-anhaltinischen Arbeitsschutz-verwaltung war das LAV berechtigt, arbeitszeitrechtli-che Ausnahmegenehmigungen für die o. g. Baustelle auch für den Streckenabschnitt von Erfurt bis zur Lan-desgrenze Thüringen/Sachsen-Anhalt zu erteilen.

Die arbeitzeitrechtlichen Ausnahmegenehmigungen für Unternehmen, deren Betriebssitz sich außerhalb Sachsen-Anhalts befand, erfolgte nach Abstimmung im Einvernehmen mit den Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer Berlin, der Freistaaten Sachsen, Bayern und Thüringen ebenfalls durch das LAV.

Der Arbeitsmedizinische Dienst der Bau BG hatte in seiner Stellungnahme die Beschäftigung von Arbeit-nehmern an Sonn- und Feiertagen im Mehrschichtsys-tem und die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit aus arbeitsmedizinischer Sicht befürwortet. Die Arbeitsplät-ze und -abläufe waren überwiegend aus verfahrens-technischen Gründen so gestaltet, dass regelmäßige Freilaufphasen ohne körperliche und psychische Be-anspruchungen anfielen. Zudem wurde durch regelmä -ßige arbeitsmedizinische Untersuchungen dafür Sor-ge Sor-getraSor-gen, dass bei den einzelnen Mitarbeitern keine ernsthaften gesundheitlichen Bedenken gegen die kon-kreten Tätigkeiten bestanden.

Weiterhin hatte ein externer Sicherheitsdienst für Tunnelsicherheit in seiner arbeitssicherheitlichen Stel-lungnahme keine Bedenken gegen die geplante De-kadenarbeit geäußert, sofern die gesetzlichen Rah-menbedingungen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden. Eine Sicherheitsfachkraft überprüfte regelmä-ßig die Arbeitszeiten bei einem Dekadenbetrieb. Mit Unterzeichnung der zwischen der Geschäftsführung der ARGE und den Betriebsratsgremien der an der ARGE beteiligten Unternehmen abgeschlossenen Be-triebsvereinbarung sowie der Bestätigung der Schicht-pläne durch die Betriebsräte brachten diese ihr Einver-ständnis zur geplanten Sonn- und Feiertagsarbeit und

Abb. 5 Fertig gestellte Feste Fahrbahn System ÖBB-Porr in einem ein-gleisigen Eisenbahntunnel (Foto: PORR AG)

zur Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf dieser Baustelle zum Ausdruck.

Neben den positiven technologischen Effekten brachte das Schichtsystem auch Vorteile für die Be-schäftigten im Bahnbau.

Das vorgelegte Schichtsystem ließ erkennen, dass den Arbeitnehmern nach einen Schichtzeitraum von 9 Tagen 5 freie Tage zur Verfügung stehen. Nicht zu-letzt fand das der Ausnahmebewilligung zugrunde lie-gende Arbeitszeitregime bei den Mitarbeitern der be-teiligten Firmen große Resonanz, da die Mehrheit sehr weite Fahrstrecken zu ihren Wohnorten, z. T. im euro-päischen Ausland, zurücklegen mussten. Alle Arbeit-nehmer, welche an Sonn- oder Feiertagen arbeiten, erhalten die geforderten Ersatzruhetage innerhalb der gesetzlichen Frist des ArbZG. Auf der Baustelle wird außerdem sichergestellt, dass jeder Beschäftigte jähr-lich mindestens 15 arbeitsfreie Sonntage hat.

Abb. 6 Rollbrücke des Flughafens Leipzig/Halle (Saale) über die Neu-baustrecke Erfurt - Leipzig/Halle (Saale) (Foto: DB AG)