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Dass Universitätsstudierende in Zeiten der COVID-19-Pandemie stressbedingte Reaktionen bezüglich der Angst vor Ansteckung und den Einschränkungen des persönlichen Lebens erleben könnten, veranlasste Zurlo, Cattaneo Della Volta und Vallone (2020) dazu einen Fragebogen zu studentischem Stress zu entwickeln, welcher als Messinstrument zur Einschätzung von Stressquellen im Zusammenhang mit COVID-19 bei Hochschüler*innen eingesetzt werden soll. Mit der Begründung, dass der Tagesablauf der Studierenden durch die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie von starken Veränderungen betroffen war, bildeten sie neben einer Isolationsskala sowie einer Skala zur Angst vor Ansteckung auch eine dritte Skala zur Wahrnehmung von Beziehungen und des akademischen Lebens. Diese enthält Fragen zur Wahrnehmung der Beziehungen zu Verwandten, zu Kommiliton*innen und zu Professor*innen sowie zum Erleben des Studiums zum Zeitpunkt der COVID-19-Pandemie.

Darüber hinaus gibt es bereits auch einige Studien, welche die aktuelle Stressbelastung während der COVID-19-Pandemie unter Studierenden mit anderen Fragebögen untersuchten und deren Daten darauf hinweisen, dass Studierende ein moderates bis hohes Maß an Stress erleben. So führten AlAteeq, Aljhani und AlEesa (2020) eine Befragung zur Stresswahrnehmung bei Schülern von Mittelschulen, weiterführenden Schulen und Studierenden in Saudi-Arabien im März 2020, zum Zeitpunkt der COVID-19-Pandemie als die Präsenzlehre eingestellt war, durch. Insgesamt nahmen 357 Proband*innen teil, wobei der Großteil zum Messzeitpunkt eine weiterführende Schule besuchte. Gemessen anhand der Perceived Stress Scale (PSS), stellten die Forscher bei 55% der befragten Personen ein moderates Stresslevel fest, während sie bei 30% ein hohes Stresslevel fanden. Auch wenn der Anteil der Studierenden sehr gering war, wiesen ihre Daten darauf hin, dass Studierende an Universitäten eine signifikant höhere Stresswahrnehmung zeigten als die beiden Schülergruppen. Unter den 23 Studierenden berichteten 14 ein moderates und 9 ein hohes Stressniveau, wobei die Repräsentativität einer so kleinen Stichprobenzahl als stark eingeschränkt eingeschätzt werden sollte. Weiterhin wiesen die weiblichen Befragten ein signifikant höheres Stresslevel im Vergleich zu den männlichen Probanden auf.

Auch die Daten von 291 Universitätsstudierenden in Frankreich im ersten Studienjahr, die aus einer internationalen Umfrage zur psychischen Gesundheit von Studierenden stammten, zeigten, dass während der in Frankreich geltenden Beschränkungen im Rahmen von COVID-19, über 60% der Stichprobe moderaten bis starken Stress empfand (Husky, Kovess-Masfety

& Swendsen, 2020). Erfasst wurde die Stresswahrnehmung, indem die Befragten auf einer fünf-stufigen Likert-Skala angeben sollten, wie viel Stress sie zum Messzeitpunkt bezüglich verschiedener Bereiche empfanden. Die Bereiche umfassten Finanzen, Gesundheit, romantische Beziehungen, Beziehungen zur Familie, Beziehungen zu Arbeitskolleg*innen oder Kommiliton*innen, Gesundheit und Probleme von wichtigen Bezugspersonen sowie allgemeiner Stress im Leben. Zusätzlich erhoben die Autor*innen Informationen dazu, ob die Studierenden im Rahmen der Pandemie zu ihren Eltern zurückgezogen waren. Die meisten derjenigen, die einen Umzug vollzogen hatten, lebten danach bei ihren Eltern in ländlichen Regionen sowie in einem Haus mit Zugang zu einem Außenbereich, wie ein Garten.

Diejenigen, die nicht umgezogen waren, lebten alleine oder mit Mitbewohner*innen. Es zeigte sich, dass diejenigen, die an ihrem ursprünglichen Wohnort geblieben waren eher von allgemeinem Stress- sowie Angstsymptomen, finanziellem Stress und Stress bezogen auf die Gesundheit wichtiger Bezugspersonen betroffen waren.

Eine weitere Studie, die von April 2020 bis Mai 2020 an einer Medizinischen Universität in Saudi-Arabien durchgeführt wurde, hatte das Ziel die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Lernerfahrung von Medizinstudierenden sowie Zusammenhänge zwischen dem wahrgenommen Stresslevel, Bewältigungsstrategien sowie studiumsbezogenen Variablen zu untersuchen (Abdulghani, Sattar, Ahmad & Akram, 2020). Dazu wurde die K10-Screening-Skala für unspezifischen psychischen Distress sowie ein selbst entworfener Fragebogen mit 18 Items zur Erfassung der Bewältigungsstrategien und studiumsbezogenen Variablen verwendet. Die Antworten der 243 Proband*innen zeigten, dass mehr als die Hälfte der Medizinstudierenden Stress empfand, wovon ca. ein Drittel moderaten oder starken Stress angab. Darüber hinaus konnte ein signifikanter Unterschied im Stresserleben hinsichtlich des Geschlechts festgestellt werden. So wiesen signifikant mehr weibliche Medizinstudierende erhöhten Stress im Vergleich zu den männlichen auf (40% vs. 17%). Studierende im zweiten und insbesondere im dritten Studienjahr wiesen ein höheres Stresslevel als Studierende im ersten Studienjahr auf. Weiterhin fanden die Autor*innen, dass studiumsbezogene Variablen, wie Aussagen, dass „Lernen zu einer Belastung geworden ist“ oder „dass Online-Lernen zu Schwierigkeiten beim Zeitmanagement führt“, „dass es schwierig ist, sich bei Online-Lehr-Sessions zu konzentrieren“ oder „dass man vor Online-Lehr-Sessions aufgrund der nötigen Internetverbindung psychisch unter Druck steht“, in signifikantem Zusammenhang mit dem empfundenen Stressniveau standen, was anhand von Chi Quadrat Tests ermittelt wurde. Ca. 22% derjenigen Studierenden, die angaben die Onlinelehre nicht zu bevorzugen, erlebten starken Stress. Ähnlich hoch war das Niveau bei Studierenden, welche die Onlinelehre ablehnten oder angaben, keine Vorzüge des Studiums während COVID-19 zu finden, wohingegen die Studierenden, die Freude am Studium während COVID-19 entwickelten, das geringste Ausmaß an Stress erlebten.

Auch in einer Studie von Lyons et al. (2020) zu Einflüssen der COVID-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Medizinstudierenden in Australien zeigte, dass diese ein moderates Level an Stress erfuhren. Die Daten wurden anhand von 297 Medizinstudierenden in Australien nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie mithilfe der K10-Screening-Skala für unspezifischen psychischen Distress gewonnen. Auch in dieser Studie wiesen die weiblichen Studierenden im Mittel signifikant höhere Stresswerte auf als ihre männlichen Kommilitonen. Weiterhin wurden Fragen in Bezug auf die Auswirkungen von COVID-19 auf verschiedene Lebensbereiche sowie zu Sorgen bezüglich COVID-19 und hilfreichen Aktivitäten und Strategien zum Umgang mit der Situation gestellt. Beim Vergleich der Antworten ihrer Stichprobe mit den Daten früherer Studien, stellten die Autor*innen fest, dass

in ihrer Studie mehr Studierende über eine sehr hohe Stresswahrnehmung berichteten im Vergleich zu den früheren Studien. Darüber hinaus gab die Mehrheit der Studierenden auch selbst an, dass sie negative Auswirkungen auf ihr Studium und ihr Stressniveau erleben. Als häufigste Sorge im Zusammenhang mit COVID-19 nannten die Befragten den Einfluss von COVID-19 auf ihr Studium (81%), gefolgt von der Unsicherheit über eine Rückkehr zu Normalität (72%). Auch Bedenken bezüglich ihres Abschlusses traten bei einigen Studierenden auf (39%). Allerdings konnten keine Unterschiede hinsichtlich der Stresswerte in den unterschiedlichen Studienjahren gefunden werden.

Eine weitere Studie, die ein moderates Stresslevel, gemessen mit der Perceived Stress Scale (PSS) unter Studierenden feststellte, wurde mittels halbstrukturierter Interviews mit 195 Studierenden einer Hochschulgemeinschaft in Texas, USA, im April 2020, durchgeführt (Son et al., 2020). Zu diesem Zeitpunkt war der Campus der Hochschulen geschlossen, das Kursangebot fand als Fernlehre virtuell statt und die Menschen waren dazu aufgerufen zu Hause zu bleiben. In den Interviews wurde den Studierenden über die Erhebung der Stresswahrnehmung anhand des standardisierten Fragebogens hinaus, auch die Frage gestellt, ob ihr Stress- sowie Angsterleben durch die Pandemie gestiegen, gesunken oder gleichgeblieben sei, woraufhin 71% angaben, dass ihr Stress- sowie Angsterleben zugenommen habe und 97% der Meinung waren, dass ihre Kommiliton*innen dies ebenso erleben. Da es das Ziel der Studie war, Hauptstressoren der COVID-19-Pandemie zu identifizieren und deren Auswirkungen auf die mentale Gesundheit der Studierenden festzustellen, wurden die Studierenden außerdem zu Stressoren in verschiedenen Lebensbereichen sowie Bewältigungsstrategien, suizidalen und depressiven Gedanken befragt. Als studiumsbezogene Stressoren konnten die Autor*innen bei 82% der befragten Personen verstärkte Bedenken bezüglich der akademischen Leistung identifizieren. Als größte Herausforderung nahmen 38%

der Studierenden den Wechsel auf Online-Kurse war. Dies äußerte sich als Besorgnis über plötzliche Änderungen im Lehrplan, die Qualität der Kurse, technische Probleme mit Online-Programmen sowie über die Schwierigkeit des Online-Lernens. 23% der Teilnehmenden waren außerdem über ihren Studienfortschritt und ihre zukünftige Karriere besorgt. 14% der Teilnehmenden nannten die Unsicherheit über ihre Noten unter der Online-Lernumgebung als einen der Hauptstressoren. Auch reduzierte Lernmotivation sowie die Neigung zur Prokrastination wurden von 8% als Stressoren angegeben.

In der Untersuchung von Prowse et al. (2021) an 366 Studierenden in Kanada, die von Mai bis August 2020 durchgeführt wurde, gaben 32.5% der Befragten an, dass COVID-19 das eigene Stresserleben sehr bzw. äußerst negativ beeinflusst hat. Dabei stellten die Autor*innen

einen Geschlechterunterschied fest. So gaben im Vergleich zu den männlichen Studierenden, signifikant mehr weibliche Studierende an, dass das eigene Stressniveau durch COVID-19 sehr bzw. äußerst negativ beeinflusst wurde, während signifikant mehr männliche Studierende angaben, keinen oder kaum einen negativen Einfluss auf das eigene Stresslevel durch COVID-19 zu erleben. Auch im Hinblick auf den Umgang mit der Umstellung der Lehre, die akademische Leistung, das Erleben der sozialen Isolation sowie die generelle psychische Gesundheit berichteten die weiblichen Probandinnen signifikant häufiger negative Auswirkungen und Schwierigkeiten durch COVID-19 im Vergleich zu ihren männlichen Kommilitonen.

Die erwähnten Studien wurden alle als Querschnittsuntersuchung mit nur einem Messzeitpunkt vorgenommen, die zwar Informationen über das aktuelle Stresslevel von Studierenden liefern, aber keine direkte Vergleichsmöglichkeit zu vor der COVID-19-Pandemie bieten. Auch wenn die Proband*innen im Selbstbericht über eine gestiegene Stresswahrnehmung berichteten (Lyons et al., 2020; Prowse et al., 2021; Son et al., 2020) oder die aktuellen Daten mit solchen aus früheren Studien verglichen wurden, wie z.B. Lyons et al.

(2020) vorgegangen sind, bieten longitudinale Untersuchungen mehr Aufschluss in Bezug darauf, ob die COVID-19-Pandemie und die damit verbunden Umstellungen zu einem erhöhten Stresserleben unter Studierenden führte.

Eine solche Längsschnittuntersuchung zum Stresserleben vor und während der COVID-19-Pandemie, wurde von Shanahan et al. (2020) durchgeführt. Die Daten dazu stammten aus dem Züricher Projekt zur sozialen Entwicklung von Kindern (z-proso), das über 1.400 Kinder seit ihrem Eintritt in die Grundschule im Jahr 2004 regelmäßig befragte, wobei die achte Datenerhebungswelle im Jahr 2018 im Alter von 20 durchgeführt wurde. Um ihre Studie durchzuführen, kontaktierten die Autor*innen, die mittlerweile 22-jährige Kohorte und lud sie dazu ein, an einer Online-Studie zu COVID-19, die im Zeitraum vom 11. bis 18. April in der vierten Woche des Lockdowns in der Schweiz stattfand, teilzunehmen, woraufhin sich 786 Proband*innen fanden. Die Stichprobe bestand somit aus jungen Erwachsenen, die über einen unterschiedlichen Bildungsstand verfügten, sodass die Daten nur unter Vorbehalt auf Studierende übertragbar sind. Im Fragebogen aus dem Jahr 2020 wurden neben dem wahrgenommenen Stress, welcher anhand von vier Items aus der Perceived Stress Scale erhoben wurde, weitere Faktoren emotionaler Belastung sowie COVID-19-bezogene Stressfaktoren und Bewältigungsstrategien gemessen. Aus den Daten von 2018 wurden die Antworten zum Stresserleben, zu emotionaler Belastung sowie Stressoren, die typischerweise im Zusammenhang mit emotionalen Belastungen stehen, extrahiert. Beim Vergleich der Daten

von vor der Pandemie mit den Daten während der Pandemie, wurde ein signifikant höheres Stresslevel während der Pandemie im Vergleich zu vor der Pandemie festgestellt. Mittels Regressionsanalysen konnten die Autor*innen weiterhin feststellen, dass die stärkste Vorhersagekraft für emotionale Belastungen während der COVID-19-Pandemie das Stresserleben vor der Pandemie, sowie wirtschaftliche und psychosoziale Stressfaktoren, wie Veränderungen im Lebensalltag, während der Pandemie darstellten. Gesundheitsrisiken für wichtige Bezugspersonen oder sich selbst waren nur in geringem Ausmaß mit der erlebten Belastung assoziiert. Weiterhin zeigte sich, dass Frauen im Vergleich zu Männern sowohl während, als auch vor der Pandemie höhere Stresslevel aufwiesen und das Ausmaß an Stresserleben vor der Pandemie, neben dem Ausmaß der Einschränkung des Lebensstils während der Pandemie und dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit, einen maßgeblichen Faktor für das Stresserleben der Frauen während der Pandemie darstellte.