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Tätigkeiten mit Biologischen Arbeitsstoffen

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Dr. rer. nat. BERNHARD SCHICHT,

Landesamt für Verbraucherschutz, FB Arbeitsschutz, Dezernat Technischer und sozialer Arbeitsschutz, Dessau

Biologische Arbeitsstoffe

Mikroorganismen (Viren, Bakterien, Pilze, ihre Überdaue-rungs-, Verbreitungsstadien), einschließlich gentech-nisch veränderter Mikroorganismen, Zellkulturen, parasi-täre Ein- und Mehrzeller (tierische Einzeller, Würmer), die beim Menschen Infektionen, sensibilisierende oder toxische Wirkungen hervorrufen können. Hierzu zählen auch Erreger von übertragbaren spongiformen Enzep lopathien (z. B. Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, Rinder-wahns

ha-inn)

ffen.

Unter biologischen Arbeitsstoffen werden im Allgemeinen natürliche und gentechnisch veränderte Mikroorga-nismen verstanden, denen Arbeitnehmer bei ihrer Tätigkeit ausgesetzt sein können und die in der Lage sind, die Beschäftigten gesundheitlich zu gefährden. Es handelt sich dabei zu meist um mikroskopisch kleine, ein- oder mehrzellige Organismen, mit denen Arbeitnehmer in den verschiedensten Tätigkeitsbereichen durch die direkte Verwendung von Mikroorganismen oder durch den

Um-gang mit Stoffen und Materialien, die diese Organismen enthalten oder denen natürlicherweise oder durch Verun-reinigungen diese Organismen anhaften in Kontakt kommen. Schätzungen zufolge werden in Deutschland Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen an ca. 20%

der Arbeitsplätze durchgeführt, welche in den unter-schiedlichsten Branchen anzutreffen sind. Die Bandbreite reicht von A bis Z, vom Arbeitsplatz in der Arztpraxis oder im Krankenhaus durch den Kontakt zu Patienten und humanen Probenmaterial, über den Mitarbeiter in der landwirtschaftlichen Produktion und Nutztierhaltung, den

Müllwerker bei der Abfallsammlung und Abfallverwertung/-beseitigung oder dem Lagerarbeiter in einem Getrei-desilo bis hin zum Zerspaner beim Umgang mit verunreinigten wassergemischten Kühlschmiersto

Der Schutz der Beschäftigten vor biologischen Arbeitsstoffen beruht auf dem Arbeitsschutzgesetz und wird mit der Biostoffverordnung spezifisch geregelt. Normadressat ist der Arbeitgeber, der entsprechend der durchzufüh-renden Gefährdungsbeurteilung die erforderlichen Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung der Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) festlegt und umsetzen muss. Das Gefährdungspotential bei Tätig-keiten mit biologischen Arbeitsstoffen wird durch eine allgemeine Komponente, die auch an anderen Arbeits-plätzen aufzutreffen ist (z. B. mechanische, physikalische Einwirkungen) und durch eine spezifische Komponen-te, die Eigenschaften der biologischen Arbeitsstoffe, bestimmt.

Eine Spezifik der biologischen Arbeitsstoffe liegt z. B. in der Vermehrungsfähigkeit, so dass sich beim Vorliegen entsprechender Bedingungen durch die Vermehrung der Organismen Risiken entwickeln bzw. potenzieren können. Da dem Menschen die Sensibilität der Sinnesorgane fehlt, unsichtbare Gefahren frühzeitig möglichst vor einer pathologischen Veränderung wahrzunehmen, ist ein spezielles Gefahren- und Risikobewusstsein des Arbeitgebers, der exponierten Beschäftigten sowie der kontrollierenden Behörde erforderlich. Dabei erfordern das Erkennen, die Beurteilung der Gefährdung und die Bewertung der Schutzmaßnahmen und das damit ver-bundene Restrisiko und die Beratung die Verfolgung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung.

Der Fachbereich Arbeitsschutz hat im Jahr 2006 die Schwerpunktaktion zum Arbeits- und Gesundheits-schutz bei der Tötung von Hausgeflügel im Bestand zu Ende geführt und eine Broschüre zum Thema he-rausgegeben (siehe Abb. 10.1). Schwerpunkt der Untersuchung bildete die Tötung von Geflügel durch Kohlen-dioxid-Exposition mittels SRM-Container mit Spezialdeckel. Siehe hierzu auch Jahresbericht 2005. Die Beschäf-tigten sind im Rahmen der erforderlichen tierseuchenrechtlichen Maßnahmen insbesondere bei der Ausstallung, Tötung und Entsorgung von erkranktem Geflügel, bei Reinigungs-, Desinfektions- und Entwesungsarbeiten in kontaminierten Ställen nicht nur einem erhöhten Infektionsrisiko, sondern auch chemischen, mechanischen und psychischen Gefährdungen ausgesetzt. Die genannte Broschüre beinhaltet nicht nur den Aspekt der Klassi-schen Geflügelpest („Vogelgrippe“), sondern stellt die Anlässe, die zur Tiertötung im Bestand führen können, insgesamt und die erforderlichen Techniken und Tätigkeiten bei der Bestandstötung dar. Außerdem werden Hinweise zur Gefährdungsbeurteilung gegeben, die möglichen Gefährdungen und die sich daraus ableitenden Schutzmaßnahmen dargestellt. Abgerundet wird die Broschüre durch eine herausnehmbare Musterbetriebsan-weisung und Hinweisen zur Kennzeichnung und zum Einsatz persönlicher Schutzausrüstung. Die Broschüre

stieß bei den im Rahmen der behördlich angeordneten Tötung verantwortlichen Tierhaltern sowie den zuständi-gen und beteiligten Behörden auf sehr großes Interesse und fand Eingang in das Technische Regelwerk [A-BAS-Beschluss 608 „Empfehlung spezieller Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Infektionen durch hochpathogene aviäre Influenzaviren (Klassische Geflügelpest, Vogelgrippe)“].

M U S T E R B E T R I E B S A N W E I S U N G Arbeitsbereichsbezogen nach § 12 Abs. 1 Biostoffverordnung und § 14

Ge-fahrstoffverordnung

Datum, Unterschrift

GEFAHRENBEZEICHNUNG

Nicht gezielte Tätigkeiten mit Tierseuchenerregern und Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln bei der Bekämpfung von Tierseuchen und tierseuchenähnlichen Erkrankungen des Hausgeflügels

GEFÄHRDUNGEN FÜR DEN MENSCHEN

Biologische Arbeitsstoffe

- Tierseuchenerreger (Bakterien, Viren) der auf den Menschen übertragbaren Krankheiten (Klassische Geflügel-pest („Vogelgrippe“), Newcastle-Krankheit, Ornithose, Salmonellose, Campylobacteriose, Botulismus); Risiko-gruppe 2 und 3 nach BioStoffV

Gefahrstoffe

- Desinfektionsmittel mit den Wirkstoffen: Formaldehyd, Peressigsäure, Natriumhydroxid, Kalziumoxid (Brannt-kalk), Kalziumhydroxid (Löschkalk)

- Betäubungs- und Tötungsmittel: Kohlendioxid (gasförmig)

Gesundheitsgefahren

- Infektionskrankheiten durch Bakterien und Viren

- Sensibilisierende und toxische Wirkungen durch Gefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffe, Stallstaub

Aufnahmepfade

- Atemluft (Bakterien, Viren, Gase, Stäube)

- Haut, Schleimhaut (Bakterien, Viren, Gase, Stäube, Chemikalien, Desinfektionsmittel) - Mund (Kontakt-/Schmierinfektion mit Bakterien und Viren)

Allgemeine Hinweise

- Staubgebundene Gefahrstoffe und Tierseuchenerreger können durch verschmutzte Kleidung, Schutzkleidung oder Gegenstände und Materialien verschleppt werden!

- Zusätzliche Gefährdungen, z. B. durch spannungsführende Teile, Fahrzeugverkehr, Absturzgefahr bei Betreten der Container, sind gesondert zu beachten!

V E R H A L T E N S R E G E L N und S C H U T Z M A ß N A H M E N Den vor Ort getroffenen tierseuchenrechtlichen Forderungen ist strikt Folge zu leisten und die festgelegten Maß-nahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz sind einzuhalten.

1. Der Zutritt zu belasteten Bereichen ist auf den notwendigen Personenkreis zu beschränken. Die Personen sind schriftlich zu erfassen und zu unterweisen (Arbeits- und Infektionsschutz, An- und Ablegen der persönlichen Schutzausrüstung (PSA), einschließlich Schutzkleidung, Desinfektionsmaßnahmen).

2. Staubentwicklung und Aerosolbildung sind zu minimieren, z. B. beim Ausstallen, Töten der Tiere sowie bei Rei-nigungs- und Desinfektionsarbeiten. Möglichst mechanisierte Sammlung und Entsorgung der getöteten Tiere.

3. Essen, Trinken, Rauchen, Schnupfen, Kaugummi kauen, der Gebrauch von Kosmetika und die allgemeine, pri-vate Nutzung von Mobiltelefonen sind in kontaminierten Bereichen untersagt.

4. Zündquellen von Gefahrstoffen fernhalten.

5. Behälter mit Gefahrstoffen, auch entleerte, geschlossen halten, auf richtige Kennzeichnung mit den entspre-chenden Gefahrensymbolen achten.

6. Vor dem Betreten der kontaminierten Bereiche ist geeignete persönliche Schutzausrüstung anzulegen, die durch den Arbeitgeber in ausreichender Menge bereitzustellen ist. Die vorgesehene persönliche Schutzausrüs-tung ist durch die Beschäftigten zu tragen.

7. Zur persönlichen Schutzausrüstung gehören:

- körperbedeckende Arbeitsschutzkleidung (z. B. Einwegschutzkleidung Kat. III, Typ 4,5,6; je nach Tätig-keit ggf. auch flüssigTätig-keitsdicht Typ 3),

- die Haare abdeckende Kopfbedeckung (z. B. Kapuze der Einwegschutzkleidung), - desinfizierbare, abwaschbare Stiefel (z. B. Gummistiefel) bzw. mechanisch beständige Überziehstiefel, - mechanisch beständige, flüssigkeitsdichte, desinfizierbare Schutzhandschuhe mit langen Stulpen (z. B.

aus Nitril, velourisiert oder textilgefüttert)

- Augenschutz gegen Staub und Flüssigkeitsspritzer(z. B. enganliegende Vollschutzbrille mit indirekter Be-lüftung, ggf. für Brillenträger geeignet)

- Atemschutz (Tragezeitenbegrenzung und Pausenregelung beachten!)

Bitte wenden!

Abb. 10.1 Layout der Broschüre „Tötung von Hausgeflügel aus besonderem Anlass

(Download: www.verbraucherschutz.sachsen-anhalt.de/arbeitsschutz/publikationen/tierseuchenbekaempfung.pdf)

Die weitere messtechnische Überprüfung des Verfahrens der Tötung durch Kohlendioxid-Exposition in Zusam-menarbeit mit den Kollegen im Freistaat Thüringen ergab, dass die Ungefährlichkeit der Umgebungsatmosphä-re hinsichtlich der CO2-Konzentration messtechnisch zu überprüfen ist. Kann diese nicht gewährleistet werden, ist ein Bereich von bis zu 4 m um den Container abzusperren. Beschäftigte, die Geflügel manuell in den Contai-ner einzuwerfen haben, sind mit einem Gasmessgerät auszustatten, welches beim Erreichen des Arbeitsplatz-grenzwertes von 5.000 ml CO2 pro m3 Luft einen Warnton abgibt.

Gentechnisch veränderte biologische Arbeitsstoffe

Tätigkeiten mit gentechnisch veränderten biologischen Arbeitsstoffen sind in der Regel vom Geltungsbereich der BioStoffV ausgenommen. Die Herstellung und Verwendung unterliegt dem Gentechnikgesetz und seinen Ver-ordnungen. Der Begriff des gentechnisch veränderten Organismus umfasst dabei nicht nur gentechnisch verän-derte Mikroorganismen, sondern jede gentechnisch veränverän-derte biologische Einheit, die sich vermehren bzw.

genetisches Material weitergeben kann, und schließt somit auch Tiere und Pflanzen ein. Gentechnische Arbei-ten haben in angemeldeArbei-ten bzw. genehmigArbei-ten gentechnischen Anlagen zu erfolgen, in denen entsprechend dem möglichen Risiko der Kontakt der Organismen zu Mensch und Umwelt durch bauliche, technische, organi-satorische und personenbezogene Maßnahmen (Sicherheitsstufe 1 bis 4) minimiert bzw. verhindert wird.

Im Land Sachsen-Anhalt werden derzeit 156 gentechnische Anlagen betrieben, deren Standorte sich auf die Universitäten in Magdeburg und Halle und auf den Bereich Gatersleben konzentrieren (vgl. Abb. 10.2). Die An-zahl der gentechnischen Anlagen ist nicht identisch mit der AnAn-zahl der gentechnischen Arbeiten, da in einer Anlage mehrere Arbeiten durchgeführt werden können.

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1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Zeitraum

Anzahl

S1 S2 S3/S4 Anlagen gesamt Betreiber

Abb. 10.2 Anzahl der gentechnischen Anlagen und Betreiber im Land Sachsen-Anhalt (Stand 31.12.2006)

Im Rahmen des erforderlichen Anmelde- und Genehmigungsverfahrens für gentechnische Anlagen und Arbei-ten geben die örtlich zuständigen Dezernate des Fachbereiches Arbeitsschutz eine Stellungnahme zum Ar-beitsschutz gegenüber der Genehmigungsbehörde, dem Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt (LVwA), ab und sind so in den Entscheidungsprozess eingebunden (vgl. Abb. 10.3). Mit der Stellungnahme ist in der Regel auch eine Begehung der Anlage verbunden. Im Berichtszeitraum handelte es sich zum überwiegenden Teil um Änderungen, Erweiterungen gentechnischer Anlagen bedingt durch Umzug der Betreiber und Durchführung weiterer gentechnischer Arbeiten. Dies erklärt auch den nahezu unveränderten Anlagenbestand.

Darüber hinaus sind die Regionalbereiche hinsichtlich des Schutzes der Arbeitnehmer für die Überwachung der Durchführung des GenTG, der Verordnungen sowie behördlicher Anordnungen und Verfügungen verantwort-lich.

Abb. 10.3 Anmelde- und Genehmigungsverfahren Anmelde

Anmelde--und Genehmigungsverfahren für gentechnische Arbeiten und Genehmigungsverfahren für gentechnische Arbeiten und Anlagen

Überwachung des Anwendungsbereiches Überwachung des Anwendungsbereiches

Z u s t ä n d i g e B e h ö r d e Z u s t ä n d i g e B e h ö r d e

Technisch-organisatorische ÜW Begehungen, Befragungen, Prüfungen Kontrolle der Aufzeichnungen Beratung, Unterrichtung, Belehrung

Experimentelle ÜW Probenahme, Probenbearbeitung Auswertung

- Auffindung von Sicherheitsmängeln - Überprüfung der Einstufung

aufzeichnungspflichtiger Arbeiten - Ermittlung von Vorkommnissen - Durchsetzung des Sicherheitskonzeptes

- Messtechnische Kontrolle des Containments

- Ermittlung des Überlebens, der Ausbreitung von GVO und des Gentransfer in der Umwelt

Betreiber, Errichtung und Betrieb einer gentechnischen Anlage

Abb. 10.4 Überwachung des An-wendungsbereiches

Die Inhalte der Überwachungsmaßnahmen sind in Abb. 10.4 dargestellt. In der Regel sind durch die Überwa-chungsbehörden technisch-organisatorische Überwachungsmaßnahmen durchzuführen, wobei das örtlich zuständige Dezernat der Gewerbeaufsicht und das LVwA (zuständig für die anderen Rechtsgüter) diese Maß-nahmen koordinieren.

Bei den Begehungen und Aufzeichnungskontrollen wurden keine Abweichungen von den geplanten Arbeiten und keine schwerwiegenden Verstöße gegen andere durch die Gewerbeaufsicht zu vollziehende gesetzliche Bestimmungen festgestellt. Insgesamt werden die gentechnischen Arbeiten unter einem dem Stand der Technik entsprechenden Sicherheitsstandard durchgeführt.

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